Sub:Spiegelwelten:Adolais Tagebuch/Archiv

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Dieser Artikel behandelt ein Thema oder ein geschichtliches Ereignis, das vor dem Dimensionscrash in Ozeanien oder der Alten Welt von hoher Bedeutung war.
Laut der veralteten Ozeanischen Zeitrechnung, die in entsprechend alten Artikeln vorkommen könnte, wäre heute Donnerstag, der 21. Dezember 1816.
Was sind die Spiegelwelten?OzeanienAlte Welt
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Hier liegt eine Kopie einer Art Protokoll von Adolais Reise vor, ein Teil von Prinzessin Adolais Tagebuch. Adolai selbst wäre wohl kaum davon begeistert, dass diese Kopie existiert und ihr Tagebuch von irgendwelchen Leuten gelesen wird. Aber das kann uns so ziemlich egal sein.

24.04.1801 -Artkatraz - Erwachen

Ungeliebtes Tagebuch,
bisher kennen wir uns noch nicht, und schon tu ich dir solch eine unfreundliche Anrede an, aber verzeihe mir, dass ich es aus Prinzip seltsam finde, einem Gegenstand positive Gefühle zu schenken. Bitte nimm das nicht persönlich.
Zu lange habe ich in einem Gegenstand verbracht. Bestimmt möchtest du gerne wissen, was ich damit meine? Nun, um das wissen zu wollen, bist du ja da. Die Musen meinten, es wäre gut für mich, meine Gefühle und Gedanken jemanden anzuvertrauen, der mir in gewisser Weise auch zuhört. Damit ich nicht schon wieder irgendwann meine Emotionen an anderen Leuten auslasse.


Beginnen wir mit meiner Freilassung. Von einem unsäglichen Augenblick zum anderen stand ich da inmitten von Licht, in den Resten meiner zerborstenen Leinwand. Und da diese Musen. Erst dachte ich, dass sie mich nur in ein noch engeres Gemälde setzen wollten. Immerhin haben die mir vor Jahrzehnten lebenslang aufgehalst. Aber dazu kommen wir später.

Nun lassen mich diese verdammten Musen also frei. Auf meine Warumfrage hin allerdings haben sie mir weitere Gefangenschaft angedroht. Also ziehe ich meine Freiheit der Wahrheit vor, wie verwirrend das alles auch für mich ist. Aber die Musen versprachen mir, mir morgen mehr zu erzählen. Da ich diese Nacht nicht schlafen werde, kann ich mich so ganz dir widmen.

Mir fällt gerade auf, dass ich mich dir gar nicht vorgestellt habe! Ich darf das doch nachholen, oder?

Ich bin Adolai. Prinzessin Adolai.
Das ist mein Name. Und mein leerer Titel, denn ich bin keine Prinzessin von irgendwas.

Und ich bin ... ich weiß es nicht. Es sind schon reale Menschen für diese Frage gestorben. Ich hoffe, du verstehst das. Danke. Wobei...

Ich bin Prinzessin Adolai, ein Bildwerk aus Artkatraz. Und Mann tut dieses Tagebuchschreiben gut. Da haben diese Musen mal ausnahmsweise Recht gehabt.

25.04.1801 -Artkatraz

Ungeliebtes Tagebuch
Ja, ich bleibe bei dieser Anrede. Entweder haben die Musen mich mit irgendjemanden verwechselt, oder unsere Regierung hat einen Komplettdachschaden. Nicht nur, dass ich wieder auf Artkatraz rumlaufen darf, nun darf ich es auch.... naja woanders hin! Die haben mit im Ernst eine sogenannte Genehmigung erteilt!!! Das heißt, ich kann als Bildwerk Artkatraz verlassen, ohne zu Staub zu zerfallen!!! (Das ist schon aufregend genug OHNE die Tatsache, dass ich damit als erster Artkatrazer das Fremdland sehen darf...)
Die Sache hat allerdings einen Haken: Ich soll als Diplomatin von Artkatraz fremde Länder nicht nur bereisen, sondern mich auch noch mit deren führenden Leuten unterhalten. Irgendwie trau ich dem Ganzen nicht. Im besten Fall lügen die mit der Genehmigung nur und wollen zusehen wie ich fröhlich in den Tod renne. Andernfalls müssten die ein großes Vertrauen in mich hegen.


26.04.1801 -Artkatraz

Ungeliebtes Tagebuch,
das wird ja immer besser! Jetzt beschenken mich die Musen auch noch! Einen weißen Gesichtsschleier, den ich nie wieder ausziehen werde (frag nicht), meine Nagelfeile, die sie sicherheitshalber einst in einem separaten Bild von mir getrennt hielten (weil Waffe), was nun ein großer Vertrauensbeweis ist, und einen schweren Beutel mit vielen kleinen hochkarätigen Diamanten, die nach Angabe der Musen die Menschen freundlicher werden lassen. Auf meine Frage hin, wie viel da drin ist, meinten sie: Soviel ich brauchen mag, aber nicht mehr.
Der Idiot, der die Musen gemalt hat, muss die lupercanischen Sagengestalten mit irgendwelchen Schicksalsgöttinen gemischt haben. Ja, du hast richtig gehört, die Musen sind Bildwerke, auch wenn sie das nur ungern zugeben.

Ich soll in wenigen Tagen abreisen. Das erste Ziel heißt Magica. Allerdings muss mir dafür erst ein Boot gebaut werden, ich glaube so nennt man diese schwimmenden Dinger. Das könnte für das Bereitschaftskommando mal eine richtige Herausforderung sein...

27.04.1801 -Artkatraz

Ungeliebtes Tagebuch,
heute habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Artkatraz Stadt verlassen. Ich bin zwar nur einen Bruchteil meines Lebens außerhalb dieser Gefängnisgalerie gewesen, und doch kann ich behaupten, dass selbst eingefleischte Städter jeden Tag aufs neue fasziniert sind von all den bunte Wolken zerfurchenden Häusern, die seit Jahren den Eindruck vermitteln, jeden Moment umzufallen. Unter diesen etlichen unmöglichsten Bildwerken müsste ich eigentlich alles andere als auffallen, auch wenn ich das skurrilste an mir unter meinem Schleier verstecke. Trotzdem machen die Artkatrazer einen weiten Bogen um mich. Grund dafür sind die eher unnetten Leute vom Bereitschaftskommando, die mich begleiten. Diese sind nicht etwa wie jeder andere Künstler mit Farbflecken übersät, die er stolz wie ein Kriegerveteran die Narben einer gewonnenen Schlacht schlägt, sondern sind in schwarze Exoskelette gezwängt. Hinter der modernen Technik der umherzoomenden roten Helmgläser beäugen wachsame Augen das eingeschüchterte Volk. An den unerwartetsten Orten verbrigt sich allerhand Malwerkzeug. Die Ausrüstung der BKs ist sowohl gut, um über die wackligsten Dächer fliehenden verbrecherischen Bildwerken hinterher zu springen, als auch, um diese in Rekordgeschwindigkeit auf Leinwand zu bannen. Zwischen den ungepflegten Barthaaren ragen lässig halb zerkaute qualmende Zigarren hervor. Das Bereitschaftskommando ist sowohl für seine eiserne Untergebenheit zu den Musen als auch für ihre unerträgliche Arroganz bekannt. Die bohrenden Blicke prasseln auf mich, die von diesen Kerlen auf obersten Befehl begleitet wird. Mit dem Begriff Diplomat könnten die Artkatrazer aufgrund der fehlenden Außenpolitik wohl noch nichts anfangen. An den Stadttoren fangen einige BKs sofort an etwas zu kritzeln, Transportbildwerke. Dank einem Feuerzeug werden ihre Bilder zu Asche und allerhand seltsame Kreaturen tauchen vor uns auf. Ich werde zusammen mit zwei anderen auf eine Art sechsbeinige stachlige Ziege gesetzt, die sich mit den überdimenionalen gebogenen Hörnern steuern lässt. Mir gelingt nicht meine Abneigung gegen über diesen Viech zu verbergen, als wir damit durch die Gegend rattern. "He, nichts gegen mein Goat-Ride, das ist mein Lieblingsviech! Halt dich also gut fest, dieses Ding ist so ziemlich das schnellste was ein Tier mit Beinen nut sein kann. Räder sind was für Versager." Der Steuermann gibt der zu groß geratenen Ziege einen Tritt und es beginnt sofort die sechs Beine in einem komplizierten Laufmuster schneller zu bewegen, der Schleier fliegt mir beinahe davon, der Rest meiner Begleitung verschwindet hinterm Horizont und das Gras, über das das Ding trampelt, fängt Feuer. Nachdem alle Kotzbedürftigen am Ziel, der Ostküste abgeladen werden, beginnen die BKs mit der Planung. Man redet von Holzbeschaffung, vom Abdichten und von Splittern...
"Warum malt ihr nicht einfach ein Boot?", frage ich schließlich.
"Willst du nass werden? So ein Bildwerk löst sich doch sofort auf!"
"Aber die Musen könnten dem Boot doch eine Genehmigung geben..."
"Die Musen werfen aus Prinzip nicht einfach so mit Genehmigungen um sich, Kleines."
Kurze Zeit später rasen einige BKs schon auf ihren Bildwerken zu nahegelegenen Wäldern (die armen Bäume), andere kritzeln Baupläne in den [[Sand] und alle sehen sehr gestresst aus. Nur mir haben sie mir für den kurzen aufenthalt ein kleines Strandhaus gemalt, aus dem ich das ganze Treiben beobachte. Die Männer sehen alles andere als gut gelaunt aus. Einige haben sich tatsächlich bereits Holzsplitter zugezogen und ich weiß genau, dass sie gedanklich mir die Schuld dafür geben. Es wird dunkel, die BKs präsentieren mir einen mitleiderregenden Bretterhaufen, dem ich keine Sekunde auf der Wasseroberfläche zutraue. Die BKs zucken nur mit den Schultern, rufen ihre Tiere vorerst in die Bilder zurück (mir wird verraten dass es sich bei dem Goat-Ride in Wahrheit um ein Reptil handelt) und malen sich Häuser, in denen sie verschwinden.Gute Nacht!

Nachtrag: Das mit dem Schlafen geht schlecht, einige BKs waren anscheinend in der Lage, trinkbaren Alkohol zu malen, und was Singen betrifft ist das Bereitschafkommando so primitiv wie wir Artkatrazer beim Schiffbau.


