Spiegelwelten:Wahlkampf in Santiago
"Meine hochverehrten Damen und Herren, |
Wahltermine stehen fest!
In der Zeit vom 18. bis zum 24. Oktober wird in Santiago gewählt. Bis dahin bieten ihnen die Parteien eine Mischung aus Wahlwerbung, politischen Diskussionen und handfesten Skandalen. Und am darfst du entscheiden! Denn ganz Ozeanien ist es erlaubt mitzuwählen. Die Stimmen der Bürger Santiagos zählen insgesamt 50 Prozent, dasselbe gilt für die Stimmen aller Nicht-Bewohner. Am Ende liegt es also an dir, ob Santiago von Sozialen oder Liberalen, Konserven oder Rechtsextremen regiert wird.
Aus der Tageszeitung El País (12.10.2010)
In den frühen Morgenstunden entdeckten Bauern auf einem Maisfeld im Süden des Landes einen Großbrand auf einem Maisfeld. Momentan sieht es so aus, als ob die Feuerwehrkräfte eine komplette Zerstörung der Ernte nicht abwenden können, das Feuer wurde einfach zu spät bemerkt. Noch ist man sich im Unklaren, ob das heiße Sommerwetter an dem Brand Schuld ist, oder ob man es mit Brandstiftung zu schaffen hat. Kritiker vermuten hinter dem Ganzen eine Aktion der Wir-sind-voll-Öko-Partei, die schließlich in ihrem Wahlkampfprospekt stark gegen genmanipulierter Lebensmittel vorgeht. Doch bestätigt hat die lokale Polizei noch nichts, die Ermittlungen laufen. Über den Daumen gepeilt entsteht ein Schaden von ungefähr 100.000 Pesos.
Der Spitzenkandidat der Wir-sind-voll-Öko-Partei, Stephane Oco, wurde in den frühen Morgenstunden im Zusammenhang mit dem Großbrand auf einem Maisfeld im Süden des Landes festgenommen. Das Feuer ist mittlerweile eingedämmt, doch es entstand ein immenser Schaden. Oco, der offen zugibt gegen Genmais zu sein und auch vor heißen Angelegenheiten nicht zurückschrecke, wird im Moment noch von der Polizei verhört. Noch ist nicht klar, ob er direkt an dem Brand beteiligt war, oder Handlager das Feuer entzündeten. Eine dritte Alternative, zündelnde Kinder, hat man schon wieder aus den Augen verloren. Für Oco und seine Partei birgt die Verwicklung in den Brand positive und negative Effekte: Parteimitglieder sehen, dass etwas getan wird, Nicht-Parteimitglieder können die Aktion jedoch nur belächeln.
Bier im Freien
Guten Morgen an diesem 12. Oktobertag des Jahres 2010. Es ist recht frisch hier draußen, doch trotzdem konnte ich den Spitzenkandidaten der Gottgegebenen Partei Santiagos, kurz GPS, Pierre Ledieu, einmal zu mir bitten. Mit ihm dabei sind rund 500 Nonnen und Mönche, die den Spitzenkandidaten nicht ohne weiteres einen Journalisten überlassen möchten. Zudem verteilen sie hier auf dem Marktplatz gottgegebenes Bier und Kruzifixe.
Reporter: Herr Ledieu, diese Kruzifixe sehen aber ziemlich realitätsnah aus mit dem bemalten Blut und dem Jesus, oder?
Ledieu: In der Tat, wir wollen ja keine Blasphemie oder so. Jeder soll sehen, wie sehr Jesus Christus für uns gelitten hat. Hörst du, Jesus? Wir glauben an dich! (Jubel von der Masse hinter uns)
Reporter: Können Sie das denn den Kindern gegenüber verantworten?
Ledieu: Demut kann nicht früh genug beginnen. Die kleinen Kinder sollen früh genug erkennen, was Jesus für sie getan hat.
Reporter: Und das Bier?
Ledieu: Das ist da, um permanent besoffene Nichtwähler auf unsere Seite zu ziehen. Aber generell ist Bier doch eigentlich der Nektar unseres Lebens, oder etwa nicht? Liege ich da etwa falsch?
Reporter: Nein, nein, durchaus nicht. Aber müssen Sie denn auch Kindern Bier geben?
Ledieu: Natürlich. Das gehört dazu.
Reporter: Nun gut. Was sagen Sie denn zu aktuellen Themen...z. B. die Kollision beider Welten?
Ledieu: Das, mein lieber Ketzer, ist die vorausgesagte Apokalypse Johannes'. Wenn die Welten aufeinander treffen, öffnen sich die sieben Siegel und bringen Glückseligkeit in das Land.
Reporter: In der Bibel steht das glaube ich ein bisschen anders...
Ledieu: Dann haben Sie die Bibel als Nicht-Christ gelesen. Sie sollten sich etwas schämen.
Reporter: Was sagen sie zum Weltsicherheitsrat?
Ledieu: Davon halte ich gar nichts. Sollen die sich doch selbst beschützen; das können wir mit Gottes Kraft auch. Schauen Sie uns an! Wir sind schon seit einem Monat dabei und uns hat noch keine Sau angegriffen. Und der heilige Krieg hat auch noch längst nicht begonnen.
Reporter: Kurze Frage nebenbei: Warum werfen die Mönche gerade Kruzifixe auf diesen Mann?
Ledieu: Muslim.
Reporter: Wollen sie den etwa kreuzigen?
Ledieu: Nana, so weit wollen wir mal nicht gehen. Der wird nur mit Kruzifixen abgeworfen bis er stirbt.
Reporter: Gehen Sie da nicht ein bisschen brutal vor?
Ledieu: Wieso denn? Ehebrechern erwartet dieselbe Strafe. Es ist schließlich ein heiliges Bündnis, was sie da eingehen! Ohne Wenn und Aber.
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