Diverses:The End of Jack

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Jack rotzte in seine Hände. Die Nase lief ihm seit einer halben Stunde. Er hatte sich wahrscheinlich irgendeinen wiederlichen Infekt eingehandelt. Vermutlich von der geilen Vierzigjährigen, die ihn vorgestern, sehr zu seiner Freude, sieben Stunden lang vergewaltigt hatte.

Zwei Tage Inkubationszeit, dachte Jack und versuchte, sich den Rotz von den Händen zu schütteln. Als ihm dies nicht gelingen wollte und der umherschleudernde Rotz sich um seine Handgelenke wickelte, ging er in die Hocke und wischte seine Hände an einer frisch gemähten Wiese ab. Auch dies erwies sich als schwierig und Jacks Hände waren immernoch voller Rotz. Er blickte an seinem weißen Anzug herab, der von einer goldfarbenen Krawatte gekrönt wurde. Unmöglich, die Hände an der Kleidung abzuwischen. Jack musste addrett aussehen. Hatte er doch ein Vorstellungsgespräch vor sich.

Er ließ den Blick schweifen. Nirgendwo eine öffentliche Toilette in Sicht. Auch kein Gastronomiebetrieb in der Nähe, der Sanitäranlagen geboten hätte. Nur Wohnhäuser. Und am Ende des Blocks, die Firma, bei der er sich in wenigen Minuten vorzustellen hatte. Also musste es ein Wohnhaus sein.

Jack begutachtete die umliegenden Häuser. Er versuchte, aus Vorgärten und Fensterdekoration auf die Hilfsbereitschaft der Bewohner zu schließen. Wo könnte er sich die Hände waschen? Bei den meisten Häusern schloss er auf Spießer, die ihm niemals die Gunst ihres Wasserhahns zu Gute kommen lassen würden. Schon gar nicht, um sich Rotz von den Händen zu waschen. Jack verfluchte sich. Warum hatte er bloß kein Taschentuch mitgenommen? Seine Schwester hatte ihm sogar eines angeboten! Ein besticktes, aus Stoff. Und Jack hatte abgelehnt! Doch in der U-Bahn kam der Schnupfen. Von da an hätte er das bestickte Taschentuch seiner Schwester gebraucht.

Jack hatte fünf Häuser als "spießig" abgestempelt, da stach ihm ein Fenster im zweiten Stock eines der gleichförmigen Gebäude ins Auge. Dort hing ein Poster, zur Straße gewandt. Auf dem Poster stand: Fuck the System!

Genau das, was Jack suchte.

Jack betrat den Vorgarten durch das offen stehende Tor. Der Pflanzenwuchs war wild und ungegärtnert und ein kleiner Tümpel, der wohl als Teich gelten konnte, bot Platz für ein kümmerliches Seerosenblatt, auf dem ein kleiner Frosch saß. Die Seerose blühte nicht. Kurz dachte Jack darüber nach, sich schnell die Hände in dem Tümpel zu waschen um dann schnell wegzurennen. Doch da gab es für Jack ein kleines Problem: Er wusste, was sich gehört. Deshalb beschloss er zu klingeln und fasste die Klingel auch nicht mit seinen Rotzehänden an. Stattdessen näherte sich sein Gesicht der Klingel, bis Jacks Nase den Knopf erreichte und ihn vorsichtig drückte. Aus dem Inneren des Hauses war ein dumpfes Dingdong zu hören.

Es dauerte eine Weile, bis sich die Tür öffnete und ein junger Mann vor ihm Stand. Er trug einen giftgrünen Irokesenhaarschnitt. Der Hahnenkamm war mindestens 30 Zentimeter lang, wenn nicht länger. Ein Ochsenring zierte die Nase des jungen Mannes und seine schwarze Lederkleidung war über und über mit Nieten verziert. Sein, von Metallringen durchfurchter, Kopf nickte fragend.

"Hallo", sagte Jack. "Ob ich mir hier wohl die Hände waschen dürfte? Ich hatte kein Taschentuch und muss addrett aussehen, also habe ich mir in die Hände gerotzt. Der Schnupfen kam plötzlich. Und ich habe gleich ein Vorstellungsgespräch und..."

