Stupidedia:Adventskalender 2016/20

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Gerichtsprozess wegen Stalkings
Der Staat gegen Christian Kind

Barbara Salesch.jpg

Richter: Angeklagter, erheben Sie sich! Ihr Name ist Kind, Christian Kind, ist das richtig?

Angeklagter: Christus... Christuskind.

Richter: Oh, gut. Dann müssen wir das nochmal abklären. Wo wohnen Sie?

Angeklagter: Ich wohne überall, in jedem...

Richter: Also wohnungslos. Halten Sie sich ständig hier auf, in dieser Stadt?

Angeklagter: Alle Jahre wieder komme ich hier herunter.

Richter: Und wo genau ist Ihr momentaner Aufenthaltsort?

Angeklagter: Wo die Menschen sind.

Richter: Also am Bahnhofsviertel, wo die anderen Wohnungslosen auch herumlungern. Und wo man sie auch aufgegriffen hat. Ja? Herr Kind, Ihnen wird vorgeworfen, mehrere Menschen gestalkt zu haben. Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?

Angeklagter: Ich wollte einkehren und Segen spenden.

Richter: Sie wollten sich also unerlaubt Zutritt zu Häusern fremder Personen verschaffen und dort einkehren - also etwas verzehren; essen und trinken? Ist das richtig.

Angeklagter: Ja, aber nur, wenn man mich einlädt. Und vor allem Segen spenden.

Richter: Ja, ja, sicher. Und Sie geben zu, in alle Häuser auf dieser Liste hier eingedrungen zu sein?

Angeklagter: Ich bin nicht sicher. Ist das denn wichtig?

Richter: Na, in welche Häuser wollten Sie denn? Hatten sie ein bestimmtes Auswahlschema?

Angeklagter: In jedes Haus. Ich gehe in jedes Haus.

Richter: Interessant. Andere Täter leugnen für gewöhnlich und geben nur zu, was man ihnen nachweisen kann. Sie besitzen die Dreistigkeit, zu behaupten, dass Sie eigentlich in alle Häuser wollten. Das ist ziemlich ungewöhnlich. Sie haben sich ja auch nicht einmal die Mühe gemacht, sich unauffällig zu kleiden. Ist das denn ein Fetisch mit diesem Kleid? Oder ist das eines dieser Männernachthemden? Egal. Wie sind Sie eigentlich in die Häuser gelangt? Sie haben sich nicht dazu entschieden, zu warten bis die Leute außer Haus waren, sondern haben sich in die Häuser geschlichen während die Bewohner daheim waren.

Angeklagter: Ich gehe auf allen Wegen mit den Leuten ein und aus.

Richter: Und man hat Sie nicht erkannt? Sie gehen mit den Leuten zusammen in deren Haus und werden von ihnen nicht bemerkt? Ich meine, ich merke doch, wenn ich durch die Tür gehe, ob da einer mit reingeht.

Angeklagter: Nein. Still und unerkannt. Auch Sie hatten mich nicht bemerkt.

Richter: Hätte ich. Ich hätte Sie sicher bemerkt, glauben Sie mir das.

Angeklagter: Ich leitete Sie treu an der lieben Hand.

Richter: Moment, Sie meinen, Sie waren bei mir? Bei mir auch?

Angeklagter: Ja.

Richter: Das kann aber nicht sein. Ich habe Sie nicht bemerkt - niemanden. Und es fehlt auch nichts.

Angeklagter: Doch, ich habe Ihnen die Furcht genommen.

Richter: Welche Furcht?

Angeklagter: Vor der heutigen Prüfung.

Richter: Was denn für eine Prüfung? Sie meinen den Prozess? Ich habe keine Furcht.

Angeklagter: Ich weiß.

Richter: Ich hatte auch vorher keine. Mir fehlt nichts.

Angeklagter: Ich habe Ihnen dafür Zuversicht gegeben.

Richter: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir hier Recht sprechen werden und dass Sie Ihre gerechte Strafe für Ihr Verhalten bekommen werden.

Angeklagter: Mein Vater sagte mir schon, dass Sie ein sehr mutiger und gewissenhafter Mensch sind und ein sehr liebenswerter Mann. Er hat gesagt, dass sie ihm gefallen.

Richter: Ihr Vater? Wer ist denn Ihr Vater, dass der mich kennt? Wann sollen wir uns denn getroffen haben?

Angeklagter: Das ist schon recht lange her.

Richter: Dann hab' ich ihn sicher eh vergessen.

Angeklagter: Er hat Sie sicher nicht vergessen.

Richter: Ich glaube, wir sollten eine Pause machen. Ich unterbreche die Verhandlung...


