Sub:Im Garten der Geister3

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The Guests

Der russische Jahrhundertgeiger geigt sich ins neue Jahrhundert

Die großen Kronleuchter waren warum auch immer erloschen. Lediglich vereinzelte Kerzen und einige Fackeln brannten und tauchten den Ballsaal in ein merkwürdiges, schummriges Licht. Der Kapellmeister stand in einer dunklen Ecke und sang "The Guests" - jenes schaurig-schöne von Leonard Cohen.
Yuri, unser sibirischer Ausnahmegeiger den uns der russische Zar Rudoi Rosblovic letztes Jahr als Gastgeschenk mitgebracht hatte, ließ seine Violine klagen.
So zartbitter, lockend und sehnsuchtsvoll klang sie, dass selbst die Steine im Garten weinten.
Eine Mandoline begleitete den ruhigen, dunklen Gesang des Kapellmeisters.

Die ganze Szenerie hatte etwas traumähnliches, unwirkliches.
Auf keinen Fall wollte ich den Tänzern in den Weg zu kommen und hielt mich daher möglichst weit abseits.

Ich erschrak leise, als der Präsident seine Hand auf meine Schulter legte und mich flüsternd fragte, ob ich mit ihm tanzen wollte. Ich nickte. Er ergriff meine Taille und führte mich langsam in die Saalmitte. Beide gaben wir uns den hypnotischen Klängen des Liedes hin und tauchten in die düstere Schönheit der rätselhaften Verse ein.

Dicke Luft

Als das Lied ausklang, riss uns ein empörter Schrei aus der stillen, verzückten Trance:
Gemurmel, Wortwechsel.

"Was ist denn da hinten los" wollte der Präsident verärgert wissen.
Der burgenische Regent Christian Van Düb, der gerade mit dem lahutischen Staatschef Gelena Elrade Delumbio schäkerte, schien genaueres zu wissen: "Königin Mutter Rose Kennedy und König Gayden haben gerade herausgefunden, dass sie das selbe Parfüm benutzen. Beide empfinden das als extrem beleidigend." grinste Van Düb.
Der Präsident schlug sich die Hand vor das Gesicht: "Auch das noch!"

"John F! Geh dazwischen, ehe noch passiert!" mahnte ich den Präsidenten. "Oder willst Du eine diplomatische Krise mit Gayland riskieren, wenn Deine Mutter Gayden umbringt?"

Die Königin Mutter ist wütend

Die Königin Mutter war bereits ganz rot ihm Gesicht und zeigte mit ihrem dürren Finger auf Gayden: "Was fällt Ihnen ein, ein Parfum, das für gehobene Damen gedacht ist, zu verwenden Sie dekadente, alte Sau!"
"Mutter, hör auf!" befahl der Präsident.
"Misch Dich nicht ein, Jack!" zischte es zurück.

"Dieses Parfum heisst nicht umsonst Ephebentraum, teuerste Rose!" empörte sich Gayden. "Ein Ephebe ist - wie Sie als gebildete Dame von Stand wissen müssten - ein schöner Jüngling. Und genau für diese ist dieser Duft auch gedacht."
"Bullshit! Sie ignorante Tunte! Der Name des Parfüms sagt aus, dass die Dame die es trägt, der Traum eines jeden Jünglings ist. Nicht, dass sich abgewrackte, alte Tucken damit gegenseitig scharf machen!"
"Mutter, es reicht wirklich!" versuchte der Präsident böse zu klingen.
"Sie alte Giftspinne sind doch höchstens der Alptraum eines jeden jungen Mannes!" schimpfte Gayden und fing an sich nunmehr richtig aufzuregen. "Und überhaupt! Ich schätze es gar nicht, dass Sie mir dauernd nachschnüffeln und zwar im wahrsten Sinne des Wortes! Ihre spitze hässliche Nase steckte zeitweise schon beinahe in meinem Gesäss!"
Rose Kennedy riss ihre Augen auf, bückte sich, zog sich den linken Schuh aus und schlug dessen Absatz kräftig in Gaydens Gesicht.
"MUTTER!" Der Präsident packte Rose und riss sie zur Seite - gerade noch rechtzeitig aus der Flugbahn von König Gaydens Hand, welche stattdessen ungebremst gegen die Wandtäferung donnerte. Das einen Meter weiter oben hängende Riesenhirschgeweih zitterte, fiel aber nicht herunter.
"König Gayden!" erhob der Präsident autoritär seine Stimme und baute sich drohend vor Gayden auf. "Ich wäre Ihnen sehr verbunden, Sie könnten darauf verzichten, sowohl gegen meine Einrichtung als auch gegen meine Mutter handgreiflich zu werden! Ich sehe mich ansonsten gezwungen, diplomatische Konsequenzen in Erwägung zu ziehen!!"
"Ich vergass mich, entschuldigung" lenkte das Staatsoberhaupt Gaylands ein.


Das Fest geht zu Ende

Das Fest hatte diesen wohlbekannten, bestimmten Punkt erreicht, wo die Gäste müde, die Stimmung zerbröckelt und es der leeren, herumstehenden Gläser zuviel waren.
"Wir werden uns zurückziehen" kündigte daher der Präsident an und ich war froh darüber.

