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VHS-Kassette

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Keine VHS-Kassette.

In einhundert Jahren bist du tot. In zweihundert Jahren bist du vergessen, unerwähnt in den Geschichtsbüchern und nicht mal eine Randnotiz der Vergangenheit. Doch deine VHS-Kassetten werden sich noch an dich erinnern. An dich und an die Stelle, an der du zuletzt den Film unterbrochen hast. Diese sakrosankten Videospeichermedien präinternetaler Epochen waren einmal die schwarzen, eckigen Helden einer ganzen Generation. Und auch wenn VHS-Kassetten längst dem Fortschritt zum Opfer gefallen sind und mit all den modernen Motorola-Klapphandys, gigabytefassenden MP3-Playern oder glamourglitzernden CD-Roms nicht mehr mithalten können, haben 72% aller Bundesbürger nach wie vor VHS-Kassetten längst vergangener Tage im Hause.

Manch einer reiht das Dschungelbuch alphabetisch korrekt hinter der Augsburger Puppenkiste, aber noch vor Mr. Bean, Orlowski-Filmen und Otto Waalkes' „Best Of“, im Regal ein. Andere wiederum verschließen in ihrem heimischen Safe neben Geld, Kunst und Bausparverträgen auch eine Handvoll VHS-Kassetten mit Homevideos aus den 80ern – wohlwissend um den drohenden Verlust der eigenen Ehre, sodass diese Kassetten nicht mal als Erinnerung zur Goldenen Hochzeit ausgegraben werden. Und das ist auch gut so. Denn Menschen, die die 70er und 80er Jahre nie aktiv miterleben konnten und dennoch VHS-Tapes von Verwandten in die Hände bekamen, wurden in den letzten Jahren wiederholt in psychologische Behandlung übergeben – verfolgt von Menschen in türkis-lilafarbenen Adidas-Trainingsanzügen, mit Vokuhila-Traumata und der Gewissheit, dass die eigene Mutter es dank perverser modischer Ausflüge auch in ihren Zwanzigern nie geschafft hat, eine attraktive Frau zu sein. Und den eigenen Vater mit kreisrunder Hornbrille, Marke „pedophilia“, einem Marc-Dutroux-Gedächtnisschnauzer und wildem, unkontrollierten Haarwuchs in einem halsquetschenden Rollkragenpulli zu sehen, ist auch nur schwer zu verkraften.

Auch keine VHS-Kassette.

Sortierung

Für VHS-Kassetten ist in Regalen und Schränken ein festes Anordnungssystem vorgesehen. Inspiriert vom japanischen Feng Shui, erfunden von O.C. Drake, der auch den Ordnungszwang, Post-Its und Heftordner entwickelte, und perfektioniert durch Schmuddelfilmchen konsumierende Familienväter, hat jede VHS-Kassette je nach Inhalt ihren festen Platz im System. Beliebt ist hierbei das doppelreihige Anordnungssystem, in dem nur die vordere Reihe offen sichtbar ist.

Die vordere Reihe

Hier befinden sich meist Disney-Filme, leicht greifbar für morgendliche Störfaktoren am Wochenende und aus einer Zeit, als Disney noch Zeichentrick statt Computeranimation war und die Helden Hunde oder Mäuse, anstelle von sprechenden Autos, Robotern und Doktorfischen mit ADHS. Saßen die Kinder ruhig und abgelenkt vor dem Fernseher, konnten auch Mama und Papa ihren Spaß haben. Etwas weiter oben im Regal sind Loriot-Sketche und die Feuerzangenbowle sichtbar.

Auch keine VHS-Kassette. Aber nah dran.

Die hintere Reihe

"80. Geburtstag Oma", "Weihnachten '83" oder "Familienfeier in Steinwedel" steht auf dem Rücken der Kassetten, die so viele unangenehme Bilder konserviert haben. Diese selbstgedrehten Homevideos sind das private Youtube der 80er und 90er Jahre gewesen und wir sollten Gott danken, dass das Internet damals noch nicht gesellschaftstauglich war. Denn statt des "Numa, Numa"-Typen oder des "Star Wars"-Kinds, hätten uns damals tausende Videos von Familienvätern beglückt, die der Kamera ihre Familie zeigen. Schließlich waren Kameras damals teuer und deren Nutzung reine Chefsache. Und so hieß es auf jedem größeren Familienfest immer wieder: "Magst du mal in die Kamera winken? Der Papa macht gerade ein Video! Ja, willst du? So ist's guuut, danke Schwiegervattern!". Doch diese Erinnerungen auf Magnetstreifband wurden aus der bewussten Wahrnehmung verdrängt und aus dem Familienerbe gestrichen. Manche Familien haben zwischen 1979 und 1994 kein einziges Foto von sich, weil die einzigen Aufnahmen aus der Zeit auf geleugneten VHS-Kassetten der Bewegtbildrevolution zu finden wären.

Leider konnte für den Artikel kein einziges Bild einer VHS-Kassette gefunden werden. Dieses Symbolbild verdeutlicht das noch einmal.

Hinterm Türchen

Wenn die eben beschriebene Sektion das private Youtube ist, dann ist der abschließbare Schrankteil das private Youporn. Das "Bist du über 18 Jahre alt" war damals eine zugeschlossene Schranktür, die sich nicht über einen Klick auf Ja öffnen ließ. Der Schlüssel war gut versteckt, doch wenigstens konnte damals keine Browserchronik nachweisen, wo man sich wieder rumgetrieben hat. Stattdessen hieß es "Hast du wieder die Schranktür rausgeschraubt?", wenn der Sohn wieder vergessen hatte, die Bohrmaschine zurück in den Keller zu räumen.

Bandsalat

Erst mal verknotete Magnetbandstreifen sind nur unter Gewaltexzessen mit brutalem Schereneinsatz wieder voneinander zu lösen. Die oft unfreiwillig herbeigeführten Knoten sind sicherer und leichter als Karabinerhaken und ohne Werkzeuge nur unter gesundheitlichem Verschleiß und übertriebenem Einsatz von Manpower lösbar. Der Magnetstreifen in den Bändern ist hierbei der Schlüssel zur Lösung des Gesamtprozesses. Sobald das Band sich selber berührt, beispielsweise durch Biegen, Brechen oder sehr starken Wind im Haus, haften die Magnetstreifen extrem fest aneinander. Versuche, das Band zu lösen resultieren oft in noch komplizierteren Verwirrungen und einer unbeabsichtigten Zubereitung von (kalorienarmen) Bandsalat.

Links und mittig simple Seglerknoten - rechts hingegen der sehr schwierige und sicherste bekannte Knoten, ein VHS-Knoten.

Trivia

  • Zum ordnungsgemäßen Umgang mit VHS-Kassetten gibt es in Dutzenden deutschen Städten VHS-Kurse, in denen z.B. die Entsalatung von Band, korrekte Spulenspannungen und mysteriöserweise auch Spanisch gelehrt werden.
  • VHS-Kassetten sind einseitig einzuführen. Sobald dieser Satz verdaut ist, folgt die Erklärung. Moment... so jetzt: VHS-Kassetten müssen, genau wie USB-Sticks, mindestens drei-, viermal gedreht werden, bevor die Kassette auf der richtigen Seite in den Schlitz geschoben werden kann. Dadurch wurden schon exakt durchgestaffelte und bis ins Detail geplante Abende zeitlich komplett versaut.


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