2. Platz beim 23. Stupid ContestGelungener Artikel3 x 3 Goldauszeichnungen von Hugo Victor, Sky und HarryCane1 x 1 Silberauszeichnung von Obsidian

Diverses:Rendezvous

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Die Sonne verschwindet hinter den Bergen...
Es ist ein milder Frühlingsabend. Die Sonne hat sich hinter den Bergen verkrochen, sodass man nur noch über deren Rücken ein rotes Glühen erkennen kann. Die Dämmerung liegt in ihren letzten Zügen und mit dem Licht schwindet auch meine Ruhe. Das Fenster ist geöffnet, der lockere aus dem Rahmen ragende Ellbogen jedoch nur Pose. Mein Herz rast. Die Hand, die den Schlüssel hält, zittert. Es ist aber auch kein gewöhnlicher Abend. Ein Rendezvous steht bevor. Ich zittere also vor Freude, wenn man so will. Damit es aber wirklich ein besonderer Abend wird, habe ich natürlich vorgesorgt.

Das heißt, romantische Musik wurde gekauft, der Alfa Romeo 156 meiner Eltern – mein Fiat Punto ist zwar zweckmäßig, aber nicht leider das was sich eine Dame erwartet – ausgeborgt und ich habe mich in Schale geworfen. Nun warte ich darauf, dass meine Begleitung die schützenden, vier Wände verlässt und sich an meine Seite traut. Und nach einer gefühlten Ewigkeit ist es so weit. Veronique verlässt das Haus, schreitet über den Kiesweg, obgleich dieser auf Grund der Stöckelschuhe ein gewisses Risiko darstellt und schafft es bis zur Autotür. Auch sie hat sich in Schale geworfen. Ein schlichtes schwarzes Kleid und eine dezente, aber hübsche Halskette. Veronique steigt aber nicht sofort ein, sondern kämpft mit dem Türgriff.

Ein Problem, das mir durchaus bekannt ist. Doch anstatt zu helfen und dem Abend so einen guten Start zu geben, starre ich verbissen auf mein Lenkrad und suche nach den passenden Begrüßungsworten. Eine Entscheidung, die mir abgenommen wird, als die Tür letztendlich doch aufgeht und meine Begleitung verkündet: „Dieser Türgriff ist aber auch wirklich ein Hund.“ Ich nicke verständnisvoll, nuschle ein Hallo und ärgere mich darüber, dass ich wieder etwas in den Sand gesetzt habe. Nicht, dass ich ein weltfremder Spinner wäre, aber wenn es darum geht eine Frau soweit zu bringen, zu begreifen, dass ich mehr bin als bloß ein Freund, versage ich immer katastrophal. Sei es, dass ich ein falsches Lokal auswähle, den ganzen Abend stottere oder ohne jegliche Zustimmung ihre Brüste massiere. Irgendetwas läuft immer schief. Daher haben meine Beziehungen nie mehr Tiefe gehabt als die Willst-du-mit-mir-gehen-Techtelmechtel der gymnasialen Unterstufe. Doch heute soll es anders laufen.

Ich hole den Schlüssel aus dem Sakko, umklammere ihn, als wäre er ein Talisman und stecke ihn ins Zündschloss. Der Motor schnurrt sanft. Die Anzeigen leuchten rot. Musik von Marvin Gaye tönt aus den Lautsprechern. Als ich sie gekauft habe, kam es mir wie eine gute Idee vor, aber jetzt, wo Veronique neben mir sitzt und die Musik quasi in die Welt hinausschreit, dass ich mehr im Sinn habe, als bloß zu essen, bin ich mir nicht mehr hundertprozentig sicher. Genug gedacht, es kann langsam losgehen. Vorsichtig löse ich meinen Fuß von der Kupplung, was mit diesen grauenhaften Lackschuhen nicht so einfach ist und will aufs Gaspedal steigen, als, angekündigt durch mehrmaliges Piepsen und Blinken eines Warnsymbols, der Motor abstirbt.

