Józef Piłsudski

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Piep, piep! Satellit!
Der nachstehende Text erweitert den Zusammenhang des Hauptartikels Polen.

Józef Piłsudski ist das klassische Beispiel eines Mannes, dessen Berufung sich genau konträr zu seinem Beruf verhielt.

Frühe Jahre der Entbehrungen

Très chic! Mit Nagellack in Crash Colour (mit Topasstaub versetzt) und knallrotem Lippenstift zeigte er Mut vor dem Fotografen und Biederkeit vor dem Volk (ist ja auch nur ein SW-Foto)

So wuchs er in einem behüteten Elternhaus unter der großen Liebe seiner Mutter auf. Der kleine Jozef liebte die Blumen, Wälder und Seen seiner Heimat und lange Streifzüge mit seinen Eltern gerieten ihm in unvergessliche Erinnerung. Er liebte die schönen Künste, zeichnete, malte und sang bis zur Pubertät einen lupenreinen Sopran. Doch die Mutterliebe konnte auch nicht vollständig die durch die elf anderen Geschwister entstandene Enge in der elterlichen Wohnung, die erzwungene Zurückhaltung beim Mittagstisch und bei der Verwendung von Spielzeugen, wie Holzpferd oder Schaukel kompensieren, wo er als Schwächster stets das Nachsehen hatte. Diese Umstände pflanzten in ihm schon früh den unbedingten Willen nach Freiheit, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, solange nur die Mutter in der Nähe bliebe. Seine Kreativität half ihm darüber hinweg. Sein größtes Steckenpferd wurde es, kleine Holzfiguren zu schnitzen, die er dann mit selbst geschneiderten Leibchen an- und natürlich auch wieder auszog, wenn es ihm gerade beliebte.

Endlich ein Mann werden!

Doch dieses kleine Glück wurde vom patriarchalisch-diktatorisch agierenden Familienoberhaupt überschattet, der die Mädchenhaftigkeit und Feingeistigkeit seines Jungen mit großer Sorge sah. Als Kleinadliger solle der Junge wenigstens studieren, jedenfalls eine solide „männliche“ Ausbildung erfahren, um seine wohl von der Mutter initiierten Flausen los zu werden. Nach seinen Wünschen befragt, wählte Jozef das Schneiderhandwerk, womit der Vater zwar auch nicht richtig zufrieden war, wenn er sich die vielen knapp bekleideten Holzfigürchen in Erinnerung rief, aber er willigte schließlich ein. Er solle sich einen kräftigen Bart wachsen lassen, sich aber nicht hinter ihm verstecken, Jozef verstand diese Weisung nie so ganz. Jedenfalls erfüllte er den ersten Teil.

Ausbildung und Umorientierung

Nach erfolgreicher Ausbildung zum Herrenschneider wollte er sein zukünftiges Tun ganz in den Dienst der Menschheit stellen und begann ein Medizinstudium in der russischen Stadt Charkow. Dort bekam er hautnah die Repressalien Alexanders III mit, der ihn stark an den Vater erinnerte. Mit aller Macht strebte der Herrscher die Rücksetzung des Landes in frühere Verhältnisse an, hob Zugeständnisse durch Vorgänger wieder auf und ließ kurzerhand alle Andersdenkenden beseitigen. Der Menschenfreund Jozef konnte diesen Gedanken nicht ertragen und organisierte sich in freiheitlich orientierten Organisationen, eingedenk seiner damals erzwungenen Enthaltsamkeit und dem Unrecht, was alles zu schrecklich war, als dass es je wieder erlitten werden dürfe. Sein Bruder Bronisław war jedoch schon weiter und plante gar bereits die Ermordung des unliebsamen Herrschers, was Jozef zutiefst erschreckte. Argumente wie „Du machst Dich bestimmt schmutzig und nicht nur Deine Kleidung! – Denk an Mutters viele Wäsche und Deine Seele!“, „Du verletzt Dich doch nur selbst!“ und Fragen wie „Du willst ihm doch nicht wirklich weh tun?!“ zogen nicht und ehe Jozef seinen Bruder allein nach St. Petersburg fahren ließ, fuhr er mit und versuchte durch weiche Sabotage das Schlimmste zu verhindern. Zwar reinen Herzens, aber doch innerlich zerrissen erzählte er jedem von dem Vorhaben, auch weil er wusste, dass ein Plan umso sicherer scheitert, je mehr Leute von ihm wissen. Er sollte recht behalten. Er, sein Bruder und ein weiterer Mitwisser wurden verhaftet und kamen in Festungshaft.

