San Quentin State Prison
San Quentin State Prison: Vorzeigeinstitut für Reinhaltung der nationalen Moral, sittliche Umerziehung und demokratische Zwangsentleibung, gelegen im sonnigen Kalifornien, einem modernen Gottesstaat westlicher Prägung.
Inhaltsverzeichnis
Historisches
1852 war ein gutes Jahr für die noch jungen Vereinigten Staaten. Besonders in Kalifornien hatte die Kürbisernte sensationell große Früchte gezeitigt und das Erntedankfest versprach, ein mehr als erbauliches Ereignis in allen Dörfern und Städtchen zu werden.
In einem idyllisch gelegenen Dörfchen namens "Lerchenhain" saßen denn auch im September dieses Jahres die Ältesten des Ortes beisammen und hatten soeben die letzten Vorschläge für die Durchführung ihres sittsamen und gottgefälligen Erntedankfestes zusammengetragen. Es war schon dunkel und alle waren guter Stimmung, sodass der Vorschlag des alten Quentin Steinmeier, einem deutschstämmigen Farmer und Vorbeter der örtlichen Mennonitengemeinde, doch noch gemeinsam ein Pfeifchen zu rauchen, von den anderen Anwesenden dankbar aufgegriffen wurde und so kam es, dass von der Holzveranda des Gemeindehauses, denn dort hatte man sich versammelt, alsbald ein würziger Duft nach Knaster in den Nachthimmel stieg. Schweigend hockte man beinander bis, nach etlichen Minuten, Steinmeier das Wort ergriff.
"Ach", so konnte man ihn vernehmen, "wenn doch der Herrgott nur auch die Menschen so gedeihen ließe wie unsere Kürbisse".
"Wahr wahr" hörte man es beifällig murmeln und die Spannung stieg unter den Männern. Denn Steinmeier hatte nicht nur eine sonore Stimme, welcher er seine Rolle als Vorbeter verdankte, nein, er galt auch als ein scharfer Kopf und seine Gedanken hatten oftmals etwas Großes, um nicht zu sagen Visionäres.
"Warum aber gedeihen unsere Kürbisse so gut, frage ich euch", frug der alte Quentin weiter. "Ja, warum", antwortete es ihm von allen Seiten, "sagt es uns, Meister Quentin, das wollten wir schon immer wissen".
"Weil sie in Reih' und Glied stehen! Deshalb gedeihen unsere Kürbisse so gut! Und weil wir jedes störende Kräutlein mit Stumpf und Stiel ausrotten. Und jeden faulen Kürbis herausreissen und jeden, der nicht sich der göttlichen Kugelgestalt nähern mag, sondern keck meint, auch andere wuchernde Formen annehmen zu dürfen. Deshalb gedeihen unsere Kürbisse so gut".
"Hört hört" murmelten nun die Männer und nickten mit den Köpfen.
"Und genau so müssen wir es auch mit den Menschen machen, sage ich euch. Einen Menschengarten Gottes müssen wir schaffen, und nur das Gesunde, das Grade, das IHM wohlgefällige darf dort geerntet werden. Das andere aber, das Krumme und Kranke, das Abartige und Böse, das gehört ausgemerzt, vernichtet und für immer vom Erdenkreis verbannt!" Und Quentins Stimme erhob sich zu jener Lautstärke und eindringlichen Stimmlage, in der er Sonntags im Gotteshaus immer die Folgen untugendhaften irdischen Tuns darstellte. Und Quentin stand auf. Und Quentin sprach weiter.
"Mich träumte", sagte er (in den Originalquellen angegeben mit "I had a dream"), "mich träumte, wir legen diesen Menschengarten hier an, am Fuße der Berge. Groß und prächtig, zum Lobe des Herrn, für alle seine verirrten Schafe von hier und andernorts. Alles Böse in Menschengestalt soll hierher gebracht werden, auf dass es hier, nach seinem Ebenbilde neu geformt, gedeihen möge. Und gedeihen sie nicht, wahrlich, ich sage euch, dann werden sie ausgerottet werden auf eine Art, die allen möge dienen zur Abschreckung. Gedeihen sie aber, so sage ich euch, dann mögen sie zum Zeichen SEINES Verzeihens wieder entlassen werden und hinfort wandeln unter den Menschen und preisen SEINE Güte."
Unter Historikern und Rechtsphilosophen gilt jener abendliche Moment im September des Jahres 1852 zu Recht als die Geburtsstunde des modernen Strafvollzuges. Noch in derselben Nacht nämlich, wie von einer göttlichen Eingebung getrieben, teilte Quentin seine weiteren Gedanken mit und es waren dies gewiss keine gewöhnlichen.