Die Gäste rafften sich langsam auf. Einige fragten sich zu den Gemächern durch, in welchen zu nächtigen wir sie eingeladen hatten. Andere wiederum wiesen die Domestiken an, eine Droschke für die Fahrt zum Hotel zu bestellen. Der Fürst Eon Blitzlicht von und zu Vattenfall, Herrscher von Liechtenstein sass zusammengesunken auf unserem antiken Louis XXIII-Stuhl und schnarchte. Auch dezentes Rütteln vermochte ihn nicht zu wecken und so entschlossen wir uns, ihn im Ballsaal zu belassen.

"Wo ist eigentlich Patrizia Petrechin?" fragte ich den Präsidenten beim Hinaufgehen in den oberen Stock.
"Ich weiß nicht. Seit sie kurz nach Dir auf die Terasse gegangen ist, habe ich sie nicht mehr gesehen." antwortete er.
"Wie das? Wir sind doch beide zusammen wieder reingekommen" wunderte ich mich.
"Als Du den Ballsaal wieder betreten hast, war sie nicht dabei."
"Das ist unmöglich! Du musst sie gesehen haben. Sie ging doch ganz dicht neben mir"
"Tut mir leid, aber ich habe wirklich nur Dich gesehen. Aber es war düster und ich schon etwas müde. Wer weiß, vielleicht hielt ich sie ja für die Gardinen, oder so"
"Idiot!" ich gab ihm einen liebevollen Klaps auf den Arm. Er lächelte breit und liess seine kräftigen, perfekten Zähne erstrahlen. - Das typische Kennedy-Grinsen eben.

Ein Vorschlag

Die Nachtruhe war angenehm und erholsam gewesen. Als ich ich aufwachte, fühlte ich mich frisch und erholt. Durch das große Fenster konnte man schemenhaft den Hauch eines ersten Morgengrauens erkennen. Es flutete das Zimmer mit seinem unwirklichen Licht.
Der ertste Morgen des Neunzehnten Jahrhunderts brach an!

Die anderen schliefen noch tief und fest. Nur der Präsident drehte sich stöhnend um, seine Augenlieder flackerten, dann öffnete er sie und sah mich an.
"Schönes, neues Jahrhundert" flüsterte er.
"Dir auch."
Meine Hand unter der Decke grub sich durch Wolle und Dauen, seine Flanken suchend. "Wie wäre es, wenn wir das Jahrhundert mit einem Jahrhundert-Orgasmus begrüssen?" hauchte ich ihm sanft ins Ohr.
Der Präsident lachte in sein Kissen.

"Macht das woanders verdammt! Es gibt hier Leute, die noch ein bisschen schlafen möchten" grummelte eine müde Stimme von irgendwo her aus dem großen Gemeinschaftsbett.
Ohne ein Wort zu sagen, standen der Präsident und ich vorsichtig auf und verliessen leise das Schlafgemach. barfüssig tippelten wir durch den Korridor und huschten hinter die nächstbeste Tür. Es war das Jagd- und Fischerei Zimmer. Zwar gab es dort kein Bett, dafür aber ein riesiges Bärenfell auf dem Boden.

In der Küche, danach.

Eine Viertelstunde später sassen wir in der Küche und brühten uns einen Kaffee auf.
"Weisst Du eigentlich, ob Patrizia hier im Haus oder in einem Hotel übernachten wollte?" fragte ich den Präsidenten.
"Keine Ahnung."
"Aber Du hast sie doch eingeladen. Hast Du diese Frage denn nicht abgeklärt?"
"Das war ich nicht. Ich meine, ich habe sie nicht eingeladen. Ich lernte sie erst gestern Abend kennen, so wie Du auch. Jetzt wo ich darüber nachdenke...Ich weiß eigentlich gar nicht, wer von uns sie eingeladen hat. Vielleicht Jacqueline? Theo? oder Norma-Jean. Wer Weiss?" "Merkwürdig."
"Ach, nein wieso? Jeder von Euch darf doch die Freunde und Bekannte einladen, die er oder sie mag. Ich kontrolliere das nicht. Aber wenn es Dir wichtig ist, können wir ja die anderen befragen, sobald wir alle zusammen an einem Tisch sitzen."
"ja, gut."
"Aber was anderes" - Der Präsident sah mich mit jenem unverkennbaren Blick an, den er immer bekam wenn er etwas ausheckte: "Die Frau Petrechin wohnt doch in Verdun, nicht wahr?"
"Ja, und?"
"In Verdun findet dieses Jahr die große Weltausstellung statt. Du weißt schon: Die erste in diesem Jahrhundert, ganz großer Aufwand undsoweiter. Ich dachte mir, wir könnten im Sommer mal inoffiziell dorthin reisen. Nur wir beide zusammen. dann sehen wir uns die Ausstellung an, kaufen ein paar verückte Sachen und machen einen kleinen Städteurlaub in Verdun."
"Und besuchen die Petrechin?"
"Darauf wollte ich hinaus, ja. Was meinst Du? Das wäre doch nett?"

Der Präsident verreist regelmässig mit jeweils nur einem seiner Partner, um im gemeinschaftlichen Eheleben auch die nötige Zweisamkeit zu pflegen. Die Reise nach Verdun zur Weltaussellung sollte also eine Gelegenheit sein, in der ich wieder in den Genuss dieser überaus geschätzten Tradition kam. Ich sagte ja und umarmte ihn.


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