Diverses:Aus dem größten Loch der Welt zur Côte d'Azur

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Margarete saß da, auf "ihrer" Terrasse, im Angesicht zum Dunkel ihres Gartens. Sie schrieb ihrer Mutter. Und das im multimedialen Zeitalter! Aber ihre Mutter hatte es noch nie mit dem Telefonieren gehabt. Das lag nicht nur an ihrem konsequenten Geiz und ihrer Schwerhörigkeit. Sie empfand alle für sie unnötige Technik als etwas Feindliches: das kalte, mit einer Kunststoffschale überzogene Etwas, dem sie Privates anvertrauen sollte? Ein weiterer Grund, über den sie lieber Stillschweigen bewahrte, um nicht als arrogant zu gelten, war dieses Luxusgefühl, nur dann auf nostalgische Art erreichbar zu sein, und zu antworten, wenn sie es wollte. Nichts bekämpfte sie sonst mehr als Versponnenheit oder die Verstiegenheit in Statussymbole, stammte sie doch auch aus eher einfachen Verhältnissen, doch kostete stets mit heimlicher Freude an dieser Frucht ihrer eigenen Widersprüchlichkeit.

Margarete betastete mit der Linken ihr hochgestecktes Haar, ob es korrekt saß und war nur mäßig zufrieden. Sie saß da, irgendwie artig und gehorsam, aber auch eckig und verklemmt, neigte jedes Mal ihren kleinen Kopf, wenn ihr wieder etwas einfiel und die Hand über das Blatt zu huschen begann. Im Grunde war es ihr lieber so, wenn sie an die strengen Nachfragen im realen Vis-à-vis dachte, wenn sie genug Zeit fand, Formulierungen zu überdenken und Kritikpunkte zu antizipieren und so Unannehmlichkeiten so vorteilhaft verkapselt wie irgend möglich darzustellen. Ihre Mutter! Manchmal verzweifelte sie - im Grunde sei doch alles vergebens - Mutters scharfer Verstand gewichtete Tochters Argumente stets richtig und kontrastierte sie vor dem Hintergrund unumstößlicher Wahrheiten, mit einfachen Gedankenspielen aus Logik, genauer Objektivität und hoher Aufmerksamkeit. Mücken spielten gerade so unbefangen im Lichtteller der Lampe, die ihr in den Rücken, auf ihr Blatt schien. Sie empfand Neid aus das unkomplizierte Leben dieser Insekten, das nur aus Stoffwechsel und Fortpflanzung zu bestehen schien. Gerade in diesem Moment war sie froh darüber, dass die Gedanken frei sind, solange man sie niemandem anvertraut. Karli, ihr Mann, hätte sie schon wieder missverstanden, aber sie hätte es ihm wohl nicht übel genommen. Das ihr geschenkte Kleid, ein einfaches Teil aus einem blauen, baumwollähnlichen Stoff mit weiß abgesetzten Unterärmeln, wollte nicht so recht sitzen. Immer wieder zupfte sie daran herum, mal am Saum, mal an den Schulterstücken, weil sie auch wieder nicht die richtigen Worte fand. Ständig fiel ihr ein möglicher, neuer Einwurf zu ihren Worten ein. Sie schüttelte zornig den Kopf, strich durch, schrieb drüber und hielt wieder inne. Nein, sie hatte alles richtig gemacht! Und zuletzt auch die richtige Konsequenz gezogen. Amerika ist nichts für sie. Henderson hatte in den letzten zehn Jahren zwar einen Bevölkerungsboom wie kaum eine andere Stadt in den USA auf das dreifache Niveau kennengelernt, doch war ein Wüstennest geblieben, ein besserer Vorort von Vegas. Hier sagen sich Wüstenfuchs und Springmaus gute Nacht. Große Pläne waren hier nicht zu verwirklichen. Diese Provinzialität der Einwohner, die noch bei ihren Hamburgern sitzen, wenn draußen die Welt untergeht! Ihre Hand umgriff die komplette Mappe mit den einsortierten Blättern. Sie dachte an die ersten Wochen in Nevada. An die ersten Wochen mit wenig Geld. Abgesprungene Arbeitgeber - Pech! Warum läßt sich das einfache Leben in Deutschland denn nicht hier fortsetzen? Diese Frage teilte sie schon mit ihm, wie die Feststellung, seinen Enthusiasmus zu brauchen. Ihr Mann war aber auch derart begeisterungsfähig! Er dachte immer, dachte sie, dass man nur wollen müsse, um zu können. Und keiner konnte ahnen, dachte sie weiter, dass man mit ihm auch sehr aufgeschmissen sein kann, dass auch alles immer so peinlich werden muss. Sie rümpfte die Nase.

