Die Reise zum Loch im Meer

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Kapitel 2: Technocratia

Auf großer Fahrt

Eigentlich konnte Ben Immdich sein Glück immer noch nicht fassen. Er war auf der Flying Dutchman, mit seinem Vater und sie waren auf der großen Fahrt. Im letzten Moment hatte er noch gedacht, sein Plan ginge schief. Als der Reiseschrank im Flur stand, hatte sein Vater einen Beutel mit Mutters leckeren Honigbroten in den Schrank legen wollen und ihn dann gesehen. Eigentlich verwunderlich, er hatte doch den Unsichtbarkeitsmantel an. Das war auch der Moment gewesen, als aus seinem Zimmer der Ruf erschall: „Auf Männer, alles an Land. Hurt, raubt, brennt alles nieder!“ Im Hintergrund hatte er Mutter vorbeilaufen gesehen, mit einem Küchenbeil in der Hand. Erschreckt hatte der Vater ihm das Packet in die Hand gedrückt und den Schrank geschlossen. Er wahr wohl der Meinung gewesen, dass er in dem Reiseschrank sicherer sei.
Später im Hafen war seine Mutter dann ganz aufgelöst.
„Ich verstehe das nicht, er war doch in letzter Zeit so ein lieber Junge, wie ein kleiner Mann, richtig erwachsen.“
„Er wird sich schon wieder beruhigen. Spätestes in ein paar Tagen, wenn ihm das Futter ausgeht.“
Futter?“ Schluchs „Was meinst du mit Futter?“
Die weiteren Erklärungen hörte er nicht mehr, denn man hatte den Reiseschrank unter Deck gebracht.

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Später dann, als das Schiff schon längst aus dem Hafen gekrochen war, hatte ihn sein Vater aus dem Reiseschrank rausgeholt. Er war hin und hergerissen, eigentlich wollte er seinen Sohn am nächsten Leviatanfänger absetzten und nach Hause schicken. Aber sein Vater war vernünftigen Argumenten wesentlich Zugänglicher, vor allem wenn er mit Dingen, wie lernen, weil man es tut und so, kam. So hatte der Vater den Leviatanjägern nur einen Brief für seine Frau mitgegeben. Jetzt ruckten sie dem unbekannten entgegen.

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, ähnelt das Meer der Andersrum-Welt nur bedingt den Meeren auf anderen Welten. Vor allem seine eher feste Konsistenz machte eine umfangreiche Schifffahrt zu einem merkwürdigen Unterfangen. Erste Versuche in der Frühzeit, nur allein mit Muskelkraft hatten sich als schweißtreibende, wenig erfolgreiche Angelegenheiten herausgestellt. Schwerer Dinge sanken zudem im Meer mit der Zeit ein. Erst die Erfindung des Windes und der Benutzung von Segeln hatte es kleinen Gleitbooten gestattet, in Küstenähe zu kreuzen, doch der Aufwand war immens. Für die Fahrt von nur einigen hundert Metern am Strand entlang hatte man 20 Windräder bauen müssen, in denen je tausend Arbeiter die Räder drehten. So blieb das Meergleiten lange Zeit ein Privileg des Königshauses. Das änderte sich erst mit der Erfindung der Dampfmaschine. Nun braucht man pro Windrad nur noch 2 Heizer. Aber auch die Kraft dieser neuen Technik brachte auf die Entfernung keinen wirklichen Fortschritt.
Für die Flying Dutchman musste man sich was vollkommen neues einfallen lassen. Die Idee kam Bew Undert, als er am der Grenze zum Meer Schildkröten herumkriechen sah. Sie schoben sich mit den Vorderbeinen vorwärts und mit den hinteren stützen sie sich ab. Schon bald war der Rumpf des Schiffes gelegt. Ben war die ganze Zeit dabei gewesen und hatte den Vater auch noch auf eine Weitere Idee gebracht: den Schlängeltrieb. Auf diese Art bewegten sich die Leviatane, wenn sie nicht grade im Meer waren.

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Mit diesen beiden Antrieben und vor allem mit den 3 neusten Heizkesseln der schweren Bauart kam das Schiff nun recht zügig voran. Ben hatte sich immer über den Namen des Schiffes gewundert, bis sein Vater im erklärte, dass der Name von der Königin Stamme und ihr eine fliegende Stimme den Namen zugerufen hatte. Ben wusste genau, was das bedeutete. Ob Mutter den Vogel mittlerweile den Hals umgedreht hatte. Beide taten Ben leid.

