Diverses:Wort zum Sonntag/KW 48 2017

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Liebe Gemeinde

Während hier im Flachland Westdeutschlands der erste Schnee des Jahres sich wie üblich in eine schlammige Pampe verwandelt und der Kaffee aus der Maschine tröppelt, wird es wieder mal Zeit, das nächste Wort zum Sonntag zu tippen. Mein 22. ist diesem Jahr übrigens. Bei einer so schönen Schnapszahl wird es eigentlich trotz der frühen Stunde (während ich dies tippe, ist es gerade kurz nach 9 Uhr) Zeit für einen Kurzen. Vielleicht keine schlechte Idee – Denn auch diese Woche gab es wieder jede Menge Geschichten, über die man besser nicht nüchtern redet. Über Dinge, die man irgendwie oder scheinbar nicht braucht.

Wer braucht schon Gesundheit?

Das wird man ja wohl mal fordern dürfen?

Nachdem sich die EU letzte Woche schon ausgibig damit beschäftigt hat, dunkle Pommes wegen möglichem Krebsverdacht zu verbieten, wurde diese Woche in einem Anfall von europäischer Doppelmoral beschlossen, dem wesentlich wahrscheinlicher krebserregenem Pflanzengift Glyphosat auch für die nächsten fünf Jahre die Freigabe auf den Feldern Europas zu erteilen. Das ist nur konsequent, wenn man bedenkt, dass die Felder Europas ja auf anderem Wege bereits seit über 70 Jahren nicht mehr von Tod und Verderben behelligt werden.

Maßgeblich beteiligt an dieser doch etwas fragwürdigen Entscheidung: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Ein Mann, der bislang nicht nur dem Namen nach so durchschnittlich war, dass viele nicht mal von seiner Existenz etwas erahnen konnten. Macht man sich aber klar, dass der Mann in der gleichen Partei wie die Herren Seehofer und Dobrindt ist, hätte man schon damit rechnen können, dass auch Christian Schmidt dazu bestimmt ist, als Minister Dummes zu tun.

Zusatzpunkte auf der nach oben offenen „Das war irgendwie dumm so vong Gedanken her“-Skala gibt es für Schmidtchen Feldschleicher übrigens auch noch – Denn das „Ja“ des bayrischen Agrar-Bullen sorgt nun nämlich für ordentlichen Zoff mit der SPD, die (aus Ermangelung an anderen aktuell greifbaren Begründungen) die Vertrauensbasis für eine Fortsetzung der Großen Koalition gefährdet sehen. Denn: Die SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks war von einer ganz anderen Entscheidung ausgegangen – Sie selbst war nämlich GEGEN die Verlängerung und so war es mit Schmidt eigentlich abgesprochen, sie vor dem EU-Ministerrat bezüglich Glyphosat offiziell zu enthalten. Der jedoch entschied sich – ganz nach bayrischer Gutsherrenart – dafür, dass die Meinung einer CSU-externen Person für ihn als nebensächlich zu betrachten ist. Und fertig war der Schlamassel.

Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte am folgenden Tag fest, die Zustimmung trotz Veto von Umweltministerin Hendricks sei ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung und rügte Schmidt für sein Verhalten, sprach ihm jedoch nicht ihr Vertrauen aus, was irgendwie ja auch wieder für sich spricht. Denn relativ schnell wurde in der ganzen Angelegenheit klar, dass es sich hier um ein ziemlich abgekartertes Spiel handelt. Nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung war die Zustimmung des Landwirtschaftsministeriums trotz fehlender Beschlusslage der Regierung sowie widersprechendem Koalitionsvertrag bereits monatelang vorbereitet worden – Und immerhin sei ja sogar Horst Seehofer über das Vorgehen informiert gewesen. Kein Wunder - Schließlich ist jeder CSU-Minister ausschließlich dem Bayrischen König Rechtschaffenheit schuldig und hat an diesen Bericht zu erstatten. Angeblich erhielt Schmidt bereits seit Juli 2017 Empfehlungen vom Fachreferat für Pflanzenschutz dahingehend, überprüfen zu lassen, ob man auch ohne Zustimmung des Umweltministeriums der Verlängerung zustimmen könne.

Dies alles führt vor allem zu einer Erkenntnis: So sehr die Politik auch behaupten möchte, für die Gesundheit ihrer Bürger eintreten zu müssen und sich deshalb mit Nichtigkeiten wie verbrannte Fritten kümmert, so offensichtlich ist es, dass all dieser Schein verfliegt, sobald es um die Interessen von Großunternehmen wie Glyphosat-Hersteller Monsanto geht. Dann ist alles egal. Dann interessieren die Belange der Lobbyisten. Die Belange des großen Geldes und nicht solche Nichtigkeiten, wie Vernunft, Überzeugung oder gar Absprache mit den Ministerkollegen. Es ist weder neu, noch selten, aber immer wieder erfrischend, wenn Politiker wie Christian Schmidt uns aufzeigen, wie schmutzig das Politikgeschäft in der Wirklichkeit eigentlich ist. Nämlich schmutziger als so manches Feld, auf dem auch in Zukunft im Großen Stil mit Dingen wie Glyphosat um sich geworfen wird. Danke dafür, Christian Schmidt.

