3. Platz beim 23. Stupid Contest1 x 1 Goldauszeichnung von Sky

Kontaktanzeige: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:215229686 811f5a50f2.jpg|right|framed|Wer es sich leisten kann oder [[TSG 1899 Hoffenheim|über entsprechende Mäzene verfügt]], der verbreitet seine Werke wesentlich öffentlichkeitswirksamer.]]
Ein Inserat ist ein minimalistisches Stück Prosatext, welches sein Autor verfasst, um eine Wohnung, einen Job, ein Fahrrad oder die Liebe seines Lebens zu finden. Da der Autor aber ein außerordentlicher Romantiker ist, wird er sich im folgenden ausschließlich mit den Versuchen hoffnungslos vereinsamter, potentieller Traumfrauen und -Männer befassen, die hoffen,  durch abgehackte Aufzählungen von Adjektiven einen für sie geeigneten Lebens- und Bettgenossen aufzuspüren.
 
  
Ein Liebesinserat ist ist wie verzweifelter Hilfeschrei von einer einsamen Insel, jeder hofft, sein Schrei würde von irgendeiner hilfsbereiten Seele in den Weiten des Orbits wahrgenommen werden, die den Schreienden von seiner Einsamkeit und Hilflosigkeit befreit. Aber die Hoffnungen darauf sind aber meist vergeblich. Und wenn man doch mal jemanden findet, der die schönen Worte aus den grauen Anzeigenblöcken bundesdeutscher Tagesszeitungen rezipiert, entspricht der/diejenige – wie der Freitag in Robinson Crusoe - selten den eigenen Vorstellungen. Dafür entspricht der Inserent aber auch genauso selten der eigenen Beschreibung.  
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Unter einer '''Kontaktanzeige''' versteht man in der [[Labersülz|modernen Literaturwissenschaft]] eine moderne Textsorte der [[Diverses:Mäuseliebe|Liebeslyrik]], welche aufgrund chronischer Ablehnung durch die renommierten Verlaghäuser fast ausschließlich in Zeitungen  - oder seit längerem auch im Internet - abgedruckt wird. Charakteristisch für eine Kontaktanzeige ist ihre Kürze (meist um die 20 Wörter), ihr meist sehr einfacher Satzbau und die häufige Verwendung von (meist positiv konnotierten) Adjektiven. Als berühmtester Autor gilt der Berliner Pensionär Karl-Heinz Mischborn, der seit 1995 über 200 Kontaktanzeigen in diversen Berliner Tageszeitungen veröffentlicht hat.  
  
==Der Weg zum Inserat==
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Inhaltlich die Kontaktanzeige oft ein verzweifelter Hilfeschrei von einer einsamen Insel, der Autor hofft, sein Schrei würde von irgendeiner hilfsbereiten Seele in den Weiten des Orbits wahrgenommen werden, die den einsamen Poeten von seiner Einsamkeit und Hilflosigkeit befreit. Aber die Hoffnungen darauf sind aber meist vergeblich. Und wenn er doch mal jemanden findet, der die schönen Worte aus den grauen Anzeigenblöcken bundesdeutscher Tagesszeitungen rezipiert, entspricht der/diejenige – wie der Freitag in Robinson Crusoe - selten den eigenen Vorstellungen. Dafür entspricht der Autor aber auch genauso selten der eigenen Beschreibung.
  
Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat und in der Disko für einen Polizist in Zivil gehalten wird, man zu schüchtern für ein Speeddating oder zu antiquiert für einen zwanglosen Onlineflirt ist, dann bleibt nur noch der Weg, wenn man nicht alleine bleiben will - das Inserat. Die Hoffnung, noch mal ein junges Ding aufzureißen, muss man auch schon lange aufgeben haben, denn die Jugend liest ja schon lange keine Zeitung, und wenn dann nur den Boulevard- oder den Sportteil.
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==Hintergrund==
  
