Lafer!Lichter!Leck mich!
Existentielle Bedürfnisse treiben in der medialen Zubereitung manchmal seltsame Blüten. Das, was bereits vor Jahrzehnten an sexistischem Unwitz und dümmlicher Selbstbeweihräucherung aus dem TV verdrängt gewesen zu sein schien, überlebt scheinbar unbeschwert in den Nebelschwaden des Kochnischen-Programms. Dabei ist es nicht nur der Inhalt, der schon längst das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hat, auch die Protagonisten sind fern des anderweitig propagierten guten Geschmacks. Und keinen stört es, am wenigsten das grenzdebile Publikum, das wie eine Wal-Mart-Belegschaft nach der allmorgendlichen Gehirnwäsche begeistert jeden Dünnschiss beklatscht, wenn er nur vorher konkludent als lustig gekennzeichnet wurde.
Inhaltsverzeichnis
Horst
Horst, bekennender Mundart-Hausschwein-Flüsterer und schielender Anbeter von "Läckerschän" mit zwei oder vier Beinen hat sich bereits vor Urzeiten dem modernen Trend unterworfen, sich als Hygieneregel einen riesigen Bart wachsen zu lassen, damit die Speicheleinflugschneise auf 0 reduziert wird. Da ist das eine oder andere Härchen, das in der Suppe landet, leicht zu verschmerzen, verdirbt den Brei nicht und gehört ja eigentlich zum Geschäft. Ob der Horst aber vielleicht auch nur aus Faulheit diese Popelbremse trägt, bleibt unklar und - mit dem zugehörigen Weichgaumengeplapper - unerträglich.
Johann
Wenn einer ohne Punkt, Komma und auch tieferen Zusammenhang spricht, ist das der Johann. Maschinengewehrartig reiht er grinsend Halbsatz an Halbsatz, die er oft mit österreichischer Höflichkeit im Klangkörper Horsts ersticken lässt. Es ist aber auch sehr praktisch, wenn man nicht verstanden wird und sich rechtzeitig ducken kann, um das Sößchen weiter zu bearbeiten. Faule Tomaten will außerdem auch keiner! Dann leiert er seine Stimme in Vorzeige-Österreichisch aus dieser konzentrierten Stellung mal leiser und mal lauter heraus und herunter. Dabei gewinnt sie aber dann einen beschwörerischen Grundton, wenn es um die perfekte Zubereitung der gerade verwendeten Zutat geht, wer vorgestern in seinem Restaurant war, wo glückliche Kühe herkommen und dass er in ca. 37 Minuten mit dem Hubschrauber zum nächsten Sektgrillfrühstückchen vis a vis der Loreley oder zum Kaviardessoussnack bei Rach im Hamburger Tafelhaus oder zum pfundigen Pfifferlingssteak in gekühlter Joghurtsoße an Kressepotpourrie in das Wolfsburger „Aqua“ zu Sven Elverfeld unterwegs sein wird. Die verbleibende Zeit zur Selbstproduktion ist gering und Lichters präkopulatives Gehabe zu geräuschvoll, um Gelegenheiten verstreichen lassen zu können.
Das Programm
Das Programm ist denkbar einfach, denn anders als bei vielen anderen Fernsehkonzepten tun die Darsteller das, was sie können bzw. so verkaufen können, als könnten sie es. Dabei streicht Horst seine Segel mit der Farbe der hauswirtschaftlichen kölschen Unbedarftheit vor der unheilvollen Aura der Michellin-Kampfsterne Johanns und konzentriert sich auf vermeintlich einfache und leckere Rezepte. Gern vernachlässigt er etwas die Optik wie auch den regelmäßigen Austausch des Probierlöffels. Essen müssen eh die andern. Und es ist ja vor allem LECKER! Da kann man einiges verschmerzen. Da puhlt man sich gern auch mal ein Überbleibsel des letzten Probierens aus dem Zwiebelkartoffelbrei mit Kasseler Braten und braunem Sößchen. Das kommt der Mitnahmementalität des Publikums entgegen: "Mensch, für 20 Euro ne Karte zur Kochshow und dann noch satt werden!!" Johann, der zweieiige Zwilling von Horst, ist hingegen der Quotengourmet der Sendung. Er hat jahrelang versucht, „läckar Zwiebelsuppe“ „fein Bratkartöffelschen mit Härring“ oder „Amerikana als Lollipoppp“ herzustellen, aber das Filetfleisch ist willig und der Geist so schwach: Er