Postkutsche
Inhaltsverzeichnis
Der Grundstein wird gelegt
Der Grundstein des Konzepts Postkutschen zu installieren war geradezu banal. Als nämlich der Osten der USA bemerkte, dass es auch einen Westen gab, war ein jeder Bürger darauf erpicht, denjenigen Brief verschicken zu wollen, der die weiteste Strecke zurücklegen würde. Dieser kleinbürgerliche Spießkampf veranlasste die Poststationen, deren bisherige Boten für die unüberschaubaren Weiten des unerschlossenen Gebietes nicht geschaffen waren, die wagemutigsten und verwegensten Draufgänger zu engagieren, die die Welt zuvor, noch nicht erblickt hatte. Diese starken Mannen traten an, um das Heiligste unter den Tümern, den Löwen unter den Räubern, den Gott über dem Olymp oder kurzum den Brief vom Liselottchen bis an das Ende ihrer bekannten Welt zu bringen.
Da aber bei diesen waghalsigen Expeditionen in das Niemandsland des Westens, wahnsinnig viel Stauraum übrig blieb, ein Brief nahm so in etwa [math]12cm*7cm*0,01cm[/math] Staufläche ein, wussten die Postgesellschaften aus ihrer Not eine Tugend zu schlagen und ihre wirtschaftliche Lücke gut zu vermarkten. Dem gemäß, boten sie Reisen für Reisende oder für all diejenigen an, die es wagen sollten, eine Fahrt durch den wilden Westen zu bestehen, um das zu sehen, was ihre Briefe sehen sollten: Staub und Einöde. Sapperlot, Achsen angezogen und Galopp…
Die Dienstherrschaft tritt an
Die „Postillonen“ stellten die Dienerschaft unter dem Dienstleistungsunternehmen Post des wilden Westens und die Garanten für eine sichere Überführung, der zumeist rührseligen Fracht dar. In ihnen lag das ganze Vertrauen der Postgesellschaften, die Zuversicht der Schreiber, die einen Brief ins „Ungewisse“ schickten und das unnachgiebige Hoffen der Fahrgäste, mit ortskundiger Sicherheit, durch die vertrackte Ebene geführt zu werden. Wenn auch zumeist, mit der Bitte, direkt an Gefahren bringendem Indianergebiet vorbei, für ein geselliges Gruppenphoto zum heimischen Angeben.
Dabei waren all diese Fähigkeiten der Postillone, die dafür sorgten, dass ein Brief auch tatsächlich ankam, nicht zwingend zu erwarten und man darf sicherlich behaupten, dass es schon fast irrwitzig ist, dass sich das Unternehmen „Post“, bis hin in das 20. Jahrhundert retten konnte. Diese Widersprüchlichkeit will durch die nachfolgend beschriebene, stramme Charakterhaltung der „Postillone“, erklärt werden:
Man stellt sich vor…
Zum Ersten, um die Bastion derer zu wahren, die man verkennen würde, war ein Postillon natürlich kein Diener. Er war nicht einmal bei der Post angestellt. Das Risiko, dass diese harten Knappen auf sich nahmen, war viel zu groß als das es Arbeitsrechtlich von der Post hätte finanziert werden können. Und so erschließt sich auch schon vorweg, der Charakter des, niedlich gesprochen, „Postboten“, der alles andere als richtlinientreu und untertänig daherkam. Seine Wesenszüge glichen vielmehr denen eines eingefleischten Halunken, der lieber einen ganzen Saloon aufmischte, als hoch droben auf seinem Bock zu sitzen, und „holterdiepolter“ den Westen lang zu fahren. Und hätte man nicht, glücklich die „Drive-Inn-Saloons“ erfunden, an denen sie rasteten und saufen konnten, sie säßen wahrscheinlich noch heute, daheim bei ihrem Weib und der Osten und der Westen, wären sich nie begegnet.
…und zeigt was man hat
Was das Vertrauen der Postgesellschaften gegenüber diesen „Kutschern“ anbetraf, die ihren Ruf längst weghatten, so ist der unwillkürlich komische Umstand anzuführen, dass die Herren Postillone, zwar im Schreibdienst tätig waren, zumeist aber gar nicht lesen konnten. Und so musste den Boten nur mitgeteilt werden, dass in den besagten Briefen etwas höchstgradig Wichtiges für etwa Präsident Fillmore steht und schon spurteten die Burschen los, die allesamt mit patriotischem Stolz geschlagen, nur an das Vaterland glaubten, das es zur damaligen Zeit, noch zu errichten galt. Die Fracht aber war damit, vor ihren vermeintlich neugierigen Augen sicher aufbewahrt bzw. auf natürliche Art verschlüsselt.