Also schnell Anzeigenpreise vergleichen, und gucken, wie viel Quadratzentimeter Inseratfläche denn mit dem Portemonnaie vereinbar ist. In der Regel nicht allzu viel.  Also setzt man sich an den Computer und versucht, endlich doch mal den Goethe in sich selbst zu wecken, und eine möglichst einmalige und positive Darstellung seiner/ihrer selbst zu kredenzen.  
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Kontaktanzeigen entstehen aus der Verzweiflung heraus. Die Autoren und Autorinnen haben meist ein gewisses Alter erreicht hat und werden in der Disko für einen Polizisten in Zivil gehalten, so dass sie sich dem Verfassen von Inseraten widmen, um so einen Lebens- und Bettgenossen zu finden. Die Hoffnung, noch mal ein junges Ding aufzureißen, muss man auch schon lange aufgeben haben, denn die Jugend liest ja schon lange keine Zeitung, und wenn dann nur den Boulevard- oder den Sportteil. Und surfen auf anderen Seiten.  
  
Nur blöderweise kommt der Goethe nicht raus. Davon abgesehen, dass der echte Goethe auch ohne das Verfassen schmachvoller Inserate durchaus Erfolge beim anderen Geschlecht vorzuweisen hatte. Außerdem hat  das eigene Inserat eine durchschnittliche Anzahl von 20 Wörten, was die dichterische Freiheit eines inseratsschreibenden Neupoeten zusätzlich einschränkt. Stochastisch gesehen gäbe es mit 20 Wörtern zwar unendlich viele Möglichkeiten, einen schönen Satz (oder 2 zu bilden), die Syntax des Deutschen und der Wortschatz der Inserenten sorgt aber dafür, dass die meisten Kontaktanzeigen sich lesen wie die Folgende.
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Die Autoren können von ihrer Kunst nicht leben, ganz im Gegenteil, sie zahlen sogar noch für die Veröffentlichungen ihrer Werke. Empirisch wird verglichen, wo der Quadratzentimetet Inseratfläche denn am günstigsten ist. In der Regel bleibt also wenig Platz zur Entfaltung der eigenen poetischen Fähigkeiten. Hier liegt der Reiz der Kontaktanzeige. Nur wer kurz, prägnant und doch charmant ist, hat überhaupt eine Chance, dass sein Schriftstück auf jedwede Art von Anerkennung trifft. Und ein Goethe ist in den meisten Inseratschreibern eh nicht verloren gegangen. Der hatte allerdings auch ohne Kontaktanzeigen genug Erfolge beim anderen Geschlecht vorzuweisen.
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Da den Autoren also oft die Wortgewalt eines Goethe fehlt, kommt es all zu oft vor, dass die 1-2 Sätze, die das minimalistische Genre der Kontaktanzeige ihnen gewährt, nur allzu standatisiert, ja fast einheitlich erscheinen. Das indivudelle Leiden, die amouröse Agonie des Verfassers ist dann nur noch für besonders einfühlsame [[Zeitgenossen]] zu erkennen. Eine klassisches Inserat liest sich also zum Beispiel wie die Folgende.  
 
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Das führt natürlich dazu, dass sich die Kontaktanzeigen so abwechslungsreich zu lesen sind wie die Instruktionen für eine 9-Live-Moderatorin, und trotzdem füllen alle nennenswerten Tageszeitungen immer einige Seiten ihres recycelten Premiumpapiers mit ebenjenen Kontaktanzeigen. Es muss also irgendwelche Menschen, die diese Ergüsse lesen (wollen). Und sei es nur, um einige witzige zu sammeln, herauszuschneiden und in ein [[Panini-Sammelalbum der Geschlechtskrankheiten|Sammelalbum]] einzukleben. 
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===Kontaktanzeigen im Internet===
  