Nicht nur hier, in der gesegneten Lage nördlich der Bucht von San Francisco, sondern auch in anderen Teilen der jungen aufstrebenden Nation, sollten entsprechende Menschengärten entstehen, alle benannt nach einem Märtyrer, einem [[Heilig]en, einem sittlichen Vorbild. Und für jene schwarzen Schafe oder genauer gesagt, unrunden verwucherten Kürbisse, bei denen ein gottgefälliger Wuchs nicht mehr zu erwarten stand und die, nach den überzeugenden Worten Quentins, ihnen selbst zur Erlösung, allen anderen jedoch als mahnendes Beispiel, das Lebensrecht aberkannt würde werden müssen, sollte die Form ihres Ablebens eine wahrlich christliche, mahnende, vorbildhafte und gottgefällige sein. Jene Art des Sterbens nämlich, die der namensgebende Schutzpatron des jeweiligen Menschengartens auch erleiden durfte und die ihm seinen Platz im Himmel, zu SEINER Rechten, gesichert hatte.
All dies offenbarte Quentin Steinmeier in jener Nacht seinen Gemeindebrüdern und, es ist dies nur naheliegend, in den frühen Morgenstunden beschloss man einhellig (lediglich Quentin Steinmeier selbst enthielt sich bescheiden der Stimme), den ersten Menschengarten, dessen Grundsteinlegung für den Tag des Erntedankfestes ins Auge gefasst wurde, seinem geistigen Vater zu Ehren Sankt Quentin zu nennen, benannt also einerseits nach Quentin Steinmeier, andererseits nach jenem römischen Märtyrer Quentin, der auf so grausame Weise von heidnischen Unholden durch giftige Dämpfe vom Hiesseits ins Jenseits befördert wurde.
Und so geschah es auch. Am ersten Oktobersonntag des Jahres 1852 wurde der Menschengarten San Quentin gegründet. Und es war dies beileibe keine geringe Leistung, direkt zur Eröffnung konnte er mit 100 menschlichen Krummgewächsen bepflanzt werden, die in den letzten Wochen eiligst aus der Umgebung zusammengetrieben worden waren. Und gottlob, unter ihnen befanden sich auch ihrer zehn, bei denen selbst für den des Rechtswesens Unkundigsten ganz offenbar Hopfen und Malz verloren war und nicht die geringste Aussicht auf künftige Besserung bestand, sodass die Grundsteinlegung mit einer zehnfachen Hinrichtung wahrlich würdig begangen werden konnte. Zeitgenössische Maler haben das Schauspiel in ergreifendem Farbspiel festgehalten, wie diese zehn armen Seelen unter schauerlichsten Gliederverrenkungen ihr sündhaftes Leben aushauchten, große, ausgehöhlte Kürbisse auf ihren Köpfen, in deren Innerem eine Schicht aus Schwefel- und Phosphorpulver glomm und aus denen dicke giftig gelbe und rote Schwaden dieser tödlichen Dämpfe hervorquollen.
Zwar wurde im Laufe der Zeit die volksnahe Methode des Todeskürbisses zugunsten mehr ingenieursmässiger Lösungen verändert, bis schließlich 1924 die schmucke Gaskammer moderner Prägung das Licht der Welt erblickte, jene in würdig der Urväter gedenkender Weise in Kürbisform angelegt. Dennoch hat bis in unsere Tage die Erlösung einer Verbrecherseele, ihre Befreiung aus dem sündhaften irdischen Leib, auf dass sie frei gen Himmel steigen möge so der Übeltäter nur vorher bereut hat, nichts von ihrem urchristlichen Charme der Gründertage verloren: das Zucken und Krampfen der Glieder, das Hervorquellen der Augen, das Röcheln, alle jene Zeichen, dass die Seele bereit ist, in Demut an Petrus' Pforte zu klopfen, bilden auch heute den beeindruckenden Höhepunkt einer Menschen-Erlösung nach der San Quentin-Methode.