Wer braucht schon Umwelt?

Manchmal sagt ein Bild mehr als Tausend Worte.

Ein anderer Ort, ein ähnlicher Fall. Zwischen Elsdorf und Niederzier, je zur Hälfte im Kreis Düren und im Rhein-Erft-Kreis, im Westen von Nordrhein-Westfalen, nicht weit des Dreiländerecks, dort liegt der Hambacher Forst. Erstmals erwähnt um das Jahr 975 herum, gilt der Hambacher Forst als einer der ökologisch wertvollsten Wälder Mitteleuropas, da er seltene Bestände von Hainbuchen, Stieleichen und obendrein noch einige seltene Fledermausarten beherbergt. Insgesamt leben im Hambacher Forst 142 als „schützenswert“ eingestufte Tier- und Pflanzenarten, wenn nicht mehr.

Aber drauf geschissen!

Unter dem etwa 12.000 Jahre alten Wald gibt es nämlich reichlich Braunkohle! Und wo Kohle ist, da winkt Kohle! Das ist ja wohl logisch. Und so wird der Hambacher Forst, von dem seit den ersten Tagebaubedingten Rodungen im Jahre 1978 ohnhin nur noch ein Würfelhusten übrig ist, jetzt offiziell komplett weggebuttert. Das hat das Verwaltungsgericht Köln diese Woche beschlossen und die Klagen des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und diverser Umweltschützer, die seit 2012 Teile des Waldes besetzt halten, um die Rodungsarbeiten durch den Energiekonzern RWE zu verhindern, abgewiesen. „Der Rahmenbetriebsplan Hambach für die Jahre 2020 bis 2030 und der Hauptbetriebsplan bis 2017 sind rechtmäßig“, stellten die Richter in der mündlichen Urteilsbegründung fest. Und: „Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht notwendig, die Rodung eines Jahrtausendealten Waldgebietes mit geschützen Tierarten darin verstößt nicht gegen das europäische Umwelttrecht. Abgesehen davon, die Tierarten gibt es woanders bestimmt auch noch.“

Ja. So lautete die Begründung sinngemäß. Herzlichen Glückwunsch dazu.

Der freudig erregte Konzern RWE kündigte eine knappe Minute später vollmundig an, die Rodungsarbeiten so schnell wie möglich aufzunehmen.

Wer braucht schon Ed Sheeran?

Hat schon mit einigen Vögeln gesungen, darf's aber nicht mit Lerchen: Ed Sheeran

Komplizierter als das Abholzen eines kompletten Waldes sind da schon Popkonzerte auf Kleinflughäfen. Seltsam, aber so steht es geschrieben.

Ed Sheeran – Sie wissen schon, der lustige irische Kobold, der eigentlich aber Engländer ist und penetranterweise jedes dritte Lied im Radio singt, wollte im Juli 2018 eigentlich in die malerische Ruhrgebietsstadt Essen kommen, um dort auf dem Verkehrslandeplatz Essen/Mülheim, einem Kleinflughafen, der vorwiegend dem Pilotenausbildungsbetrieb dient, ein Konzert vor 88.000 Zuschauern zu spielen. Das Konzert steht aber auf der Kippe. Warum? Nicht etwa, weil 88.000 Zuschauer auf dem eher semigroßen Flugplatz ein Sicherheitsproblem darstellen (die Loveparadekatastrophe im nur 15km entfernten Duisburg Anno 2010 lässt grüßen) – Der Grund sind 10 Vögel.

Ja. 10 (in Worten: Zehn!) Vögel. Und zwar solche mit Federn und Flügeln, nicht solche, die in einem Parlament sitzen.

Auf dem Flughafengelände brütet nämlich die Feldlerche. Ein possierlicher kleiner Raupenfresser, der nebenbei selbst hervorragend singen kann und in ganz Europa und Asien beheimatet ist. Und eben auch auf dem Verkehrslandeplatz Essen/Mülheim.

Da die Feldlerche offenbar kein Problem mit den Flugzeugen und der nahen A52 hat, wohl aber mit Ed Sheeran, überlegt man nun, das Konzert zu Gunsten der Vögel abzusagen. Die Tiere stehen nämlich unter Artenschutz und kommen trotz Ed Sheerans romantischer Schnulz-Popsongs nicht in Stimmung für Nachwuchs. Daher will der Konzertveranstalter Ausweichflächen für die seltenen Vögel anmieten, die fünf Brutpaare dorthin umsieldeln und dort in Ruhe brüten lassen. Was aber auch nicht gehen wird – Denn so ein Umzug ist ja oft genug Stress für Beziehungen, auch unter Vogelpaaren.

Wer jetzt im Sommer in Essen singen darf – Ed Sheeran oder die Lerchen – wird nun erst Anfang 2018 entschieden. Man überlegt noch, ob man die Lerchenpaare für den Abend einfach mit Kinokarten für eine RomCom mit Jennifer Aniston oder einem Restaurantbesuch auf einer Regenwurmreichen Wiese bestechen kann.