Doch anstatt kurz zu lachen und es dann nochmals zu versuchen, sage ich: „Veronique, du sieht bezaubernd aus.“ „Danke, ich finde deine Krawatte interessant.“ Ich habe es gewusst. Die Krawatte mit den Micky-Mouse-Motiven ist nicht kindisch, sondern individuell. Beim zweiten Versuch gelingt das Losfahren. Ziel ist das Restaurant “Zum Hirschen“ in der Innenstadt von Zell am See. Eine Konversation will während der Fahrt nicht zustande kommen. Da das Wetter einfach kein außergewöhnlich interessantes Gesprächsthema ist – „Was sagst du zum Wetter?“ „Ich finde es schön.“ „Ja, toll wenn es so sonnig ist.“ „Du sagst es“ – und ich in einem Kreisverkehr fast einen Unfall gebaut hätte, legt Veronique sehr viel Wert darauf, meine Aufmerksamkeit auf die Straße zu lenken und daher möglichst wenig über Belangloses oder überhaupt über etwas zu reden. Trotz aller Probleme, erreichen wir das Ziel unbeschadet.

"Ich ignoriere einfach, dass dein Kompliment nicht nur dem Alfa Romeo 156 (siehe Bild) galt und mache mich selbst schlecht, damit ich gezwungen bin ein Leben in Einsamkeit zu führen."

Da es wie erwartet keinen Parkplatz gibt, fahre ich in eine Parkgarage und lasse natürlich diese Gelegenheit in ein Fettnäpfchen zu treten nicht ungenutzt: „1,70 Euro sind Wucher. Das ist die reinste Halsabschneiderei. Hat der Besitzer eine Armee an unehelichen Kindern, oder weswegen braucht er so viel Geld?“ Nicht nur, dass ich mich über einen läppischen Geldbetrag mokiere, ich muss auch noch einen schlechten Witz machen. Es ist ein Fluch. Es ist wahrlich ein Fluch.

Veronique ist eindeutig anzumerken, dass ihr das Thema unangenehm ist, daher lobt sie zur Ablenkung meinen guten Geschmack für Automobile. Anstatt über die Form und Motorisierung des Alfa Romeos zu philosophieren, habe ich aber nichts anderes zu tun, als zu erklären, dass der Wagen meinen Eltern gehört. Ein neutraler Beobachter muss wirklich den Eindruck haben, dass ich absichtlich jeden fruchtbaren Ansatz mit Freuden vernichte. Am liebsten würde ich jetzt meinem Kopf gegen die Wand schlagen, aber damit würde ich die letzten Sympathien verspielen. Wenigstens habe ich meinen größten Trumpf noch im Ärmel und zwar ist es der Besuch im Restaurant “Zum Hirschen“. Wir verlassen also die Parkgarage und um die durch meinen grauenhaften Witz etwas getrübte Atmosphäre aufzuheitern, gebe ich eine Anekdote aus meinem Leben zum Besten.

Ich habe vor einigen Jahren einen Sonntag zum Schifahren auf der Schmittenhöhe genutzt. Nicht nur, dass ich dabei in die Breiteckalm eingekehrt bin, ich habe dort auch ein paar Krügerl Bier hinuntergekippt. Während ich danach also durch den Wald fuhr – auf den gewöhnlichen Pisten sind einfach zu viele dieser kleinen Kinder, die nicht Schifahren können und deshalb getrost als Torpedos bezeichnet werden dürfen – spüre ich ein menschliches Bedürfnis. Da man aber, dank Schikleidung, nicht so einfach einen Strahl in die Ecke stellen kann, zog ich zuerst meine Handschuhe aus und streifte dann die Hose und die Unterhose bis zu den Knien hinab. Als es endlich lief, lehnte ich mich entspannt zurück, doch dadurch begannen auch meine Schier zu laufen. Ich kippte nachhinten und hockte dann über meinen Schiern ohne Kontrolle über diese zu haben. Zu allem Überfluss fand ich mich dann kurze Zeit später mit heruntergelassenen Hosen auf der gewöhnlichen Piste wieder, wo ich mit einem dieser verdammten Torpedos kollidierte und mir dann von Mutter anhören konnte, was für ein Perversling ich sei, dass ich ohne Hose kleine Kinder ansprechen würde.