Im geliehenen Bus eine Nummer zu groß, die US-93 S Richtung Phoenix stundenlang herunter, um auf die I40 und schließlich die weltberühmte "Route 66" zu kommen. Vier Stunden und mehr in größter Hitze, damit lassen sich alle Ausfallerscheinungen, selbst die von Karli für Außenstehende erklären, obwohl sie weiß, dass er solche Umstände dafür eigentlich nicht braucht. Vielleicht war es auch ihr Fehler, ihn in dieser fremden Sprache ausreiten zu lassen. Jaja, er sagt ja, immer, dass es die Übung macht. Sarkasmus. Angekommen in einem kleinen Village namens Williams, die zwei Kinder waren brav geblieben. Die Sonne wurde nicht müde. Sie waren angehalten. "Meinst Du, dass wir falsch sind?", hatte Karli gefragt. "Besser wird es sein, wir fragen" "Soll ich?" fügte sie schnell hinzu. "Nein, nein, das mach ich schon - ich muss ja üben!" Sie lachte etwas. Er meinte, dass da noch jemand angehalten habe. Im Rückspiegel erkannte er, dass sich jemand aus der Reflexion des Sonnenlichts herauspellte. Uniformen! "Klar, die fremden Nummernschilder! Das kann auch etwas Gutes haben!" Sie dachte an die schrecklichen Morde an ausländischen Urlaubern in Florida, von denen sie gelesen hatte. Als sich einer der Polizisten vorsichtig genähert und an der heruntergefahrenen Seitenscheibe aufgebaut hatte, schlingerten Karlis Augen erwartungsvoll über jede breit ausgesprochene Silbe, die der Polizist aus seinem Mund quetschte. "Sir ... where ya come from .... License ....Papers!" Karli riess die Papiere aus der Innentasche seines lässigen Jackets und hatte den mann fast berührt. Dieser wich überrascht einen halben Schritt zurück. Karli schob gleich in seiner Art von frecher Jungenhaftigkeit, die sie eigentlich so liebte, vermischt mit seinem Hang zu blumiger Sprache feixend nach: "Da ya know where to go to a glory hole?" ... "Yes, with the kids! Sure!" Und das auch noch, wo das Schild Richtung Grand Canyon nur etwa 100 Meter weiter gestanden hatte. Man glaubt gar nicht, wie dreist amerikanische Polizisten sein können und wie scheissegal es ihnen ist, dass man fremd ist, die Sprache nicht so gut beherrscht und man noch so lange zu fahren hat. Viel später erst war es nach endlosen Erklärungen weitergegangen, da zunächst Karli als Interviewpartner genau die falschen Fragen bejaht hatte. Vielleicht hätte sie früher einspringen müssen. Aber sie war genauso geschockt wie die Polizisten wohl auch.

Heute würde ihr wohl nichts weiter gelingen, dachte sie. Diese dämliche Geschichte an der Route 66! Sie dachte an den Brief, den sie in dieser Zeit doch mit einiger verzweiflung an ihre Mutter geschrieben hatte:


Liebe Mama!

Bitte mache Dir keine Sorgen, im Moment geht es uns wirklich gut! Karli muss im Moment sehr stark sein: für uns! Gottseidank hat er einen zweiten Job im Burger King gefunden! So schlecht ist der verdienst nicht. Das heißt: es geht schon: Jamie und Wallace machen sich gut in der Schule, zuletzt konnte Wally dem Unterricht ohne Dictionary Wörterbuch folgen!! Ich bin vielleicht etwas aus dem Englischen raus, aber der Slang hier erfordert, die Sprache von Grund auf neu zu erlernen. Es ist schon nicht unkomisch, dass ich jetzt eine Anstellung im Haushalt einer deutschstämmigen Familie gefunden habe. Bald melde ich mich wieder - denk dran, die Anweisung richtig zu adressieren, sonst warten wir wieder wochenlang auf unser Geld, danke!