Was am Ende aber bleibt ist die Frage, was passieren wird, wären unter dem Flugplatz Essen Vorkommen von Braunkohle entdeckt worden. RWE jedenfalls hat seinen Hauptsitz ohnehin vor Ort und wäre bereit gewesen. Und in dem Moment hätte sich sicherlich keiner mehr um die Belange von ein paar Singvögel gekümmert. Oder? Herr Schmidt, was denken Sie darüber?

Wer braucht schon Zyankali?

Hat gehimmlert: Slobadan Praljak

Vor dem UN-Tribunal in Den Haag endeten in dieser Woche die Prozesse um Kriegsverbrechen in den Jugoslawien-Kriegen der 1990er Jahre. Und sie endeten mit einem Paukenschlag! Slobodan Praljak, zu Kriegsszeiten stellvertretender Verteidigungsminister der Republik Kroatien und in dieser Funktion wegen zahlreicher Kriegsverbrechen wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, schweren Verstößen gegen die Genfer Konventionen und das Kriegsvölkerrecht angeklagt, holte im Anschluss an seine Urteilsverkündung (20 Jahre Haft) zu einem Klassiker unter Kriegsverbrechern aus: Er Himmlerte!

Himmlern, unter Experten bekannt als ein Selbstentzug vor Verantwortung durch Selbstmord mit Zyankalieinsatz. Quasi wie „Lindnern“, nur mit konsequenteren Folgen für die eigene Lebensversicherung. Und so himmlerte es live vor den Kameras der Weltöffentlichkeit, als Praljak, ein 72-Jähriger Herr, optisch in der Nähe des bösen Bruders des Weihnachtsmannes angesiedelt, aufstand und verkündete:

Richter, Slobodan Praljak ist kein Kriegsverbrecher, mit Verachtung weise ich Ihr Urteil zurück..

Anschließend trank er etwas aus einem kleinen Behälter und informierte das Gericht auf Kroatisch, dass er sich gerade selbst vergiftet habe. Daraufhin wurde er in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er starb.

Natürlich, ein Tod ist immer eine traurige Angelegenheit, aber ehrlicherweise muss man trotzdem sagen, dass es vor Gericht schon schlechtere Abgänge gab. Die große Frage ist natürlich, wie Praljak, der bereits seit 2004 in Untersuchungshaft saß, überhaupt an Zyankali gekommen ist. Das es in Den Haag nicht schwierig ist, an Gras zu kommen, sollte offensichtlich sein. Aber Zyankali? Die niederländischen Behörden ermitteln nun jedenfalls wegen eines Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz gegen Unbekannt. Auch eine Art, mit dem Fall umzugehen.

Und Praljak? Der wird auf Grund seines gekonnten Abgangs nun als Held gefeiert. Der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenković kondolierte der Familie Praljaks und nannte das Urteil „inakzeptabel“.Auch andere kroatische Politiker kritisierten das Gericht. Dragan Čović, kroatisches Mitglied im Staatspräsidium von Bosnien und Herzegowina, nannte Praljaks Suizid „höchst ehrenwert“. Der Rest Europas ist wohl eher erfreut, dass Praljak mit dieser Aktion Steuergelder einsparte.

Dies alles zeigt aber vor allem eines: Die Gräben, die in den Kriegen der 1990er ausgehoben wurden, sind bis heute nicht wieder geschlossen. Das ändert auch nicht die Tatsache, dass die Prozesse nun – mit oder ohne diesen höchst seltsamen Schlusspunkt – für beendet erklärt werden und die Urteile gefällt sind. Denn aufgeklärt und verarbeitet ist eigentlich überhaupt nichts so wirklich. Das sollten der Selbstmord von Slobodan Praljak und die vielschichtigen Reaktionen darauf mehr als deutlich gemacht haben.

Wer braucht schon Prince Harry?

Seine Verlobte offensichtlich. Denn er hat jetzt eine. Was uns ehrlich gesagt mal so richtig herbe am Arsch vorbei geht. Auch wenn die Boulevardmagazine nun für die kommenden Wochen kein anderes Thema mehr haben werden und die Hochzeit im kommenden Jahr vermutlich live auf allen Kanälen laufen wird, damit die verarmten Adelsexperten der Republik endlich wieder einen Grund haben, in geschmackloser Kleidung vor einer Kamera zu erscheinen und mit dem Grinsen eines mastubierenden Eichhörnchens euphorisiert ihre Meinung zum Schleier der Brautjungfern in die Welt zu jaulen. Und man selbst sitzt dann vor dem TV, weil die Freundin einen dazu zwingt und fragt sich permant: „Wo brütet die Lerche, die DAS alles verhindern könnte?“

So. Damit sind wir wieder durch für die Woche. Der Kaffee ist getrunken, es schneit noch immer – Und nächste Woche melden wir uns an dieser Stelle wieder. Versprochen! Im Dezember brütet die Lerche nämlich nicht.



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