Veronique zeigt sich amüsiert und ich muss auch lächeln, auch wenn ich damals am liebsten im Boden versunken wäre. Das Restaurant “Zum Hirschen“ ist zwar ein ausgezeichnetes Lokal, aber es gibt sicherlich romantischere Plätze. Die Einrichtung sieht so aus, als wäre sie aus irgendeinem Heimatfilm geklaut worden. Jeder US-Amerikaner würde sich sofort an “The Sound of Music“ erinnert fühlen. Am Land sind die Dinge nun einmal anders. Zell am See ist halt nicht Wien.

Als ich meiner Begleitung einen Platz anbiete, zeige ich mich kurz als Gentleman, auch wenn ich kurz danach fast über ein Tischbein gestolpert wäre. Bedingt durch meine unfreiwillige Slapstickeinlage, kommt das Gespräch ins Rollen. Die Kellnerin bringt die Getränke. Es wird über einen Spinner diskutiert, der ein Haus im Glemmtal in Brand gesteckt hat und dafür nicht bestraft wurde. Ich erzähle die Geschichte von einem Bekannten, der eigentlich alles hatte: Eine Wohnung, genügend Geld, eine hübsche Freundin und an der Diagnose eines unheilbaren und tödlichen Gendefektes fast zu Grunde gegangen wäre.

In der Zeller Innenstadt ist einfach kein Platz mehr für Parkplätze
Es ist diese Art von Konversation, bei der es nicht um den Inhalt geht und man genauso gut über Tunfisch in Dosen philosophieren könnte. Man schaut sich in die Augen, studiert die Mimik des anderen, achtet auf den Tonfall und zwar unbedeutend, ob über Oralverkehr oder Teddybären gesprochen wird. Diese Phase zieht sich hin. Die Vorspeise wird gebracht, man heuchelt Betroffenheit über eine Tetanusepidemie in Afrika und kritisiert die etwas zu schwach gewürzte Suppe.

Es ist wie der Beginn eines Tanzes, wenn sich die Partner noch auf die Füße schauen, da sie dem Gegenüber nicht vertrauen. Man testet, ob es ein Zusammen überhaupt geben kann und wenn die Chemie stimmt, wird der Tanz flüssiger, bis sich beide lächelnd in die Augen sehen, getragen von der Musik.

Dieser Zustand war nach dem Dessert erreicht. Ich mache einen Witz über Marzipan. Auf dem Tisch steht eine fast leere Weinflasche, wobei ich nichts getrunken habe, da ich noch mit dem Auto fahren muss. „Und dann hat sie halt einen Pandabären im Teilchenbeschleuniger gezeichnet“ erkläre ich. Ich weiß, man sollte nicht so viel von seiner eigenen Mutter erzählen, da man sonst wie ein Muttersöhnchen rüber kommt, aber ich habe wirklich eine grandiose Mutter.

Veronique lacht, verschluckt sich, hustet und lacht weiter. Betrunkene Menschen sind wahrhaft belustigend. Nach einer kurzen Pause beginnt sie jedoch zu erzählen: „Ich glaub, mir ist schlecht.“ Das ist nun eindeutig nicht die Antwort, die ich erwartet habe. Mag sein, dass die Pandageschichte nicht so toll war, aber sie löst sicherlich keine Übelkeit aus. Daher frage ich einfach: „Wie bitte?“ „Der Wein.“ „Was ist mit dem Wein?“ „Schlecht“ „Du hast die ganze Flasche ausgetrunken.“ „Nicht der Wein ist schlecht, auch wenn er etwas zu kalt war, du Idiot, sondern mir ist schlecht. Mir ist zum Kotzen.“

Es gibt eine lange Liste an Worten, die man nicht hören will, wenn man ein Rendezvous hat. Das gehört eindeutig dazu. Phantasie wird anders beflügelt. Ich versuche die Situation mit einem Witz zu retten: „Aber es liegt nicht an mir, dass dir schlecht ist?“ „Was ist dein Problem? Kommt dein Ego nicht damit klar, dass etwas nicht an dir liegt.“ Zugegeben Veroniques Magen rebelliert. Das ist nicht angenehm und mein Witz war nicht der Beste, aber kein Grund mich zu beleidigen.