Deine Marga


Die Antwort recht schnell.


Hallo meine Liebe!

Du schreibst aus einem Hotel? Ich dachte, ihr hättet in Henderson eine feste Bleibe gefunden? Ich habe schon oft gesagt, dass ihr Euch euren Anspruch nicht leisten könnt. Es sei ja schlicht gewesen, schriebst Du! Oder hattet ihr die Miete nicht bezahlt oder ist "Hank" selbst eingezogen? Was ist passiert?

Deine Mama




Hallo Mutter!

Nein, es ist so, dass das Haus für längere Zeit, also grundlegend renoviert werden muß. Hank sah keine andere Möglichkeit mehr und das hätte die Feuerwehr und das Bauamt auch nicht verantworten wollen, obwohl wir es für übertrieben halten. Das Haus ist durchaus noch bewohnbar. Ich denke, sie haben letztlich auf das Wohl der Kinder abgestellt. Ich meine, das ist ja auch richtig so. Wer weiß, welche Auswirkungen angekokelter Verputz auf Kinder hat? Oh, es ist schon halb neun, also abends, ich lege jetzt Wally ins Bett, später muß ich zur Arbeit!

Marga




Hallo Marga!

Das ist also passiert! Ich bin entsetzt! Du schreibst nur von Wally?! Wie geht es den Kindern? Antworte schnell!

Mama




Hallo liebe Mama!

Den Kindern geht es schon wieder ganz gut, Jamie muss noch etwas zur Beobachtung in der Klinik bleiben. Den Ärzten gefällt eine Brandverletzung noch nicht so richtig, sie wollen noch etwas abwarten. Du hättest einfach ein Pflaster draufgeklebt. Aber schön, dass Du auch nach Karli gefragt hast! Wir beiden sind nach einem kurzen Verhör wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Er hat alles klar gestellt und kann eben auch wieder arbeiten. Wie geht es Dir?

Marga




Hallo Marga!

Wie soll es mir jetzt schon gehen? Was gab es denn klar zu stellen? Dass ihr nicht schuld daran seid? Wie kamt ihr denn in den Verdacht, das Haus angesteckt zu haben? Wenn ich nicht so eine Flugangst hätte! Ich hatte sogar versucht, Euch anzurufen, immerhin versteht Hank ja einiges an Deutsch, aber dieser dämliche Anrufbeantworter seiner Kneipe sprang andauernd an. Da fiel mir die Zeitverschiebung ein. Irgendwann hatte ich ihn dran, aber er hatte sofort wieder aufgelegt! Mehrfach!

Mama




Hallo liebe Mama!

Weißt Du, es hat alles mit dieser amerikanische Werbewirtschaft zu tun, von der ich als Kunsthistorikerin nichts verstanden habe. Was wir in Deutschland erst seit relativ kurzer Zeit mit Texten wie "Kauf jetzt und Du zahlst die Hälfte" oder "Zwei für eins!" ist hier schon lange Usus. Und Du weißt, wie die Kinder sind. Wir waren nach stundenlanger Fahrt von einem Ausflug zum Grand Canyon zurückgekehrt und mussten tanken. Immer wollen die Kinder mit in die Tankstelle hinein und möchten was gekauft bekommen! Karli nahm die beiden mit, wollte eigentlich nichts weiter kaufen, aber las an der Kasse einen Aufsteller mit dem Werbespruch - hier sagt man "Slogan" dazu: "Two for one!" (Zwei für eins) und hatte die Quengelei satt. Er machte ihnen eine Freude und kaufte die zwei Dinger halt. Wer hätte denn ahnen können, dass das schief geht? Sie sind immerhin acht und zehn Jahre alt! Da darf man schon etwas Vernunft erwarten. Da waren kleine Scheinwerfer drin eingebaut, die richtig pulsierten. So etwas hast Du sicher noch nie gesehen. Und wir grillen ja immer viel. Ist hier auch total im Trend. Na ja, meine Haare wachsen auch wieder! Es geht weiter!

