Stupidedia:Adventskalender 2012/24

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OK, an mir ist es es also hängen geblieben. Während die lieben Kollegen alle ganz einen auf „geruhsam“ machen und ihren Familien mit ihrem lieblichen Gesülze die heile Welt vorheucheln, sitze ich in der Nacht zum Heiligabend mutterseelenallein in der beschissenen Redaktion des Stupidedia-Adventskalenders und soll den Text für ausgerechnet das letzte, das wichtigste, das besonderste, das Türchen aller Türchen schreiben. Und keine Sau hat es für nötig gehalten, mir mal vorher Bescheid zu sagen. „Der alte Sack kann das ruhig mal machen,“ werden sich die Jungspunde gedacht haben, „der wird nicht so dringend zu Hause gebraucht, wie wir, die noch voll im Saft stehen und deren junge Liebe vor Leidenschaft nach körperlicher Nähe schreit.“ Naja, die kommen auch noch dahinter. Aber was solls, einer muss es ja machen! Und wenigstens ist keiner mehr da, der mir bei meinen Überstunden auf die Finger glotzt, ob ich auch ja nicht zu wenig mache! Also hab ich es mir entsprechend schön gemacht. Unten in der Tanke hab ich mir ein Sixpack von dem guten Bier geholt. Das Rauchverbot kann mir jetzt auch mal gestohlen bleiben; schließlich kommt hier in diesem Jahr eh keiner mehr her. Und bis zum 2. Januar, wenn die Heimarbeiter wieder auf der Matte stehen müssen, ist der Rauch sicher verflogen.

So fläze ich mich also in das ausladende Sofa im Empfangsbereich, die Füße auf dem niedrigen Glastisch, den Schreibblock im Schoß und grübele nach, worüber ich jetzt schreiben soll. Nur nicht das weiße Blatt anschauen! Das killt die Muse. Ich zünde mir eine Selbstgedrehte an und sehe hinüber zu unserem schwarzen Brett. Gleich drei Adventskalender hängen dort: Ein klassisches Kindermodell mit cartoonartigen Weihnachtsmotiven, ein "Sexy Xmas"-Modell für die Herren, welches ich selbst dort aufgehangen habe, und ein zweites ähnliches Modell, allerdings mit leicht bekleideten Herren, von dem zwar einige der Damen in der Redaktion recht angetan sind, aber felsenfest behaupten, es nicht mitgebracht zu haben. Von der Aufmachung her scheint dieser Kalender auch nicht für die Damenwelt als Zielgruppe konzipiert worden zu sein. Außerdem ist dies der einzige Kalender, bei dem noch ganze drei Türchen unberührt sind. Allerdings ist das ja auch kein Wunder. Wenn ich mir den riesigen mit Unmengen an Schokoladenweihnachtsmännern, Marzipaneiern und Dominosteinen gefüllten Teller anschaue, der schon seit Ende November auf dem Empfangstresen steht und stets aufgefüllt wurde, steigt mittlerweile ein unweigerlicher Brechreiz in mir hoch.

Wie hat man sich doch als kleine Drecksgöre auf das allerletzte Türchen im Weihnachtskalender gefreut! Immerhin war ja damals das Türchen mit der geheimnisvollen Vierundzwanzig noch doppelt so groß wie die anderen Pappklappen. Das ließ darauf schließen, dass statt der gewöhnlichen 5 Gramm eine Überdosis an stolzen 10 Gramm Vollmilchschokolade auf das artige und geduldige Kind warteten. Und damals war das auch noch so. In unserer heutigen gewinnoptimierten Wirtschaft wären sogar verschiedene Perforierungsmuster der Türchen für unterschiedliche Hersteller schon undenkbar. Solch extravagante Produkte wären auf dem aktuellen Markt für Druckereierzeugnisse pro Stück mindestens 26 Cent teurer in der Herstellung, also für den Kunden völlig unbezahlbar und damit nicht marktfähig. Im Grunde können wir doch froh sein, dass es Adventskalender überhaupt noch mit verschiedenen Motiven und sogar Füllobjekten gibt. Die allerdings wiegen heute einheitlich gerade einmal noch 3 Gramm pro Stück. Lediglich die Preise steigen unaufhaltsam. Und die Qualität ist auch schon lange nicht mehr die, die sie mal war.

Heute konsumiert man ja mit diesen homöopathischen Schokoreliefchen auch immer eine gehörige Portion krebsverdächtiges Altöl mit dazu, das während der Herbstmonate aus der wiederverwerteten Recyclingpappe herausdünstet und sich in den ohnehin ungesunden Fettmolekülen der Palmölanteile festsetzt, welche die viel teurere Kakaobutter ersetzen sollen. Hinzu kommen die Weichmacher aus der Kunststoffgussform, in der die kleinen schwer identifizierbaren Minifigürchen mal wie angenagelt festsitzen, mal beim ersten Aufhängen herausfallen um sich im unteren Teil der Pappschachtel zu sammeln, was eine bestimmungsgemäße Benutzung des Adventskalenders unmöglich macht. Es gibt eben keine Qualität mehr.