Ich habe einfach kein Glück mit Rendezvous. Dabei hat alles so gut begonnen. Veronique ist ein nettes Mädchen und noch dazu hübsch. Ich bin auch kein Bastard. Die Voraussetzungen sind also gegeben. Nach kurzen Anfangsschwierigkeiten begann die Sache sogar zu laufen. Die schlechten Witze wurden seltener. Ganz starben sie leider nicht aus. Meine humoristische Bemerkung über äthiopische Bauern sorgte zum Beispiel nicht für Begeisterung. Doch insgesamt war ich wirklich drauf und dran eine Verbindung aufzubauen. Nachdem ich nichts Großes in den Sand gesetzt habe, übernimmt der Alkohol meine Aufgabe.

Um Linderung zu bringen, greife ich rasch nach Veroniques Hand. Und nun ist es auch so weit. Ich schieße einen Bock. Meine Hand erreicht nicht Veronique, sondern das Rotweinglas. Dieses hat nichts besseres zu tun, als umzukippen und seinen Inhalt auf das schwarze Kleid zu ergießen. Veronique zwängt mir einen Blick auf, der töten möchte. Dann steht sie auf und verschwindet in Richtung Toilette. Jetzt ist es offiziell. Ich habe die Sache vermasselt. Ich werde einsam sterben. Selbst wenn man irgendwann in der Lage sein wird, fliegende Schweine zu züchten, die sprechen können, wird sich nicht viel ändern. Beim ersten Rendezvous würde ich sicherlich wieder etwas versemmeln. Ich rechne mir also eine Zukunft im Altersheim aus, in der ein Fernseher mein engster Gefährte ist, während ich darauf warte, dass Veronique zurückkehrt, damit ich mich entschuldigen kann. Da sie sich aber sehr viel Zeit lässt, schweifen meine Gedanken ab. Ich geißle mich für meine Unfähigkeit, suhle mich im Selbstmitleid und vergrabe mein Gesicht in der Tischdecke. In dieser Restaurant-fähigen Embryonalstellung verbringe ich einige Minuten, bis eine Hand über meine Schulter streicht.

Ich drehe mich um und blicke in Veroniques Gesicht. Durch eine kurze, ungustiöse Erzählung, werde ich darüber informiert, dass sich alle Weinprobleme in Luft aufgelöst haben. Es folgen kurze, schnulzige Entschuldigungen. Ich zahle. Wir verlassen das Restaurant und machen uns auf in Richtung See. Während wir so dahin schlendern, stelle ich eine für mich entscheidende Frage: „Warum bist du bei mir geblieben? Ich habe dein Kleid befleckt, afrikanische Kinder beleidigt und fast einen Unfall gebaut. Weshalb hast du mir nicht einfach ins Gesicht geschlagen und bist danach verschwunden?“ „Weil ich dich süß finde,“ ist die Antwort, die ich erhalte. Ende.


Der Frühling hält Einzug in Zell am See und die Liebe hält Einzug in meinem Herzen !!!1!
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Dieser Artikel aus den Namensräumen „Diverses“ oder auch „Spiegelwelten“ besitzt aufgrund seiner Qualität die Urkunde „Schatzkistentauglich“ und wird daher im Portal Rumpelkiste gelistet.
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2. Platz beim 23. Stupid Contest

Rendezvous ist ein Gewinner des 23. Stupid Contests.

Für dieses Werk erhält Mixtli den silbernen Stupidedia-Stern am Band.

Gezeichnet, die Jury

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Gelungen

Der Artikel Diverses:Rendezvous ist nach einer erfolgreichen Abstimmung mit dem Prädikat Gelungen ausgezeichnet worden und wird zusammen mit anderen gelungenen Artikeln in unserer Hall of Fame geehrt.

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