schafft es einfach nicht, einfach zu kochen. Aus dieser Dialektik bezieht diese Sendung ihren zweifelhaften Reiz. Da, wo Horst lustig Pfeffer und Salz aus dem Handgelenk über die Speisen schüttet, garniert Johann sich fast zu Tode, da wo Horst „enn bisschen Pappricka“ noch „drumrum“ legt, „weil ett besser aussieht“, setzt Johann mit dem Pürierstab an und umkränzt zwanghaft die kross angebratenen Rindfleischmedaillons mit geflochtenen Strängen Petersilienkartoffelbreis. Er kann seine pervertierte Ausbildung nicht so leicht abschütteln wie der Horst sein Gewürzhändchen über dem Paprikahähnchen. Für ihn gibt es kein schwarz und weiß mehr, kein „baba“ und kein „lecker“, sein Geschmacksempfinden ist in den Ewigen Gourmet-Jagdgründen von „grünlich“ bis „hintergrund-pikant“ „obstig-exquisit“ und „eigentlich hervorragend bis auf die kleine Härte im Anbiß“ entschlafen. Bei Horst gibt es neben "läcker!" - auch auf die Kochpartnerin anwendbar! - nur „richtisch dursch“, „kernisch“, „Lust auf mehr“ „reinsetzbar“, aber genauso wenig wie bei Johann das Geschmacksempfinden für „peinlich“. Ob die Macher dieses ungleiche Gespann bewusst als Doppelladung für masochistische Fremdschäm-Gelüste bzw. als eine Komplettlösung für Küchenfahnenflucht beider Läger anbieten, darf in Frage gestellt werden, ist aber praktisch: Falls einem die kölschen Frikadellen zu doof sind, kann man sich schnell als Gourmetfreund ausgeben, der es ja noch nie wirklich mit der "einfachen Küche" gehabt hätte und wenn einem das dentale Lächeln des Alpenweißkittels zu albern ist, kann man sich bequem auf die kölsche Gastfreundschaft bei Rotwurst und Zwiebelringen beziehen und den Arsch der Partnerin betatschen.
Die Zubereitung
Da die Paarung also gegensätzlicher nicht sein könnte, geht man gut gerüstet in den Kampf – mit einem Rezept, dass mit kölscher Banalität Gourmetraffinesse die Show stehlen soll und einem Fünf-Sterne-Menü, das Lichters Gekoche in den Dunstkreis einer Mc-Donalds-Küche zu bringen vermag. Natürlich scheint alles nicht ernstgemeint, im Magen kommt eh alles zusammen, so wie man ja zusammen lacht und die doofen Witze haben ja keinen satirischen Fallstrick. Doch blickt man in diese verbissenen, verschwitzten Gesichter, beginnt man an der Leichtigkeit dieser Fernsehkost zu zweifeln. An ihrer Seite befinden sich immer zwei Partner ihres Vertrauens, die in dieser luftig-lockeren vor Freundlichkeit, Nicklig-, wie Nichtigkeiten aufgedunsenen Atmosphäre die tumben Vorlacher für kumpelhafte Ellbogenchecks stellen. Sie sind aber nicht nur Flachwitzelitis-Claqueure für humoristische Anwandlungen, sondern sie werden auch gern als Schießbudenfiguren, wenngleich auch mit verklärendem Hentai-Charakter selbst für beißenden Spott missbraucht, um einen Basispunkt für die Souveränität und Überlegenheit der Fernsehköche bilden zu können. Dies wurde dem als "Schulhofprinzip" bekannten Konzept mittelmäßig aussehender junger Damen entlehnt, sich mit noch hässlicheren Freundinnen abzugeben, um selbst Eindruck schinden zu können. Unter den Blinden ist der Einäugige halt König und unter den Campingkochern die Einbauküche auf Abstottern. Nur böse Zungen berichten davon, dass die Lückenbüßer Idealbilder für Johann oder Horst darstellen, also so, wie sie gerne selbst wären.
Daneben gibts Tipps für das perfekte Anschwitzen von Gemüsezwiebeln, das Entgräten von Heilbutt oder das mobile Karamellisieren von winzigen, gezuckerten Desserts. "So hat sich Deutschland künftig zu ernähren, aber ihr könnts ja doch nicht!", klingt es dann doch aus jedem abgezählten Fettauge. So wird das Publikum in eine ehrfurchtsvolle Haltung hineinmanövriert, doch die mit viel Fachbegriffen, also mit Bedacht zubereite Unfähigkeit vermag es sich einfach wieder wegzulachen.