28.04.1801 -Artkatraz

Ungeliebtes Tagebuch,
Die frühe Aufregung draußen lässt keinen schlafen. Die vom Bereitschaftsommando haben auch allen Grund, aufgeregt und laut zu sein: Ihre Arbeit vom Vortag ist weg, stattdessen liegt da nur ein größeres überdachtes Boot im Gras. Die Planken sind aus einem weißen Holz geschnitzt, das ganze Gebilde ist schlicht und einfach nur perfekt. Ein Künstler richtet eine Art Laser darauf. Mit einem schrillen Piepen leuchteht ein kleines Lämpchen blau auf. Der Elite lässt den Laser sinken.
"Es ist echt.", verkündet er grimmig.
"Kommt mal rüber hier steht etwas!"
Die schwarzen Männer scharen sich um die Fundstelle. Irgendjemand hatte irgendwie irgendwelche Schriftzeichen in den Boden gesengt:
Zwingt uns ja nicht wieder zu helfen, aber wir können uns eine Verzögerung eurer Dummheit wegen nicht leisten. Also haben wir euch mit unserer Macht ein wenig nachgeholfen, aber glaubt ja nicht, dass ihr euch erneut derartig auf uns verlassen könnt! gez. die Musen
Die ersten BKs beginnen spontan auf die Kniee zu fallen und leise murmelnd um Verzeihung für ihre Dummheit zu bitten, bis ein leiser Choral aus brabbelnden Idioten entsteht.
Die kleine Nachhilfe erweist sich als perfekt. Leicht genug, um von den Eliten zu Wasser getragen zu werden und dennoch stabil. Und hübsch ist es obendrein. Den BKs scheint es alles andere zu gefallen, weil sie mit Rudern für den fehlenden Motor einspringen müssen. Schon bald übergeben wir uns und das kleine weiße Schiff den Fluten und starken Armen nach Magica.
Die Laune der BKs ändert sich wenig - bis sie feststellen müssen, dass sie vergessen haben, dass ihre protzige Technik und ihre schwarzen Rüstungen falsche Bildwerke sind und damit verschwinden. So sitzen die Eliten von Artkatraz aufeinmal in Zivil vor mir da. Selbst ihre Nikotinversorgung ist ins Nirvana gewandert. Da beginnt einer, seine schlechte Laune beim Rudern an mir auszulassen. Einer von ihnen macht eine äußerst verletzende Bemerkung über meinen Schleier.
Einmal in Magica sollte ich diese ungehobelten Kerle so schnell nicht wiedersehen. Allerdings bin ich dann vollkommen auf mich allein gestellt...

29.04.1801 Magica

Ungeliebtes Tagebuch,
Die vom Bereitschaftskommando bin ich fürs erste los. Oder sie mich. Nachdem sie mich an einem Strand im Westen Magicas abgesetzt haben, verschwinden sie mit dem Schiff wieder schnell im Wasser, bevor sie noch jemand in Normalokleidung sieht. Nun beginne ich recht planlos aus dem Sand heraus zu waten und nach Leben zu suchen. Mein erster Fund ist ein sprechender Krebs der mich beschimpft und in den Fuß zwickt (aaua), nachdem ich versehentlich gegen so einen seltsamen Stein getreten habe. Den zweiten erspähe ich in der Ferne, ein Mensch, ein Mann, der sich vor Sonnenscheibe und Baumkronen in mein Blickfeld schiebt. Ich fange an, meine ausklappbare Artkatrazfahne aus meiner Handtasche hervorzukramen und schwenke schon fast damit, bis ich merke, dass der Fremde direkt vor mir steht.
„Wie habt ihr das gemacht?“, will ich wissen. Die Züge des Mannes mittleren Alters gleiten in ein freundliches Lächeln. Von der Nähe aus ist seine formelle Aufmachung zu sehen. Er trägt einen schwarzen Anzug mit Krawatte.
„So wie ich das hier gemacht habe, Diplomatin Adolai.“, erklärt mir der eher unmagisch anmutende Magiker, schnippt uns woanders hin. Es ist eine einsame Landstraße inmitten grüner Wiesen die an noble Wälder grenzen.
„Woher kennt ihr meinen Namen?“
„Ich habe euer Kommen vorrausgesehen. Warum euch dann warten lassen? Wir kriegen doch so selten Besuch hier.“
„Artkatraz sendet auch selten Dipomaten aus, eigentlich nie.“, versuche ich mitzureden,
„Doch wer seid ihr wenn ich fragen darf?“
„Ich bin Adelo Braaten , Präsident Magicas, das noch viel mehr zu bieten hat als ihr hier seht. Eine halbe Meile entfernt ist die nächste Schwebebahnstation, Lust auf einen Spaziergang? Euer Wappen da habe ich übrigens noch nie gesehen. Ihr solltet mir noch einiges über dieses Artkatraz erzählen...“

2.05.1801 -Magica

Ungeliebtes Tagebuch,
Es ist zwar faszinierend, das Bereisen fremder Länder, Magica hat mir da bisher einen sehr guten Eindruck gemacht, aber gleichzeitig werd ich mit Fragen bombardiert wo ich auch bin. Wieder und wieder muss ich Magikern die Regeln der Aura erklären, muss Artkatraz in ein besseres Licht rücken, als es eigentlich ist, doch am kniffligten ist die Weiterfahrt. In den zahlreichen Bibliotheken sah ich zum ersten Mal Landkarten, die über den kaum bewohnten Fleck Artkatraz hinausgehen. Diese Welt ist, sagen wir mal, verdammt groß und umfasst viele, viele Länder. Und das allein Ozeanien. Als man mir zusätzlich Karten der Alten Welt zeigte, traf mich der Schock, bis ich mir in Erinnerung rief, dass meine Reise fürs Erste nur Länder Ozeaniens umfassen soll. Als ich die Bibliothekare danach fragte, wie ich auf der Ozeanienkarte nur die Reiseroute eintragen soll, starrten sie mich an, als hätte ich vorgeschlagen ihre Familien für Souvenirartikel einzutauschen. Tatsächlich hüten die Bibliothekare ihre Bücher wie einen Schatz. Also habe ich sie tagelang solange genervt, bis mir die Bibliothekare doch eine persönliche Kopie anfertigten. Ich entschädigte sie reichlich dafür. Obwohl die Magker sich doch alles herzaubern könnten (glaube ich), können sie wohl was mit den Diamanten anfangen. Das könnte vielleicht daran liegen, dass sie als einzige von violetter Farbe sind. Dazu haben sie mir gleich mehrere weniger wertvolle Schmöker mitgegeben, die über die anderen Länder erzählen. Ein gewisses Grundwissen kann mir nicht schaden. So hätte ich beinahe schon eine Route nach Saga per Seeweg geplant, dabei ist dieses doch von dieser ienen Mauer umgeben... Nun kann ich in der Ruhe, wie ich sie mir bestimme, in meinem Hotelzimmer die Weiterfahrt planen. Nach und nach sollten hier auch erste Antworten und Zusagen eintrudeln. Die Magiker vermiteln mir einen sehr lockeren Eindruck, locker, das heißt, abgesehen von der durch Magie begünstigten Kriminalität scheint Magica mittlerweiel ein recht sorgenfreies Land zu sein. Auch mit dem neuen Nachbarn Artkatraz wird sehr locker umgegangen. Kann sein, dass mir da nur was vorgemacht wird, aber angenehm ist es allemal.

13.05.1801 -Ostfriesland

Ungeliebtes Tagebuch,
Schiff und Tagebuch sind keine gute Kombination. Wellig ist nun dein Papier, salzig riechst du und mehr als eine Woche Erinnerungen waren nicht mehr zu retten und sind dir somit vom Meer aus deinem blättrigen Gedächtnis für alle Zeit ausgefräst worden. Um das verlorene Stück Leben wiederherzustellen fehlt es mir allerdings an Zeit und Lust.
Nun, die Zeit verstrich wie der Flug einer Möwe, die sich auf den Schiffen der Seeleute erleichtert. Meine Lunge hat die salzige Luft allmählich satt.
Seitdem ich auf dem Deck schon einmal fast über und über mit Meerwasser bespritzt wurde, verlasse ich kaum mehr die trockenen Eingeweide des Schiffes, da Wasser meinen Schleier durchsichtig macht. Also mauerte ich mich sozusagen in meiner Kabine ein und tat das, was selbst Götter tun würden, wenn ihnen über all die Äonen Fingernägel wachsen und jene erst existieren würden – feilen. In dieser höheren Beschäftigung entging mir allerdings nicht, wann die Krähe „Land in Sicht!“ schrie. Sagen wir mal, mit der Sicht ist das bei mir so eine Sache.
Als mir das permanente Geschaukel der Galeone harmlos genug schien, wage ich mich nach Tagen wieder heraus und blinzle in das blendende Sonnenlicht hinein. Ein bunter Leuchtturm des Hafens kommt immer näher. Einige Ostfriesen malern gerade daran, unter einem unfertigen Ostfrieslandwappen ist noch leicht die Visage ihres gestürzten Diktators zu erkennen, die mehr und mehr unter den heiteren Farben verschwindet. Am Kirchdorfer Hafen hat sich eine bunte Volksmenge gebildet, die eifrig ihre Hälse nach dem ausländischen Schiff reckt. Da besinne ich mich meiner Diplomatenpflicht, der artkatrazischen Politik zu dienen, stelle mich auf den Bug, damit mich auch alle sehen können, und winke...

18.05.1801 -zwischen Ostfriesland und Atlantaqua, tief unter dem Meer

Ungeliebtes Tagebuch
, Ich kann es wieder und wieder nicht lassen, gegen diese verdammte Scheibe zu klopfen, obwohl ich gerade davor Angst habe, dass das Glas dadurch reißt. Wenn der Druck etlicher Milliarden Kubikmetern Salzwasser dieses Glas nicht zerschmettert dann ich umso weniger. Trotzdem klopfe ich hin und wieder nach, um mich zu vergewissern, ob das Glas noch da ist, so kristallklar ist es. Bei jedem vorsichtigen Klopfen ertönt nicht etwa ein stumpfes "Plonk" sondern ein glockenklares "blinnh" (ein tolles Geräusch).
So aufwändig meine Kabine auch geschmückt ist mag ich mich seit ich in dieses Ding erst gestiegen bin nicht mit dem Gedanken anfreunden, bergeweise Wasser über mir zu haben, absolut nicht. Zu meinem Glück haben sie bei der Innenausstattung auf Seesterne und ähnlichen Kitsch verzichtet. So einen maritimen Kram kann ich schlicht und einfach nicht leiden. Anstatt wie erwartet einem Fischrestaurant finde ich eine warme luxuriöse Einrichtung vor, mit roten weichen Teppichen und hölzerne Tischen mit einem dunkelbraun darin wie alle dunklen Gedanken eines großen mächtigenn Baumes. Ich frage mich, wo die Fischmenschen das alles nur herhaben. Dieser warme Stil wurde geschickt mit den kalten geschmeidigen Farben dieser Unterwasserkultur kombiniert.
"Ptok!" das war die Tür, oder eher ein Besatzungsmitglied des U-Bootes, das ich hereinließ. Der Fischmensch trug abgesehen von einem Tablett mit dem reinsten Wasser Ozeaniens nur einen Lendenschurz. Trotz der Schuppen war die azurblaue Haut des Fischwesens glatt und ohne Falten oder ähnlichem. Da er die selbe Luft wie ich ohne irgendwelche Geräte atmet, gehe ich davon aus, dass mein Gegenüber neben Kiemen auch eine Lunge besitzt.
Ich nicke dem Fischmann dankend zu und lass das Glas unter meinem Schleier verschwinden.