 
==Die Leserschaft==
 
==Die Leserschaft==
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[[Datei:Kontaktanzeige.jpg|left|390px|thumb|Ab und zu besticht die Kontaktanzeige auch durch ihren selbstironischen [[Humor]]. ]]
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Natürlich mag man auf den ersten Blick meinen, die Kontaktanzeigen läßen sich $so abwechslungsreich wie die Instruktionen für eine 9-Live-Moderatorin. Trotzdem füllen alle nennenswerten Tageszeitungen immer einige Seiten ihres recycelten Premiumpapiers mit ebenjenen Kontaktanzeigen. Es muss also Menschen geben, die diese gierig auf die neuesten Werke ihrer Lieblingsautoren stürzen. Sich eine Lupe schnappen, ihre Lesebrille aufsetzen, und damit die in Schriftgrad 10 gedruckten Kontaktanzeigen ob ihres Inhaltes vergleichen. Sie überlegen, ob sie sich eher von einem „charmanten, attraktiven Endvierziger“ oder doch lieber von einem „sportlichen, humorvollen Witwer“ angezogen fühlen.
  
Tatsächlich gibt es Frauen, die sich eine Lupe schnappen, ihre Lesebrille aufsetzen, und damit die in Schriftgrad 10 gedruckten Kontaktanzeigen ob ihres Inhaltes vergleichen. Sie überlegen, ob sie sich eher von einem „charmanten, attraktiven Endvierziger“ oder doch lieber von einem „sportlichen, humorvollen Witwer“ angezogen fühlen.  
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Die Schwierigkeit dieser Aufgabe wird hierbei unterschätzt. Hier muss die Leserin aus einem winzigen kleinen Sätzchen versuchen, die gesamte Persönlichkeit des Autors aus seinen wenigen Worten zu rekonstruieren. Der zumindest so viel, um eine Entscheidung zu fällen, ob es sich lohnt, seine wertvolle Zeit diesem Menschen zu widmen bzw. seine Nummer zu wählen.  
  
Die Schwierigkeit dieser Aufgabe wird hierbei unterschätzt. Hier muss die Leserin aus einem winzigen kleinen Sätzchen versuchen, die gesamte Persönlichkeit eines Menschen zu rekonstruieren. Der zumindest so viel, um eine Entscheidung zu fällen, ob es sich lohnt, seine wertvolle Zeit diesem Menschen zu widmen bzw. seine Nummer zu wählen.
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Dabei kommt noch das psychologische Moment der Ungewissheit hinzu. Das Angebot ist gigantisch, aber wie groß ist die Konkurrenz. Wie viele willige Traumpartnerinnen werden schon Kontakt mit der zehnten Kontaktanzeige in der dritten Spalte Kontakt aufgenommen haben, den man so schön fand. Und sollte man die besonders sparsamen Anzeigen besonders berücksichtigen, weil sie darauf schließen lassen, dass der Inserent dezent und sich ganz auf die Kraft seiner Worte verlässt... Kann man das ohne einen Magister in Psychologie überhaupt ernsthaft entscheiden? Das aufmerksame Studieren von Kontaktanzeigen erfordert also enorme Zeit und auch Aufwand,  
 
 
Dabei kommt noch das psychologische Moment der Ungewissheit hinzu. Das Angebot ist gigantisch, aber wie groß ist die Konkurrenz. Wie viele willige Traumpartnerinnen werden schon Kontakt mit der zehnten Kontaktanzeige in der dritten Spalte Kontakt aufgenommen haben, den man so schön fand. Und sollte man die besonders sparsamen Anzeigen besonders berücksichtigen, weil sie darauf schließen lassen, dass der Inserent dezent und zurückhaltend ist... Kann man das ohne einen Magister in Psychologie überhaupt ernsthaft entscheiden? Das aufmerksame Studieren von Kontaktanzeigen erfordert also enorme Zeit und auch Aufwand,  
 
  
 
Die Zeit dazu haben sie ja. Wer nämlich solche Kommunikationsanzeigen studiert, der hat für gewöhnlich keinen Lebensgefährten, um den er sich kümmern muss. Und sobald er einen solchen hat, fängt man meist schlagartig wieder an, Polik- und Wirtschaftsteil des Blattes zu lesen. Und sollten man dennoch weiterhin bei den Kontaktanzeigen bleiben, dann tritt nicht selten wieder Fall 1 in Kraft. Ein interessanter Kreislauf.
 