Die Seiten-Airbags
Nimmt man beispielsweise die von der Nachrichten-Papageienstange geholte Gundula Gause, die von Horst ausgewählt wurde, um das Programm "zu bereischern", soll zunächst wohl schon allein der Umstand Eindruck schinden, die mit ihrem Claus Kleber als unzertrennlich geltende burschikose Meisterin des künstlichen bzw. künstlerischen Lächelns ohne ihn vor die Kamera bekommen zu haben. Die stets hochkonzentriert blickende Zettelhalterin schafft es als einzige Frau der Welt, mit heruntergezogenen Mundwinkeln zu lächeln. Ob es eine einklagbare Berufskrankheit oder ein in Professionalität verkümmerter Restcharme ist, bleibt ungeklärt. Jedenfalls scheint sie abseits der Nachrichtensoufflierei in einer zwanghaften Gegenbewegung zur üblichen Motorik jede Information in sich aufzusaugen, was jedenfalls ihre Mundbewegungen suggerieren, wenn sie dem Lichterschen Kanaillenkölsch zuhört. Geübt im Freischwimmerbecken fernsehtüchtigstem Vorzeigedeutsch, aber eben nicht mit Dialogen vertraut, kaut sie ihre Antworten portionsweise heraus. Trotzdem wirkt sie so viel überlegter gegenüber dem ungestüm scheinenden Horst. In seiner Bauernschläue hat Horst aber für ein geklärtes Hauptterrain gesorgt: die Dame kann ja überhaupt nicht kochen! Ein Refugium, in das er sie stets zurückziehen könnte, wenn ihm innerhalb kürzester Zeit sekundäre Konjugationen in ihrer perfekten Anwendung oder eine üppige Vielzahl von Relativpronomen, bei denen Horst noch nicht einmal etwas von ihrer Existenz weiß, um die Ohren geflötet werden: "Relativsätze sind doch Sätze, wobei datt Wort "Relativ" vorkommt....also....relativ gut durchgebraten...relativ kalt....relativ teure Zutaten" - ja, das und noch viel mehr!
Daneben steht der Mann, dessen pseudowissenschaftlich aufgezogene Dokumentationen vor allem über Hitler vor Neugier, obsoleter Duzfreudigkeit, Sensationssüchtigkeit und konstruiertem Insiderwissen strotzen, was mit von ihm selbst erwähnter Distanz überwürzt insgesamt geschmacklich perfekt neutralisiert wurde. Im Endergebnis sieht es also aus wie eine Wochenschau-Propaganda, ist wissenschaftlich auf Dschungelbuch-Niveau und schmeckt wie eingeschlafene Füße. Man kennt das von halbgaren Tierdokus, wo man halb angewidert von der Wildheit und Brutalität, und halb bewundernd beeindruckt von der schieren Einzigartigkeit des Rote-Liste-Status, von Freiheit und Kraft, das Auge vom anvisierten Zootier nicht abwenden kann, wenn es nicht auf dem Teller landen soll.
Das deutsche Publikum und vor allem die rechtsextreme Szene, die ihn anfangs als einen der ihren ansah, hat seinem Tun deshalb viel zu verdanken. Noch nie war man intimer mit Hitler und seinem Umfeld vertraut gemacht worden. Noch nie war das Wissen um die Nazivergangenheit für den Alltagsgebrauch modischer und für diese gewisse Klientel unauffälliger geworden. Durch Knopps Aufbauarbeit kann man vortrefflich auf Burschenschaftsabenden oder nach DVU-Podien mit braunen Anekdoten prahlen und sich während kritischer Diskussionen mit Normalvolk behaupten. Nun wissen alle um Speers introvertiertes Revoluzzertum, Hitlers Süßigkeitenwahn oder Eva Brauns bevorzugter Schlüpferfarbe. Und dass Hitler am Krieg schuld ist. Er allein. So wie Gundula mit roboterhaftiger Homogenität an ihrem Sessel klebt und emotionslos auch über den finalen Atomschlag berichten könnte, so scheint Guido als Propaganda-Mitarbeiter, der die offizielle NS-Berichterstattung in eine Big-Brother-Atmosphäre zu tauchen versteht:Adolf ist rausgeflogen, nur nicht nach Südamerika! |
"Ist der, der sich beruflich tagsüber in solch abartigen Bunkerkellergewölben und perversen Gedankengebäuden aufhält und reichlich Überstunden macht, überhaupt noch lebensfähig? " fragt man sich. Antwort: Na klar! Solange ihm ein Fernsehkoch zur Seite steht!
Beispiel
Gundula und Führers erster Fernseh-Biograph Guido Knopp stehen also als Seitenaufprallschutz neben den Hauptdarstellern und stellen ihre Rezepte vor: Gundula: "Ich kann gar nicht kochen, mein Mann und meine Kinder finden das aber toll. (Unterdrücktes Lachen im Publikum) Also - sie kommen damit gut zurecht, weil sie selbst einigermaßen kochen können" *lächel* BRÜLLER!
