Sub:Erlebnisse in der Hölle der Pädiatrie15

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Mutig schritt ich heraus wie aus einem bösen Traum, die unfreundliche Arzthelferin wies mir still ein Behandlungszimmer zu und ich nahm dort zunächst auf einer Trage Platz, die neben einem kleinen EKG stand, mit halb welken Blumen auf der Marmorfensterbank. Unruhig war ich und schaute nachdenklich in den streifigen Monitor, auf dem einige kryptische Daten zu lesen, aber nicht zu erkennen waren. Dann setzte ich mich. Der Hocker war viel zu klein und so schaute ich aus dem Winkel eines 14jährigen schräg nach oben: das verdammte Ding war schon viel zu lange hier, um sich nach oben schrauben zu lassen. Ab und zu flackerte das Neonlicht und einige Angst verbreitende metallische Gegenstände mit langen Hälsen lagen neben Tupfern in Nierenschälchen. Die Luft war schwanger von Äther.

Die Respektsperson kam herein. Dunkelgrau gewelltes Haar und eine Art Hornbrille saßen auf dem sonoren Gesicht, das ein kleines bisschen vernarbt war. Polternd wurde ich gefragt: „Wo ist denn Ihr Kind?“ „Nun, Herr Doktor, ich weiß es nicht genau, es tut mir leid, aber es ist dennoch dringend, es geht ihr schlecht.“ „Sie sollten sich selbst reden hören, es ist dringend und es geht ihr schlecht, aber sie ist nicht da.“

Ein Kloß saß mir im Hals: „Ja und deswegen wollte ich fragen...“

„Papperlapapp – das tut nichts zur Sache, ich gehöre nicht zu denjenigen, die frei Schnauze irgendein Zeugs mittels Ferndiagnose nach laienhaft erklärter Symptomatik verschreiben. Was soll sie denn haben?“

„Nun, es ist so ein hohler Husten, er hört sich bröckchenartig an, es ist ein gutes Mädchen, sie hatte unbedingt in die Abendschule gehen wollen, daher ließ ich sie gehen, denn so etwas hat man heute doch selten und jetzt ist sie zu spät, weil wieder einmal so ein schlecht gewarteter Bus ausgefallen ist. Ich kann es Ihnen erklären, ich huste einfach für sie“ und in heiligem Eifer voller Unbedarftheit redend ließ ich Mitleid erheischend mein zigarrengestähltes Husten erklingen, meine schärfste Waffe jetzt, das Hemd willig aufknöpfend. „Genau so klingt es!“

„Ich hör Sie mal ab, dann haben wir das schnell, wird ne Grippe sein!“ Und ich fühlte auf meinem nackten Rücken das kalte Metall des Stethoskops und es war so wie früher beim Hausarzt. Leicht erschrak ich, obwohl ich es erwartete. Und ein bisschen weh tat die Kälte und das Tasten des fremden Mannes auf meinem Rücken. „Ja, hier und da, da sind die Bronchien zu, ja, das hat man schnell gefangen“ „Ihre Tochter hätte gleich zu mir kommen sollen, anstatt zur Schule zu gehen! So was hat man selten!“

„Habe ich die Daten, Ricarda?“ brüllte er durch die Tür. Ricarda kam mit einem Kellnergang hinein und wies auf die Papiere, die bereits auf dem Tisch lagen „Hier doch, Herr Doktor!“ und sah sehr befremdet auf meinen entblößten Oberkörper. „Ja, wie alt ist denn das Kind...hmmm?“ fragte er sich und blätterte sich durch die Akten. „Ja, nee, das ist ja wohl ein Witz, die ist ja noch nie hier gewesen – dann kann ich Sie....sie nun wirklich nicht behandeln!“

„Auch nicht für 50 die halbe Stunde?“ Er schien wie nach innen zu blicken, hielt inne, eine furchtbare Ewigkeit, die Arme angewinkelt und das Stethoskop befühlend und ließ ein tiefes Lachen hören, in das ich vorsichtig einstimmte. Ja, meine Tochter war wieder einmal nicht gekommen, doch die 50 waren nicht ganz für den Arsch, er verschrieb Dinge, die ich bei späteren Unbefindlichkeiten in meiner eigentlich typischen Selbstmedikation selbst einnehmen sollte und wir hatten einen gemeinsamen Anfang gefunden, als ich noch einmal Kind geworden war.

Mittlerweile sind wir Freunde geworden und die 50-Euro-je-halbe-Stunde-Bemerkung ist ein Running-Gag geworden, über den wir noch oft lachen sollten, na ja, ich mehr als er..

50 Euro.jpgWeiter?Ganz zurück?Oder hierhin?
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