Ben langweilte sich. Er war beinahe das einzige Kind an Bord. Beinahe deshalb, weil sich das durch die Tierforscherin Beo Login bald ändern sollte. Sie war mit ihrem Mann an Bord und war im 12. Zyklus schwanger. Aber sie war die einzige Tierforscherin im ganzen Königreich hatte sich deshalb nicht von der Reise abhalten lassen. Und dann war da noch Ben Paul. Ein 16 jähriger Jungmann. Er war einer der Heizer, Ben Immdich sah ihn so gut wie nie.
Eigentlich hatte Ben erwartet, hinter der nächsten Nebelwand Aufregung und Abenteuer zu erleben, doch nun waren sie schon 8 Perioden unterwegs und außer Nebel hatten sie nicht aufregendes gesehen. Den einzigen, den dies zu freuen schien, war Bartalomäus, den Priester der Nacht. Er schien immer häufiger seinen Vater auf zu suchen und ihn zum Umkehren zu bewegen. Das war auch die Zeit, wo sein Vater ungewöhnlich schlecht gelaunt war und Ben sich in den Teleskopraum zurückzog, obwohl das Zentralgestirn im Nebel nur wie ein undeutlicher milchiger Ball aussah. So war er auch der erste, der eine Veränderung bemerkte. Das Zentralgestirn schien seine Position zu verlassen. Es rückte irgendwie nach hinten.
Bald war er nicht mehr der einzige. Am Morgen kam der Koch in die Messe und meinte, das Wasser in den Töpfen wäre verrückt. Auf die Frage, was er denn damit meine, antwortete er: das Wasser sei nicht mehr bereit in den Töpfen zu verweilen.
Für jeden Smudje eines anständigen Schiffes ist es eine bekannte Tatsache, dass das Wasser in der Kombüse sich daran erinnert, einmal ein Teil einer großen Gemeinschaft gewesen zu sein. Da es auf einem normalen Meer stärker als an Land den Ruf seiner Artgenossen um das Schiff höre, versucht es ständig aus Töpfen und Fässern zu springen und Heim zu kehren. Warum sich der Smudje der Flying Dutchman auf diese These stützte, kann nur mit dem Smudjegen erklärt werden. Dieses Rassegedächtnis bewirkte auch, dass der Smudje, seit dem er seine Füße auf das Schiff gesetzt hatte, den perfekten Seemannsgang beherrschte, eine Vorlieb für in Öl getränkte Speisen entwickelte und ständig betrunken war. Zudem benutzte er Ausdrucksweisen, die Ben Immdich bisher nur aus dem gebogenen Schnabel seines Sprechvogels kannte. Seit einer Periode bestand er darauf, John Silver genannt zu werden und trug eine Augenklappe, obwohl er 2 gesunde Augen hatte. Ben gefiel das, alle anderen fanden das seltsam.

Am nächsten Morgen

Am nächsten Morgen hatte sich das Meer verändert. Es wirkte irgendwie flüssiger. Nach 2 Stunden hing die Flying Dutchman fest.
Und sie sank.
Ben Immdich sah über Bord und schauderte. Hier schien das Meer überwuchert zu sein. Rankenförmige Arme schienen sich um die vorderen Flossen gewickelt zu haben und schien das Schiff weiter in diese unbekannte Masse hinein zu ziehen. Beo Login hätte sich das Zeug bestimmt gerne angesehen, aber ihr Kind war da vollkommen anderer Meinung, es wollte raus. Während sich die meisten der Mannschaft um die junge Mutter und das neugeborene scharten, gingen Ben Immdich und Ben Paul ihrer Neugier nach, ausnahmsweise mal Zusammen und zur gleichen Zeit. Sie ließen sich an Seilen vom Vorschiff auf eines der Paddel ab, um das Zeug näher zu untersuchen. Es sah komisch aus. Auf der einen Seite war es wie ein Blatt, auf der anderen Seite schien es doch eher ein Seil zu sein. Zudem hatte man das Gefühl, wie auf einem Trampolin herum zu laufen.
„Der Smudje würde sich hier wie zu Hause fühlen“, sagte Ben Paul.
Beide mussten lachen, als sie es sich bildlich vorstellten. Aber es gab noch andere merkwürdige Dinge. Aus irgendeinem Grund schien das Meer hier an manchen Stellen zu leuchten. In Ben Immdich´s Gehirn formten sich Bilder von im Meer herumlaufenden Menschen, die Tunnel gruben und Laternen dabei hatten. In seiner Vorstellung wären bestimmt auch Fische im Wasser mit Laternen vorgekommen, aber