"Alter", sagte der Mann mit dem grünen Irokesenkamm auf dem Kopf. "Du musst dich von der Vorstellung loslösen, dass dein Aussehen wichtig ist. Mach dich von den Oberflächlichkeiten frei, Alter!"

"Na ja," wollte Jack einwenden. Doch der andere fuhr fort:

"Warum gehst du überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch, Alter? Ich hab' seit zwei Jahren nicht gearbeitet und es geht mir gut. Und überhaupt, wie siehst du eigentlich aus? Ein weißer Anzug? Mit goldener Krawatte? Alter, bist du ein Zuhälter aus GTA Vice City? Alter, du musst dein Leben chillen, Alter."

Jack wusste nicht, woran er war. Durfte er sich nun hier die Hände waschen? Der Bewohner schien nicht feindlich gesinnt. Eher schien er sich Sorgen um Jack zu machen. So nahm Jack allen Mut zusammen und fragte nach: "Darf ich mir... hier die Hände waschen?"

Der Bewohner stutzte mit fragendem Blick. Nach kurzem Kopfnicken sagte er: "Alter, da ist doch Wasser" und deutete auf den Teich. Der Frosch blickte von seinem Seerosenblatt fragend zurück.

Jack nickte und kniete vor dem Teich nieder. Der Grünhaarige sah ihm zu, an einer kegelförmigen Zigarette ziehend.

"Willst du 'n Bier?", fragte der Hausbewohner, als Jack seine Hände in das schlickige Braun des Teichs steckte. Jack lehnte ab und fragte, ob er sich im Haus das Braun des Teichs von den Händen waschen dürfe. Beinahe hätte sein makelloser weißer Anzug einen dunklen Spritzer abbekommen.

"Alter", sagte der Hausbewohner. "Die haben uns das Wasser schon vor Monaten abgestellt. Im Teich ist nur deshalb Wasser, weil es in den letzten Tagen so viel geregnet hat."

Jack blickte auf seine gefälschte Rolex. Noch zehn Minuten, bis zu seinem Vorstellungsgespräch. Zeitlich kein Problem, wenn sofort ein funktionierender Wasserhahn zur Verfügng stünde. Als ob er Jacks Gedanken gelesen hätte, sagte der grünhaarige Hausbewohner: "Fließendes Wasser bekommst du im Haus gegenüber. Die Alte hat ein Verhältnis mit dem Typen von nebenan. Sag ihr, dass du es weißt und dass du Wasser brauchst. Ich garantiere dir: Sie wird dir Wasser geben, wenn du ihr damit drohst, ihre Liebelei an ihren Ehemann zu verraten.."

Jack blickte ungläubig drein. "Sicher?", fragte er.

"Sicher", antwortete der andere. "Was glaubst du, warum ich seit zwei Jahren nicht mehr arbeite?"

- Ende -


Was danach geschah:

Der grünhaarige Hausbewohner arbeitete auch weiterhin nicht und ließ noch viele andere Menschen mit bunten Punkfrisuren bei sich einziehen, die auf Kosten der Nachbarin leben.

Die Nachbarin von gegenüber verheimlichte vor ihrem Mann weiterhin ihr Verhältnis mit dem Typen von nebenan. Die Punks von gegenüber erpressten sie weiterhin.

Der Mann von der Nachbarin merkte nichts von dem Betrug an ihm. Es hätte ihn auch nicht groß gestört, betrog er doch seine Frau mit seiner Sekretärin, die er wiederum mit seiner Chefin betrog, die von ihm mit seiner 21-jährigen Azubine betrogen wurde.

Der Typ von nebenan vögelte weiterhin die Nachbarin, bis er bei einem Sexunfall in Thailand erschossen wurde. Das ehemalige Verhältnis zur Nachbarin konnte trotzdem weiterhin gegen diese als Druckmittel benutzt werden.

Und Jack? Jack kam pünktlich zu seinem Vorstellungsgespräch und zwar mit sauberen Händen. In der Firma sagte man ihm jedoch, man sei eher auf der Suche nach jemandem, dem das Äußere nicht im Vordergrund stünde. So wurde er als Bewerber abgelehnt.

Heute arbeitet Jack in der Druckerei seines Vaters. Dort entwickelt er wegen der chemischen Dämpfe eine chronisch-schleichende Lungenerkrankung, an der er auf lange Sicht versterben wird.


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