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Diverses:Die NSA besuchen

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Auch die Überwachung aus einer Rikscha heraus hat seinen Zweck.

Die NSA überwacht uns alle, das dürfte mittlerweile bekannt sein. Massen haben sich empört, andere sagen, dass sie doch sowieso nichts zu verbergen hätten und das alles in Ordnung sei. Es diene schließlich der Sicherheit, das ist auch immerhin Supergrundrecht. Es ist an der Zeit, zurückzuspionieren - und sich auch einmal bei der NSA für die gesteigerte Sicherheit zu bedanken. Oder haben Sie schon einmal Terroristen gesehen? Nein? Das liegt daran, dass die NSA alle überwacht.

Vorbereitung

Schon in diversen Medien hat man gemerkt, dass die USA eine Sache so gar nicht mögen: Fotos. Vermutlich sind US-Amerikaner, insbesondere die Geheimdienstler und Diplomaten, ziemlich lichtscheue Menschen. Das haben sie sich vielleicht von den indianischen Ureinwohnern angenommen. Vielleicht sehen sie ja tatsächlich so aus, wie man sie sich vorstellt: gekleidet im meterlangen Mantel und mit einem Schlapphut ausgestattet - so richtig klischeemäßig halt. Aber was ist, wenn man trotzdem fotografieren möchte? Was ist, wenn man sein Vorhaben, diverse Einrichtungen zu besuchen, auch noch ankündigt? Ich möchte es der NSA ja auch nicht zu schwer machen und kündige es bei Twitter an, verwende sogar einen eigenen Hashtag. Ich kopiere mir auch alles vom Handy auf meinen PC - könnte ja sonst sein, dass die Polizei oder sonstwer irgendwas beschlagnahmt und das wäre für mich eher ungünstig. Um im Ernstfall böse Menschen zu beruhigen, mache ich auch noch eine Thermoskanne voll Tee, die ich im Austausch für meine Freiheit bei einer Verhaftung oder einer Beschlagnahmung von fotografischem Material anbieten kann. Ob meine Freiheit tatsächlich so viel wert ist wie Ostfriesentee, wage ich zu bezweifeln, aber einen Versuch ist es immerhin wert.
Nachdem ich meine Tat bei Twitter angekündigt habe, schalte ich meine verschlüsselte Netzverbindung mit einem VPN ab und gebe in Google lauter Suchbegriffe ein: "Dagger Complex", "US-Generalkonsulat Frankfurt" und "DE-CIX", diese drei Ziele sollen es sein. Ich muss an meinen Verstand appellieren, nicht aus Versehen noch "wegbomben" in die Suchbegriffleiste einzugeben, sonst wäre meine Tagesreise schon vor ihrem Antritt beendet. Und irgendwas wegzubomben habe ich nicht wirklich vor, Silvester ist ja auch schon vorbei. Und mit einem Klasse-Vier-Böller kann man nun wahrlich keinen kompletten Geheimdienst in die Luft jagen.
Über Twitter findet sich dann noch eine weitere Mitstreiterin, mit der ich die Tour zusammen fahre.

Dagger Complex

Graue, dicke Nebelwand

Da hinten irgendwo müsste es sein. Irgendwo. Sind sicher nur noch ein paar Meter.

Schon morgens lässt sich gut erkennen, dass die NSA versucht, uns den Spaß zu vermiesen. Minustemperaturen lassen uns die Füße schon am Bahnhof einfrieren, wo wir doch auf unseren Zug warten müssen, der uns so nah wie möglich an das Dagger Complex bringt. Das Problem, als wir die genaue Route herausfinden wollen: Der Dagger Complex hat gar keine eigene Bushaltestelle und steht mitten im Nirgendwo. Das ist sehr ärgerlich und überhaupt nicht förderlich für irgendwelche Konterspionage, wohl aber für Personen, die gerne lange, ausführliche Spaziergänge machen wollen. Also machen wir einen langen, ausführlichen Spaziergang, nach dem wir nach längerer Odyssee tatsächlich in Griesheim ankommen. Vor Ort begrüßt uns auch eine dicke, fette Nebelwand. Abhängig davon, ob man das jetzt als Absicht einschätzt oder nicht, war das ein echt mieser Schachzug von der NSA, denn so können wir kaum fotografieren. Der Ebestädter Weg, zuerst noch geteert und dann mit Betonplatten gepflastert, gleicht eher Silent Hill als einem Geheimdienst, der die Bürger, die er beschützt, mit offenen Armen empfängt.