  1. Wusste er nicht, das er über flüssigem Wasser stand und
  2. hatte er einen Fisch noch nie gesehen.

Das sollte sich jedoch bald ändern. Was niemand auf dem Schiff wissen konnte war folgendes. Das was sich unter dem Seetang befand (es ist übrigens wirklich Seetang und stammte von einem Ort auf der Erde, den man als Saragossasee kennt) wurde auf anderen Welten, wo der Himmel kuppelförmig, blau und von vielen Himmelskörpern bevölkert war, tatsächlich als Meer bezeichnet. Es konnte von großen Schiffen befahren werden, es war gefüllt mit merkwürdigen und unbekannten Lebensformen, man sollte es nicht trinken und man konnte darin ertrinken, also ein echtes ordentliches Meer.
Eines dieser merkwürdigen Lebewesen, die Evolution hatte es mit einem pfeilschnellen Körper, einem riesigen Maul voller rasiermesserscharfer Zähne, die es bei Bedarf austauschen konnte und einem scheinwerferartigen Glühkörper an der Spitze ausgestattet hatte, nahm gerade direkten Kurs auf die lustig über den Tang hüpfenden Füße von Ben Immdich. So machte er bald sie erste Bekanntschaft mit einem Hai in seinem Leben. Und wenn Ben Paul nicht da gewesen wäre, wäre es auch seine letzte gewesen. Ben Paul hatte den rasch größer werdenen Lichtpunkt unter dem Tang gesehen und instinktiv Ben Immdich mit einem beherzten Ruck zurück auf das Padel gezogen. Der Hai beäugte noch kurz seine ihm entgangene Beute und beschloss dann, dass der Aufwand nicht lohne und verschwand wieder in den dunklen Tiefen unter dem Tang.
„Was war das?“
„Ich weiß nicht, Ben I!“, sagte Ben Paul vorsichtig. „Ich hatte jedoch den Eindruck, es hielt dich für eine Mahlzeit.“
„Das glaub ich kaum, Lebewesen essen keine anderen Lebewesen. Es war bestimmt nur neugierig.“ Ben Paul stellte fest, dass Ben Immdich in dieser Hinsicht bemerkenswert dumm zu sein schien. Als er ihm erklärte, dass seine von ihm so geliebten runden Hacktaler in Wirklichkeit kleingehackte Sprechvögel seien, wurde er ganz bleich. Ben Immdich fragte sich, ob seine Mutter seinen Sprechvogel auch mittlerweile zerhackt und gegessen hatte.
Am nächsten Morgen war auch dem letzten auf der Flying Dutchman klar, dass sie sich ohne zutun bewegten, nach vorne und nach unten. So weit das Auge reichte waren sie nun vom Tang umgeben. Zudem schien das Schiff Heck voran in der Masse zu versinken, hinten fehlten nur noch wenige handbreit, bis das Deck verschwand.
Bew Undert machte sich sorgen. Seit dem sie losgefahren waren, hing ihm Bartalomäus damit in den Ohren, er würde sich gegen den Schöpfer versündigen, und nun glaubte er es auch. Doch sein Gegner hieß Physik. Jeder Schiffsbauer auf allen Meeren aller anderen Welten wusste, dass man ein Schiff möglicht leicht und gut ausbalangziert bauen sollte (Ausnahmen wie die Vasa bestätigen dabei die Regel). Diese Tatsache hatte auf dem Meer der Andersrum-Welt in der Regel keine Bedeutung. Doch nun war die Physik hier auf einem viel sicheren Stand und forderte unbeirrt die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Aber Bew Undert hatte Glück. Vor dem Schiff schälte sich langsam eine zerfurchte große Insel aus dem allgegenwärtigen Nebel.

Irgendwo im Dunklen

Mech A Nik hatte schon eine ganze Zeit oben auf dem Bugspier des alten deutschen Schlachtkreuzers Bismark gesessen und dem hecktischen treiben auf dem merkwürdigen Schiff zugesehen, dass da im Strom des Tangförderes auf Technica zugetrieben kam. In seinem Kopf stritten sich ein paar Gehirnzellen und ein paar Microschaltkreise um die Wahrheit. Kern der Diskussion war:
Schiffe fallen aus dem Himmel, sie fahren nicht über den Tang.
2 seiner Arme beschäftigen sich der weil, im am Hinterkopf zu kratzen, 4 andere angelten seelenruhig weiter. Was aber wohl fest stand war die Tatsache, wenn es nicht bald Hilfe holte, würde keiner an Bord dieses Schiffes es bis ans rettende Ufer schaffen. Mech A Nik stand auf und lief auf dem unter 30° schief stehenden Deck Richtung Mitte. Die Mitte war ein senkrecht in der Insel stehendes U-Boot der US-Amerikanischen Phytonklasse. Hier tagte gerade der Rat von Technocratia über ein wichtiges Thema: im Portal steckte ein Neuankömmling fest. Besatzung wollte selbstverständlich wieder zurück. Technicals wollte es ganz hindurch ziehen, aner nur weil beständig Wasser an dem Rumpf entlang sich über Technocratia ergoß, mit allem, was in Wasser üblicherweise sonst noch so drin ist. Von den Technicals besonders gefürchtet war vor allem:
Salz.

