2 x 2 Silberauszeichnungen von Käptniglo und Renamer

Diverses:Nachts schlafen die Nutten doch

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Dieser Raum sollte im Verborgenen bleiben.

Die rot beleuchteten Fenster des Gewerbegebiets wirkten reizvoller denn je zuvor. Keine der käuflichen Konkubinen präsentierte jedoch ihr Fleisch. Sie hatten eine verlängerte Rauchpause im Innenhof. Draußen war es bereits dunkel und all die heroinsüchtigen Junkies lehnten die Köpfe an ihre Köter.

Er hatte die Augen weit offen. Plötzlich hörte er laute Schritte einer total zugedröhnten Person. Slalomartig bewegte sie sich auf ihn zu und rammte jede Mülltonne, die es auf dieser gottverlassenen Straße gab. Die Russen kommen! Dachte er. Nachdem er sich seine Brillengläser von jeglichen Fettresten putzte, erblickte er seinen Religionslehrer, der nach einem Anonymen Alkoholiker Meeting wieder nach Hause zu gehen versuchte. In der linken Hand hielt er eine Flasche „Jack Daniel's Tennessee“ Whiskey, in der rechten einen billigen Kartonwein. Unter seinen ungepflegten Fingernägeln befand sich noch etwas „Schnee“.

Du, du, dudidu *hicks*… du wills‘ hier deine Unschuld verlieren, wa‘ *hicks*, fragte der Lehrer und kratzte sich mit der Whisky Flasche am Sack. Nervös runzelte Seppi seine Stirn und antwortete: Nein, ich habe meine Unschuld längst verloren. Ich führe hier nur einen nächtlichen Spaziergang durch. Der Lehrer lachte: Ja, klar! Und aus diesem Grund hast du auch so viel Bargeld in der Hand, wa‘ *hicks*?!

Ähm, ja?! Ich dachte, dass ich mir unterwegs noch einen Cheeseburger kaufen würde, sagte Seppi mit nervöser Stimme und versteckte die 300 Euro in seine Jacke.

Ach, komm‘! *hicks* Red‘ kein‘ Scheiß, du Unberührter! Was willsu‘ hier?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Seppi wurde rot im Gesicht.

Du willst 'ne Nutte bumsen, wa‘, *hicks* grinste der Religionslehrer.

Nein, ich will doch keine Nutte bumsen, sagte Seppi verächtlich. Ich will etwas ganz Anderes, und blickte voller Scham zum Boden. Ja, wat denn nu‘? *hicks*

Ich kann es Ihnen nicht sagen, Herr Lehrer. Was Anderes eben.

Na, dann halt nicht. *hicks* Der Lehrer saugte das Koks unter seinen Fingernägeln aus und sagte: Dann werde ich dir *hicks* natürlich auch nicht verraten, wie viel Gramm ich davon Zuhause besitze.

27, antwortete Seppi blitzschnell. Was? Woher weißt du das? Sein Schluckauf hörte sofort auf.

Ich war doch derjenige, der es Ihnen heute vertickt hat, Herr Lehrer, schaute er seinen Religionslehrer verwundert an.

Ach ja, ich vergaß. Danke übrigens.

Beide blickten voller Scham zum Boden. Ein Moment der Stille kam über die Straße.

Schaffst du hier etwa an, setzte der Lehrer nach einiger Zeit fort. Nein. Sie etwa, erwiderte Seppi.

Ich leider auch nicht, sagte der Lehrer. Erschrocken sah ihn Seppi an. Was?! Er wusste nicht, wie sein Religionslehrer es meinte. Nichts. Vergiss‘ es, Alter, seufzte der Lehrer und bohrte weiterhin nach: Jetzt ehrlich, was machst’n du hier? Deinen Eltern werde ich selbstverständlich nichts verraten. Und überreichte dem Jungen die Flasche, in der Hoffnung, dass er mit der Sprache bald rausrücken würde.

Der Bursche nahm die Flasche mit beiden Händen an und lies aufmerksam den Namen des Destillats. Das ist Müll. Ich bevorzuge "Midleton", der ist schön weich und vollmundig, erwähnte Seppi. Der motorisch beeinträchtigte Alkoholiker riss ihm die Flasche sofort aus den Händen: Für einen 9-Jährigen haste ziemlich hohe Ansprüche, du undankbarer, neunmalkluger Bengel. Los mit der Sprache… was willste hier? Der Mann trank den letzten Schluck und zerbrach die Glasflasche mit seiner Hand.

Ähm… ähm…, mit seiner Redegewandtheit versuchte Seppi Zeit zu gewinnen. Ich bin hungrig und möchte mir einen Cheeseburger kaufen, gab er von sich.

Nachts? Um diese Uhrzeit? In solch einer verdammt kalten Nacht?! Willsu‘ mich verarschen?

Nachts auch. Immer. McDonald's, I’m lovin‘ it, log Seppi.

Du kleiner, dummer Bastard! Ich reiß' dich gleich in Stücke, ärgerte sich der Religionslehrer. Ach, das ist das Kokain, es macht mich so energisch und aggressiv, packte sich der verzweifelte Lehrer am Kopf. Es tut mir leid, entschuldigte er sich.

Ja, ich kenn‘ das. Ist schon gut, Herr Lehrer, sagte Seppi, während sein Religionslehrer einen schlafenden Straßenpenner samt Hund brutal vermöbelte, um seine durch Kokain entwickelte Wut abzubauen.

