Stupidedia:Adventskalender 2012/21

Aus Stupidedia, der sinnfreien Enzyklopädie!
Wechseln zu: Navigation, Suche
Es sieht bisweilen nicht sehr schön aus...

Es liegt Weihnachten in der Luft.

Die roten Neonlichter der Freudenhäuser, auf denen der Kunstschnee langsam vor sich hin köchelt und den Geruch von verbrannten Lebkuchen verbreitet, leuchten die heruntergekommenen Häuserfassaden an, sodass die Straße im festlichen Glanz erstrahlt, zumindest wenn man der Meinung ist, dass rotes Licht ausreicht, um Feierstimmung aufkommen zu lassen.
Der Straßenverkäufer, der das Trottoir blockiert und panisch versucht, die vergammelten Hot Dogs des Vortages an den Mann zu bringen, hat sich sogar Mühe gemacht und seinen Verkaufsstand mit einer Lichterkette dekoriert, bei der jede 3. Glühbirne nicht mehr funktioniert.
Eine knapp bekleidete Frau mit weißem Rauschebart wird von einem vorbeirasenden Bus überfahren.

Es weihnachtet sehr, sage ich zu mir selbst, während ich an einer Straßenecke stehe und nach einem Interviewpartner suche. Eigentlich sollte ich jetzt an einem karibischen Strand unter Palmen liegen, Cocktails trinken, Zigarren rauchen und den Strandschönheiten klar machen, dass der Weihnachtsmann eine Überraschung für sie in meiner Hose deponiert hat, aber nach einer misslungenen Taxifahrt, die mich in die Rotlichtviertel von Caracas gebracht hat - vielleicht war es auch eine Expressentführung, auf jeden Fall bin ich ziemlich viel Geld losgeworden - habe ich mit meinem Chef gesprochen und berichte daher live aus dem lieblichen Barrio de las putas, wo das Weihnachtsgeschäft auf Hochtouren läuft. So glaubt es zumindest Leticia zu wissen: „Weihnachten ist immer eine lukrative Zeit. Die ganzen Versagertypen, die hier vorbeischauen, kommen in der Adventszeit noch häufiger, um sich nicht so einsam zu fühlen. Entweder das, oder sie bringen sich um. Aber nicht jeder hat die Eier dazu.“

Auch der Fast-Food-Fachverkäufer Juan macht in den Tagen vor dem Heiligen Abend sein bestes Geschäft: „Die Leute saufen sich den Kummer von der Seele. Es fehlt das Geld, um den Kindern Geschenke oder etwas Vernünftiges zu essen zu kaufen, die Großmutter wurde von Straßenräubern, die ebenfalls Geld für Weihnachtsgeschenke brauchen, überfallen und erschossen, Kakerlaken haben das letzte Stück Fleisch aus der Küche getragen. Viele kommen damit einfach nicht mehr klar und flüchten sich in den Alkohol, für den sie die letzten Bolivar ausgeben. Dann verlassen sie sturzbetrunken die Bar und tauschen ihre Uhr gegen ein halbvergammeltes Hot-Dog. Ich liebe Weihnachten.“

Doch nicht für alle ist dieses Fest ein Grund zur Freude. Für einige bedeutet es sogar Leid und Schmerz. Die Rede ist von den Bäumen und Sträuchern, die im Betondschungel von Caracas kein leichtes Leben haben; doch in der Adventzeit wird es nahezu unerträglich. Die friedlichen und liebenswürdigen Lichtfresser werden unter Unmengen von Kunstschnee begraben, sodass sie kaum atmen können. Die zierlichen Blätter werden mit Schmuck aus alten Dosen behangen und der Stamm mit kaputten Lichterketten festgezurrt. Aber nicht nur für Pflanzen sondern auch für die Tiere sind es harte Wochen. Die Hauskatzen werden trotz der unerträglichen Temperaturen in weihnachtliche Kostüme gezwängt oder man klebt ihnen Geweihe an den Kopf, um aus ihnen Rentiere zu machen. Straßenkinder nutzen den Baumschmuck, um streunende Hunde abzuschießen.

Doch es ist Zeit weiterzuziehen, und ich glaube, dass es auch Zeit ist, das Sakko auszuziehen. Ich schwitze wie ein Schwein. Wie empfinden die Familien die Weihnachtszeit? Was wird als Weihnachtsessen serviert? Während Comandante en Jefe Hugo Chávez und el maximo Líder Fidel Castro winkend von einem riesigen Plakat auf die Bewohner des Armenviertels hinabblicken, kommt mir eine Gruppe von Jugendlichen entgegen. Sie haben kein Interesse daran meine Fragen zu beantworten, stattdessen wollen sie mein Geld. Während sie mit meinem Portmonee flüchten, rufe ich ihnen nach:

Feliz Navidad!


Linktipps: Faditiva und 3DPresso