Alle Mann von Bord

Bew Undert blieb keine Wahl mehr, er musste die Besatzung evakuieren, er wusste nur noch nicht genau wie. Überlegungen wie Rettungsboote waren ihm beim Bau des Schiffes nicht gekommen, warum auch auf einem Meer, auf dem man stehen konnte. Was ihn noch mehr beunruhigte war die Insel vor ihm. Sie wirkte vor allem eins, wie verrostet. Überall ragte etwas unförmiges heraus. An manchen Stellen waren gelbe Lichter, an anderen Stellen gab es rote, die sich zudem auch noch bewegten. Und sie war laut. Sie hörte sich an wie ein übergroßes Windrad, das einer mit einem Kesselhaus und einem Armeisenhaufen gekreuzt hatte. Was ihn aber über alle Maße entsetze war die Tatsache, dass man hier an diesem Ort das Zentralgestirn nicht sah.

Ben Immdich und Ben Paul waren zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Wissensstand schon etwas weiter. Sie wussten genau, was die roten sich bewegenden Dinger waren. Gerade stand der Besitzer selbiger vor ihnen und grinzte von einer Backe zur anderen.
„Endlich mal wieder neue, die alten Geschichten wurden schon langsam öde.“
„Wer bist du?“ Ben Immdich hatte sich als erster von seinem Schock erholt. „Wo kommst du her?“
„Ich bin Tic. Und ich komme von da“, dabei zeigte er nach oben ins Dunkle. „Und ich nehme euch jetzt mit.“
„Waaaaa…“rum wollte Ben Immdich eigentlich fragen, aber mitten im Wort fühlte er sich von einem Arm mit deutlich zu vielen Ellebogen umschlungen und mit Ben Paul zusammen und einem heftigen Ruck nach oben ins Dunkel gezerrt.
„Ihr wollt bestimmt nicht von den Haien verspeist werden. Nur zu eurer Information. Euer Schiff sinkt.“
So wie den Ben´s erging es bald jedem auf dem Schiff: von Wesen mit merkwürdigen roten Augen gepackt und von Bord gezerrt. Dem Smudje bekam dabei eine besondere Ehre zu Teil, er wurde von einem gewissen Johnathan Silvatic gerettet. Alle wurden sie in einem luxeriös eingerichteten Raum abgesetzt, in dem schon andere Gäste saßen.

Eines der ungelösten Rätsel der Andersrum-Welt war, dass sich alle Lebewesen, wenn sie es wollten, gut mit einander verständigen konnten. Die Lösung des Rätsels ist so einfach wie banal. Die Antwort hieß Flüstermücken. Sie war eine der Schöpfungen des Schöpfers, die auf Ozeanien aus der Zeit der Erschaffung übrig geblieben waren. Sie halfen ihm, seiner Schöpfung begreiflich zu machen, warum er wollte, dass Fische im Wasser schwimmen und Vögel im Himmel flogen und nicht umgekehrt. Auf Ozeanien waren sie noch zum Einsatz gekommen, auf der Erde nichtmehr. Das ist wohl auch der Grund, warum es auf der Erde fliegende Fische und Pinguine gibt.
Eigentlich waren die Flüstermücken ganz normal. Sie flogen rum, saugten Blut, züchteten in Pfützen und Plumpsklos 10.000 von Nachkommen und übersetzten jedes gesprochene Wort in jede nur erdenkliche andere Sprache. Das Ohr der Lebewesen von Ozeanien und Andersrum-Welt filterte dann das für ihn betreffende Sprachprofil aus dem Babylonischen Sprachgewirr heraus.

