Jungfernfahrt - Kapitel 5: Warum ist die Banane krumm

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Bert Ø und Dee Licius schlichen über das metallene Deck. Dee suchte furchtsam bei jeder Gelegenheit Deckung, doch Ø schritt einher, als gehöre ihm der Kahn und als müsste man nicht fürchten, entdeckt zu werden.
"Komm Sie", flüsterte Ø seinem Gehilfen zu, "lassen Sie den Blödsinn. Es besteht keine Gefahr."
"Warum nicht? Diese Leute hier sind bewaffnet. Wir haben keine Ahnung, welche Ansichten sie über blinden Passagiere haben."
"Ach Dee", antwortete Ø mit einem leichten Schmunzeln, "Es ehrt Sie, dass Sie Ihrer Rolle als Expositionshilfe so unerschütterlich anhängen. Ich will es Ihnen erklären. Wir können derzeit weder entdeckt werden noch in irgendwelche Schwierigkeiten kommen. Das liegt am Narrativ. Wir bekommen jetzt ersteinmal die Gelegenheit, uns mit dem Ort der nächsten Szene vertraut zu machen, die Leute zu belauschen, um dann wohlinformiert und vorbereitet in die Szene hineinzuplatzen. Mich wundert, dass bei Ihrer Ausbildung das nicht..."
"He, ihr zwei", kam eine Stimme aus dem Schatten hinter Dee und Ø. Blitzschnell drehten sich beide um - und sahen einen Matrosen, der vor einer Lüftungsoffnung kniete und lächelte.
"Wir haben euch schon vor Tagen erwartet, aber ihr hattet es ja nicht eilig. Wisst ihr eigentlich, wie schwer es ist, das Hauptdeck über Tage hinweg nicht zu benutzen, nur damit ihr irgendwann hier vorbeischleichen könnt? So, und dann kommt ihr endlich, wobei ihr euch in etwa so unauffällig verhaltet wie eine Horde neongelber Elefanten." Der Matrose deutete auf das Gitter des Lüftungsschachtes. "Der führt direkt zur Kabine dieses irren Professors Uforst", sagte er mit einem spöttischen Grinsen, "und gerade ist Ihre Hoheit, Mademoiselle Pandora Pingel von Julland, recht wütend hineingestürmt. Sie will wissen, warum wir hier seit Wochen herumdümpeln, was all das soll und so weiter. Diese Erklärung würde ich gerne hören - was aber nicht geht, wenn ihr Trottel hier so einen Lärm macht. Ich stelle euch vor die Wahl: entweder ihr verpisst euch, oder ihr kommt her, schweigt und lauscht mit."
Ohne ein weiteres Wort hockten sich Ø und Dee neben den Matrosen. Ø zog eine kleine Kapsel aus der durchweichten Innentasche seines Jacketts und zerbrach sie über dem Gitter des Lüftungsschachtes. Nichts geschah. Dee und der Matrose sahen Ø fragend an.
"Das war hochdosiertes Protagon", erklärte Ø. Der Matrose nickte wissend, während Dee eine nur als dämlich zu bezeichnende Grimasse zog. "Das heißt", erklärte Ø seinem Gehilfen seufzend, "dass nun die Person, die dem Lüftungsschacht am nächsten ist, nun zum Träger der Haupthandlung wird. Protagon führt zum Protagonistenwechsel - im Idealfall sind wir, also Sie und ich, werter Herr Licius, nun von dieser Last befreit. Manchmal frage ich mich, ob Sie überhaupt eine Schule be..."
Die Stimme Itzach Uforsts drang aus dem Tiefen des Schiffsrumpfes an das Ohr der drei Lauschenden und unterband alle weiteren Gespräche.