Ich nehme einen Zug an der Zigarette, mache mir ein neues Bier auf. Da fällt mit der gute Marillenbrand ein, den unser Chef immer für wichtige Werbekunden im Aktenschrank stehen hat. Ich gehe in sein Büro und hole mir die Flache und ein Glas, gehe sinnierend in den Redaktionsräumen herum, trinke, genieße. Mittlerweile haben wir ja schon den Vierundzwanzigsten. Das kann man schon mal feiern. Und feiern ist ja schließlich Genuss. Herumwandernd mampfe ich einen Schokoriegel. Vor unserem eher mickrigen Weihnachtsbaum bleibe ich stehen. Frage mich, wer wohl als erster auf die bekloppte Idee gekommen sein mag, sich einen Tannenbaum ins Haus zu stellen, Kerzen daran zu befestigen und lauter andere Dinge dranzuhängen. Aber weitaus verrückter ist es doch eigentlich, eine solch unsinnige Handlung auch noch nachzuahmen. Ich nehme noch eine Marille, komme von dem Baum-Gedanken nicht los. Wie verkauft man der halben Welt eine dermaßen bescheuerte Idee? Und das auch noch ohne jeglichen Eigennutz! Wozu? Egal! Auf Alk werde ich immer so scheiß philosophisch. Ein neues Bier öffnend mache ich es mir wieder auf dem Sofa bequem, nehme einen langen Schluck und male Comicfiguren auf den Schreibblock. Manche kotzen, manche schenken sich gegenseitig Blumen, manche stehen 'rum und andere sind nur so da. Dieser scheiß Text, den ich schreiben soll geht mir sowas von auf die Nüsse! Ich hab weder Bock, der Idiot zu sein, der am Ende daran Schuld ist, dass es wieder einmal nur zu drittklassigem Sinnlosgeschreibsel ohne tieferen intellektuellen Hintergrund gereicht hat, noch scheint meine Birne gewillt zu sein, sich auch nur den geringsten Einfall einfallen zu lassen. Scheiß Muse! Hat immer ihre Tage, wenn man sie braucht. Vielleicht sollte ich mir eine Muse mit einem großvolumigen Sechszylinder besorgen. Da drehst du den Schlüssel 'rum, und sie ist zu Diensten!

Visage im Scanner.jpg

Ratsch! Weg mit der mit Fratzen und Autos bekritzelten Seite! Schreiben wir was! Mein innerer Schweinehund ist erwacht. Er macht allerdings einen recht schläfrigen Eindruck, sodass ich das Gefühl habe, jetzt schnell handeln zu müssen. Ich schreibe also ohne groß nachzudenken auf, was ich gerade mache und was mir dabei so durch den Kopf geht. Dabei mache ich die Marille nieder und köpfe noch das ein oder andere Pils. Der Schnaps macht mich hungrig, die Schokolade durstig: ein Teufelskreis, in dem der Tabak seine ganz eigene, ablenkende Rolle spielt. „Das kann mir keiner bezahlen,“ denke ich so bei mir, „dass ich zu Weihnachten mit einem Kater im Kopp meinen Kindern den Weihnachtsmann mimen soll, nur weil ich in der Nacht zuvor dummes Zeug schreiben musste, das am Ende nur 20 Leute lesen.“ Und das ist ja im Zeitalter von liken und sharen oder twittern schon eine ziemlich magere Ausbeute. Selbst das Abreißinserat für einen gebrauchten Kinderwagen im Eingangsbereich von Rewe hat eine größere Leserschaft.

Ich beschließe, nichts mehr Korrektur zu lesen, sondern meine wirren Gedanken ungefiltert auf die paar Leser loszulassen. Sollen die sich doch denken, was sie wollen! Nur noch ein Foto! Schließlich gehört ein Bild zu einem Artikel immer dazu. Der schwule Kalender wäre ein passendes Motiv. Ich suche die Kamera, finde das Scheißding aber nicht, obwohl ich dafür die ganze Bude auf den Kopf stelle, Schubladen durch die Gegend flacke, Blumentöpfe umstoße. Kacke! Hat wahrscheinlich wieder einer der kleinen Pisser mit nach Hause genommen um seine Alte nackig zu knipsen oder so! Egal! Dann scanne ich eben meine Kritzeleien ein um die kaputten Worte zu illustrieren. Leider bin ich mittlerweile so angeschlagen, dass ich Probleme habe, das Blatt ordnungsgemäß auf die verschissene Glasplatte zu legen. Dafür scanne ich mehrfach meine verschrobene Visage ein, weil ich mich komischerweise immer wieder mit dem Gesicht auf dem Eingabegerät abstütze um nicht umzufallen. Von der Bedienung des OCR-Programms (oder wie der Mist sich schimpft) ganz zu schweigen. Früher konnte man bei Kaugummi- oder Zigarettenautomaten mit einem beherzten Tritt einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Leider nimmt mir nicht nur der Scanner, sondern auch der PC des Redaktionsleiters meine robuste Art ziemlich übel. Aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Schließlich habe ich eine Mission zu erfüllen. 12 Rechner später habe ich es geschafft: Der Text ist auf dem Server. Auf die Illustration ist geschissen! Auf den scheiß Jugendschutz auch! Sollen die vom technischen Service doch einen Obszönitätenfilter einbauen, der meine promillebedingte Machosprache in neumodische politische Beknacktnis oder von mir aus in kleine weihnachtliche Sternchen umwandelt!

Ich jedenfalls trinke jetzt aus und bleibe dann einfach hier liegen. Seit ich die Redaktionsschlüssel hab, bin ich nicht mehr so oft angetrunken heim gekommen wie früher. Ich muss nur sehen, dass ich mich vor der Putzfrau in Acht nehme, sonst hab ich morgen trotzdem die Bescherung!


Euch allen wünsche ich jetzt jedenfalls ein schönes Weihnachtsfest mit vielen Geschenken.
Ach, und wartet nicht auf mich, ich komme sicher etwas später.
Aber zur Bescherung bin ich da.


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