Sogar Chuck Norris ist dabei.

Aber auch abgesehen von der dicken Nebelwand begrüßen uns nur Felder, Gewächshäuser und eine mürrische Dreißiger-Zone, als wir die Straße betreten. Unwissend, ob wir überhaupt auf dem richtigen Weg sind oder ob uns das GPS von Google Maps nur verarscht, damit wir die NSA auch ja nicht zu Gesicht bekommen, laufen wir den Feldweg trotzdem lang und fotografieren alles, was irgendwie nach NSA aussehen könnte - auch die Nebelwand, ein Gestüt, dass da noch irgendwo rumsteht und ein, zwei Karotten-Felder. Große Karottenfelder. Ganz große Karottenfelder. Überraschenderweise hat auf dem Weg zum Dagger Complex jemand aber auch ganz viele Sticker verloren, die ausgerechnet so dumm gefallen sind, dass alles beklebt worden ist, was nur beklebt werden konnte.

Die Grenze des Militärischen überschreiten

Alles anscheinend militärischer Bereich. Alles. Auch die Karottenfelder. Alles!

Doch nach dem Gewaltmarsch über Beton und Stein und einer kurzen Fünfziger-Zone kommen wir erneut an ein Schild mit einer Dreißiger-Zone mit dem Hinweis "Straßenschäden", rechts einem weiteren Karottenfeld und links - Stacheldraht und Zäunen. Ist das etwa der berüchtigte Dagger Complex? Ein Lieferwagen fährt uns entgegen und wird von einem Typen in Uniform durchgelassen. Ja, der Dagger Complex, vor lauter Nebel nicht zu erkennen. Und gleich zu Beginn des Zaunes begrüßt uns ein Schild freundlich und mit offenen Armen:

Dieses Gelände wird aus Sicherheitsgründen von der US-Armee per Videokamera überwacht. Begrüßungsschild am Dagger Complex

Sehr freundlich, unseren Besuch auf Video aufzuzeichnen. Dummerweise zeigen die Kameras aber nicht auf die Straßen, sondern nur auf den abgezäunten Bereich. Wir gehen so dicht wie möglich an den Zaun heran und nehmen uns vor, später das authentische Videomaterial bei der NSA anzufragen.
Ein weiteres Schild, circa fünf Meter weiter, sagt uns unmissverständlich, wo wir uns befänden, wenn wir mystischerweise durch den Zaun hindurchschweben würden:

Militärischer Bereich der amerikanischen Streitkräfte. Unbefugtes Betreten verboten. Innerhalb dieses militärischen Bereiches ist es verboten, zu fotografieren und zu filmen sowie schriftliche Notizen, Zeichnungen, Karten oder graphische Darstellungen anzufertigen, wenn es nicht ausdrücklich vom amerikanischen Kommandanten erlaubt ist. Foto- und Filmgeräte sowie anderes Darstellungsmaterial sind an der Wache abzugeben. Zuwiderhandlungen können verfolgt werden. Der Standort Kommandant