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„Ich bin nach Julland gekommen, um Bananen zu kaufen – nicht, weil ich diese besonders mag, sondern weil ich sie erforschen wollte. Ich bin bei meinen Expeditionen im K-Raum auf ziemlich interessante Sachen gestoßen, Bücher, die heute niemand mehr kennt, physikalische Prinzipien, die zu gefährlich für diese Welt sind, na ja… solche Sachen eben. Ein solches Buch – ich habe es hier – befasst sich mit der Frage, warum die Banane krumm ist. Hier, sieh es dir an.“ Uforst reichte Pandora eine abgegriffene Schwarte. Sie nahm es entgegen, blätterte kurz darin und warf es dann voll Abscheu zur Seite. „Itzach, machst du dich über mich lustig? Das ist ein Kinderbuch. Mit riesigen Buchstaben. Und einfältigen Zeichnungen, das ist…“
„…eine perfekte Tarnung, ja“, unterbrach sie der Alte schmunzelnd. „Anfangs dachte ich so ziemlich dasselbe wie du jetzt. Und wenn man bedenkt, was ich habe auf mich nehmen müssen, um es zu bekommen, muss ich sagen: ich war noch wütender als du jetzt. – Aber na ja, das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls“, Uforst lehnte sich vor und nahm das Buch wieder behutsam an sich und strich die Seiten glatt, „jedenfalls wird hierin die Theorie aufgestellt, dass Bananen weit mehr als eine auf Dauer eklige Schalenfrucht sind, sondern vielmehr eine raffinierte biomechanische Apparaturen zur Manipulation von Raum und Zeit mittels des Wahrscheinlichkeitsprinzips.“
Pandora sah den Alten irritiert an, sagte aber nichts, so dass dieser einfach fortfuhr. „Stell es dir so vor: Jedes denkbare Ereignis auf der Spiegelwelt, ja, im ganzen Universum, tritt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ein. Bei manchen Sachen ist sie so gering, dass man eigentlich davon ausgehen kann, dass sie nie eintreten, bei anderen so hoch, dass man sich sicher sein kann, dass sie passieren werden. Wenn du schwarze und weiße Reiskörner in ein Schraubglas schüttest, erst die weißen, dann die schwarzen, dann bilden sie zwei Schichten, eine weiße und eine schwarze, richtig?“
Pandora stöhnte gepeinigt von den kleinteiligen Ausführungen des Professors. Es war schwer zu verstehen, dass gerade alte Menschen sich so unendlich viel Zeit zum Erzählen von Dingen nahmen, gerade sie, die eigentlich kaum noch Zeit hatten. Der Alte jedoch fuhr ungerührt fort. „Wenn du das Glas nun schüttelst, vermischen sich die Reissorten immer mehr, bis sich alles perfekt verteilt hat, nicht wahr? Nun meine Frage: Wie lange musst du schütteln, damit sich die beiden Reissorten wieder von einander trennen und ihre ursprüngliche Verteilung wieder annehmen?“
Pandora lachte los. „Das geht nicht. Egal wie oft man es auch schüttelt, es wird sich nicht entmischen.“ Itzach lächelte und reichte der jungen Frau ein Glas mit schwarzen und weißen Reiskörnern in zwei klar von einander getrennten Schichten. „Probier’s aus.“ Nach kurzem Zögern tat sie, wie ihr geheißen und schüttelte. Die Körner mischten sich, und schon bald war eben jene perfekte Durchmischung entstanden, von der Uforst gesprochen hatte.
„So, und nun komm mit.“ Ohne Pandoras Antwort abzuwarten, erhob sich der Alte und ging zur Tür hinaus. Der Prinzessin blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Zielstrebig gingen sie hinter zum Laderaum, in dem sich die Bananen bis zur Decke stapelten.
„Gut“, sagte Uforst, der plötzlich stehen blieb, „versuch es erneut.“ Pandora wollte zunächst protestieren, rollte dann aber mit den Augen und begann damit, das Glas erneut zu schütteln. Und vor ihren sich weitenden Augen begannen sich die Reiskörner wie von Zauberhand gelenkt zu trennen, bis schließlich wieder zwei sauber von einander getrennte Schichten das Glas füllten. Ungläubig starrte Pandora erst das Ergebnis, dann Uforst an, der sie schmunzelnd ansah.

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„Das hat etwas mit der Entropie zu tun“, begann Uforst, um schnell hinzuzufügen: „Du brauchst dir das nicht merken. Im Grunde bedeutet es, dass sich die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse enorm steigert, man könnte auch sagen, dass die Dichte von unwahrscheinlichen Zufällen stark zunimmt. Im Grunde war das, was gerade passiert ist, schon immer möglich, nur hätte man über einen Zeitraum hinweg schütteln müssen, der das mögliche Alter des gesamten Universums um ein tausendfaches übersteigt.“
„Aber warum?“, platzte es aus Pandora heraus. „Wie ist das möglich?“
Statt einer Antwort ließ der Alte lediglich seinen Blick über die Kisten schweifen und verfiel in eine Art Selbstgespräch. „Ja, wir sind schon zu lange auf See. Immer mehr von ihnen werden reif, und sie beginnen das zu tun, wozu sie konstruiert wurden. sie verändern Raum und Zeit, indem sie die Entropie senken. Die unwahrscheinlichsten Dinge werden plötzlich wahrscheinlich. Und es ist wie eine Kettenreaktion: Jede reife Banane lässt die nächste reifen, und die wieder die nächste und so weiter. Die Zufallsdichte nimmt zu, und am Ende begegnen wir nicht nur Seeungeheuern, sondern unser Schiff lern plötzlich fliegen oder was auch immer. Sie krümmen Raum und Zeit, diese Dinger, und keiner weiß, was dabei herauskommt. Ist es ein Wunder, dass in neunzig aller Slapstickfilme eine Banane der Auslöser ist? Jemand rutscht aus und bringt eine völlig unwahrscheinliche Folge von Ereignissen in Gang. Die Krümmung der Banane… das war ein Warnhinweis: Vorsicht, wir krümmen Raum und Zeit. Und dann kommen irgendwelche Idioten und pflastern ein ganzes Land damit zu – und dann wundern sie sich dass die Zeit in diesem Land scheinbar stehen bleibt. Abermillionen von Bananen – da ist nichts unwahrscheinlich. Im Grunde sitzen wir hier in einer riesigen Entropiebombe... äh, oh, du bist ja noch da.“
Pandora hatte dem Monolog des Alten mit offenem Mund zugehört und bereitete nun eine Kaskade von Fragen vor, die sie auf ihn herabprasseln lassen wollte – jedoch kam sie nicht dazu. Ein Ruck ging durch das Schiff, als wäre dieses auf ein Riff gelaufen.
„Wir sind doch tausend Meilen von jeder Küste entfernt“, stieß Pandora hervor, „da ist es doch eigentlich…“
„…unmöglich?“, fragte Uforst und zog die Augenbrauen hoch. „Ich fürchte nein.“
Bevor Pandora antworten konnte, erschien das Gesicht eines Matrosen in der Tür. Seine Augen waren aufgerissen und ein gewisses Entsetzen stand in ihnen.
„Herr Uforst, Sir, ich meine Professor, also…“
„Was denn?“
„Ach… ich denke, das sollten Sie sich selbst ansehen.“


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