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Richter: So ich hoffe, alle Beteiligten haben sich ausreichend gestärkt und erholt. Herr Kind, Sie hatten ja bereits zugegeben unbefugt in anderer Leute Häuser eingedrungen zu sein. Können Sie mir bitte erklären, was genau Sie damit bezweckt hatten?

Angeklagter: Diese Atmosphäre, die Stille in der Nacht, alles schläft.

Richter: Aber einer ist wach. Sie!

Angeklagter: Einsam. Und doch als Paar.

Richter: Soll das etwa heißen, Sie hatten einen Komplizen? Sie waren nicht allein?

Angeklagter: Ich bin manchmal einsam, aber nie allein. Es gibt einen, der über uns alle wacht.

Richter: Beantworten Sie die Frage!

Angeklagter: Ich habe keinen Komplizen.

Richter: Also ein Einzeltäter. Ein Unhold, der sich schamlos in die Intimsphäre Unschuldiger drängt.

Angeklagter: Kein Unhold. Ein holder Knabe mit lockigem Haar.

Richter: Ich meinte mit „schamlos“ nicht die Fülle Ihrer intimen Haarpracht. Nicht, dass hier Missverständnisse aufkommen. Was haben Sie denn dann dort gemacht bei den Leuten daheim? Ich meine, die haben ja geschlafen.

Angeklagter: Ja, in himmlischer Ruh.

Richter: Was?

Angeklagter: Schlaf in himmlischer Ruh.

Richter: Ähm, ja. Aber was sie dort gemacht haben, möchte ich wissen. Hatten sie sexuelle Beweggründe?

Angeklagter: Nein. Eine stille Nacht sollten die Leute haben, die durch nichts gestört wird.

Richter: ...Außer durch Sie. Sie haben die Menschen gestalkt, sie verfolgt. So etwas verunsichert die Betroffenen, wenn sie davon erfahren. Sie fühlen sich dann nirgends mehr sicher.

Angeklagter: Sie waren sicher. Sie waren beschützt. Und sie wussten das oder haben es gehofft.

Richter: Das sagen Sie. Aber immerhin hat sie ja jemand angezeigt.

Angeklagter: Ja, Hirten erst kundgemacht.

Richter: Richtig, die beiden Schäfer Udo und Michael Engel haben sie gesehen, wie sie in der Dämmerung die Nachbarschaft unsicher gemacht haben. Schafhirten stehen bekanntlich früh auf.

Angeklagter: Die Schafe wissen, ich bin nicht böse.

Richter: Die wer? Bei allem Respekt, Herr Angeklagter, aber dass die Schafe blöken, kann ich vor Gericht sicher nicht als Zeugenaussage gelten lassen.

Angeklagter: Es tönt laut von fern und nah.

Richter: Was soll das denn heißen? Ich weiß, dass deutsch nicht Ihre Muttersprache ist, aber manchmal reden Sie in Zungen, wie die Indianer zu sagen pflegen. Nur, weil eine Herde Viecher irgendwo laut umhertönt, werde ich nicht von Ihrer Redlichkeit überzeugt.

Angeklagter: Nicht eine Herde, sondern mehrere.

Richter: Ach und wenn mehrere Herden blöken, dann haben sie eher recht, oder wie? Und was haben sie gesagt, diese Schafe?

Angeklagter: Christ, der Retter ist da.

Richter: Ach, der Retter.

Angeklagter: Ja. Der Retter. Die Engel haben das auch gesagt in ihrem Halleluja.

Richter: Ähm, ja. Die Herren Engel - Vater und Sohn, haben ausgesagt, dass Zitat: Ein zauseliger Typ im Nachthemd durch das Viertel gewandert wäre und durch die Fenster in die Häuser gelugt hätte. Mit zauseliger Typ im Nachthemd wären Sie in Ihrer Erscheinung recht treffend beschrieben. Wollen Sie das immernoch bestreiten?

Angeklagter: Das habe ich doch noch nie bestritten.

Richter: Und auch nicht, dass Sie in dort Hausfriedensbruch begangen haben?

Angeklagter: Wenn Sie das dann so bezeichnen wollen... Wenn Sie noch nie unerlaubt an einem Ort oder in einem fremden Haus waren, dann werfen Sie den ersten Stein.

Richter: In unserer Kultur sind Steinigungen aus der Mode gekommen.

Angeklagter: Die meisten Moden kommen wieder. Ich hoffe nur, die Kreuzigungen lassen noch etwas auf sich warten.

Richter: Machen Sie sich etwa über das hohe Gericht lustig?

Angeklagter: Nein. Ganz und gar nicht. Das würde ich nie.


Sehen Sie in der nächsten Folge die Urteilsverkündung!


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