Ah. Wenn man aber mit einem Hubschrauber über das Gelände fliegt, Fotos macht und die auf der Wikipedia landen, dann ist das okay.
Wir gehen dann also auf der nichtmilitärischen Seite, der 08/15-Betonstraße mit Straßenschäden, weiter. Nach kurzer Zeit verfolgt uns auf der US-amerikanischen Seite des Zaunes ein Soldat, der uns entdeckt hat. Er verfolgt uns, bis wir zum Haupteingang des Dagger Complexes kommen, wo er im Eingangsbereich mit einer anderen Person spricht. Diese kommt prompt in Begleitung von zwei weiteren Soldaten heraus und bleibt an der Grenze auf der US-amerikanischen Seite stehen. Ich komme gar nicht erst dazu, ihn zu begrüßen und mich bei ihm für unsere großartige Sicherheit zu bedanken, als er plötzlich im akzentfreiem Deutsch anfängt zu sprechen:

Jongleur2.gif

"Sie dürfen hier keine Fotos machen."
"Doch, darf ich."
"Nein, das ist Militärgelände."
"Nein, das Militärgelände beginnt erst beim Zaun und ist auf Ihrer Seite."
"Nein."
"Doch."
"Nein."
"Doch."
"Wo ist denn Ihrer Meinung nach die Grenze?"
"Da." (zeigt diffus irgendwo hin)

Wir verabschieden uns mit einem "Okay, na dann" und gehen diffus irgendwo hin, um dann Fotos von der Straße zu machen, dieser kaputten, ausgebeulten und mit Schlaglöchern durchsiebten Betonstraße, als uns ein US-Armyfahrzeug, klar und deutlich erkennbar an dem Nummernschild "US-ARMY", das uns förmlich wie ein Mittelfinger ins Gesicht gereckt wird, entgegenkommt und bei unserem Anblick ein bisschen vom Gas runtergeht, um uns bei der Vorbeifahrt zu mustern. Der Fahrer springt aber zu unserer Enttäuschung nicht heraus und wir können ihm auch keine Fragen stellen, was für Terroranschläge er denn gestern verhindert hätte und ob wir mit einem Dank bei ihm an der richtigen Stelle wären. Vermutlich hat er aber auch gemerkt, dass ich Ostfriesentee in meiner Tasche habe, wir wissen es nicht. Wir laufen den Weg weiter und entschließen uns, nach Darmstadt weiterzulaufen, fotografieren aber noch ein bisschen das Naturschutzgebiet vor dem Dagger Complex, das per definitonem schon kein Militärgelände ist.
Nach fast acht Kilometern kommen wir an der nächsten Bahnhaltestelle an, die uns zu unserem nächsten Ziel bringen soll.

US-Generalkonsulat Frankfurt

Ein Kiosk weist uns den Weg

Statt eines Generalkonsulates halt nur ein kleines Versorgungszentrum.

Nach einer kurzen Befragung unserer Bahn-App finden wir heraus, wie wir zum US-Konsulat kommen können. Ob wir aber wirklich richtig sind, zeigt uns dann der Kiosk an der U-Bahnhaltestelle, der unterschwelligerweise "Kiosk am US-Konsulat" heißt. Wir vermuten ganz spekulativ, dass wir hier richtig sind und checken einmal kurz die Lage. Es wird dunkel und wenn wir tatsächlich noch Fotos machen wollen, müssen wir uns beeilen. Wir eilen also über die Straße und gehen ein paar hundert Meter, bis wir wieder mal vor Zäunen stehen. In der Mitte einer großen Fläche hinter dem Zaun ist eine US-amerikanische Flagge gehisst. Der Pförtner sieht uns, beobachtet uns und registriert, dass wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen bleiben. Ich zücke mein Handy. Prompt eilt der Pförtner heraus und informiert einen Polizeiwagen, der neben dem Eingang des US-Konsulates positioniert ist. Dieser fährt los auf unsere Straßenseite und die zwei aussteigenden Polizisten fangen uns ab.

Datenabgleich mit dem BND

Der BND überprüft meine Personalien.