Marga




Hallo Marga!

Deine schönen blonden Haare? Schreib nicht, dass es gerade an Weihnachten passierte! Man hört so oft von brennenden Weihnachtsbäumen und -kränzen. Ihr tut mir schon leid. Ich kann mir natürlich vorstellen, dass gerade auch in der Wüste Weihnachten sehr schön sein kann. Also normalerweise. Aber, Marga, wie oft habe ich Dir schon gesagt, dass Du einen Schuljungen geheiratet hast. Ich kann seinen Charme für Dich nachfühlen, kann verstehen, wie unwiderstehlich er damit sein kann. Du hast eben nicht zwei, sondern drei Kinder! So ist das eben. Und du hast das so für Dich gewählt. Du weißt, dass ich Dir immer helfen werde, so weit ich kann. Die Einliegerwohnung ist immer noch frei, ihr könntet wieder hierhin ziehen. "Alt und Jung in einem Haus" kann sich durchaus vertragen! Du weißt, wie gut ich mittlerweile gelernt habe, mich mit Vorwürfen zurückzuhalten!

Mama




Hallo Mutter!

Ja, ich weiß...darum bleiben wir auch hier! Ich weiß auch, dass ich mich damals während Karlis "Eheurlaub" anders hätte verhalten sollen, aber ich dachte bis zuletzt, dass Ingo "nur" sein bester Freund ist. Ich meine, er ist es ja weiterhin und ich vertraue ihm eben. Er hat mich nie betrogen und mir immer seine nächsten Schritte offengelegt! Ingo hat uns bei unserem Start hier mächtig geholfen! Du denkst zu altmodisch! Wo wären wir denn jetzt ohne ihn? Er hatte den Kontakt zu Hank hergestellt, der die kleine Art Finka (ich habe übrigens einige Bilder nach dem Brand beigefügt) vermieten wollte. Wenn wir den verdienst aus Karlis Job in Hanks Gastwirtschaft nicht hätten!

Marga




Hallo Marga!

Ja, Marga, mit Deinem Studium warst Du aber durchaus für einen etwas anderen Lebensweg prädestiniert, als von einem kleinen Gehalt eines Mannes abhängig zu sein, der in einer - mit Verlaub - Schwulenkneipe arbeitet. Gut, ich will es nicht mehr zum Thema machen! Versprochen! Ich würde es noch nicht einmal Vater erzählen, selbst dann nicht, wenn er gerade jetzt zurückkehrte. Wie geht es Jamie? Kannst Du Dir wirklich nicht mehr vorstellen, zurückzukehren?

Mama



Gertrud raufte sich die Haare. Nach dem letzten Wort saß sie immer noch angespannt wie ihre schreibende Hand über ihren Wohnzimmertisch brütend. Im monotonem Takt tickte die alte Wanduhr die in einer Ecke stand. Es war ihr Hochzeitsgeschenk gewesen. Sie schweifte für Minuten ab, ihre Augen wanderten im Zimmer umher. Das Kreuz schmerzte. "Was soll nur aus dem Kind werden?" dachte sie. Die Gardinen spielten mit dem Luftzug, der aus der offenen Terrassentür ins Haus ging. Sie fühlte sich froh, dass ihr Hans das alles nicht mehr miterleben musste, aber verwarf diesen Gedanken gleich wieder als etwas Perverses, da er den Tod ihrer großen Liebe als freundschaftlichen Umstand bedingte. Ihre Augen wanderten zum großen, zugemauerten Kamin, dem sie gegenüber saß. Von ihm stach nur noch die kunstvolle Umrandung aus einem dunklen marmorähnlichen Stein aus der Flucht der Wand hervor. "Nein", dachte sie und hob herrisch den Kopf, "mein Lieber, es IST doch besser so, glaube mir!" und lächelte in sich hinein.