In Haft

Obwohl er die Beamten unfreiwillig mit seiner unbedarften Art von seiner Unschuld überzeugte und auf freien Fuß gesetzt werden sollte, gab sich sein Vater nicht damit zufrieden: „Mitgegangen ist mitgefangen“ sollen seine Worte gewesen sein und wies den bereits von der Heimkehr träumenden Sohn ab. Dabei verzweifelte er derart über die sich wieder zeigende und schon beseitigt geglaubte Weinerlichkeit und melancholische Verstelltheit seines Problemsohns, dass er mit Falschaussagen dafür sorgte, dass sein Sohn in Haft blieb, damit dort endlich endlich ein Mann aus ihm werde. "Jozef hat das alles geplant - er ist ein Psychopath!!". Er brauchte lange, die Beamten zu überzeugen. Scheußliche und herzzerreißende Szenen spielten sich schließlich im Gefängnisgemäuer ab, aber der Vater setzte sich ab. Zwei Tage später vergab ihm sein Sohn in einem romantisch-verklärten Brief, indem er davon sprach, seinen Bruder vor den Zugriffen der Zellennachbarn schützen zu müssen. Stark werde er sein.

Im Krieg

Nach der Haft und einigen Rundreisen, auf denen er für seine mittlerweile geformte Idee „Reformen für alle, aber Schluss mit der Reformkost“ um Anhänger für ein auch wirtschaftlich unabhängiges Polen warb, trat er seinen Wehrdienst an, obgleich er in Gedanken an das vertane Medizinstudium lieber Zivildienstleistender geworden wäre.

Jozef litt aber zusehends unter den harten Einschnitten während des fortschreitenden Krieges. Er hatte viele Bücher über vergangene Kriege gelesen und dabei erfahren, dass frühere Schlachtfelder durch bunte, liebevoll von Hand geschneiderte Soldatenuniformen Laufstegen gleichkamen. So blitzten und strahlten prunkvolle Waffen und schicke Uniformknöpfe im Sonnenlicht mit den Soldaten um die Wette. Was mag es doch für ein edles Ringen um Aufmerksamkeit und ein Kokettieren um das letzte Quentchen Sexappeal in der Gunst des nicht nur konfliktbeladenen, sondern ja auch modebewussten Volkes gewesen sein: Bei französischen Soldaten endlich mal die leuchtend roten Röcke oder das Preußischblau der deutschen Gegner live zu bewundern, noch unterstützt durch Marschieren in Reih und Glied, davon träumte er. Er hatte Zeichnungen darüber angefertigt, wie man die Optik der an sich schon schnieken deutschen Pickelhaube durch einen gewagten Sitz, vielleicht leicht schräg oder etwas nach hinten versetzt – optimieren konnte.

Doch die Gegner marschierten nicht, sondern lagen meist in Schützengräben herum und wurden bei ihrem ständigen Bemühen um Tarnung durch neue, aber langweilige und schlecht sitzende feldgraue Uniformen unterstützt. Und die Abschaffung der deutschen Pickelhaube 1916 tat ihr übriges. Er erschrak kopfschüttelnd über diesen Affront. An sich hatte er schon das Khaki der aus dem Burenkrieg heimkehrenden Engländer unmöglich gefunden, aber dies war nun völlig inakzeptabel. Jozef schwor fassungslos, aber auch halb zornig über so viel importierten Ausverkaufs-Look auf seine stets mitgeführte Fahne, dass ihm ein Stahlhelm sowieso niemals auf seinen Kopf kommen würde. Er tröstete sich mit der polnischen Tradition, stolz mit wehenden Fahnen und Lanzen ausgestattet, die Konföderatka (Bundesmütze) schräg in die Stirn gezogen, zu Pferde gegen Panzer und schwere Artillerie zu ziehen. Militärischer Erfolg sei vor allem der Sieg des guten Geschmacks.

Im Bunker

Sich mit Emporkömmlingen der damaligen Politszene zu zeigen, musste doch nicht bedeuten, schlecht auszusehen! Hier mit granatapfelfarbener Schiesser-Unterwäsche.

