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Unboxing für Profis
Unboxing fungiert nicht etwa als Antonym zum Boxen und es hat auch nichts damit zu tun, dass nach einem One-Night-Stand, beim Zurückschlagen der Bettdecke, unvermittelt Misses oder Mister Ugly aus der Kiste hüpft. Auch will nicht Muttis dicke Kiste Gegenstand dieser Betrachtungen werden. Nein! Das Unboxing - gebenedeit seien seine Anhänger - beschreibt einen alternativen und hochgeachteten Wissenschaftszweig viraler Medien, der sich nur ganz schwer vom Dosenöffnen zu differenzieren vermag und er gliedert die Welt gleichsam in die durch ihn erleuchteten und seligen Jünger und scheidet von diesen, die rückständigen Primaten der Unwissenheit. Es wird somit schnell klar, dass Thorsten Legat kein Unboxer ist.
Unboxing, das ist salopp gesagt, der Volkssport des methodischen Forschungsdranges im Zeitalter von YouTube für jedwedes Boxenluder und die durch ihn vermittelte und geistreiche Erkenntnis, dass oftmals das drin ist, was auch drauf steht. Das kommt überraschend und unerwartet und deshalb wollen diese Zeilen sich nicht länger bitten lassen, das zu enthüllen, was sie verbergen: Ist die Box der 1000 Phantasien, das Objekt der Begierde, die wolllüsterne Emmanuelle des 21. Jahrhunderts mit ihren Ecken und Kanten, in ihrer vor Geilheit triefenden Umhüllung den lüsternen Blicken eines Unboxers anheimgestellt, geschieht das leidenschaftlichste Momentum all jedweder Enthüllungen. Ein Moment, den naive Kinder mit einem lediglichen "ritsch-ratsch" nur allzu dermaßen im Stande sind zu versauen. Scheiß Kinder! Unboxing, früher als es noch keine Anglizismen gab, lediglich Auspacken genannt, wird zum Sucht- und Suchbegriff auf Youtube. Überflüssig zu erwähnen ist, dass der Weihnachtsmann jährlich fast allen Christen und jenen, die sich dem kulturellen Brauch anbiedern, selbst die Chance zum Unboxing gönnt, so dass eine passive Teilnahme via YouTube gar nicht notwendig erscheint. Aber auch hier lassen die Meisten, selbige Möglichkeit ungenutzt in hyperaktiven Zerreissessions im Bruchteil von Sekunden verstreichen. Dabei wäre es z.B. dem Hartz-IV-Bezieher doch von großem Vorteil, könnte er mit dem medialen Unboxing geschickt einen ansonsten karg ausfallenden Weihnachtsabend, zeitintensiv mit nur einem Geschenk verplempern. Das echte Unboxing aber bedingt die Glorifizierung der Ausdauer, die Präsenz von medialer Allgegenwart und eine Obsession von selbstgerechter Zurschaustellung eigenen Hab und Guts. Und sei es nur ein schnöder, aber neuer, vielleicht nicht glänzender, aber aus Metall gefertigter, vielleicht ohne Akkubetrieb aber doch elektrischer Nasenhaarentferner; er gehört - verfickt-nochmal - multimedial ausgeschlachtet und der Weltöffentlichkeit bei seiner Entjungferung präsentiert. Ohne Kameras, YouTube und ohne das extra für perverse Darbietungen erfundene Internet, bliebe den Unboxern ihr Eigentum sich selbst überlassen und wäre damit gar nur allzu gewöhnlich. Es würde im profanen Muff der aufgezeigten Selbstverständlichkeit den Tod in Agonie vollziehen. Es wäre nicht mehr wert, als der gleiche Gegenstand im Hause der Nachbarn und das darf, bei Gott, dem planetaren Saturn und dem zu glorifizierenden Media-Markt, auf gar keinen Fall passieren. Die Konnektivität aber zur ganzen Welt spült beruhigendes Balsam auf die in freudige Aufregung versetzte Seele des kleinen An- und Auspackers. Ein, wohlgemerkt gefälliges Publikum, das sich selbst zum Wohle der anstehenden Vorführung mit der Abstinenz von Erwartungen knechtet, ist ihnen hold. Allzu absehbare und offensichtliche Ahnungen, dass etwa in einer mit einem Douglas-Schriftzug versehenen Kartonage auch tatsächlich Parfüm steckt, werden unterdrückt. Und diese so gegebene Möglichkeit überdimensionierter Selbstdarstellung und Beweihräucherung im frontalen Fokus der Abonnenten, macht aus dem kümmerlich anmutenden Manneken Pis nunmehr einen Unboxer par excellence. Wären sich Salah Abdeslam und seine Kollegen auch nur ansatzweise der medialen Aufmerksamkeit bewusst gewesen, die über diesen alternativen Stream eingefangen werden kann, wir würden sicherlich um den Umstand bereichert sein, wie man eine AK-47 nicht nur richtig an- sondern auch richtig auspackt.