19.06.1801 -zwischen Ostfriesland und Atlantaqua, tief unter dem Meer

Ungeliebtes Tagebuch,
das Meer. Es ist groß und lastet mit all seiner titanischen Schwere auf mir. Ich will nach Hause.
Ich bitte herein. Es ist ein Fischmann. Das Wasser das von ihm auf den guten Teppich tropft lässt mich darauf schließen, dass er erst eben "draußen" gewesen war. "Brllgh vlghr .... Rrllllg!", gurgelt er verlegen, und räuspert sich einige Male, bis auch alles Wasser aus den Luft-Sprachorganen geprustet ist, "Verzeihung. Post für euch, Prinzessin!"
Er reicht mir einen wasserdichten Beutel, winkt höflich und lässt mich wieder allein. Zwei Briefe sind es, die ich darin finde, beide sehr sehr förmlich und von höchster Wichtigkeit. Ein Brief springt mir sofort ins Auge, oder eher gesagt er starrt mich aus den vier Augen der artkatrazischen Flagge an. Irgendwie kann ich nicht anders, als diesen zu öffnen. Es sind geheime Anweisungen von oben, an mich, in säuberlicher Handschrift geschrieben:

Grüße aus Artkatraz, Diplomatin Adolai!
Zuallererst loben wir einmal ausdrücklich deinen Auslandseinsatz. Doch nun genug der Lobe.
Der nächste Brief, den du lesen wirst, ist aus dem geschätzten Ostfriesland. Frag nicht, woher wir das alles wissen. Wir wissen vieles. Es geht darum, einem gewissen Gerhard Lubersko Ebel die Einreise nach Artkatraz zu genehmigen. Du kennst ihn bestimmt als den nicht funktionierenden ehemaligen Diktator Frieslands.
Deine Unterschrift im Namen von Artkatraz wird erwartet. Unterschreibe und versichere Ebel einen angenehmen Aufenthalt in Artkatraz, den er auch haben wird. Vorerst. Was mit Schurken wie ihm geplant ist, haben wir dir ja bereits einmal erläutert. Versprich Ebel unsere Gastfreundschaft. Und enttäusche uns ja nicht. Aufdass sehende Augen Artkatraz lenken,
-die Musen.
Ich werfe einen Blick auf den zweiten Brief. Er ist tatsächlich aus Ostfriesland. Abwesend falte ich das ostfriesische Papier auf. Alles genau so, wie die Musen es beschrieben, nur ausführlicher. Ganz unten sehe ich die Unterschrift Ebels, wie sie sich schnörkelig auf dem Papier reckt. Ich setze die meine daneben. Bald geht dieser Spund dahin zurück, wo er hergekommen ist. Ich lehne mich tief in einen Sessel und grinse traurig unter dem Schleier. Das ganze hatte ich mit Präsident Lightening ausführlich besprochen, als wir uns vor den Reportern ungesehen fühlten. Ob er sich sein Grinsen verkneifen konnte, als Ebel darauf hereinfiel?
Fies von uns, einfach nur fies.
Der gefallene Führer wird in Artkatraz einen wahrhaft königlichen Aufenthalt genießen.
Mir tut der arme Kerl jetzt schon leid.


21.05.1801 -Atlantaqua

Ungeliebtes Tagebuch,
ja, wie lässt sich eine Unterwasserstadt beschreiben? Große titanische helle Kuppel am sandigen Meeresgrund, die einem Stern gleich strahlt, unter dem vielen schwarzen Wasser überirdisch hell wie ein Tor zu einer anderen Welt. Der Kapitän beherrschte seine Tätigkeit so gut, dass das Unterseeboot bei keiner der etlichen Schleusen wackelt. Aus dem Fenster starren mich die Spiegelbilder von meterdickem Glas fasziniert an.
Ich komme nicht drum herum, Atlantaqua mit Atkatraz zu vergleichen. Die einzigen Unterschiede bestehen darin, dass sich hier die Sonderbarkeit nach einem bestimmten Thema richtet und damit nicht so chaotisch wirkt. Dazu hätte wohl jeder Oberirdische Architekt bei dem Anblick der hohen futuristischen Gebäude einen Ohnmachtsanfall gekriegt, mit dem Wort „modern!“ oder einem religiösen Fluchwort auf den Lippen. Große gläserne Wasserröhren dienen als Nahverkehr. Im Schwimmen ist jeder Atlantaquaner schneller. Auch in Sachen Bekleidung lässt die Unterseekultur viel Spielraum. Die Fischmänner stellen am Oberkörper durch Leistungsschwimmen antrainiertes unbedeckt zur Schau, von einigen in die Schuppen einfassten Diamanten abgesehen. Außerhalb der Luftkuppel lassen sich Fischer und Freizeitschwimmer erkennen.

Die Atmosphäre ist von schummrigem Licht getränkt, das aus den wässrigen Adern der Stadt dringt, Schläuche, in denen sich kleine Leuchtfische tummeln und in etlichen Glaskugeln fluoreszierende Kugelfische vegetieren. Grüne, blaue und gelbe Lichter erhellen die Stadt des ewigen Abends. Das ganze gleicht der Mischung einer gigantischen utopischen Parkanlage, einer Zukunftsstadt und einem Laboratorium, nein Aquarium...

Nun: Wenige Stunden später sollte ich wegen eines schrecklich dummen Unfalls Thema des Aquaboten sein.

Ich nahm an einem Festbankett im Regierungsgebäude teil und ahnte noch nichts böses, sprach mit einigen Fischmenschen und probierte hier und da. Es gab alles – nur keinen Mangel an Fisch. Als ich mir gerade ein Lachsbrötchen reichen lassen wollte, da kamen die Kellner mit ihren Drinks. Aufgrund meines Unwissens über Atlantaquanische Getränke gebe bestelle ich „Einfach irgendwas“. Ein großer Fehler, wie sich herausstellen sollte. Mir hätte schon etwas dämmern sollen, als mich die Atlantaquaner so seltsam ansahen, als ich die bläuliche Flüssigkeit hastig trank. Schmeckte nach einer Art Spirituose. Hm. Ich versuche das Brennen im Rachen zu ignorieren und nicke höflich, damit sie ja mit diesen schiefen Blicken aufhören.

Wenig später allerdings begann das ganze irgendwie seltsam zu werden. Über dem Bankett schwebte lila Luft. Da das außer mir aber keiner zu bemerken schien, bleibe ich still, während mich dieses seltsame Gefühl vom ewigen Frieden überkommt. Das lila wurde greller. „Kann wer nicht mal diese Lichter ausmachen?“, beschwerte ich mich und hörte mich mit leichtem Erstaunen lallen.

Die Fischleute gucken verwirrt, was ich als sehr unverschämt empfinde. Da verzerren sich die Atlantaquaner und wurden zu einer Art violette Plesosauri, die mich anbrüllten. Aus irgendeinem Grund fand ich es sehr logisch zurückzufauchen. Von allen seiten stapften die frechen Biester auf mich zu. Ich hielt es für das Beste, den Tisch zu einer Art Barrikade umzukippen und mit Stühlen nach den Viechern zu werfen. Einige Instikte nehmen mir dabei viel Arbeit ab. Eine Art überdimensionale Schildkröte landet schnell auf ihrem Rücken, ein so ein rosa Osterhase der mit so einer Flasche auf mich zukommt, bekommt mit meinen messerscharfen Fingernägeln schnell was verpasst und weicht zurück. Ich wehre mich einer Furie gleich gegen diesen bunten Zoo. Die meisten schrägen Tiere suchen schnell das Weite, während ihnen noch einige Gegenstände hinterherfliegen. Schließlich überwältigen mich zwei rote Teufel, damit mir der Osterhase dieses Zeug da einflößen kann. Sofort breitet sich die Schläfrigkeit in mir aus. „Welcher Trottel hat der Diplomatin den Spezialschnaps serviert?!“, ist das letzte, das in meine Ohren dringt.

Als ich wieder zu mir komme hoffe ich, dass das ganze nur ein Traum war. Ein etwas mitgenommen aussehender Fischmensch erklärt mir das Gegenteil. Meine Kehle wird sofort trocken und ich ahne schlimmes. Auf meinen schockierten Blick hin ergänzt mein Gegenüber, dass dabei niemand umgekommen ist. Außer Vandalismus und leichter Körperverletzung hätte ich nichts weiter begangen. Ich seufze erleichtert und muss meine Entschuldigungswelle unterbrechen lassen. „Wir sind es, die uns entschuldigen müssen, Prinzessin. Der Schnaps, der ihnen serviert wurde, ist schon für Atlantaquaner tödlich. Wir brauen ihn nur für den Export an die Menschen. Allerdings seid ihr ja kein Mensch, wie ich gehört habe. Das ganze tut uns schrecklich leid. Ach übrigens ist soeben ein Brief für euch angekommen!“
Als ich das vieräugige Wappen artkatraz darauf erkenne, wundere ich mich kein bisschen. Das hatte ich irgendwie schon erwartet.
„Schau besser zu, dass du in Zukunft besser aufpasst, was du zu dir nimmst, Prinzessin. Erspare uns weitere Schande.“


25.05.1801-Castell-Burgien

Ungeliebtes Tagebuch,
Die übrigen Tage in Atlantaqua verflogen wie der freie Fall einer fetten Eulummel, und so durfte ich mich schon wieder von den schüchternen Fischleuten verabschieden. Die ungeklärten Geheimnisse um die Atlantaquaner (Wo haben die ihre Möbel her, woraus bauen sie ihre Häuser und woher haben die diese verdammt riesige Stadtumfassende Glaskuppel?) werden wie der ein oder andere artkatrazische Diamant unter dem Meer bleiben.
Mit dem königlichen Express-U-Boot, das mir die Fischregierung verlegen aufdrängte, verschlang die weite Reise von Atlantaqua nach Castell-Burgein keinen halben Tag. Die Sonne saß träge in ihrer Mittagsposition als mich das U-Boot an irgendeinem Fluss absetzte und blubbernd wieder in seine Tiefen verschwand.

Erste Eindrücke überfallen mich: Lange vermisstes Tageslicht, verirrte Pollen, Blätter, Spinnenweben, hungrige Wölfe. Die haarigen Biester treiben schneller als es ihren lieb ist leicht benommen im Fluss davon. Ich sehe nur Botanik, die ihren Frust an Wanderern auslassen will und nicht einmal ansatzweise von Infrastruktur in ihre Schranken verwiesen wird. Jetzt bin ich hier mitten irgendwo im Nirgendwo und darf allein nach Zivilisation umherforsten. Zu Fuß. Hmm... Ich denke nach, sehe zum Fluss, die Wölfe sind leider doch schon weggespült. Mist. Ratlos laufe ich auf und ab, trete hier und da Steine ins Wasser. Na toll.
Ich setze mich auf einen Fels und gehe noch einmal die Situation durch. Hatte der U-Bootkapitän vielleicht doch irgendwelche geographischen Informationen durchsickern lassen?
Eine Flasche treibt auf mich zu. Schon von weitem kann ich deren violettes Glas erkennen. Zügig fische ich das Ding aus dem Strom, zerschlage es in viele kleine Scherben und fange das davonwehende Stück Papier auf. Die vier Augen des artkatrazischen Wappens starren mich durchdringend an, bis ich den Brief auffalte, einmal tief durchatme und die Botschaft darin auf mich wirken lasse:

Da lang.

Neben der zierlichen Schrift prangt eine Art Pfeil. Er zeigt nach da. Sinnloser konnte das nicht sein. Diesmal überfällt mich schon die Skepsis. Was, wenn ich an einer ganz anderen Stelle stehen und das Papier anders halten würde?

Tust du aber nicht. Enttäusche uns ja nicht.

Aufdass sehende Augen lenken,

die Musen.

Ich versuche meine Hände nicht zu rühren und präge mir die Richtung des Pfeiles ein.


28.05.1801 -Castell-Burgien

Ungeliebtes Tagebuch,
Dank einem Pferd, das ich auf halben Wege von einem Bauerntrampel gegen einen Diamanten eingetauscht hatte (wie sich dieser Depp gefreut hat... ich meine, was ist praktischer? Ein nutzloser Edelstein oder ein Pferd?), kam ich nach etwas Zeit in Berle an.
Nun ja, ich hatte mir nur unter einer Hauptstadt....etwas größeres vorgestellt.
Da nähert sich mir ein auffallend gekleideter junger Herr mitte 20, auffallend dadurch, dass sein Aufzug halbwegs lausfrei ausschaut und diesen Morgen nicht von irgendwelchen Kühen gekaut und verdaut worden scheint. Ein vornehmer schwarzer Anzug, der dem Mensch darunter etwas zu groß geraten ist. Anscheinend hatte er das erstbeste genommen, das nicht von ein paar Generationen Bauern getragen wurde. Der Gelehrte stellt sich mir als Lismar Kreiber, Diplomat Castell-Burgiens vor und will mit mir auf einem lupercanischen Schiff weiterreisen.