Er schaffte es immer wieder, oft unter großen Mühen und trotz Materialknappheit, zerrissene und manchmal auch durchlöcherte Uniformen so zu reparieren, dass der Schaden nicht mehr ins Auge sprang. Er sorgte dafür, dass die Armee sprichwörtlich gut aussah. Allmählich diente er sich mit seinem hehren Anliegen hoch, wobei ihm ein Militärgerichtsverfahren erspart blieb, da er zwar vor einem Angriff alle scharfe Munition gegen Platzpatronen ausgetauscht hatte, aber die Gegner mit Angehörigen der eigenen Armee verwechselt worden waren. Dies hatte den Grund darin, dass Jozef sich beim Flicken von Uniformen unbedarft auch gern gegnerischer Stoffe bediente. Letzteres hatte er allerdings erst in seinen posthum veröffentlichten Memoiren zugegeben.

Er zeigte mit seiner Priorisierung auf korrektes und adrettes Aussehen, dass Leistungen auf dem Schlachtfeld dem nicht nachstehen müssen, wenn man beides - wenn auch vielleicht zunächst unabsichtlich - miteinander verbindet: sich nicht schmutzig machen, nicht in jeden Zweikampf gehen und die Prunkuniform vor fremden Zugriff verbissen schützen waren die Tugenden jener Zeit, die er der Truppe vorlebte. Vor allem kam ihm aber der Zustand zugute, meist weitab von der Front in gut gesicherten Bunkern haufenweise Näharbeiten für die Kompanie zu erledigen, während seine damaligen Vorgesetzten vor Ort Probleme zu lösen hatten und sich auf den Karriereleitersprossen über ihm entweder in die Pension oder die Ewigen Jagdgründe verabschiedeten. So blieb ihm nichts anderes übrig, als Held wider Willen schließlich den Rang eines Marschalls und Armeebefehlshabers einzunehmen.

Jozefs Freiheitsdrang war ihm dabei nicht nur erhalten geblieben, sondern durch die folgende zähen Kämpfe um Freizeit an der Front weiter genährt worden. Zusätzlich ärgerte ihn die Hinhaltetaktik des Deutschen Reiches, Polen 1916 zwar als Königreich ausgerufen, aber durch den für sie etwas ungünstigen Kriegsverlauf weder die Kraft noch das Interesse gehabt zu haben, die versprochene Unabhängigkeit auch zu installieren. Dies widerwillig gegeben anmutende Geschenk nahm er dann auch nicht an und machte dem Kaiserreich trotzig das weihnachtlich anmutende Gegengeschenk in Form eines Treueeides sowieso nicht. Glücklicherweise wurde er von den Deutschen inhaftiert und so vor weiteren persönlichen Konsequenzen seines Kriegsschneiderhandwerks geschützt.

Im Trubel

Auf einmal war der Krieg aus, die Deutschen hatten ihn verloren und er wurde 1918 auf freien Fuß gesetzt. Letztlich hatte er durch große Geduld, handwerkliches Geschick und mit der Rückendeckung der Siegermächte die schwelende Ungewissheit um die politische Identität seines Vaterlandes im wahrsten Sinne des Wortes ausgesessen, ohne selbst einen Schuss getan zu haben. Ein Meisterstück! Er fand sich daher in Warschau in nicht enden wollenden "After War"-Partys wieder und des Ruhmes nicht genug, wurde er schließlich als Staatsoberhaupt eingesetzt.

Impertinenz

Unabhängigkeit ist immer eine Sache des Blickwinkels. Dieser steht auch eine Diktatur nicht entgegen, denn noch nie hatte jemand behauptet, dass diese neu geschenkte politische Unabhängigkeit vom Volk genossen werden müsse. Für ihn reichte es völlig aus, wenn ein einziger, nämlich er selbst diese Freiheit auslebte. Dafür sorgte in väterlicher Manier für seine Kinder, genug räumliche Freiheit zu bekommen. Dies kollidierte jedoch mit den Interessen Russlands, so sah er sich als optimistischer Kartograph des neuen Polens bei der Festlegung neuer Grenzen, als Held, der er nie sein wollte und als Soldat, der er nie war, in einen neuen Krieg hineingezogen.