Die Zeit dazu haben sie ja. Wer nämlich solche Kommunikationsanzeigen studiert, der hat für gewöhnlich keinen Lebensgefährten, um den er sich kümmern muss. Und sobald er einen solchen hat, fängt man meist schlagartig wieder an, Polik- und Wirtschaftsteil des Blattes zu lesen. Und sollten man dennoch weiterhin bei den Kontaktanzeigen bleiben, dann tritt nicht selten wieder Fall 1 in Kraft. Ein interessanter Kreislauf.
  
 
==Der Wahrheitsgehalt==
 
==Der Wahrheitsgehalt==
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[[Datei:Ekelwirt.jpg|right|thumb|300px|<center>''„Gutaussehender, charmanter Selbstständiger sucht junge Frau für schöne Abende“''</center>]]
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Kunst hat nie die Absicht, einfach nur die schnöde Wahrheit hinzuklatschen. Dafür gibt es [[ZDF heute|Nachrichtensendungen]]. Kunst dramatisierte, beschönigt, poetisiert, romantisiert. Genauso bei der Kontaktanzeige. Will man sportliche Menschen sehen, so empfiehlt es sich, auf einen [[Fußballstadion|Fußballplatz]] zu gehen. Will man humorvolle Menschen sehen, dann wäre ein Ausflug in die Komödie nicht von [[Nachteile|Nachteil]]. Aber eine solch hohe Anzahl von Leuten, die diese beiden Eigenschaften miteinander verbinden, findet man eigendlich nur bei den Kontaktanzeigen. Hier sind ALLE humorvoll und sportlich und erwarten selbiges natürlich auch von dem auserwählten Partner. Das einzige, ja das Kernproblem der Kontaktanzeige ist hierbei, dass viele Leser den künstlerischen Anspruch eines Inserats vergessen,  und den Inhalt für bare Münze nehmen. Bei einer Kontaktanzeige sollte man von vornherein wissen: Das einzige Wort, dass buchstäblich zu zehmen ist, ist das Wort "sucht". 
  
Will man sportliche Menschen sehen, so empfiehlt es sich, auf einen [[Fußballstadion|Fußballplatz]] zu gehen. Will man humorvolle Menschen sehen, dann wäre ein Ausflug in die Komödie nicht von Nachteil. Aber eine solch hohe Anzahl von Leuten, die diese beiden Eigenschaften miteinander verbinden, findet man eigendlich nur bei den Kontaktanzeigen. Hier sind ALLE humorvoll und sportlich und erwarten selbiges natürlich auch von dem auserwählten Partner. Interessanterweise divergieren die Vorstellungen, was denn genau unter dem Begriffen Humor und Sport zu verstehen ist, doch erheblich. Der eine hält [[Mario Barth]] für den Stern am Komikerhimmel, der andere hält einen Tagesbedarf an Bewegung mit dem Gang täglich zum [[Briefkasten]] für gedeckt.  
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Das merkt man immer wieder, wenn man den Reizen der Kontaktanzeige folgt und sich auf ein Rendezvous mit dem Autor einlässt. Es entstehen schnell fast philosophische Divergenzen, was denn genau unter dem Begriffen Humor und Sport zu verstehen ist, doch erheblich. Der eine hält trotz seiner poetischen Fähigkeiten [[Mario Barth]] für den Stern am Komikerhimmel, der andere hält einen Tagesbedarf an Bewegung mit dem Gang täglich zum [[Briefkasten]] für gedeckt.  
  
