Spiegelwelten:Wie sich Horatio Ramirez als achtjähriger Bengel vor der Schule drückte, beim Schlachter eine Wurst klaute und dennoch zum Held des Tages wurde

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Dieser Artikel ist zwar im Namensraum Spiegelwelten zu finden, er spielt aber in der Orbis Alius.
Was ist die Orbis Alius?Was sind die Spiegelwelten?
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Horatio, als kleiner Bengel mit seiner Steinschleuder.

Die heiße Sommersonne hatte den Tag schon früh aufgeheizt, als der kleine Horatio Ramirez von seiner Mutter geweckt wurde. Eine Schüssel Cornflakes mit Kokosmilch wartete auf den zukünftigen König Äquadors, der damals noch der Sohn einer Schusterfamilie aus einem Vorort von Tropical Beach war. Horatios Mutter trieb ihn zur Eile.

"Los, los, Horatio. Du kommst zu spät zur Schule."

Doch da hatte Frau Ramirez sich gründlich geirrt. Horatio hatte überhaupt nicht vor, zur Schule zu gehen. Er würde nur um die erste Straßenecke gehen und dort im Gebüsch verschwinden. Sobald seine Eltern in der Schusterwerkstatt sein würden, würde Horatio sich zurück ins Haus schleichen und sein Angelzeug holen.

Mit Tornister und Pausenbrot bepackt, scheuchte Horatios Mutter ihren Sohn aus der Tür. Er wartete eine halbe Stunde im Gebüsch an der Ecke. Seine Eltern merkten nicht, dass Horatio noch einmal im Haus war.

Schnell ließ Horatio den kleinen Ort hinter sich und ging durch einen kleinen Palmenhain runter zum Fluss. Nachdem er die Angel ausgeworfen hatte, machte er es sich im Schatten eines Baumes gemütlich und träumte in den Tag hinein. Bald schlief er ein und wurde kurze Zeit später von einem leisen Klingeln geweckt. Ein Fisch hatte angebissen und läutete an dem Glöckchen, das an der Angelrute angebracht war.

Horatio zog eine halbstarke Bachforelle an Land. Als er die Angel erneut ausgeworfen hatte, begann er, den Fisch auszuweiden. Anschließend sammelte er Holz und machte ein kleines Feuer. Während die Forelle über der offenen Flamme gegrillt wurde, bröselte Horatio eines seiner Pausenbrote ins Wasser, um weitere Fische anzulocken. Er lehnte sich im Schatten des Baumes zurück. Während die Forelle garte, dachte der kleiner Angler über die weite Welt nach und über die Länder, von denen er schon soviel gehört hatte. Was gäbe es da nicht alles zu bereisen in der Ferne. Hy, Ostralien, Spoken Word. Oder vielleicht durchs wilde Pashtunistan.

Erneut klingelte das Glöckchen, doch diesmal war es nur ein Stiefel, den Horatio an Land zog. Er wendete die Forelle, die über dem Feuer briet. Sie schien bald gar zu sein. Horatio nahm sein zweites Pausenbrot und warf die Käsescheibe darin ins Wasser. Das Brot wollte er mit dem Fisch essen.

Die Forelle hatte vorzüglich geschmeckt. Horatio hatte jedoch immer noch Hunger. Eigentlich war es eher Appetit als Hunger. Horatio war ziemlich verfressen. Er versteckte sein Angelzeug in einem Gebüsch, pinkelte das Feuer aus und ging zurück in den Ort. Zielstrebig hielt er auf das Geschäft des örtlichen Schlachters zu. Der Schlachter war dumm und ließ sich leicht um eine kleine Zwischenmahlzeit erleichtern.

"Guten Tag", sagte Horatio beim Betreten des Ladens. "Tach", brummte der dicke, kahlköpfige Schlachter. Horatio betrachtete die offene Auslage, auf der allerlei Fleischspeisen zum greifen nahe lagen.

Hinter dem Schlachter hingen Schinken an Haken an der Wand. "Ich soll Schinken kaufen", log Horatio und zeigte an die Wand.

Als der Schlachter sich umdrehte und Horatio den Rücken zukehrte, griff sich letzterer blitzschnell eine Wurst und ließ sie rasch in seiner Hosentasche verschwinden. Der Schlachter nahm einen großen Schinken vom Haken und legte ihn auf den Tresen.

"Habe mich geirrt", sagte Horatio. "Ich soll doch nichts kaufen." "Lausebengel!" Der Schlachter drohte mit dem Zeigefinger. "Mach, dass du raus kommst!" Lachend rannte Horatio aus dem Geschäft und verschwand um die nächste Häuserecke. Die Wurst mampfend machte er einen Spaziergang im Sonnenschein. Munteres Vogelgezwitscher untermalte den prächtigen Tag, als eine Stimme die Idylle zerriss.

"Müsstest du nicht in der Schule sein?" Es war der örtliche Wachtmeister. "Der Lehrer ist krank", versuchte es Horatio. Der Wachtmeister schüttelte den Kopf. "Den Lehrer habe ich vor zehn Minuten auf dem Schulhof gesehen." "Verdammt", fluchte Horatio.

Horatio ging vor dem Polizisten her, wie ein Gefangener, der er ja letztlich auch war. Die beiden marschierten in Richtung Schule. Als sie beim Bäcker vorbeikamen, blickte die Bäckerin durchs Schaufenster und schüttelte verächtlich den Kopf. Der Fassbinder saß vor seiner Werkstatt und beschlug ein Eichenfass, als er den festgenommenen Horatio sah und fluchend auf den Boden spuckte. Als sie an der Sparkasse vorbeiliefen, sprang dort die Tür auf und ein dunkel gekleideter, maskierter Mann stürzte aus der Bank. Er übersah Horatio, stolperte über ihn und knallte mit dem Kopf gegen einen Hydranten. Der Hydrant gab einen lauten metallenen Gong von sich. Und als wolle sie antworten, läutete die Kirchturmglocke einmal zur halben Stunde.

So hatte Horatio unwillentlich einem Bankräuber das Handwerk gelegt. Der Wachtmeister ließ Gnade vor Recht walten. Nicht nur, dass er Horatio nun nicht mehr zur Schule bringen würde. Er würde ihm auch ein behördliches Entschuldigungsschreiben für die Schule ausstellen.

Horatio hätte nichts besseres passieren können. Nun würden seine Eltern nichtmal merken, dass er die Schule geschwänzt hatte. Problematisch war nur, dass ein Reporter vom Lokalblatt nebst Fotograf in der Bank waren und Horatio am nächsten Tag in der Zeitung abgebildet war. So bekamen seine Eltern dann doch noch heraus, dass Horatio sich vor der Schulbank gedrückt hatte.

Er bekam zwei Wochen Hausarrest aufgebrummt. Das sollte ihn aber nicht davon abhalten, Angeln zu gehen, wenn seine Eltern arbeiteten.


Ende

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