Marga hatte ein paar Tränen in den Augen. "Ja, Vater!" dachte sie, "mit ihm hätten wir es wirklich einfacher gehabt! Er war so unkompliziert." Sie waren auf eine gewisse Art und Weise seelenverwandt. Er wollte sich nie wirklich fest binden lassen und ihr ist das Vertrauen zwischen zwei Partnern viel wichtiger, als oberflächliche Liebesbekundungen, und das selbst dann wahre Liebe nicht enttäuscht werden kann, wenn der Begriff von Partnerschaft viel weiträumiger verstanden wird als tradierte Konventionen es vorschreiben. Ein "Fremdgehen" kann es dann nicht mehr geben, wenn der eine über jeden Schritt des anderen Bescheid weiß. Man weiß, er wird immer zurückkommen! Immer hatte Vater auf seine gemeinsamen Touren mit besten Freunden, zum Fischen in Dänemark oder zum Wandern in den nahe gelegenen Wäldern bestanden. Er brauchte diese Zeiten, um wieder Kraft für die Familie zu tanken. Sie erinnerte sich an eine Loire-Schlösser-Tour, zu der er sie mitgenommen hatte. "Vielleicht", kicherte sie, "tat es ihm auch leid, mich mitgenommen zu haben. Mama wusste, dass ich Tugendwächterin bei seinen unvermeidlichen Bekanntschaften spielen würde. Wie hieß sie noch? Ah ja, Madeleine! Sehr junges Ding! Gott, was war ich wütend auf ihn, als er diese Grapschereien nicht sein lassen konnte." Heute verstand sie ihn besser, auch seinen so gar nicht für einen kindlichen Kosmos verständlichen Charme, der auf eine ganz andere Weise funktionierte wie der Karlis. Allein Vaters Lachen! Das kam bei ihm alles automatisch. Seine distinguierte Art. Und seine augenzwinkernde Höflichkeit. Ja, er war ein Lebemann und konnte nicht anders. Sie sah ihn vor ihrem geistigen Auge bei jeder Rückkehr zwar selbstbewusst und Vorwürfen trotzend, aber in seiner Physiognomie in sich zurückgezogen und leidend. Auf eine seltsame Weise hatte sie ihm verziehen, die Familie verlassen zu haben. Mutter hatte während ihres Studiums von einem Abschiedsbrief erzählt, in dem stand, dass er nicht mehr mit dieser Einengung klar käme. "Irgendwann wird Marga mich verstehen, Du mich aber nie. Es hat alles keinen Zweck mehr." stand da zum Schluß.

Marga schüttelte den Kopf. Ach, alles falsch konzipiert! Diesmal sollte sie das Zepter in die Hand nehmen und das letzte Drittel der vorab ratenweise ausgezahlten Erbschaft in das land ihrer leidenschaft retten! Frankreich! Nicht, dass sie die Sprache viel besser verstünde, als dieses burger-Englisch, um vorweg alle Peinlichkeiten ausschließen zu können. Aber ungleich besser verstand sie die französische Seele. Sie hatte ihrem Mann mit leuchtenden Augen immer wieder gerne davon erzählt, wie französisches Baguette bricht. Es war nicht nur eine chaotische Abfolge kleiner und kleinster destruktiv klingender Geräusche, so wie in der Art, wenn ein Baumriese nach 200 Jahren ins Dickkicht fällt. Es ist ein Vorspiel! Wie man mit wässriger Zunge diesem Spektakel lauscht und die Vorfreude auf diesen Genuß von knackiger Frische und Gemütlichkeit im Kaffeeduft in sich lautmalt. Warum der Aperitif, vielleicht ein Kir aus Wein und Crème de Cassis unvermeidlich ist, um sich richtig auf stundenlange Genießereien im Freien, im Schatten betäubenden Grüns vorzubereiten. Sie schwärmte dann immer. Karli steuerte dann immer eigene Darstellungen bei, auch wenn es nicht immer passte: "Merke - Rotwein braucht Wärme, darum hält man das Glas im Handteller, aber Weißweingläser mit den Fingern!"


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