 
Noch krasser ist es bei Beurteilen der eigenen Physis. Geschmack ist bekanntlich subjektiv, aber für gewöhnlich werden Bierbäuche nicht unbedingt attraktiv empfunden. Und wer Deo konsequent boykottiert und den Rasierer nur einmal im Monat sieht, muss sich nicht zwangsläufig als "gepflegt" bezeichnen. Besonders unvorteilhalft wirken diese Merkmale allerdings, wenn der Inserent sie vollmundigt beschönigt oder gar allzu übertrieben sein Äußeres preist. Man muss sein Licht nicht unter den Schemel stellen, aber allzu dreistes Beschönigen hilft auch nicht. Man soll Menschen ja nicht dem Äußerem beurteilen, aber wer zu sehr in der Kontaktanzeige hat auch gleich eine eindeutige Visitenkarte seiner inneren Werte abgeben.
 
Noch krasser ist es bei Beurteilen der eigenen Physis. Geschmack ist bekanntlich subjektiv, aber für gewöhnlich werden Bierbäuche nicht unbedingt attraktiv empfunden. Und wer Deo konsequent boykottiert und den Rasierer nur einmal im Monat sieht, muss sich nicht zwangsläufig als "gepflegt" bezeichnen. Besonders unvorteilhalft wirken diese Merkmale allerdings, wenn der Inserent sie vollmundigt beschönigt oder gar allzu übertrieben sein Äußeres preist. Man muss sein Licht nicht unter den Schemel stellen, aber allzu dreistes Beschönigen hilft auch nicht. Man soll Menschen ja nicht dem Äußerem beurteilen, aber wer zu sehr in der Kontaktanzeige hat auch gleich eine eindeutige Visitenkarte seiner inneren Werte abgeben.
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*Wer Kontaktanzeigen liest wie "[[Reife Frauen aus deiner Nachbarschaft|Reife Domina aus deiner Nachbarschaft sucht devoten Slaven für ein paar geile Stunden]]" und auf eine ernsthafte Beziehung aus, der hat eindeutig die falsche Seite aufgeschlagen
 
*Wer Kontaktanzeigen liest wie "[[Reife Frauen aus deiner Nachbarschaft|Reife Domina aus deiner Nachbarschaft sucht devoten Slaven für ein paar geile Stunden]]" und auf eine ernsthafte Beziehung aus, der hat eindeutig die falsche Seite aufgeschlagen
 
*Dieser Artikel ist jetzt zu Ende. Lesen Sie jetzt weiter bei [[Liebe]].
 
*Dieser Artikel ist jetzt zu Ende. Lesen Sie jetzt weiter bei [[Liebe]].
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[[Kategorie:Literatur]]
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Version vom 23. Januar 2012, 22:07 Uhr

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Wer es sich leisten kann oder über entsprechende Mäzene verfügt, der verbreitet seine Werke wesentlich öffentlichkeitswirksamer.

Unter einer Kontaktanzeige versteht man in der modernen Literaturwissenschaft eine moderne Textsorte der Liebeslyrik, welche aufgrund chronischer Ablehnung durch die renommierten Verlaghäuser fast ausschließlich in Zeitungen - oder seit längerem auch im Internet - abgedruckt wird. Charakteristisch für eine Kontaktanzeige ist ihre Kürze (meist um die 20 Wörter), ihr meist sehr einfacher Satzbau und die häufige Verwendung von (meist positiv konnotierten) Adjektiven. Als berühmtester Autor gilt der Berliner Pensionär Karl-Heinz Mischborn, der seit 1995 über 200 Kontaktanzeigen in diversen Berliner Tageszeitungen veröffentlicht hat.

Inhaltlich die Kontaktanzeige oft ein verzweifelter Hilfeschrei von einer einsamen Insel, der Autor hofft, sein Schrei würde von irgendeiner hilfsbereiten Seele in den Weiten des Orbits wahrgenommen werden, die den einsamen Poeten von seiner Einsamkeit und Hilflosigkeit befreit. Aber die Hoffnungen darauf sind aber meist vergeblich. Und wenn er doch mal jemanden findet, der die schönen Worte aus den grauen Anzeigenblöcken bundesdeutscher Tagesszeitungen rezipiert, entspricht der/diejenige – wie der Freitag in Robinson Crusoe - selten den eigenen Vorstellungen. Dafür entspricht der Autor aber auch genauso selten der eigenen Beschreibung.