Verquerer Luxus

Kommen wir zurück zu der Geschichte. Luxuriös war das Zimmer. Um einen schwarz lackierten Tisch gruppierte sich eine gemütlich aussehende Sitzgruppe an der Wand zeigte sich ein mit Marmor und Granit bestückter Kamin, in dem ein Feuer auf merkwürdig aussehenden Holzscheiten prasselte. Auf der gegenüber liegenden Seite eröffnete sich eine großzügige Bar. Wirklich man hätte den Raum für gemütlich halten können, wenn nicht alles an der Decken gehangen hätte.
„Ihr habt uns hier hergebracht!“„Was hat das zu bedeuten?“„Was passiert mit unserem Schiff/Boot?“„…“ Erst jetzt viel den beiden Parteine auf, dass sie gleichzeitig gesprochen hatten. Das führte zu der Erkenntnis, dass sie in derselben Lage waren.
Der Kapitän der Blauen Oktober, einem U-Boot der russischen Nordmeerflotte, das zur heimlichen Versenkung und Entsorgung hoch instabiler Substanzen der Millitärforschung zur Küste der Vereinigten Staaten unterwegs gewesen war, stellte als erster wieder eine Frage.
„Wie lautet ihr Name und Dienstgrad?“
„Mein Name ist Bew Undert und was ist ein Dienstrad?“
„Welche Nation?“
„Wir kommen aus dem Königreich des Lichts!“
„Nie gehört. Wahrscheinlich irgendein unwichtiges Inselreich in der Südsee!“ Der Russe drehte sich zu seinen Männern um und lachte.
„Wir sind ein großes und stolzes Volk unter unserer Königin Bel Anglos“, mischte sich Bartalomäus empört ein.
„Belanglos?“ die Russen lachten noch mehr. „Sogar ihre Königin weiß, wie unwichtig sie sind.“
Bartalomäus baute sich ohne vor dem Kapitän auf und gab ihm ohne Vorwarnung eine schallende Ohrfeige. Alle waren sprachlos. Die Besatzung der Flying Dutchman erlebte nun zum ersten Mal in ihrem Leben Gewalt. Die Russen empfanden zum ersten Mal die Verblüffung, die auch ein Rausschmeißer empfindet, wenn er von einem Zwerg zu Boden geschickt wird. Sie waren auch sofort erbost und zückten ihre Waffen. Es wäre wohl auch zu einem Schuss gekommen, wenn nicht in diesem Moment Mech A Nik zur Tür herein gekommen wäre. Er machte einen undeutlichen Schlenker mit seiner Hand und hatte plötzlich alle Waffen in seinen verschiedenen „Händen“.
„Nanana, was soll das denn mit den Waffen? Wir sind doch alles Freunde, sagte er mit einer tiefen Bassstimme, die jeden Opernsänger vor Neid hätte erblassen lassen. Alle starrten ihn an. Mech A Nik hätte man für einen Menschen halten können, zumindest dann, wenn man nur seinen Oberkörper betrachtet hätte. Das Gesicht war rasiert und eher rundlich. Sein Haar hatte er oben zu einem Irokesen aufgetürmt und hinten endete es in einem langen, metallisch glänzenden Pferdeschwanz, der ein beunruhigendes Eigenleben zu besitzen schien. Seine Augen waren rot und leuchteten diabolisch von Innen heraus. Da wo sein Oberkörper endete, setzte sich ein mechanisches etwas fort, das ihm 4 Beine und 4 Bein-Arm-Kombinationen bescherte. So sah er aus, als hätte man einem Menschen mit einer Spinne gekreuzt, um einen Zentauren zu bekommen.
„Willkommen in Technocratia. Eurer neuen Heimat!“

Was ist Cola ?

Ben Immdich und Ben Paul saßen derweil in einem Raum, der wie eine Mischung aus einer Hard-Rock Kneipe und einer Autowerkstatt aussah. Tic saß ihnen gegenüber. Tic war ein Mensch, zu mindestens Oberflächlich. Bis auf seine Augen war nichts ungewöhnliches an ihm. Er beobachtete seine Gäste neugierig und wartete ungeduldig auf den Anfang eines Gespräches. Als keiner der Ben´s Anstalten machte, was zu sagen, brach er das Schweigen.
„Wollt ihr was zu trinken? Ich habe Cola, Limonade, Schweppes, Soda, Kaffee Milch oder Kiba.“
Bis auf das Wasser hatten die beiden Ben´s von den anderen Getränken noch nie was gehört. Ben Immdich sagte vorsichtig:
„Ich hätte gerne Cola…“ Ben Paul schwieg. Von seiner Warte aus war Tic ähnlich gefährlich wie ein Hai.
„Kommt sofort“, rief Tic glücklich und hielt ein Glas, auf dem HSS Hamburg drauf stand, unter einen Wasserhahn. Kurz darauf hielt Ben Immdich das Glas mit einer braunen Flüssigkeit darin in den Händen. Er trank vorsichtig. Es schmeckte süß, aber auch recht merkwürdig, irgendwie so wie Omas alter Kräutersirup, den sie angeblich zu lange hatte stehen gelassen.
„Nun erzählt mal, wo seit ihr eigentlich hergekommen. Von da Draussen kamen noch nie Menschen zu uns.“
„Wir sind aus dem Königreich des Lichtes. Wir sind 8 Perioden und 2 Tage über das Meer und durch den Nebel hier her gereist“, antwortet Ben Immdich.
„Ihr kommt aus den dunklen Sümpfen?“
„Was ist ein Sümpfen?“
„Das was hinter dem Meer anfängt.“
„Hinter dem Meer?“
„Ja dieses schlammige mehlige Zeug am Rande des Tangmeeres, wo man fast immer drauf rumlaufen kann, wenn man noch Füße hat. Das wo es die Riesenwürmer gibt, wo man den Mond sehen kann und wo der viele Nebel rumhängt und man die Hand vor dem Auge nicht mehr sieht. Die Sümpfe halt.“
„Aber das ist doch das Meer und was ist ein Mond?“
„Der leuchtende Ball am Himmel?“, fragte Tic.
„Das ist das Zentralgestirn“, brummte Ben Paul dazwischen. „Das weiß doch jeder.“
Schweigen breitet sich wieder aus.
„Ich bin übrings 12 Jahre alt. Erdstandartzeit“, versuchte Tic das Gespräch wieder in Gang zu setzen. „Auf Technocratia geboren und aufgewachsen. Und seit einem Jahr bin ich sogar Jungbürger.“
„Was heißt das?“, fragte Ben Immdich.
„Vor einem Jahr durfte ich mir meine ersten Upgrads aussuchen.“