Und wieder war es still. Man hörte nur einen armseligen Penner an der Straßenecke heulen und den fiependen Hund, aber sonst nichts. Es war still. Zu still für einen Religionslehrer auf Kokain: Na ja, wenn du mir nicht den Grund für dein' Aufenthalt hier offenbaren wills', dann werd' ich dich und deine kreischenden Straßenpenner verlassen. Und er kroch total besoffen an dem Jungen vorbei.

Wenn Sie mich nicht verraten, sagte Seppi schnell, es ist wegen den Nutten. Der Alkoholiker kroch wieder zurück. Wusst‘ ich’s doch, prallte er. Er richtete sich wieder auf und klopfte dem Jungen auf die Schulter.

Die Nutten, die bieten doch sexuelle Praktiken für alle Männer dieser Welt, egal wie sie aussehen oder, befragte Seppi seinen Lehrer.

Wer sagt das?

Mein Vater.

Und du wills' jetzt eine Nutte werden oder wie?

Was?! Nein! Ich… ich… ich will

Ja, wat denn verdammt?! Spuck’s aus, Forrest Gump! Du vergeudest meine wertvolle Zeit, Unberührter, attackierte ihn der Lehrer.

Ok, ok! Ja, ich will eine Nutte bumsen, ich will mich entjungfern lassen, verdammte Scheiße! Sind Sie jetzt zufrieden, brüllte Seppi.

Is‘ in Ordnung, Kleiner. Chill‘ dein‘ Brain, oder wie sagt ihr Kinder heutzutage?

Stille. Seppi drehte sich zum rot beleuchtenden Fenster um und starrte es an, ohne ein einziges Mal zu blinzeln. Wo bleiben diese Nutten bloß, stellte er sich die Frage. Der Religionslehrer näherte sich langsam dem Jungen, er slalomierte zu ihm: Dein Vater hat dich bestimmt vieles gelehrt. Aber hat er dir nicht erzählt, dass die Nutten nachts schlafen?

Nein, flüsterte Seppi und sah mit einmal sehr enttäuscht aus, das hat er nicht gesagt.

Na, was ist denn das für ein blöder Schwanzträger, wenn er nicht einmal das weiß. Nachts schlafen die Nutten doch. Nachts schlafen sie immer, diese Nutten. Wenn es dunkel wird, schon.

Ist das wahr?

Ja, klar! Dein Vater sollte es eigentlich wissen? Am helllichten Tag isser ein regelmäßiger Puffbesucher. Immer zieht er sich eine Kapuze drüber, wenn er rein und rausgeht, kein‘ Plan warum, wahrscheinlich will er dort nicht feucht werden. Er wirkt immer nervös und total hektisch.

Sie lügen, brüllte Seppi. Sein Herz pumpte wie verrückt, er konnte es nicht glauben, dass sein ehrenvoller Vater seine Mutter betrügt.

Ne, kannste‘ deine Mutter fragen, sie arbeitet in dem Puff. Seppi stand unter Schock. Es ergab für ihn keinen Sinn. Die Tatsache, dass sein Vater seine Mutter mit seiner Mutter im Puff betrog, überraschte ihn ein klein wenig.

Ich will dir nun wat über Politik erzählen, sprach schließlich der Mentor.

Politik, wunderte sich der kleine Seppi.

Ach, 'Tschuldigung, ich mein‘ Prostitution. Beide laufen aber im Prinzip aufs‘ Gleiche hinaus. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Politiker für die Kohle, die sie bekommen, nichts zurückgeben. Verstehst, worauf ich hinaus will?

Ich denk‘ schon. Politiker sind Nutten, sagte Seppi stolz. Oha, du bist ja ein fixer Kerl, lachte der Lehrer. Er drehte sich zu den Obdachlosen und schrie sie an: Watch out homeless bastards, we got a badass over here! Die beiden lachten und lachten, obwohl Seppi kein Wort Englisch verstand. Und die Obdachlosen liefen und liefen, die Einbeinigen liefen schneller als ihre vierbeinigen Hunde. Alle Penner rannten um ihr Leben.

Schlafen die Politiker auch nachts, fragte Seppi weiterhin nach.

Jawohl, das tun sie.

Hmmm…, fragte sich Seppi

Wat denn?

Eine Sache verstehe ich nicht, haderte Seppi mit sich selbst.

Wat denn?

Wenn Politiker Nutten sind, aber nichts zurückgeben, müssten sie doch ein schlechtes Gewissen haben oder? Wie können die dann überhaupt nachts schlafen?

Der Lehrer sah aus wie Joker. Er grinste über das ganze Gesicht und sagte zwei Worte, die alles erklärten: Weil Baum.

Dann setzte er fort: Wat ich ursprünglich sagen wollt‘, lass‘ dir Zeit mit den Nutten. Biste noch so jung, den Scheiß brauchst jetzt einfach nicht.

Ist gut, sagte Seppi.

Komm‘, bring‘ mich nach Hause, rülpste der Lehrer.

Somit verließen die beiden den Ort des Satans. Der Lehrer schmiss seinen Kartonwein auf die Straße. Sie slalomierten dahin und ließen all den Schmutz hinter sich. Gott war deren Zeuge. Und die verscheuchten Obdachlosen sahen sich an und fragten sich, wie man so dermaßen dumm und besoffen sein kann.

Die einzig wahre Interpretation


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