1.06.1801-Müllschieberinsel

Ungeliebtes Tagebuch,
Wir, also ich und mein Begleiter Diplomat Lismar Kreiber blieben nur wenige Stunden auf der Müllschieberinsel, um noch am selben Tag Kurs auf Lupercania zu nehmen. Ja, Lupercania, Saga und letztendlich meine Heimat Artkatraz sind zwar nur noch drei weitere Länder, die auf dieser Reise anstehen. Dazu ist meine Zeit begrenzt. Noch vor der Weltausstellung soll es vorbei sein.

Zuallererst findet man auf der Müllschieberinsel nicht das vor, das man sich unter einer Müllschieberinsel vorstellt! Heißt: Obwohl man es normalerweise vom Namen her anders erwarten würde, sind die Straßen alles andere als vermüllt. Der Müll liegt hier nicht etwa nutzlos und stinkend herum, sondern wird als das gehandhabt, was er eigentlich ist, als wiederverwendbarer Rohstoff. Dementsprechend funktioniert das ganze gut, ja, ein Reich, das von einem Menschen gelenkt wird, funktioniert! Was wohl die Musen davon halten werden...
Als eine Art diplomatisches Highlight schiebe ich einen Karren Müll und lass mich solange von den Müllschiebern bejubeln, bis ich ja wieder zum Schiff zurück muss. Noch während das Schiff ablegt, höre ich, wie Wlogga die Volksmenge mit einem "Weiterschiiiiieeebt!" zurück an die Arbeit scheucht...

Das Ziel Lupercania wurde wegen einer Grippeepedemie ausgelassen.

6.06.1801 Nicht auf Lupercania

Ungeliebtes Tagebuch,
Diplomaten werden sich nach Artkatraz zur Museumsführung einfinden. Auch Ebel, der in seinem Exil gerade sehr glücklich ist, soll dabei sein... und dann sein blaues Wunder erleben.

Auch die Musen melden sich über die Tage weniger, da fühlt man sich ja gleich etwas weniger beobachtet.

07.06.1801 - Nach Hause..

Ungeliebtes Tagebuch,

"Prinzessin!" Diplomat Lismar Kreiber konnte es auch wirklich nicht lassen, mich so zu nennen. Ich konnts ihm so oft erklären, wie ich wollte, aber ihm fiel einfach nichts besseres ein, mit dem er mich ansprechen konnte. "Ich habe soeben die Karten studiert und ... wenn wir weiter mit diesem zu groß geratenen Boot umhertuckern, schaffen wir es nie rechtzeitig nach Artkatraz!"
"Dann werden wir eben halt nicht mit diesem Ding nach Artkatraz tuckern.", entgegnete ich.
"Wie meinst du das?!"
"Hol mir doch noch einmal bitte die Karte. Ja, danke. Da, siehst du, die Insel da zwischen Sokraros und der Südsee... da werden wir umsteigen."
"Diese Insel ist unbeansprucht! Da werden wir wohl kaum eine Umsteigegelegenheit finden!"
"Diese Gelegenheit werden wir nicht suchen müssen - sie kommt zu uns. Präsident Lightening wird uns da aufgabeln und mit seinem Privathelikopter mitnehmen."
"Von diesen Dingern habe ich daheim nur in Büchern lesen können. Ich glaube das wird mein allererster Flug."

9.06.1801

Ungeliebtes Tagebuch,
Seit der Herr Lightening uns gestern etwas verkatert auf der unbewohnten Insel empfangen und mitgenommen hat, klebte Lismar geradezu an der Scheibe und sog durch seine bebrillten erstaunten Augen aber auch alle Details der doch so kleinen Welt ein. Kann ich ihm nicht verübeln. In seiner Heimat konnte er sich sich Helikopter nicht einmal von außen ansehen. Nun starrte er da nur wie ein Zombie stundenlang aus dem Fenster. Hin und wieder klappte seine Kinnlade auf und zu. In der selben Haltung schnarchte er auch seinen Schlaf.

"Wir sind nun im Anflug auf die Westküste Artkatraz!", verkündete der Pilot müde.
Ich wage mich ans Fenster heran:
"Bei allen fiktiven Göttern!", platzte ich hervor.
"Ähm, was ist denn, ich denke, ihr kennt Artkatraz doch noch!", bemerkt Lightening als sich dem inoffiziellen Fensterguckerclub anschließt.
So sehen wir heraus, immer näher kommt die Insel. An der Küste glitzern die Lichter der Hafenanlage. Skurrile Türme ragen auf und der Stadtlärm nähert sich ebenfalls. Eine frohbunte Hafenstadt.
"Als ich hier vor sechs Wochen abgereist bin, WAR DAS ALLES NOCH NICHT DA, VERDAMMT!", setze ich nach.
"Achso.. WAS?!"
"Gemalt ist halt schneller als gebaut, Lightening. Die Musen scheinen wohl die Gründung einer zweiten Stadt genehmigt zu haben! Wie sie wohl heißt...?"

WILKOMMEN IN SEEN CITY!
, heißt uns die große Aufschrift wilkommen. Ein paar Einheiten vom Bereitschaftskommando, wie man sie schon von weitem an ihren schwarzen modernen Rüstungen erkennt, lotsen uns auf einen markierten eingezäunten Fleck, woneben die BK-Zentrale Seens steht. Die BKs heißen uns eher mürrisch, wie sie nunmal sind, wilkommen und beginnen die Sicherheitskontrolle.
"Irgendwelche Bilder mit? Reklamebroschüren, Familienfotos?"
"Nicht, dass ich wüsste.", bemerkt Lismar. Auf diesem Stand war sein Land noch nicht. Auch ich bin sauber. Nur bei Lightening hat der Bärtige Wachmann Erfolg und findet ein Foto einer älteren Frau in der Brieftasche des Präsidenten.
"Meine Mutter.", erklärt Lightening.
"Ihr solltet mir dafür danken, dass ichs gefunden habe.", brummt die Eliteeinheit, "Im schlimmsten Fall, wenn das Papier irgendwie Schaden abkriegt, hättet ihr am Ende zwei davon gehabt, die sich ständig darüber beschweren dass ihr sie nie anruft."
Der Ostfriese nickt besorgt. Das Foto wird zusammen mit Führerschein und Ausweis in der Zentrale sicher im Safe verwahrt.
"Seit wann gibt es Seen eigentlich?", will ich von den BKs wissen.
"Seit vorletzte Woche Dienstag.", antwortet einer der Elitekünstler und kaut weiter auf seiner Zigarre herum.
Als man Lightening schließlich auch die Fotokamera, die auf Artkatraz sehr sehr illegal ist, weggenommen hat, dürfen wir endlich gehen und durch die Straßen der neuen Stadt bummeln. Weiter nach Artkatraz geht es allerdings noch nicht, da wir noch auf Präsident Adelo Braaten von Magica warten, der morgen per Schiff nachkommt. Ich sehe nach Osten, zur Mitte. Selbst von der Küste und Nachts sieht man diese leuchtenden riesigen Augen des Musenturmes in Artkatraz-Stadt, der alles andere auf der Insel überragt. Diese Hafenstadt heißt nicht umsonst "gesehen".

10.06.1801

Artkatraz Flagge001.jpg

Ungeliebtes Tagebuch,
es gibt diese Momente, wo man fertig ist, weil ein großer Tag, der doch so gut angefangen hat, so mies gelaufen ist. Fangen wir besser von vorne an...

bekannte Gesichter

Heute morgen kam Präsident Adelo Braaten mit einem magicanischen Schiff im Seenhafen an. Man lächelte über dieses Wiedersehen, begrüßte einander herzlich und machte sich gemeinsam mit Lightening und Lismar sofort auf den nach Artkatraz-Stadt auf. Mit dem Heliumwal, einem großen friedlichen Bildwerk, dem man eine Transportkapsel umgeschnallt hatte, und einigen Riesenvögeln, die mit Stahlseilen vor diesen gespannt waren, dauerte es keine zwei Stunden in den überdimensionalen bunten Haufen aus seltsamen Häusern und Bewohnern, der sich Stadt nannte. Eine Eskorte des Bereitschaftskommandos sorgte für genügend Abstand zu den Einwohnern. Ich zweifelte nicht daran, dass Lightening den Verlust seiner Kamera inmitten dieser lebenden Illusionen bedauerte. Ohne Beweisfotos würde ihm zuhause wohl kaum jemand abkaufen, gehörnte Schulmädchen, drei blauhäutige glatzköpfige Typen, zwei Meter große Riesenhühner mit Aktenkoffer und Krawatte und andere Unmöglichkeiten auf zwei oder mehr Beinen gesehen zu haben.


Die ausländischen Gäste sind so sehr damit beschäftigt, alles anzugucken, um zu merken, wie sich ein gewisser jemand der Gruppe hinzugesellt. „Was ist denn das hier für ein Sauhaufen?“, meint Gerhard Lubersko Ebel.
„Du!“, fährt Lightening ihn an, „Was machst du hier?“
„Was denn wohl, mein Exil genießen. Die Musen haben in punkto Gastfreundschaft nicht untertrieben, ganz und gar nicht. So gut hast du dich bestimmt nicht im Leben amüsiert, Junge.“
Sein Grinsen verging Ebel recht schnell, als ihn Lightenings Faust traf. Die beiden schlugen und traten solange mit deftigen Beschimpfungen aufeinander ein, bis ich mich dazwischen stellte.

Der Musenturm

So ging diese Besichtigungstour weiter.
„Schöne Bildwerke hier.“, lobt Präsident Braaten, „Ist auch eins von ihnen dabei?“
„Nein, ich bin ein Bildwerk und Bildwerken dürfen nicht malen. Das widerspricht ihrer Natur als Bildwerke. Dann gäbe es ja zwischen Künstlern und Bildern ja keinen Unterschied mehr.“ „Warum hat der große schwarze Turm da eigentlich Augen?“, spricht Lismar auf den gewaltigen Musenturm an.
„Damit die Musen aus ihrem Turm heraus die Insel überblicken können.“, erkläre ich.
„Und warum hat er auf einer von vier Seiten keins? Warum hat es nur drei Augen?“
„Weil es nur drei Musen gibt.“
„Und warum seh ich da keine Treppen? Keinen Aufzug? Keinen Eingang? Soll man da etwa hochklettern?“
„Würd ich dir nicht empfehlen. Da sollen unsichtbare Riesenchamälions hausen und Eindringlinge fern halten.“
„Und warum seh ich da keine?“ „Miau.“
„Weil sie unsichtbar sind, du... Moment mal, was hat da gerade „Miau.“ gemacht?“

Das ist Kater Karl!