Gundula: "Ich hab ja nie Zeit...!" BRÜLLER!
Johann: "Ja, gäh, stell Dir vor, ich hab auch einen Gast" Johann: "Ja, doch, ich freu mich sehr, dass er da ist, es ist Guido Knopp, Professor, Professor Doktor Guido Knopp, er hat Zeit gefunden mit uns etwas Leckeres zu kochen. Wir werden eine Zuckermelonensuppe mit geeistem Pfefferjoghurt und Tandoori-Spießen und Lammstelzen im Bohnen-Kräuter-Sud zubereiten. Das ist ganz einfach, Wichtig ist einfach nur, sich an ein paar kleine Dinge zu halten, erster Punkt Qualität!, zweiter Punkt, wenn Obst verwendet wird, wie bei unseren Schattenmorellen, immer sauber abtropfen lassen, sonst hat man so eine Matsche. Immer wieder sieht man so etwas. Es ist schrecklich. Nun nehmen wir Pfefferkörner, hier, so, eine Handvoll, die nehmen wir und rösten sie in einer Pfanne an und dann - ohne Fett natürlich - " BRÜLLER!
Johann: "HähähähähähähähäHähähähähähähähäHähähähähähähähäHähähähähähähähä" Guido scheint nicht zu verstehen, warum die Leute lachen, lächelt aber. BRÜLLER!
Das scheint Gundula nicht zu verstehen. Guido hat bis jetzt kein Wort gesprochen, lächelt aber immer noch. BRÜLLER!
Horst ergreift lüstern die Hand (Handschuhgröße L) Gundulas. BRÜLLER!
Gundula wie ein Schulmädchen in einem japanischen Film fragend: "Mach ich das richtig so?" BRÜLLER!
Horst: "So - jetzt tun wir wass Milsch und Brokkoliwasser dabei, um den Geschmack zu verfeinern!" BRÜLLER!
Horst geht nicht darauf ein:" So Gundula, Du nimmst jetzt diese Zwiebeln und schneidest sie in kleine Ringe. Guck, so!" (macht noch gefühlte 5 Minuten weiter) Horst hats auch schon gemerkt: Also, nee, da schmeißt der datt Käppschen vom Kürbis weg…“ - Ein schlechtes Wortspiel später würzt Johann ungeschickt-lakonisch dazu: „Wir verwerten alles – hähähähähähähähä….“ (schnell leiser werdend), während wieder einmal ein unbeschreibliches |
Es ist angerichtet
Ja, nun ist etwas angerichtet worden! Trotz zahlreicher Irrungen und Wirrungen hat die Professionalität im Küchenbetrieb gesiegt: Vollgekleckerte Tellerränder werden durch am Gürtel getragene Tücher abgewischt, wie der gewichste Schnurrbart Horsts und entsorgte Kürbiskäppchen wurden geschickt durch schicke ALDI-Gläschen ersetzt oder aus dem Glaswaren-Shop um die Ecke zu 19,95 €, weiß keiner, interessiert auch keinen: wichtig ist ja immer der Inhalt, wenn das Auge bereits satt ist und erst wenn das Medium keinen Inhalt hat, dann zählt das Aussehen. Im Zweifel das von gestandenen Männern, die so erfolgreich sind, dass sie den ganzen Tag lachen möchten. Lachen ist ja ansteckend, Erfolg leider nicht. Aber das Publikum gibt sich bereits mit guter Laune zufrieden, weil alles bei aller vermeintlicher Lockerheit doch bieder seriös und glaubhaft war. Einzig allerdings verbleibt die Hoffnung, dass nach der Wiedergeburt der zahllosen gefilmten Hausfrauen-Zaubereien aus den Fünfzigern und den Finessen eines Paul Bocuse aus den Siebzigern, dass nach der vielgestaltigen Auferstehung der Hand- und Heimwerkerriege auf zahllosen Unterklasse-Sendern, um die Sendezeit zu füllen, nicht auch noch andere Branchen auf den Fernsehschirm drängen.
Nicht auszumalen, wenn die Bestatterzunft künftig das perfekte, wenn auch das letzte Dinner für die Zuschauer sendetüchtig machen: "So halten Sie Ihre Leiche länger frisch" oder "Schminktipps für matschige Verstorbene". Aber wenn es doch so kommt, mag man sich damit trösten, dass einem letztlich der schlechte Geschmack einfach abgeschafft wird, wenn man nur noch auf harten Brotkanten herumkaut und sich alles in eine Trauerbegleitung für glückliche Erben auflöst. Mahlzeit!
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