Der gute Einfluss San Quentins auf die Verbrechensentwicklung
San Quentin oder San Quentin State Prison, wie es irgendwann offiziell hiess, war nur der erste in einer langen Reihe allerschönster Menschengärten, die nach dem Quentinschen Vorbild konzipiert waren. In rascher Folge entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über das gesamte gewaltig große Land verstreut, und, da natürlich die jeweiligen Entleibungen wegen ihrer erzieherischen und seelisch kräftigenden Wirkung vor versammelter Öffentlichkeit stattfanden, wehte ein Hauch christlichsten Mittelalters durch die Vereinigten Staaten. Prachtvoll loderten die Scheiterhaufen im Frauengefängnis von Santa Afra, auf denen, getreu ihrem historischen Vorbild, verurteilte Ehebrecherinnen oder des Mundraubs überführte Übeltäterinnen als lebendige Fackeln der Gemeinschaft einen letzten Dienst erweisen durften. Herrlich auch anzusehen, wenn freiwillige Bogenschützen im San Sebastian State Prison die Delinquenten mit Pfeil und Bogen vom Hies- ins Jenseits beförderten. Sehr beliebt waren auch die Vorführungen in San Martin, wo mit schweren Ochsenziemern die Bösewichter in Jesu Arme gepeitscht wurden.
Insgesamt verzeichneten die peinlichst genau festgehaltenen Zuschauerzahlen bei öffentlichen Hinrichtungen stetig wachsende neue Höchstwerte und viele der damals neugegründeten Reisebüros boten Erbauungsrundreisen von Menschengarten zu Menschengarten an mit garantierter Mindeszahl an Geköpften, Gesiedeten oder Gevierteilten. Unter dem Gesichtspunkt der Verbrechensprophylaxe hingegen ergab sich Erstaunliches. Die Anzahl todeswürdiger Verbrechen sank nicht etwa, sondern erreichte ebenfalls jährlich neue, nahezu phantastische Höchstwerte. Hieraus auf die mangelnde Abschreckungswirkung der Menschengärten zu folgern, kam aber eher nicht in Betracht. Theologen sprachen vielmehr von dem offensichtlich tiefsitzenden urchristlichen Wunsch vieler Menschen, durch eine letzte vorbildliche Tat, und sei dies auch das öffentliche Ersaufen in siedendem Öl, Anderen ein Vorbild zu sein und sich selbst den direkten Eintritt ins Paradies zu eröffnen. Warum dieser Wunsch bis heute vor allem von Menschen dunkler Hautfarbe und niedriger sozialer Herkunft empfunden wird, konnte aus theologischer Sicht bis dato nicht befriedigend geklärt werden.
Bedauerliche pseudoaufklärerische Einflüsse aus anderen Teilen der Welt führten dazu, dass manche der publikumswirksamsten Entleibungsprocedere aus "humanitären" Gründen abgelegt wurde. Um so erfreulicher ist es, dass insbesondere San Quentin sich solchen Verweichlichungstendenzen bis heute erfolgreich entgegenstemmen konnte. Insgesamt ist es daher wesentlich San Quentin zuzurechnen, dass sich die Straftaten Kaliforniens auf international beispiellos hohem Niveau etablieren konnten. Herausragenden Anteil am gesamterztieherischen Effekt haben selbstredend auch die jeweiligen Gouverneure, die den Versuchungen ihres Amtes erfolgreich widerstehen und nicht in die Unsitte von Begnadigungen u.ä. verfallen.
San Quentin und Hollywood
Mit jährlich durchschnittlich 339 Sonnentagen ist die Gegend um San Quentin geradezu ideal für Aussenfilmaufnahmen. So nimmt es nicht wunder, dass spätestens mit Aufkommen der Genre Gangsterfilm und Sittlicher Erbauungsfilm ein langfristiger Kooperationsvertrag zwischen Warner Bros., Metro-Goldwyn-Mayer und anderen führenden Hollywood-Studios einerseits sowie dem San Quentin State Prison andererseits geschlossen wurde. Hierin verpflichtet sich San Quentin, sämtliche Hinrichtungsszenen mit original Schwerstverbrechern darstellerisch zu doublen und die Hinrichtung selbst nicht als Stunt, sondern als Originalevent filmen zu lassen. Nicht zuletzt hierdurch errangen beispielsweise Filme mit James Cagney als Bösewicht und Himmelfahrtskandidat ihre ungeheure Authentizität und verhalfen den hollywoodschen Gangsterepen zu ihrem weltweit einzigartigen Siegeszug.
San Quentin hatte hierin Vorbildfunktion für die Nachzügler Alcatraz oder auch Sing Sing. Ob die deutsche Kooperative Bautzen-Filmstudios Babelsberg an die großen amerikanischen Vorbilder wird anknüpfen können, wird in Cineastenkreisen allerdings angezweifelt.
Zitate
- "Caryl Chessman sniffs the air ..." P. Gabriel, Gerichtssänger, live vom Balkon von San Quentin, während der letzten Japser Chessmans.
- "Jödr, den i hia nit begnadigen tu, dös is a Öngel möhr im Himmel zum Lobe des Hörrn" A. Schwarzenegger, König von Kalifornien.