„Miau.“ Es stammte von der unproportionierten krakligen weißen Katze, die sich an Lightenings Bein schmiegte.
„Ein Bildwerk.“, bemerkte ein BK abfällig, „Ein hässliches. Was will es vom Präsidenten?“
„Miau.“
„Ich glaube, ich weiß, was das ist.“, meint der Ostfriese, „Das ist Karl. Hab ich gemalt, muss den Kontrolleuren wohl entgangen und bei der Schlägerei beschädigt worden sein.“
„Miau.“ Keine echte Katze hätte je wirklich „Miau.“ gesagt, meist eher ein „Mjoaaaw“. Kater Karl war eben das, was sich der Präsident anscheinend unter einer Katze vorstellte.
„Ich wollte schon immer eine Katze haben. Darf ich den behalten?“
„Die Musen haben dem hässlichen Ding bereits eine Genehmigung erteilt.“
Der Präsident ließ das Bildwerk auf seine Schulter klettern.
„Ich denke Katzen machen so etwas nicht.“, bemerke ich.
„Karl schon.“, entgegnete Lightening zufrieden und ging mit dem schnurrenden Haarknäul auf der Schulter weiter.

Die Museumsführung

Die Galerie von außen

Artkatraz müsste die sehenswertesten Gefängnisse aller Zeiten haben. Hier wurden die seltsamsten und gefährlichsten Gefangenen ausgestellt.

Hier ein Bildwerk, das Künstler getötet hatte, da ein Künstler der sein Bildwerk misshandelt hatte – alle Arten von Schwerverbrechern waren hier vertreten. Die verschiedensten Insassen starrten nur regungslos durch eine dicke schützende Panzerglaswand zu den Besuchern her. In einem für Normalsterbliche geheimen Keller wurden uns eine andere Sorte Gefangener gezeigt: Bildwerke, die nie frei gewesen waren, sondern einfach nur gefährlich aussahen, scheußliche Kreaturen, die ja in ihren Leinwänden bleiben sollten, reinste Albtraumwesen, die ihren wahnsinnigen Schöpfern in der Galerie Gesellschaft leisteten. Viele sahen bedrohlich genug aus, um im Alleingang ganz Artkatraz zerstören zu können, wenn ihr Bann je gebrochen wäre. Wieder im öffentlichen Teil der Galerie schreiten wir den Gang zum Ende, während wir weitere Gesichter schuldiger Wesen betrachten.
„Eine Sackgasse.“, bemerkt Lightening, „Kehren wir um?“
„Nein halt, da ist noch son komisches Bild.“, wundert sich Ebel, „Aber es ist leer! “

So darf er auf alle Ewigkeit verharren.

„Nicht mehr lange.“, sagt ein BK zum anderen. Sie beide holen flink zwei gefaltete kleine Papiere hervor, entzünden diese mit eine Feuerzeug und werfen sie in die Höhe. Anstelle von Asche landen zwei schwarze schwere geladene Armbrüste in den Händen der Wächter. Andere Eliteeinheiten beschaffen sich eine Art Stuhl und Malwerkzeug.
„Du da!“, meint ein Künstler barsch und richtet seine Waffe auf ihn, „Da hinsetzen!“
„WAS!? Ihr könnt mich doch nicht etwa... Das dürft ihr doch gar nicht, ich dachte, wir hätten eine Abmachung! Ihr hattet mir einen angenehmen Aufenthalt hier versprochen, und so weit ich gehört habe ist es in so einer Leinwand alles andere als angenehm...“
„Ja, so ein Vertrag wurde von im Namen von Artkatraz mit Gültigkeit unterzeichnet.“, bestätige ich und hole eine Kopie jenes Vertrages hervor,
„Angenehmer Aufenthalt, nur, wie lange? Immer erst das Kleingedruckte lesen!“
„NEIN! Das könnt ihr doch nicht mit mir machen!“
„Dann beweisen wir dir halt das Gegenteil.“, grinsen die BK's hämisch.
„Lightening du Bastard du hast mich reingelegt!“, schreit Ebel durch die ganze Galerie.
Als sie den Ex-Diktator Ostfrieslands mit Fesseln an den Stuhl fixiert hatten, begannen die rücksichtslosesten Künstler dieser Insel ihr Werk. Je mehr sie malten, desto durchscheinender wurde das schreiende Original, bis es schließlich ganz in die zweidimensionale Welt der Leinwand verschwand. Die übrigen Gäste verfolgten dieses Schauspiel sehr verschieden, Lightening mit Grinsen, Lismar mit Angst und Adelo Braatenn mit dem sachlichem Interesse eines Magiers. Zuletzt befestigten sie den Stahlbetonrahmen und das Panzerglas daran, und schon hatte die Galerie einen weiteren unfreiwilligen Bewohner für sich gefunden.

Nachdem wir die Galerie schließlich mit einer Person weniger (falls man bei Ebel bei von einer Person sprechen konnte) verließen, sprachen wir noch in einem Café über die nahende Weltausstellung in Italo-Amerika. Ich hoffte, dass mich die Musen auch dorthin lassen. Eine BK-Einheit sprang von einem Dach und landete vor unseren Füßen.
„Die Musen wollen dich sehen, Adolai. Jetzt.“
Es blieb nur wenig Zeit zum Abschied. Die Gäste sollten noch heute die Rückreise in ihre Heimatländer antreten...


Das Geheimnis der Sehenden

Der Musenturm hatte tatsächlich keinen Eingang. Jedenfalls keinen, der nicht nur mit BK-Flugwerken zu erreichen war. Die Luft war der einzige Weg in den Turm. Unter dem Raum der Musen befand sich die oberste BK-Zentrale. Das schwere bewachte des Musenzimmers fiel hinter mir zu, als ich es passierte. Fackeln erhellten den einfachen Raum und schienen auf die drei hochgewachsenen lupercanisch anmutenden Frauen in ihren Stolas. Sie standen um eine Schale, die auf einem steinernen Podest ruhte und in der eine spiegelklare Flüssigkeit glänzte.

„Gut.“, meine ich, „Was wollt ihr von mir?“
„Wir wollen, dass du dir ja keine falschen Hoffnungen machst.“, antworten die drei autoritären Herrscherinnen gleichzeitig. Jedes Wort sprach aus drei Kehlen.


Ich: „Wie meint ihr das!?“
Musen: „Du glaubst, dass du die Weltausstellung besuchen wirst, dass du diesen Menschen wieder begegnest, dass du weiter Diplomatin sein wirst. Nichts davon wird so sein.“
Ich: „WARUM?“
Musen: „Weil wir das so sagen.“
Ich: „Das ist kein Argument.“
M.: „Für uns schon.“
Ich.: „Nein, ich .. ich will wissen warum. Ich will endlich wissen warum. Ich ertrage das nicht mehr, diese Geheimniskrämerei. Ihr verschweigt mir was. Nicht nur das. Ihr verschweigt mir alles. Ihr lasst mein ganzes Leben im Unklaren. Aber ich werde diesen Raum nicht verlassen, ehe ihr mir ALLES erklärt habt. Alles, was ihr verschweigt, warum ihr mich beobachtet, warum ICH, verdammt, freigelassen und zur Diplomatin ausgewählt wurde!??“
M.: „Wir wussten, dass du diese Frage stellen wirst, Adolai. Selbst das geschah in unserer Absicht. Hier hast du deine Wahrheit: Du bist so, wie du bist, weil wir das so wollten.“
Ich.: „Ich habe meinen Schöpfer umgebracht! War das etwa auch beabsichtigt? In die Galerie habt ihr mich sperren lassen!“
M.: „Du bist erst gemalt worden, weil wir deinen Künstler beauftragten. Du hast ihn getötet, weil du genau so geworden bist, wie wir dich haben wollten. Und du warst in der Galerie, weil wir dich noch nicht brauchten. Und nun brauchen wir dich. Diese ganze Reise war nur eine Prüfung für dich. Sämtliche außenpolitischen Kontakte werden in Kürze wieder gekappt, denn wir brauchen sie nicht mehr. Und du hast diese Prüfung bestanden. Du wirst auch eine Muse sein. Du wirst mit uns herrschen. Wir herrschen, weil wir sehen, weil wir Sehende sind, wie du auch eine sein wirst. Wir sehen!“

So hab ich mir die irgendwie nicht vorgestellt..

Der Raum verdunkelte sich schlagartig. Das einzige Licht ging von der mittigen Spiegelschale aus ... und von den Musen, die ihre wahre Gestalt offenbarten: Große schwarze konturlose Schemen, die anstatt eines Gesichts nur diese vier Augen hatten, wie auf dem artkatrazischen Wappen.
M.: „Du bist nur noch eine Stufe von uns entfernt, Adolai. Einen Schritt zur unumschränkten Macht. Zu viert wird unsere Sehkraft vollkommen sein.“
Ich.: „Das könnt ihr mal schön vergessen.“
M.: „Du hängst noch zu sehr an diesen Menschen. Vergiss sie. Es sind nur Menschen, mehr nicht. Menschen sind nichts weiter als dumme Tiere, die Kontrolle brauchen. Wir brauchen sie nicht. Selbst für unseren Schöpfer hatten wir keine Verwendung mehr, als er den größten Fehler seines Lebens damit beging, uns zu malen, bis auf Dekoration.“


Da fiel rasselnd ein Skelett an einer Kette von der Decke und baumelte klappernd über der Spiegelschale.
M.: „Du bist besser als die Menschen. Wenn du erst einmal perfekt geworden bist, wirst du das besser verstehen. Menschen funktionieren ohne Kontrolle nicht. Und sie selbst können einander nicht kontrollieren. Menschen können keine funktionierenden Herrscher sein.“
Ich.: „Auf meiner Reise habe ich das Gegenteil gesehen.“ M.: „Das scheint dir nur so. Magica kann seine hohe Kriminalität nicht bändigen. Ostfriesland wird wieder von Krieg zerrüttelt werden. Castell-Burgien wird sich nie entwickeln. Und auch die Müllschieberinsel wird früher oder später vor die Hunde gehen. Es sind halt Menschen, wertlos. Nun komm und lass uns den letzten Schritt vollziehen, damit du eine von uns wirst.“
Ich.: „Niemals!“
M.: „Es ist dein Schicksal, du musst es akzeptieren.“
Ich.: „Ähm, jeder ist seines Schicksals Schmied!“
M.: „Hohle Worte. Glaubst du etwa, dass du so etwas wie eine WAHL hast? Dein ganzes Leben läuft nach unserem Plan.“
Ich.: „Alles hat ein Ende. Und euer Plan endet genau JETZT.“, schließe ich und renne auf ein augenförmiges Fenster zu.
M.: „Sie wird doch nicht etwa fliehen! BEREITSCHAFTSKOMMANDO! ERGREIFT SIE, KOSTE ES, WAS ES WOLLE!“


Die Flucht

Ich schaffte es recht mühelos vom Turm. Die Chamälions konnten mich einfach nicht erwischen, weil ich jeden ihrer Schläge genau 3,25 Sekunden vorraussah. Eine nette Eigenschaft, wenn man so ist wie ich. Ich rannte den Turm einfach im zickzack herunter. Solche unmenschlichen Kräfte habe ich während meiner Reise eher verborgen. Nun retteten sie mir den Hals. Die BK's sichteten mich schnell und verfolgen mich über den Dächern Artkatraz. Für irgendein anderes Bildwerk wäre das das Ende gewesen, für mich nicht. Sie verfolgen mich selbst in Seen, in das ich zu Fuß geeilt bin, und steigen da auf schärfere Waffen um. Ein schwarzer Pfeil reißt mir den Schleier vom Kopf und pinnt ihn an einem Schornstein fest. Sei es drum. Ich folge dem Rattern der Helikopterflügel und schaffe es knapp, mich an dem Landegestell des abhebenden ostfriesischen Fluggeräts festzukrallen. Ich ziehe mich zur Tür hoch und klopfe wie wahnsinnig daran, währen die BK-Schützen Position auf den nahen Dächern beziehen. Der Präsident persönlich kommt an die Tür, und erbleicht, als er mich durch das Türfenster sieht.
„Ich bins! Ich bins, verdammt! LASST MICH EINFACH REIN UND HEBT ENDLICH AB!“, schreie ich ihm verzweifelt zu. Ein schwarzer Pfeil verfehlt mich und bleibt in der Glasscheibe stecken. Erst jetzt erkennt Lightening den Ernst der Lage und lässt mich herein. Lismar ist an Bord und entsetzt nicht weniger über mein unverschleiertes Gesicht.
„Stellt bitte keine Fragen bringt mich hier einfach nur raus!“, rufe ich.
Nachdem die Panik halbwegs verflogen und die schreckliche Kunstinsel aus unserer Sichtweite ist, meine ich:
„Ich danke euch, aber hört bitte auf mich so anzustarren, das macht auch nicht besser. Was kann ich denn dafür, dass ich drei Augen habe?!?“

Wenn ich doch nur meinen Schleier hätte!