Wie an anderer Stelle schon erwähnt ist Technocratia keine normale Insel, die Bezeichnung Schiffsfriedhof trifft auf diesen Ort viel eher zu. Über Tausende von Jahren hinweg waren an dieser Stelle über dem Meer der Andersrum-Welt Schiffe, die auf den Ozeanen der Erde verschunden sind, in dieses geplumst. Ihre erdrückende Last hatte dabei im Meer eine Mulde geschaffen, die sich mit dem Wasser des irdischen Meeres füllte. Eines der ersten Schiffe überhaupt, und man muss es auf die Eigenheiten des Portales zurückführen, kam aus dem Jahre 3765 auf diese Welt. Die Bestatzung dieses Schiffes war eigentlich auf dem Weg zu irgendeinem Kampfeinsatz gewesen, aber das Ziel war in der Geschichte verloren gegangen. Jedenfalls hatte die Besatzung aus genetisch und kybernetisch verbesserten Soldaten bestanden, und das Schiff war bis zur Kante mit Waffen, Werkstätten und medizinischen Einrichtungen vollgestopft gewesen. Jetzt lag es so weit unten im Schlamm, dass niemand mehr wusste, wo es genau lag.
Im Laufe der Zeit waren andere Schiffe gefolgt:

  • Djunken aus China
  • Ein deutscher Kampfkreuzer
  • Eine spanische Goldgaleone
  • Ein Freibeuterschiff des Osmanischen Reiches
  • Das eine oder andere Flugzeug
  • Ein Zeppelin
  • Ein kybernitisches Handelschiff ohne weitere Besatzung
  • ein Wahlfänger

Usw.
Das hatte zu einer sehr kunterbunten Mischung in der Bevölkerung von Technocratia geführt. Da die kybernetisch Verbesserten als erste da waren, boten sie allen Neuzugängen bald ebenfalls die Errungenschaften der modernen Technik an. Manche nahmen sie bereitwillig an, boten sie doch die Vorzüge:

  1. wesendlich länger zu leben
  2. in dieser unwirklichen Welt besser zurecht zu kommen.

Sie hatte auch schon versucht, mehr über ihre neue Heimat heraus zu bekommen, jedoch hatten sie dabei kein Glück gehabt. Ihre Expeditionen fanden nur Nebel und Sumpf. Nach 200 Jahren gaben sie auf und richteten sich von da an häuslich ein.
Das Portal über ihren Köpfen blieb indes Rätselhaft. Es brachte zwar immer neue Bürger zu ihnen, doch von ihrer Seite aus konnte man es nicht durchschreiten.
Um nicht vollkommen den Verstand zu verlieren, begannen sie die Geschichten zu sammeln, die sich Seefahrer schon immer untereinander erzählt hatten. Und sie beschäftigten sich mit der Erforschung ihres eigenen Wesens.