"Einen wunderschönen guten Abend wünsche ich", begrüßt uns der Polizist. Wir grüßen zurück und der zweite Satz lautet: "Haben Sie da gerade ein Foto gemacht?" Ja, das hatte ich, lautet meine knappe Antwort und bevor ich mich bei dem Polizisten für meine Sicherheit bedanken kann, folgt schon die nächste Frage: "Darf ich die Fotos bitte einmal sehen und um Löschung bitten?"
Ich zeige dem Herren Polizisten die Fotos, die ich gemacht habe und lösche sie auf sein Verlangen von meinem Handy - wobei ich mir ganz sicher bin, dass ich nichts Böses mit den Fotos habe machen wollen. Immerhin kann ich für mich ausschließen, dass ich ein Terrorist bin. Die Polizisten können das aber nicht und verlangen noch zusätzlich die Ausweise. "Sie möchten die Ausweise sehen? Warum? Steht da drauf, ob man ein Terrorist ist? Anhand welcher Merkmale machen Sie das an meinem Personalausweis fest?" Ich befürchte schon fast, dass mich meine laut Perso blaugraugrünen [sic!] Augen als Terroristen entlarven, da beruhigt der Polizist aber auch schon wieder. "Nee, wir prüfen nur einmal nach bei befreundeten Stellen oder so, ob Sie als Terrorist markiert sind oder ob irgendwas darauf hindeutet." Aha. Anscheinend hat der BND eine geheime Akte über mich angelegt, wo ich letztens war. "Zum Beispiel, ob Sie in einem Terrorcamp waren." - "Das wäre mir neu", antworte ich. "Sehen Sie? Dann finden wir vielleicht noch etwas über Sie heraus, was Sie selbst noch gar nicht wussten." Während der zweite Polizist also unsere Personalien überprüft und ich darum bange, ob meine ehemalige Schule mittlerweile vom US-Konsulat als Terrorcamp eingestuft worden ist, weil dort mal ein Overheadprojektor gebrannt hat, schaut der Pförtner aus dem Fenster zu uns rüber. Wenn Blicke töten könnten, wäre das vermutlich ein terroristischer Anschlag gewesen. Oder zumindest irgendwas, was in Richtung "Angriff einer unbemannten Drohne" geht.
Nach fünf Minuten dann die Erleichterung: Ich bin nie in einem Terrorcamp gewesen. Ich bin kein Terrorist. Das habe ich jetzt offiziell von der Polizei. Ein Dokument können sie mir dafür aber leider nicht ausstellen, sondern wünschen uns nur einen schönen Abend. Und bitten uns, das Fotografieren im öffentlichen Bereich doch bitte zu unterlassen.
Wir wissen jetzt nicht, wo die Polizisten ihre imaginäre Fotogrenze ziehen und wo nicht, also fotografieren wir einfach noch ein paar Mal den "Kiosk am US-Konsulat" und ziehen dann Leine.

DE-CIX

Wir haben also zwei Standorte gesehen, von denen aus überwacht wird - aber wir wissen nicht, wie die Server aussehen, die überwacht werden. Wir beschließen noch kurz bei DE-CIX, einem Internetknoten in Frankfurt, der von der NSA und dem BND abgehört worden sein soll, vorbeizuschauen, um zu überprüfen, ob nicht irgendwo noch ein Blumenlieferwagen mit Satellitenschüssel am Straßenrand steht. Dummerweise besteht DE-CIX nicht nur aus einem Standort, sondern vielen verschiedenen und so suchen wir unser Glück bei dem erstbesten Gebäude, das ein paar Geräte für DE-CIX beheimaten soll und um an der Pforte zu fragen, wie denn solche überwachten Server aussehen. Als wir jedoch dort ankommen, werden wir bitter enttäuscht. Kein Blumenliefervan in der Nähe. Schon wieder so ein blöder Zaun. Und sogar an Gebäuden, die einen Internetknoten beherbergen, sind außen Pop-Up-Werbungen angebracht. So begnügen wir uns also einfach nur mit der Tatsache, dass wir mal ein wirklich überwachtes Gebäude von außen gesehen haben - und fahren heim.


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