So aber wird, wenigstens diesem Wissen fern, mit einer, an die Porzellanvasen Mutter erinnernden Vorsicht und mit einer an Pedanterie grenzenden Genauigkeit - anders darf man sich als selbst verschrieener Wissenschaftler keiner auch noch so offensichtlichen Sachlage nähern - von außen, der in seiner Box befindliche und zu sezierende Artikel betrachtet, betastet und pathologisch beschrieben. Wer hier unter vorzeitigem Prä-ejakulieren leidet, wird es im folgenden schwer und feucht haben, denn es wird geil, heiß und exhibitionistisch. Dem Zeitgeist platonischer Akademien entwachsene Kameras, dokumentieren in stoischer Ruhe die ganze faszinierende Fleischbeschau für das konsumorientierte Publikum. Entgegen dem nervös angefixten Habitus ihrer intellektuellen Gelehrten, für die selbst Urgroßvater Abraham mit seinen 970 Lebensjahren nicht genug Zeit gefunden hätte, ein ehrwürdiger Zuhörer zu sein, sind sie der ruhende Pol des Unboxing-Hypes. Hat sich der Professor der Kleinkrämerei soweit versichert, die Box von allen erdenklichen Seiten und Dimensionen betrachtet, beschrieben und dokumentiert zu haben, ist sich selbiger nicht zu schade, dem Wissensdürstenden den kompletten und minutiös aufgearbeiteten Warenwirtschaftsweg zu vermitteln, den genau diese beschriebene Box genommen hat. Keine andere, bloß diese eine Box! Die Box, von der er sich nicht mehr abwenden wird, ehe Staub zu Staub und Asche zu Asche fällt. Ein wertvolles Stück wahrhaftiger Notwendigkeit im Ringen um grenzenloses Wissen, das kostbar im Geiste aller, auf ewig bewahrt bleiben sollte. Am Ende dieser kurzen Exegese, wird er seinem Publikum noch einmal mit einem Intelligenz vermittelndem, generösen Blick in die Kamera kundtun, dass der Transport an sich gar nicht interessant sei, da es ja um den Artikel selbst geht und nicht um seinen Versand. Im frotzelnden Wissen aber, dieses unnötige Wissen dennoch rausposaunt zu haben, ist er kurz und sichtbar, ein wenig stolz auf sich selbst, ehe er erneut ansetzt, die Welt mit weiteren Unwichtigkeiten zu bereichern. Richtige Gutmenschen, diese Unboxer. Es beginnt der sakrale Akt. Alle vorangegangenen, klugen Köpfe dieser Welt, die sich in ihren Brainpools über das Wesen von Katalogen und Bestandserfassungen Gedanken gemacht haben, werden nun ihrem Schicksal überführt und als Dilettanten entlarvt. Denn es geht nichts über das Auge eines Unboxers, das alles zu erfassen vermag, was Gott und die Made in China erschaffen haben. Ein neues, nie da gewesenes Zeitalter bricht an und bahnt sich Licht im Dunkeln von Kartons, Paketen, Kisten und jederlei Art von Kartonagen. Es darf mit Gewissheit davon ausgegangen werden, wäre auch nur ein einziger Unboxer bei der Übergabe der 10 Gebote am Berg Sinai an der Seite von Mose dabei gewesen, dass mindestens ein Werbeprospekt und die Kontaktdaten von Gott, samt Reklamationsvordruck mitüberliefert worden wären. So aber nun denn, Ihr Christen, seid hoffnungslos Verlorene! Durch das pingelichste Verfahren der Menschheitsgeschichte wird nun nachfolgend die Gesamtheit eines Produktes solange seziert, terminiert, gespiegelt, katalogisiert und nach strengen Vorgaben alles protokolliert, was nicht niet- und nagelfest ist, bis dass auch der letzte Fachmann erkennt, ..."’’mehr gibt es nicht zu sagen!’’". Verwirrung allein findet der Unboxer nur dann, sollte sich ein Gegenstand mehr im Inhalt befinden, als er in seiner allwissenden Kenntnis