12.06.1801

(Soeben hatten die Musen per Post dem ostfriesischen Präsidenten mit dem Tod gedroht, wenn er Adolai nicht sofort an Artkatraz ausliefere.) Ungeliebtes Tagebuch,
Lightening darf nicht sterben. Es kann doch nicht sein, dass seine Hilfe mit dem Tod belohnt wird!?! Erst einmal, was wollen sie bitte gegen den Präsidenten ausrichten, wo sie doch ihren Turm nie verlassen und auch nichts von Krieg halten!
Ich muss mich abregen. Wahrscheinlich ist das wirklich nur ein Bluff, der mich unter Druck setzen soll. Die Musen greifen gerne auf solch fiese Psycho-Tricks zurück, aber reinfallen werd ich darauf nicht! Angeblich hat Lightening sein Sicherheitspersonal vervierfachen lassen, ihm wird schon nichts geschehen. Die Not ist nur da, wo auch Angst ist. Darum werde ich versuchen, keine zu haben.

Hm. Jetzt fällt mir aber wenig ein, das ich schreiben könnte. Nein halt... Da stimmt irgendetwas nicht. Warum fühle ich mich so komisch? So schläfrig. Der Stift fällt mir immer wieder aus der Hand, alles dreht sich so sehr, dass es einem Wunder gleicht, wie ich hier unbeeindruckt dessen weiterschreiben ka


Grüße aus der Gummizelle

Tut mir leid, dass ich erst jetzt schreibe, aber ich war mit anderen Dingen beschäftigt, sprich: in Ohnmacht sein, dort eine alte Bekannte wiedersehen, mich freiwillig in die nächste Klapse einweisen. Das klingt und ist alles andere als lustig.
Also die Ohnmacht: Es war mehr ein unfreiwilliger Tranceartiger Zustand als eine Ohnmacht. Ein leider mir bekanntes Wesen hat sich wieder gemeldet, und was gäbe ich nicht her wenn es dadurch nie wieder kommen würde!
Ich muss dir da jemanden vorstellen: Täria (eigentlich Taeryah aber so geschrieben bleibt die eigentliche Ausspraache im Dunkeln).
Ich erinnere mich noch gut an unsere erste Begegnung, obwohl ich so oft versucht habe diese zu vergessen. Jahre früher, kurz vor meiner Einbuchtung in die Galerie. Meine Sicht ist verschleiert, aber dennoch kann ich klar und deutlich erkennen, dass die Leiche zu meinen Füßen mein Schöpfer ist. Während diese Benommenheit noch über mir schwebt, drehe ich mich mit aller Kraft zu einem Spiegel, der mit Sprüngen und Blutflecken übersät ist. Ich sehe hinein und sehe eine fremde Person, die mir zwar ähnelt und sich doch so sehr von mir unterscheidet. Ich frage sie, wie das Blut an meine Hände gekommen ist.
"Du hast ihn getötet.", kommt die Antwort. Ich sehe wie sich im Spiegel der Mund meines Gegenübers bewegt, es ist ein Maul voller scharfer ewig gefletschter Zähne.
"Warum?", frage ich.
"Weil er dir nicht das warum erklären konnte. Da habe ich etwas nachgeholfen."
"Wer bist du!?"
"Ich heiße Täria und bin ein Teil von dir. Ich glaube da kommen gerade welche vom Bereitschaftskommando."
"Und was.. was machen wir nun?"
"Nicht wir, du, denn vorerst überlasse ich dich dir selbst ... und lasse dich im Stich."
"Das kannst du doch nicht machen!"
"Warum sollte ich das nicht können?", ist das letzte, was sie sagt, ehe diese Benommenheit verschwindet und ich wieder mich im Spiegel sehe. Da kommen die Schritte der Bildwerksjäger näher..
Ich nenne sie mein bestialisches Ich. Sie hat mich übernommen, um meinen Künstler zu töten, und nun, nach all den Jahren, ist dieses Scheusal zurückgekehrt. In der Trance hat sie es versucht, aber ich hab mich mit Mühe dem entwinden können. Fragt sich nur, wie lange. Als ich aufgewacht bin, bin ich sofort rausgegangen und hab mich freiwillig in die nächste Irrenanstalt einweisen lassen. Es war unglaublich schwer, die Ärzte davon zu überzeugen, dass ich komplett verrückt und unzurechnungsfähig bin, aber letztendlich haben sie mich auf meinen Wunsch hin in eine Gummizelle eingeschlossen. Bestimmt haben die Lightening Bescheid gesagt. Ich will ihn für die nächsten Tage nicht sehen, weil ich Angst habe, dass Täria...
nun ja, den Rest kannst du dir denken. Das zwischen mir und ihr ist ein mentaler Kampf. Und ich weiß nicht, wie lange ich noch die Oberhand habe. Aber ich spüre, wie sie immer stärker wird. Ach übrigends kommentiert sie gerade alles, was ich hier schreibe und denke. Du kannst dir ja nicht ausmalen, wie nervig Stimmen im Kopf sein können. Sie meint, ich soll mal schreiben, dass sie mehr als nur eine Stimme ist, aber diesen Gefallen tue ich ihr nicht. Hörst du, Terry? Ich höre nicht auf dich, ha! Deine Hand aber, Prinzessin. WARGH LASS MEINEN KÖRPER UND MEIN TAGEBUCH IN RUHE!!! Nö. Ich finde das nämlich lustig, dein Tagebuch mit diesem Wechselsprechverkehr zu besudeln. Kannst du bitte aufhören, meine Hand zu übernehmen? Dann wird die kurz lila! Das kümmert mich einen Dreck was du davon hältst. Nicht mehr lange und ich hab dich ganz. Dann kann ich endlich die Anweisungen der Musen ausführen. Also stecken sie doch dahinter... Du bist naiv wenn du glaubst ihnen entfliehen zu können. Sie haben mir heute dieses nette Angebot unterbreitet. Klingt doch gar nicht so schlecht, so ein viertes Auge, ich verstehe nicht was du dagegen hast. Lass mich in Frieden. Guter Witz, nein wirklich. Du bist naiv. Wie, glaubst du, soll mich bitte eine Gummizelle aufhalten. Nun ja, die Tür ist abgeschlossen. Entschuldige mich mal bitte, ich ziehe mich mal in tiefere Sphären deines Geistes zurück um mich da kaputtzulachen... Weißt du? Ich klappe jetzt das Tagebuch zu und summe mir ein irritierendes Liedlein, das mich von dir ablenkt und damit deinen Einfluss schwächt. Versuchs do


Datei:Duesd.mp3

Entweder war das Lied wirklich zu nervig oder Täria hatte einfach ersteinmal keine Lust mehr. In meinem Kopf herrscht Stille und ich kann endlich den Schlaf der letzten zwei Tage nachholen, die ich in Angst vor den Musen verbrachte...

Unter fremder Gewalt

So auszusehen ist wirklich unschön.

Man konnte sagen, dass ich alles andere als einen ruhigen Schlaf hatte. Nicht nur, dass ich Nachts (dunkel genug dafür wars allemal) erwachte, ich erwachte nicht einmal in der Psychatrischen Anstalt, der ich mich anvertraut hatte. Und ich konnte meine Beine nicht bewegen. Aus dem einfachen Grund, dass die etwas anderes flink und geschickt springend über die Dächer Kirchdorfs bewegte. Auch andere Gliedmaßen verweigerten mir ihren Dienst. Allein die Augen zeigten mir die Schemenhaften Gebäude, über die ich huschte. Ich zweifelte nicht, dass meine Haut gerade komplett violett unter Tärias Einfluss stand. Ich fühlte alle Eindrücke, die Täria durch mich empfand, ohne selber Einfluss auf das Geschehen zu haben. Groß aufregen darüber konnte ich mich allerdings nicht, dazu braucht man so Emotionsdrüsen. Mir blieb nur, so laut wie möglich "VERDAMMT" zu denken, auch wenn das nichts besser machte.
"Schmeckt denn nichts besser als die Freiheit?", meinte Täriah mental. Ehe ich mir darauf eine Antwort ausdenken konnte, anwortete sie schon:
"Halt. Ich weiß etwas: Das Blut eines Präsidenten. Heute wird mal edleres gejagt.", säuselte sie genüsslich, als sie mein Bewusstsein wieder in den zweifelhaften Schlaf schickte.

Als ich das zweite Mal erwachte, befanden wir uns in einem vornehm ausgestatteten Schlafzimmer. Wir näherten uns einem Bett. Jemand lag unter der Decke. Wohl der Präsident. Wir taten einen großen Sprung und rissen es in Stücke, bis wir merken mussten, dass es sich um eine Puppe handelte. Schritte drangen aus dem Nebenzimmer. Wir spuckten noch schnell ein Stück Dummy aus und versteckten uns. Jemand drehte hörbar den Türknauf - Es war der Präsident. Kaum war er ein paar Schritte tief im Todesraum, stürzten wir und schon auf ihn, rammten die Zähne in seine Schulter und brachen ihm unter seinen Schmerzensschreien mühelos das Schulterblatt. Es war entsetzlich, Tärias Freude an seinem Schmerz zu spüren und zusehen zu müssen, wie ein guter Freund litt.
Hilflos und verwundet lag Lightening zu unseren Füßen.

"ADOLAI?!?", keuchte er.
Täriah hätte nun Gelegenheit gehabt, um höchst theatralisch den blutbefleckten Kopf schütteln zu können. Statdessen holte sie ihre Krallen besetzten Pranken aus. Ich wünschte ich hätte wegsehen können...
In diesem Moment schlug das Wachpersonal die Torflügel eines alternativen Eingangs auseinander, stürmte rein und schien mit seinen Spezialtaschenlampen, die den ganzen Raum mit blendendem Licht fluteten. Anscheinend konnte Terry kein Licht leiden, brach auf den Boden zusammen und stieß ein zorniges Kreischen aus, bevor sie sich zurückzog und mir die Kontrolle zurückgab. Tränen wuschen mir das Blut vom Gesicht. Während die Sicherheitsleute mehr auf ihren Präsidenten fixiert waren, konnte ich einem seine Schusswaffe entwenden. Ich tat zitternd einige Schritte zurück.
"Ich will nicht mehr zulassen, dass ich anderen Wehtue. Ich bin zu schwach um dagegen anzukämpfen, es ist sinnlos und muss JETZT EIN ENDE HABEN!!!", rufe ich, richte die Waffe auf meine Stirn und drücke ab.
Als der ohrenbetäubende Knall verfliegt, muss ich merken, dass ich unlogischerweise noch am Leben bin. Die Kugel ruht dampfend zwischen violetten Fingern, die diese abfingen. Ich schmeiße Waffe und Kugel fort, sacke verzweifelt nieder und stütze mich auf beide Arme.
"NEIN!!!"
Die Verzweiflung rinnt mir aus allen Augen. Mehr Wachen kommen herbei, Tumult baut sich auf, als ich mich dem verwundeten Präsidenten zuwende.
"Lightening, es tut mir so Leid, nur so Leid, dass ich das nicht verhindern konnte. Anscheinend brauche ich etwas sichereres als so eine Gummizelle. Ich wünschte ich wäre tot, aber selbst das erlaubt mir Täria nicht. Es tut mir so Leid!!!"


