Sub:Erlebnisse in der Hölle der Pädiatrie2

Lange Zeit später, als ich längst wieder gesund war und alle Erinnerungen an diese schreckliche Nacht vergessen zu haben schien, meldete sich meine 16jährige Tochter nach achtwöchiger Abwesenheit wieder einmal – zu später Stunde. „Wo treibst Du Dich wieder rum? Was hälste von nach-hause-kommen? So kann es doch nicht mit Dir weitergehen!“ pfefferte ich durch die Muschel - mehr aus Routine. „Ach Paps, mir geht es schlecht und ich hab nix mehr auf dem Handy, besorg mir mal einen Arzt, die Karte haste ja noch, mach Dir keine Illusionen, ich komm nicht mehr zurück, aber Du hast die Chance mir zu helfen, darauf sind doch Eltern immer geil!“ „Willst Du zum Gynäkologen?“ „Lass den Scheiß, ich hab ne Mordsgrippe (Husten). Schreib mir ne SMS, wo wir uns treffen!“ Klick.

So suchte ich wieder einmal einen passenden Arzt, doch in weitem Umkreis hatte nur ein Arzt Wartezeiten unter dreieinhalb Jahren zu bieten – Abgründe taten sich in mir auf – Doktor Schneider! Ich trat trotzdem in die Praxis ein.

Es war eine Mittdreissigerin, die gekonnt an mir vorbei sah und deren Stolz auf den Besuch eines Friseurs unübersehbar war. Feist über die Theke grinsend hatte sie - in das unvermeidliche Telefon sprechend - immer wieder mit gespreizten Fingern der anderen Hand in ihren Nacken gegriffen und die Haare nach oben geschubst, was ihren Pony nur kurz aus der zementartigen Ruhe brachte, die blonde Kurzhaarfrisur war fabrikneu und so roch sie ja auch!

„Guten Tag – ich hatte eben angerufen – ich komme wegen meiner Tochter, hier ist ihre Karte!“ „Wo ist sie denn?“ „Die kommt nach!“ „So so...jetzt noch?! Außerdem waren Sie noch nie bei uns, das haben Sie uns ja gar nicht gesagt, dann kann es länger dauern!“

"Waren Sie beim Friseur?" "Oh," lächelte sie erfreut, "sieht man das? Und wie gefällts?" "Vorher sah es sicher besser aus! Typveränderung, jaja!"

Als ich mich einige Schritte entfernte, hörte ich sie tuscheln, dass es ihr gleich nicht gefallen habe und zu diesem Friseur niemals mehr gehen werde, so viel Geld für so wenig Mitbestimmung!