Vaterängste und Kinderträume

Bew Undert hatte ein langes Gespräch mit den Vertretern der Rates von Technocratia hinter sich. Besonders entnervend fand er dabei die Bemerkungen des Gehirns. Es hatte sich in jahrhunderten eine so feste Meinung über das Wesen der Welt gebildet, dass es sich fast nicht mehr auf die nun neue Situation einstellen konnte. Die Situation hieß: Technocratia ist nicht allein.
Nach dem diese Erkenntnis bis in die tiefsten Schaltkreise dieses „Wesens?“ durchgedrungen war, hatte der Rest des Gesprächs nur noch aus Fragen bestanden, die das wie und das wo betrafen, was Bew Undert jedoch nicht zur Zufriedenheit aller beantworten konnte. Zumindestens war es ihm gelungen, dass die Technicals sein Schiff retten wollten. Sie versprachen, es seetüchtig zu machen.
Nun saß er mit den beiden Ben´s und ihrem neuen Freund auf dem Oberdeck eines 6 Masters, der ausnahmsweise gerade stand und trank das komische Zeug namens Cola.
„Das hatte ich nicht erwartet“, murmelte er vor sich hin.
„Tic hat erzählt, dass es hier viele Kinder gäbe und dass sie alle von nur 5 Müttern abstammen würden“, erzählte Ben Immdich aufgeregt. „Er sagt, dass diese Mütter die Mütter der Nation genannt werden und dass sie die höchsten Ehren erhielten. Und sie seinen alle Fast ganz menschlich, so wie Tic. Und sie hätten sich dafür entschieden. Und sie würden niemals arbeiten müssen, so wie Mama, denn hier würde alle Arbeit von Maschinen erledigt. Und manche Maschinen könnten sogar selber denken.“
Bew Undert dachte automatisch an das Gehirn.
„Und Tic fragt, ob unser Schiff auch ein Gehirn habe“, erzählte Ben Immdich weiter. „Aber ich habe ihm dann gesagt, dass nur Menschen Gehirne haben und natürlich Könige und Priester auch. Vielleicht haben auch Sprechvögel Gehirn, sonst könnten die ja nicht sprechen. Und dann hat Tic gesagt, das alles was sie Essen und trinken aus Tang gemacht wird. Papa, darf ich mir das mit Tic mal ansehen?“
Bew Undert war beunruhigt. Obwohl er sich für sein Alter einen seiner Meinung nach recht freien Geist bewahrt hatte, soviel es ihm doch schwer, die ganzen neuen Eindrücke dieser Insel frei von Vorurteilen und Befürchtungen auf zu nehmen. Er bewunderte seinen Sohn zum Teil etwas, weil er sich ganz seiner Neugier hingeben konnte und sich keine sorgen um das Morgen machen musste.
Für Bew Undert stand morgen ein Besuch im Trockendock an. Die Flying Dutchman sollte geborgen und umgebaut werden. Er musste es überwachen, er konnte nicht auf Entdeckungstour gehen.
„Darf ich, Papa?“
„Ja, aber komm am Abend bitte wieder in unser Quatier.“
„Danke, Papa!“

Bartalomäus befand sich in ganz anderen Umständen. Er saß in der religiösen Bibliothek der Technicals und diskutirte mit einem Gehirn auf 6 Beinen über den Schöpfer der Welt. Er gewann den Eindruck, dass die Technicals Gott in allen Dingen sahen, auch in dem Stuhl auf dem er saß. In seinem Kopf formten sich Bilder von Tischen und Stühlen, die auf einem Priesterseminar rege an der Diskussion beteiligten.
„An Dingen ist nichts göttliches“, bemerkte er unwirsch.
„Aber dennoch hat euer Schöpfer dein Reich und das Zentralgehirn geschaffen, das ist doch Teil euerer Religion? Und ihr bezeichnet das Zentralgestirn auch als Auge Gottes. Wenn es also eine Teil des Schöpfers ist, warum soll dann der Boden nicht auch ein Teil von ihm sein?“
„Der Schöpfer hat diese Welt gemacht, das Auge Gottes ist nur sein Werkzeug, wie ein Fernglas.“
„Also ist euer Schöpfer im Zentralgestirn? Euer Kapitän hat dem Big Brain gesagt, dass man im Auge andere Welten sehen könnte. Als ist euer Schöpfer auch dort?“
„Bew Undert ist ein blinder Fanatiker, der einfach seiner Fantasie folgt und an Wunder glaubt.“
Das Gehirn auf 6 Beinen betrachtete Bartalomäus nachdenklich (kann nur vermutet werden).
„Ach tatsächlich?“

Ein Schiff wird geboren

Die Flying Dutchman erwachte im Trockendock und sah sich verwundert um. Sie machte kurz hinter einander 3 wichtige Feststellungen:

  1. Sie war gerade geboren worden.
  2. Sie war ein Schiff, das in einem Meer schwimmen und über ein Meer kriechen konnte, was immer das eine und andere auch sei.
  3. Und sie hatte viele Freunde, die in ihr leben wollten.