schon erwartete. Ein hysterisch, infernales Lachen "huch, was ist das denn hier? - o.k. das sollte wohl nicht hier rein,...oder?" ähnelt in seiner Tragik dem Humorniveau von Fünfjährigen. So tut man einem Unboxer auch rein gar keinen Gefallen, wenn man ihm ein aus der Torte springendes Playmate vor die Nase setzt, die mit ihren mutmaßlichen Monstermördertitten in der Lage wäre, den Unboxer in das Delirium der Glückseligkeit transzendieren zu lassen. Nein, der Unboxer schert sich nicht um dieserlei Sperenzchen. Vielmehr wäre er beraubt um seine Möglichkeiten, die Box selbst öffnen zu dürfen, an ihr rappeln zu können, sie zu inspizieren und vielmehr Interesse an der Box selbst zeigen zu dürfen, als an dem da, was mit erotischen Hüftschwüngen, ein ums andere mal von rechts nach links kreisend, den Blick auf seine geliebte Box verwehrt. Ein Unboxer jedenfalls würde um den Preis sterben, böte man ihm Gottgleich die Möglichkeit, schon vorab in der Erkenntnis zu wandeln, was sich wohl in der für ihn sakralen und soweit ominösen “Box” befindet. Um den Typus Mensch, in seiner Untergattung Unboxer, aber nicht ganz zu verkennen: Der Film Sieben mit Brad Pitt, wäre eine ziemlich lahme Kiste ohne Unboxer geworden! Ein vertiefender Blick auf den Unboxer erlaubt eine geschlechterübergreifende Charakterisierung des Archetypus Mensch und erklärt sukzessiv, wieso ein Unboxer so ist, wie er sich gibt. So ist eben das, was früher etwas anrüchig und salopp formuliert "Dosenöffner" genannt wurde, heute ein fester Bestandteil der ehrwürdigen Titulierungen eines Unboxers. Ein Ehrung, die mit den Ständen und Rängen von Akademiker und Adeligen im sozialen Geflecht der Gesellschaft zu vergleichen ist. Um konkret zum Verständnis zu bringen, wer Unboxer sind, ist hier eine kleine Welt der Analogien geschaffen, die es ermöglichen, Unboxer zu identifizieren oder im Vergleich der Aufzählungen, zu einem eben solchen durch eigene Gemeinsamkeiten heranreifen zu können. Warum diese speziellen Vögel mitunter also allesamt so eigensinnig agieren: Von wild bis ruhig? Es gibt verschiedenste Ausprägungen, die dem Darwinismus und den nachfolgenden Beobachtungen huldig sind:
Ist alles deterministisch in das große Buch des Wissens geschrieben und alles, wirklich alles in das allüberwachende Auge der vernetzten Online-Kameras übertragen, wendet sich der Unboxer von dem nunmehr vollkommen nutzlos gewordenen Objekt ehemaliger Begierde despektierlich ab. In einer an defätistischen Fatalismus erinnernden, grenzenlosen Ohnmacht, wie sich der weitere Lebensweges nun gestalten wird, ohne weitere entlarvende Beschreibungen um das Objekt hin, setzt der Unboxer an, die Kameras abzuschalten. Es ist ein Schnitt, so epochal, wie die Durchtrennung der Nabelschnur, die symbolisch die Verbindung von Mutter zu Kind auf ewig kappt. Die immensen, die überraschenden, die wahrhaftigen und grenzenlosen Erkenntnisgewinne überlässt er seinem auf aller Welt verteiltem Publikum. Er fühlt sich müde wie ein Prophet, der die Worte des Herrn sprach, gen Himmel blickte und verstarb. Der Rezipient des Allen, das Individuum im Publikum aber ist sich nun eines Erkenntnisgewinnes sicher: Er weiß um den Umstand, wie geil am Ende seine potentiellen Waren eingepackt sind oder eben nicht. Das lohnt doch wirklich. 25 Minuten extensives Zuschauen für diese Erkenntnis? Ist doch der Hammer!
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