Hintergrund

Kontaktanzeigen entstehen aus der Verzweiflung heraus. Die Autoren und Autorinnen haben meist ein gewisses Alter erreicht hat und werden in der Disko für einen Polizisten in Zivil gehalten, so dass sie sich dem Verfassen von Inseraten widmen, um so einen Lebens- und Bettgenossen zu finden. Die Hoffnung, noch mal ein junges Ding aufzureißen, muss man auch schon lange aufgeben haben, denn die Jugend liest ja schon lange keine Zeitung, und wenn dann nur den Boulevard- oder den Sportteil. Und surfen auf anderen Seiten.

Die Autoren können von ihrer Kunst nicht leben, ganz im Gegenteil, sie zahlen sogar noch für die Veröffentlichungen ihrer Werke. Empirisch wird verglichen, wo der Quadratzentimetet Inseratfläche denn am günstigsten ist. In der Regel bleibt also wenig Platz zur Entfaltung der eigenen poetischen Fähigkeiten. Hier liegt der Reiz der Kontaktanzeige. Nur wer kurz, prägnant und doch charmant ist, hat überhaupt eine Chance, dass sein Schriftstück auf jedwede Art von Anerkennung trifft. Und ein Goethe ist in den meisten Inseratschreibern eh nicht verloren gegangen. Der hatte allerdings auch ohne Kontaktanzeigen genug Erfolge beim anderen Geschlecht vorzuweisen.

Da den Autoren also oft die Wortgewalt eines Goethe fehlt, kommt es all zu oft vor, dass die 1-2 Sätze, die das minimalistische Genre der Kontaktanzeige ihnen gewährt, nur allzu standatisiert, ja fast einheitlich erscheinen. Das indivudelle Leiden, die amouröse Agonie des Verfassers ist dann nur noch für besonders einfühlsame Zeitgenossen zu erkennen. Eine klassisches Inserat liest sich also zum Beispiel wie die Folgende.

„Charmanter, romantischer Romatiker, Interessen Sport, Kultur, Theater und Restaurantbesuche, sucht nette Partnerin für eine schöne Zeit. “

Kontaktanzeigen im Internet

Die Leserschaft

Ab und zu besticht die Kontaktanzeige auch durch ihren selbstironischen Humor.

Natürlich mag man auf den ersten Blick meinen, die Kontaktanzeigen läßen sich $so abwechslungsreich wie die Instruktionen für eine 9-Live-Moderatorin. Trotzdem füllen alle nennenswerten Tageszeitungen immer einige Seiten ihres recycelten Premiumpapiers mit ebenjenen Kontaktanzeigen. Es muss also Menschen geben, die diese gierig auf die neuesten Werke ihrer Lieblingsautoren stürzen. Sich eine Lupe schnappen, ihre Lesebrille aufsetzen, und damit die in Schriftgrad 10 gedruckten Kontaktanzeigen ob ihres Inhaltes vergleichen. Sie überlegen, ob sie sich eher von einem „charmanten, attraktiven Endvierziger“ oder doch lieber von einem „sportlichen, humorvollen Witwer“ angezogen fühlen.

Die Schwierigkeit dieser Aufgabe wird hierbei unterschätzt. Hier muss die Leserin aus einem winzigen kleinen Sätzchen versuchen, die gesamte Persönlichkeit des Autors aus seinen wenigen Worten zu rekonstruieren. Der zumindest so viel, um eine Entscheidung zu fällen, ob es sich lohnt, seine wertvolle Zeit diesem Menschen zu widmen bzw. seine Nummer zu wählen.