Natürlich war es immer noch das Schiff, dass Bew Undert im Königreich der Lichtes gebaut hatte, doch die Technicals hatten ihm ein Gehirn verpasst, quasi einen Ableger vom Big Brain. Die Flying Dutchman war sozusagen sein erstes Kind. Die nächsten 60 Sekunden verbrachte es mit der Entwicklung zum Teenager. Ab da ließ es keinen weiteren Input von Big Brain mehr zu, wie jeder Teenager in dem Alter. Es wollte seine eigenen Wege gehen und eigene Erfahrungen machen, es wollte endlich aus dem wohlbehüteten Laufstall des Trockendockes heraus. Es gab nur ein Problem, diese kleinen Wesen wollten mit.
Die nächsten Tage waren dann für alle schwierig. Die Flying Dutchman übte sich in der Disziplin des Reinen Kindlichen Trotz, der jedes erwachsene Gehirn zur Weißglut brachte. Das änderte sich erst, als Ben Immdich und Tic das Trockendock betraten. Ben Immdich war von der Idee, dass das Schiff nun ein eigenes Bewusstsein hatte, gelinde gesagt faziniert. Er und Tic verbrachten ab da jede Menge Zeit auf der Kommandobrücke mit immer neuen Spielen, die sie mit dem neuen großen Bruder oder Schwester spielen konnten.

Aber die Sache mit dem Gehirn war natürlich nicht das einzige, was sie an der Flying Dutchman geändert hatten. Man hatte alle Kessel und Kohlebunker entfernt und einen Multiphasen-Supp-Spiegelfeld Generator an die Stelle gesetzt. Wie genau der funktioniert, konnten selbst die Technicals nicht erklären, jedenfalls nicht so, dass man es so ohne weiteres verstand. Nur das es dabei irgendwie um Suppe (Rumfort-Eintopf genannt (liegt rum und muss fort)) ging, war erklärte Tatsache.
Die Technicals erklärten, dass man das Schiff nun mit allem betreiben konnte, was das Universum an nur entferntesten Essbare enthielt.
Auf diese Weise war das Schiff leichter und konnte nun Problemlos in allen Arten von Wasser schwimmen. Somit standen der Mannschaft nur noch die Flegeljahre ihres Schiffes vor ihrer Weiterfahrt im Weg. Aber auch die endeten nach ein paar Tage recht abrubbt.
Bew Undert stand an Deck seines Schiffes und betrachtete nachdenklich das Meer. Wohin sollten sie sich wenden? Er hatte von den Technicals einige Aufzeichnungen erhalten, in welchen Richtungen sie vergeblich anderes Land gesucht hatten. Natürlich war es kein genaues Suchraster geworden. Aber es deckte alles im Umkreis von 7 Perioden ab. Wenn sie 8 Perioden weit gesucht hätten, hätten sie natürlich das Königreich des Lichtes gefunden und die Geschichte sähe heute anders aus. So musste sich Bew Undert wieder auf sein Glück verlassen, das hatte ja auch beim letzten Mal wunderbar funktioniert.
Ben Immdich war in dieser Zeit damit beschäftigt, sein Zimmer auf der Flying Dutchman mit ein paar neuen Einrichtungsgegenständen zu versehen. Zum Beispiel hatte er von Tic einen Geschmackskonverter bekommen, mit dem man aus Tang Cola und andere Getränke herstellen konnte. Dann hatte im Mech A Nik, der, wie sich herausstellte, auch gerade erst mal 15 Jahre alt gewesen war, eine E-Gitarre geschenkt. Sie besaß insgesamt 28 Seiten auf 5 Riffs und war wohl eine Eigenkonstruktion.
Zudem baute er heimlich mit Tic neben seines noch ein zweites Zimmer, das seinen Platz in einem nun leeren Kohlebunker fand. Tic wollte mit. Und er wollte nicht um Erlaubnis fragen. Die Gründe dafür kannte Ben Immdich nur zu gut. Die Tür zu diesem neuen Zimmer verbarg sich, wie sollte es auch anders sein, hinter dem Reiseschrank seines Vaters.

Inhaltsangabe
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Kapitelauswahl
Prolog; Kapitel 1: Königreich des Lichts
Kapitel 2: Technocratia
Kapitel 3: Necronomica
Kapitel 4: Elver
Kapitel 5: Das Loch im Meer
Kapitel 6: Master of Clouds
Kapitel 7: Das Ende des Wolke 7 Reiches
Kapitel 8: Das Verdinga-Imperium oder Der Verrat
Kapitel 9: Kinderland
Kapitel 10: Scoutopia
Kapitel 11: Ozeanienkonflikt
Kapitel 12: Die Reise zum Fluss ohne Wiederkehr
Kapitel 13: Pfad der Toten
Kapitel 14: Reich der Riesen
Kapitel 15: Glückliche Heimkunft; Epilog


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