Frappierend war, dass die polnische Armee bis dato nie einen Krieg geschweige denn eine Schlacht gewonnen hatte und nur durch starke Waffenbrüder zwar immer schon ordentlich mit dem Säbel zu rasseln wusste, aber doch vor Einbruch der Dunkelheit beim Abendessen die da draußen machen lassen konnte, wenngleich man auch früh zu Bett gehen musste. Damit war nun Schluss: Die Russen drangen auf von ihm beanspruchte Gebiet vor, fügten den im wirklichen Kriegsgeschehen eher unerfahrenen Polen starke Verluste zu und standen schon vor Warschau. Verzweifelt konzentrierte sich Jozef auf das, was er gut konnte, streifte die fremden Federn ab und schneiderte einen Plan, die schlecht gekleideten Russen mit seinen Waffen, auf seinem Spezialgebiet zu schlagen. Mit tausenden schicken Uniformen beschwor er eine Art Modenschau kombiniert mit Karnevalstreiben an der Weichsel herauf, die seinesgleichen in der Militärgeschichte sucht und fortan das Wunder von der Weichsel genannt wurde. Die russischen Armeen hatten sich in ihrer Verbitterung zurückgezogen, in ihren Augen mit den Waffen einer Frau geschlagen worden zu sein und konzentrierten sich für lange Zeit wieder auf die Dinge, die sie gut konnten: Revolutionen im eigenen Land anzuzetteln und Dissidenten-Treibjagden zu veranstalten.

Nachdem er ein - auch noch lebendiger - polnischer Held geworden war, konnte er die Abgabe der Macht an den Spielverderber Wincenty Witos einigermaßen verkraften und zog sich halb verbittert, aber auch halb zufrieden auf seinen Bauernhof zurück.

Im Vorruhestand

Die Zufriedenheit tauschte er im Zeitablauf jedoch mit einer elitärer Arroganz aus. "Das kann doch nicht alles gewesen sein!" dachte er beim Anblick eines österreichischen Emporkömmlings, der es mit furchtbarer Garderobe allein mit Reden geschafft hatte, eine bedeutende Anzahl von Menschen 1923 in München hinter sich zu scharen, um an die Regierung zu kommen. Trotz der Niederlage hatte er sich mit seiner an sich dilletantischen Aktion Ruhm und Anerkennung erworben. Und er, Jozef, sei ja viel intelligenter, ehrgeiziger und vor allem sehe er viel besser aus, schrieb er einem Freund von seinem Dominizil aus.

So verstieg er sich in finstere Verschwörungspläne, um die Regierung Polens zu stürzen und ihm wieder Untertan zu machen. Konträr zu seinem gefühlten Modestar-Status, war ihm klar, dass Hochbumsen hier nichts bringen konnte: es musste ein Putsch sein. Fortan ließ er sich nur noch "Marschall" nennen und geriet stets in furchtbare Wut, wenn er anders angesprochen wurde. Schlimme Verwünschungen ließ er folgen, wenn er den Namen des designierten Häftlings in seinen Mauern in eine immer mitgeführte Liste kritzelte. Sein Personal hielt sich bis auf die stocktaube Köchin zwar brav, jedoch meist aufgrund arbeitnehmerischer Verpflichtungen an die Anredeverpflichtungen, daher machte ihm das "Marschallsein" auf seinem Landgut weiterhin nicht sehr viel Spaß.

1926 war es endlich soweit: In einer Maipunsch Maiputsch genannten Aktion streichelte er sich mit viel taktischem Kalkül an die Macht und wurde vom Parlament als Staatsoberhaupt eingesetzt. Wie geplant, hatte er in Ermangelung heutiger höchst komplizierter Kartenautomaten mit Freunden aus der Bahngewerkschaft ein derart komplexes neues Tarifsystem entwickelt, dass regierungstreue Truppen Wochen später eintrafen und von Jozef gleich vereidigt werden konnten.

Im Geschäft

Gleich zog er seine Liste aus seinem Revers und ließ alle respektlose Dissidenten verhaften, um gebührend verehrt und respektiert werden zu können. Seine modischen Ideen setzten die Herrenschneider im ganzen Land um, nie mehr war Polen so gut angezogen. Seine letzten großen Taten dienten der politischen Annäherung an seinen Ideengeber aus München, der nach Berlin umgezogen war und der an seinen Erz-Ex-Feind Sowjetunion, weil er seine Ruhe haben wollte.

Immortal

Kurz vor seinem Tod soll er seinen Lieben aufgetragen haben, ihn mit mehreren Uniformen zu begraben, eine für den Alltag, eine für Sonn- und eine für Feiertags. Er soll dabei recht seltsam gegrinst haben.


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