Dabei kommt noch das psychologische Moment der Ungewissheit hinzu. Das Angebot ist gigantisch, aber wie groß ist die Konkurrenz. Wie viele willige Traumpartnerinnen werden schon Kontakt mit der zehnten Kontaktanzeige in der dritten Spalte Kontakt aufgenommen haben, den man so schön fand. Und sollte man die besonders sparsamen Anzeigen besonders berücksichtigen, weil sie darauf schließen lassen, dass der Inserent dezent und sich ganz auf die Kraft seiner Worte verlässt... Kann man das ohne einen Magister in Psychologie überhaupt ernsthaft entscheiden? Das aufmerksame Studieren von Kontaktanzeigen erfordert also enorme Zeit und auch Aufwand,

Die Zeit dazu haben sie ja. Wer nämlich solche Kommunikationsanzeigen studiert, der hat für gewöhnlich keinen Lebensgefährten, um den er sich kümmern muss. Und sobald er einen solchen hat, fängt man meist schlagartig wieder an, Polik- und Wirtschaftsteil des Blattes zu lesen. Und sollten man dennoch weiterhin bei den Kontaktanzeigen bleiben, dann tritt nicht selten wieder Fall 1 in Kraft. Ein interessanter Kreislauf.

Der Wahrheitsgehalt

„Gutaussehender, charmanter Selbstständiger sucht junge Frau für schöne Abende“

Kunst hat nie die Absicht, einfach nur die schnöde Wahrheit hinzuklatschen. Dafür gibt es Nachrichtensendungen. Kunst dramatisierte, beschönigt, poetisiert, romantisiert. Genauso bei der Kontaktanzeige. Will man sportliche Menschen sehen, so empfiehlt es sich, auf einen Fußballplatz zu gehen. Will man humorvolle Menschen sehen, dann wäre ein Ausflug in die Komödie nicht von Nachteil. Aber eine solch hohe Anzahl von Leuten, die diese beiden Eigenschaften miteinander verbinden, findet man eigendlich nur bei den Kontaktanzeigen. Hier sind ALLE humorvoll und sportlich und erwarten selbiges natürlich auch von dem auserwählten Partner. Das einzige, ja das Kernproblem der Kontaktanzeige ist hierbei, dass viele Leser den künstlerischen Anspruch eines Inserats vergessen, und den Inhalt für bare Münze nehmen. Bei einer Kontaktanzeige sollte man von vornherein wissen: Das einzige Wort, dass buchstäblich zu zehmen ist, ist das Wort "sucht".

Das merkt man immer wieder, wenn man den Reizen der Kontaktanzeige folgt und sich auf ein Rendezvous mit dem Autor einlässt. Es entstehen schnell fast philosophische Divergenzen, was denn genau unter dem Begriffen Humor und Sport zu verstehen ist, doch erheblich. Der eine hält trotz seiner poetischen Fähigkeiten Mario Barth für den Stern am Komikerhimmel, der andere hält einen Tagesbedarf an Bewegung mit dem Gang täglich zum Briefkasten für gedeckt.

Noch krasser ist es bei Beurteilen der eigenen Physis. Geschmack ist bekanntlich subjektiv, aber für gewöhnlich werden Bierbäuche nicht unbedingt attraktiv empfunden. Und wer Deo konsequent boykottiert und den Rasierer nur einmal im Monat sieht, muss sich nicht zwangsläufig als "gepflegt" bezeichnen. Besonders unvorteilhalft wirken diese Merkmale allerdings, wenn der Inserent sie vollmundigt beschönigt oder gar allzu übertrieben sein Äußeres preist. Man muss sein Licht nicht unter den Schemel stellen, aber allzu dreistes Beschönigen hilft auch nicht. Man soll Menschen ja nicht dem Äußerem beurteilen, aber wer zu sehr in der Kontaktanzeige hat auch gleich eine eindeutige Visitenkarte seiner inneren Werte abgeben.

Trivia

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3. Platz beim 23. Stupid Contest

Kontaktanzeige ist ein Gewinner des 23. Stupid Contests.

Für dieses Werk erhält Klugscheißer den bronzenen Stupidedia-Stern am Band.

Gezeichnet, die Jury

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