Jetzt schreibe ich zwischen den Mauern meiner hoffentlich ausbruchsicheren Zelle im ostfriesischen Staatsgefängnis. Lightening hat den Angriff überstanden, auch wenn er jetzt eine Weile seinen rechten Arm nicht mehr bewegen kann. Ich wünschte wirklich, ich wäre tot. Das wäre mir lieber als für den Tod anderer verantwortlich zu sein. Täria sieht das eher anders. Ich hoffe, dass sie diese Mauern das nächste Mal in ihre Schranken verweisen.

13.06.1801

Gefangen und doch frei

Liebes Tagebuch,
Ähm ja, du hast richtig gelesen. Du bist nicht mehr ungeliebt. Aus dem einfachen Grund, dass ich gerade einfach zu fertig bin, um mir Hass auf dich leisten zu können.
Eigentlich sollte man sich doch freuen, wenn man Besuch im Gefängnis bekommt. In diesem Fall war ich aber alles andere als begeistert.
"Nein Lismar du darfst NICHT zu mir in die Zelle!", versuch ich den aufdringlichen Besucher abzuwehren, "Am Ende bring ich dich noch irgendwie um oder so! Ich bin zu gefährlich!"
"Ich dachte, Täria kommt nur nachts! Was brächte es ihr außerdem mich umzubringen? Ich bin nicht wichtig!", meint der Castell-Burgier
"Ich halte das trotzdem für keine gute Idee.."
"Ach komm schon, was ist denn das für seelischer Beistand der vor Gittern zu dir spricht? Falsch ist das!"
"Du scheinst ja nicht zu überzeugen zu sein, also gut, auch wenn ich da noch immer Angst habe."
"Was soll schon passieren?"
"Ähöm.",meldete sich Lightening, "Ich bleibe lieber draußen." Das könnt ich ihm schwer verübeln. Sein rechter Arm steckte in einer Schlinge und tat bestimmt immer noch weh...
Knarrend wurde die eiserne Tür für Lismar geöffnet und blieb das auch.
Irgendwie seltsam auch von derselben Person besucht zu werden, den Mann noch vor wenigen Stunden mit Krallen und Zähnen attackierte. Lightening konnte allen was vormachen, aber insgeheim bin ich fest davon überzeugt, dass er mir das nie verzeihen wird. Ich kann einfach mich anders, als mich für Tärias Vergehen mies und schuldig zu fühlen.

"Könntest du uns vielleicht einmal erklären, was es da genau ist, dieses Monster?", fragt Lismar.
"Es ist ein bestialisches anderes Bewusstsein in mir, dem es nun mehr gelingt, die Kontrolle über mich an sich zu reißen. Es hat mich vor Jahren dazu gebracht, meinen Schöpfer zu ermorden, wofür ich dann in der Galerie landete, und hat sich über all die Zeit nicht mehr gemeldet... bis jetzt. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.", seufze ich.
Anscheinend hatte Lightening eine Art Rede vorbereitet...-

"Du darfst nie verzweifeln.", beginnt der Präsident, "Verzweiflung zeigt, dass du keinerlei Stärke besitzt, und das tust du doch hoffentlich. Du bist immer stärker als wer anders. Du hast dich selbst dazu entschlossen, hierher zu gehen. Das war ein richtiger und wichtiger Schritt. Hier hast du genug Zeit, um mit dir selbst fertig zu werden. Ruh dich aus, sammel Kräfte. Hast du genug Kraft in dir, kannst du dich selbst beherrschen. Beherrschung ist bei dir das Wichtigste überhaupt in deiner Situation. Hier kann dir nichts passieren. Du wirst ständig bewacht. Du kannst nicht raus. Wenn du dir sicher bist, dass es wieder geht, brauchst du es nur zu sagen und sie lassen dich wieder raus. Keine Sorge, die Wachen können schon dich von dieser lila Echse unterscheiden."

"Danke...Ich weiß aber wirklich nicht, ob ich mir da wirklich je sicher sein kann... ", entgegne ich kopfschüttelnd,
"Aber Leute, ich danke euch dafür, dass ihr hier für mich da seid. Ich will mir gar nicht vorstellen, wo ich jetzt ohne euch wäre...", sage ich lächelnd



"Äh Adolai, ist es normal, dass deine Haut lila anläuft...?", fragt Lismar unsicher. Tatsächlich kroch zu meinem Entsetzen Tärias Färbung gerade über meinen Körper. Meine Augen weiten sich panisch.
"VERDAMMT RAUS MIT DIR UND ZWAR SCHNELL!!!", schreie ich und versuche den Diplomaten aus der Zelle zu schubsen, als mir Täria zuvorkommt. Sie hat gelauert wie ein Raubtier, um plötzlich zu überrumpeln. Meine Versuche noch verzweifelt ein paar Sekunden herauszuschlagen, schlagen fehl. Innerhalb weniger Herzschläge folgen weitere Veränderungen wie die leeren Augen, das gefletschte Grinsen, Exrarippen und natürlich die Krallen, die über Lismar herjagen. Lightening gelingt es knapp ihn mit dem gesunden linken Arm aus der Gefahrenzone zu ziehen, ehe die Zelle wieder verschlossen wird. Der Castell-Burgier scheint mit Schnittwunden und einer leichten Platzwunde davongekommen zu sein.

"Terry warum machst du das? Warum ihn?", frage ich sie gedanklich.
"Weil du es nicht erträgst, wenn ich Leute angreife, die dir nahe stehen.",antwortet sie zurück. "Und ich heiße nicht Terry sondern Täria!",bemerkt ihre Gedankenstimme verärgert, als sie mich wieder wegschaltet, für eine Art Interview, wie sich herausstellen sollte.

14.06.1801

Sinnlos

Liebes Tagebuch,
Die fiesen Übernahmen werden von Stunde zu Stunde zwar kürzer, dafür plötzlicher und heftiger. Ohne die geringste Vorwarnung, einfach so, was ein normales Leben außerhalb dieses Gefängnisses unmöglich machen wird.

Argh grad hat Terry schon wieder übernommen und zum 9.Mal heute die Mütter der Wächter beleidigt, ihnen eintausenddreihundert und sieben Arten erklärt, wie man Menschen töten kann und dann einfach nur gefaucht, wenn sie merkte, dass ihr niemand zuhörte.

Lightening hat mir zwar versprochen, Druck auf die Musen aufzubauen, aber ich zweifle daran, das ihn andere Länder ernst nehmen werden. Auf den ersten Blick hält man ihn zu gern für einen Vollidioten. Außerdem scheren sich die Musen doch Dreck darum, was die Außenwelt von ihnen denkt...

Eine Risikoreiche Trennung

Terry taucht mittlerweile so oft und regelmäßig auf, dass mir davon ganz schwindelig wird. Fällt nun mal schwer einen klaren Gedanken zu fassen, wenn sich alle 2-3 Minuten dieses dumme Monster übernimmt, das auch wirklich nur Mord und Totschlag im Kopf hat! Ganz übernehmen wird’s mich so schnell wahrscheinlich nicht, aber dieses ewige hin und her raubt mir Schlaf und Nerven. Mitten in der Nacht weckten sie mich – geschlafen hab ich da sowieso nicht, Täria sei Dank – für eine Meldung aus Artkatraz: Artkatrazische Aufständische hätten die BK-Zentrale im Musenturm gestürmt, den Oberoffizier des Bereitschaftskommandos irgendwie aufgehängt (muss wohl ein Missverständnis sein, derartige Brutalität trau ich diesen politiksmüden Krizzlern nicht zu) und wären gerade dabei, zu den Musen durchzubrechen. Wenig später traf eine zweite Nachricht ein, diesmal von den Musen selbst, die mir ein Live-Gespräch vorschlagen, um über eine Lösung für das Täriaproblem zu sprechen, weil ihnen das ganze allmählich doch zu viel wird. Hm. Man baute das erforderliche schnell (außerhalb!) meiner Zelle auf: eine einfache Schale mit einfachem Wasser, durch die man in Kontakt mit den Musen kommen sollte. Selbst Lightening war gekommen, um an dem Gespräch teilzuhaben. Er trug einen großen 1#-Handschuh an seiner Hand und schien für diese Uhrzeit etwas zu gut aufgelegt sein.
"Lightening was willst du mit der Tröte?!", frage ich.
"Erstick daran!", meint Terry.
"Äh.", meinte der Präsident und packte die Tröte weg.
Die Wasserobrfläche begann sich zu verfärben. Es ging los.
"Könnten die ganzen Wachen und Fremdpersonen bitte raus?!", verlangten die Musen, "Das ist ein ernstes Gespräch und keine Show!"
Während die Menschen den Raum verlassen, schreit Lightening noch laut: "Verliiiiiiereeeeeer!!!" und hüpft handschuhschwenkend davon.
"Nein, er nimmt keine Drogen, er ist so.", erkläre ich, nachdem wir auch wirklich alleine waren.
"Wir fragen uns immer wieder, warum du nur an diesen Idioten festhältst. Genauso fragen wir uns, was denen so an dir liegt, dass sie uns schon fast Krieg androhen!"
"Das werdet ihr wohl auch nie verstehen können. Anscheinend haben euch eure eigenen Untertanen umgestimmt."
"Du magst es vielleicht nicht glauben, aber auch uns liegt etwas an unserem Land. Wir hätten sämtliche Eindringlinge mühelos von der Aura töten lassen können, aber das tun wir aus Prinzip nicht. Nichts ist vollkommen böse, nicht einmal wir, wobei, Täria vielleicht... Wo wir gerade bei Täria sind: Es wird lange nicht so einfach sein, die wiederloszuwerden als sie heraufzubeschwören. Mach dir nichts vor, du bist shizophren und das extrem. Dementsprechend wird es kompliziert sein, das ganze wieder gut zu machen. Es wird ein gewisses Risiko geben - und eine Bedingung unsererseits. Bist du bereit, uns zuzuhören?"
"..Ja. Ist das auch wirklich kein Trick?"
"Eine wütende Meute ist grad dabei, unsere Tür zu zerlegen, wir müssten ein paar hundert Leute töten, damit sie aufhören uns zu nerven und nicht wenige Länder wollen uns an den Kragen - noch so einen Fehlschlag können wir uns jetzt nicht leisten!"
"Jaja ich glaub euch ja... Also warum könnt ihr Terry nicht einfach so abstellen?"
"Weil das ganz ganz falsch issst!", kommentiert Täria.
"Irgendwie nicht, verschwinde!", mein ich.
"Ihr könnnnt mich nicht loswerden. Ihr dürrrrft mich nicht loswerden. Wir hatten eine Abmachung!" "Hatten, ja, hatten. Nun nicht mehr. Und so machtlos sind wir auch wieder nicht.", entgegnen die Musen, "Nun, am einfachsten scheint natürlich, eure beiden Bewusstseine zu einem zu vereinen. Allerdings unterscheidet ihr euch schon so sehr voneinander, dass ihr euch schon anwidert - was eine Aneinanderführung unmöglich macht. Damit seid ihr - wie wir nun wissen - für den Musenposten ungeeignet."
"Stimmmmt doch gar nicht!", zischt Täria.
"Wenn man euch beide in einem Körper lässt, werdet ihr euch mit diesem Gezanke früher oder später töten!"
"Ihre Schuld!", sag ich da nur.
"Ihre Schulld!", weist Terry ab.
"Seht ihr? Nun, zum Glück gäbe es da eine andere Methode. Da wir euch indirekt erst geschaffen haben, kennen wir euch gut genug, um eine von euch aus der Distanz zu malen und in ein Bild zu bannen! Wir werden Täria einfach aus dir herausreißen."
"Keeeine gute Idee!", meinte Terry.
"Aber es gibt einen Haken.", rate ich.
"Zwei, um genau zu sein: Zu einem die Bedingung, zu der du dich erklären wirst, zu anderem die Gefahr, dass auch Adolai auf artkatrazischer Leinwand endet, was ja nicht ganz die Absicht ist. Das ist das Risiko dabei."
"Ob ich nun auch im Bild lande oder nicht, ist mir beides Recht. In Beiden Fällen richtet Täria keinen Schaden mehr an."
"Bist du dir da sicher? Willst du sich nicht vorher vielleicht mit deinen Menschenfreunden beraten?" "Sie würden mir hundertprozentig davon abraten. Ich bin mir sicher genug. Kann ich aber erst einmal eure Bedingung hören?"

...
Nachdem das ganze vorüber war, schneite Lightening herein.
"Ist es weg?", wollte er wissen.
"Ja. Terry darf nun Ebel in der Galerie Gesellschaft leisten."
Ich erzählte es ihm kurz.
"Du hättest mich trotzdem fragen können- aber was war nun die Bedingung, auf die du eingewilligt hast?!?"
Ich lächelte ihn an:
"Ich werde als Diplomatin die Weltausstellung besuchen, um sozusagen ihr geschädigtes Image wieder aufzubauen."
"Autsch, mein Arm", meint Lightening nur dazu, als er sich an der nächsten Tür stößt.

4.08.09

Es geht weiter...

Mehr als einen Monat später...

Grüße aus dem Mafiastaat, faule Artkatrazer und sehr zufällige Zufälle

Vernachlässigtes Tagebuch,
Um letzten Monat zusammenzufassen: Ich bin zusammen mit Lightening nach Italo-Amerika gereist und hab da undercover das ein oder andere Event besichtigt. Unterm Schleier erkennt mich mal wieder keiner. Was da so alles passiert ist, kannst du ja selber in der Expo Aktuell nachlesen, was du als Buch allerdings genau so viel kannst wie deinem besessenen Schreiber zuhören.
Wenn du auf diese Weise auch den WA-Kalender durchgesehen hast, müsstest du jetzt wissen, dass ich heute eine Rede am Amphitheater halte. Da ich das ganze schon alles vorbereitet hab, kann ich unbekümmert in morgendlicher Frühe durch die Straßen LittleChicagos schlendern. Ich mag es, den Morgentau als Atem der Stadt zu spüren, der sich auf dem von Händlern lautstark gepriesenen Obst in den Ständen niederließ, sich den Lärm und die Seele des Ortes zu verinnerlichen, um nachher diesem Ort meine Rede besser zu verkaufen. Auch WA-Besucher werden auf dieselbe Weise von mir inspiziert. Ich kann es einfach nicht lassen, einfach die Straßen auf und ab zu gehen und zu sehen, wie sich die Stadt täglich ein neues Gesicht in Form von neuen Geschichten aufsetzt, auch wenn ich weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich auch das satt habe. Da gehe ich nur so arglos besagte Straße entlang, als mich etwas packt und in eine schmale Seitengasse zieht. Wohl wieder nur so irgendwelche Kinder, die mich überfallen wollen. Aber habe ich mich ein wenig geirrt:
Es sind keine berufstätigen Einheimischen, sondern vier Artkatrazer in den schwarzen Rüstungen des Bereitschaftskommandos. Vier. Die Musen waren besessen von dieser Zahl.

„Verdammt, was habt ihr denn hier verloren?!“, will ich von ihnen wissen.
„Auf euch aufpassen, Prinzessin! Wir sind euer Geleitschutz!“, entgegnet der, der mich gepackt hatte.
„Irgendwie verspätet für eine Leibwache, erst nach mehr als einem Monat nach WA-Beginn aufzukreuzen, findet ihr nicht?!“, bemerke ich.
„Hm ja, kann sein, aber da ihr ja nichts von uns wusstet, war es etwas schwer, euch zu finden. Daher hat es eben ein wenig gedauert, viel Mühe dabei haben wir uns dabei allerdings auch nicht gegeben. Eigentlich müsstet ihr selber auf euch aufpassen können und ohne die Armbrüste, die wir ja nicht mitnehmen durften, können wir im Ernstfall auch nicht helfen, aber die Musen bestanden darauf, dass wir wenigstens bei dieser Rede mit dabei sind. Wenn ich mich vorstellen darf, ich bin Warren Jent und das sind Dave Skragen, Raul Nondas und Samuel Frank Londoooo.“
„Moment mal, halt, der eine da kommt mir irgendwie bekannt vor, hast du nicht...“
„...den Hymnencontest gewonnen? Ja stimmt, fassen kann ichs noch immer nicht ganz. War keine so schlechte Idee, mal einfach n Saphiraner persönlich auszufragen. Erst wollten die mich aus ihrem Pavillon schmeißen, bis ich denen ein Bild gemalt habe, da waren die alle auf einmal ganz locker, haben mir zu Trinken angeboten, wollten sich alle porträtieren lassen und haben auch Musik abgespielt. Von dem einen Lied habe ich dann eben einen schlimmen Ohrwurm bekommen... Und dann hab ich einfach nur Worte rangehängt. Ich weiß allerdings immer noch nicht, wie mir das mit dem Saphir passieren konnte...grün..grün, verdammt, grün, nicht blau...
„Bild dir ja nichts darauf ein, Raul. Ausländer finden deine Bilder und Gedichte zwar toll, aber in Artkatraz müsstest du Sklavenarbeit verrichten, wenn du dich ohne deinen BK-Job damit über Wasser halten willst.“, wirft Londoooo grimmig ein, „Lyrik schert niemanden und, Raul - begreif es endlich - du kannst einfach nicht malen!“
„Schön für dich!“, entgegnet Raul irgendwie gewohnt.
„Gibts eigentlich was neues aus Artkatraz?“, versuche ich abzulenken.
„Die Werbekampagnen zum Vertrauen zur Außenwelt laufen bereits in vollen Zügen, wenn wir Glück haben ist Artkatraz in ein-zwei Wochen bereit für Touristen. Dazu gibt es Weiterbildungen und Massenrekrutierungen im Bereitschaftskommando, so ist auch der Raul Nondas an Bord gekommen. Und achja, die Musen haben uns noch was für dich mitgegeben. Skragen durfts die ganze Zeit mit sich rumschleppen... Die meinten, du könntest ein neues haben wollen.“
Skragen reichte mir einen nicht kleinen Beutel.
„Danke“, mein ich erst einmal, ohne hineinzusehen, „Aber für ne Leibwache hättet ihr euch vielleicht wirklich etwas mehr Mühe geben können.“
Warren Jent zuckte dazu nur mit den Schultern, bevor er plötzlich bemerkt: „Was macht Raul denn da?!“

Hier Rauls Zeichung

Londoooo war Jent bereits einen Schritt voraus: „Raul, HÖR AUF ZU MALEN, SOFORT!“
„Warum denn?“, entgegnete der kritzelnde.
„WEIL DU DAS NICHT KANNST!!!“, tobte Londoooo und riss ihm die Zeichnung weg.
„Erbärmlich, nichts weiter.“, schnaubte er dazu. Wir sagten lieber nichts. Nur ich konnte die Zeichnung davor retten, von Londoooo zerrissen zu werden, der das nicht bemerkte, da er viel zu sehr damit beschäftigt war, Raul weiter anzuschreien.
„Wenn wir erst wieder zuhause sind, lass ich dich für deine Malkünste degradieren!“
„Weißt du, was sich darauf reimt? Abrasieren! Dieser Bart hat mich schon immer genervt..“
„Das wagst du nicht!“
„Doch, warum müssen alle BKs eigentlich bärtig sein?!?“
„Weil das so ist!“
„Und ich sollte mal meinen Künstlernamen ändern. Nondas ist doch kein Nachname, aber wenigstens mehr als dein bescheidener unaussprechlicher o-Haufen, der sich auf das Voodoo reimt!“
„Dafür bin ich keine Schande für mein Land so wie du!...“ und so weiter und so weiter...

„Sind die eigentlich immer so zerstritten?“, will ich von Warren wissen.
„Seit diesem Contest gibt es keine ruhige Minute mit denen. 'Wo sich zwei Künstler mal ihre Meinung sagen, wächst kein Gras mehr.', heißt es doch so schön von daheim. Meinung ist zum haben und nicht zum sagen da. Die beiden werden noch auf jeden Fall Ärger machen... Samuel, klär das bitte später.“
„Aber...“
„Vergiss hier nicht, wer hier als einziger besser malt als du.“, bemerkt Warren nur. Das schaltet ihn automatisch einen Rang über den Streitvogel. Widerwillig hören Raul und Londoooo auf, einander anzukeifen und zu erwürgen, und erheben sich aus dem Dreck. Ich erlaube mir schließlich einen Blick in den Beutel. Scheint eine Art Kleid zu sein.
„Ihr seit hier der Geleitschutz, also geleitet mich doch mal zu dem Hotel, wo ich mein Zimmer habe, meine Herren.“, sag ich und führ die Kolonne aus der Gasse.
„WAH!“, stammelt der ostfriesische Präsident und Dorftrottel Lightening, als wir ihm beim verlassen der Gasse buchstäblich über den Weg laufen, „Äh... hm.h.. hwww...ww-Was für ein Zufall!..“
Ja, was für ein Zufall. Ein Zufall, der sich eben gern die Freiheit nimmt, zu passieren. Folgendes Gespräch war für seine Länge doch etwas inhaltsleer, wie denn sonst bei Lightening? Zusammengefasst: Wir haben uns darüber gewundert, wie dieses WA-Fazit einen Tag vor meiner Rede geschehen konnte. Anscheinend wird das ganze nicht als Event wahrgenommen, also da werde ich den Organisatoren heut Nachmittag wohl das Gegenteil beweisen müssen.

7.09.2009

Ungeliebtes Tagebuch,
der WA-Trubel ist vorüber und es wird zeit, nach Artkatraz zurückzukehren. Allerdings nur zu viert. Raul ist nämlich kurz vor der Abreise "verschwunden". Und wie ich dem werdenden Dichter einige Diamanten zugesteckt habe, hat sich Samuel bestimmt nur eingebildet. Ich wünsche ihm viel Glück in der großen weiten Welt. Raul, meine ich. Doch nun geht es heim, was auch immer mich dort erwarten mag. Wer weiß, vielleicht bleibt die Welt ja ausnahmsweise normal.

Adolai.


Linktipps: Faditiva und 3DPresso