Darüber hinaus war das Versoldungssystem noch nicht so vertrackt wie es sich heute darlegt und man konnte daher ohnedies leicht von einem Säufer und Leichtfuß, der sich selbst in Abhängigkeit begab, erwarten, dass er ordnungsgemäß arbeiten würde, so man ihm eine Bottel Rum bei Überführung zusicherte. Und als sich schnell herausstellte, dass die Postkutschenstrecken allesamt Luftlinientreu und damit schnurstracks geradeaus verliefen, war auch die Angst der Passagiere genommen, auf Nimmerwiedersehen durch das Unvermögen eines betrunkenen Postillon im Westen zu verschwinden. Letztlich konnte sogar obendrein Vater Staat stolz verkünden, auch dem letzten Tunichtgut und Taugenichts eine Stelle vermittelt zu haben, und die Arbeitslosenquote damit konstant bei null gehalten zu haben. Das ist und war beglückwünschenswert und damit Jiiipiiieeee auf und weiter...
Das Society Event beginnt
Nachdem die Post aufgeladen und die Gesellschaft verladen war, konnte der Geschwindigkeitsrausch durch die Prärien beginnen. Es darf dabei jedoch nicht angenommen werden, dass in einer Zeit, die von Romantik verklärt war, der Begriff „Geschwindigkeitsrausch“, wortwörtlich zu verstehen ist. Denn wer auf Benzin verzichtete, und anstatt dessen, als heimliche Motoren, zwei bis vier Gäule vorspannen ließ, der durfte mit nicht mehr, als zwei bis vier PS Zugkraft rechnen. Das ist mal wieder, man kennt das bereits, sprichwörtlich und obendrein ziemlich wenig. Und damit ließe sich ergänzen, dass es sich bei diesem Transport, eher um eine gesellige Bummeltour handelte, als um eine wirtschaftlich ausgeklügelte Expressfahrt.
Das aber wiederum war gerade der Witz. Das ließ Raum für gesellschaftliche Anlässe und schickliche Zusammenkünfte, die so sonst nie in ihrer Konstellation stattgefunden hätten. Da trafen die Klatschtanten auf Ganoven, die Herren Hohepriester auf Kavalleristen, der Kopfgeldjäger auf sein Kopfgeld und die Unschuld vom Lande auf ihren zukünftigen Casanova. Um diesen Eindrücken näher zu kommen, sind hier nachfolgend, die in ihrer Authentizität unstrittigsten Zusammenkünfte wiedergegeben, die nettesten Impressionen eingefangen und die wahrhaftigsten Bilder gezeichnet, die der wilden Westen im begrenzten Raum einer Postkutsche zu bieten hatte.
Bube trifft auf Dame
An Bord: Ein Kutscher, drei Damen bester Abstammung und ein Antipod der Gesellschaft
Gesehen...
Ei, was gab das für einen Heidenspaß, wenn sich das abgebrühte Schlitzohr, unversehens in die Gesellschaft der Damenwelt drängte. Diese Riege des vornehmen Anstands, die sich zuvor noch bestmöglichst versucht hatte, in dem unbequemen Mobiliar der Droschke, wenigsten annehmlich zu positionieren, war schlagartig verstummt und von der fremden Welt, die ihr nun gegenüber saß, ganz angetan und angewidert zugleich. Sie wusste nicht, ob sie der Reiz lockte, sich mit diesem verkörperten Inbegriff des Schurkenelements in verruchte Gefilde zu stürzen, dabei selbst zur Aussätzigen zu werden, vielleicht sogar zu einer Gesetzlosen, die sich auf steter Flucht vor irgendeinem gewieften Sheriff befand oder aber, ob sie nicht besser meinen sollte, dass des Burschen natürliches Eau de Toilette, ein wenig zu herb wäre.
...und gesehen werden
Und ihnen, der prachtvollen Damenwelt gegenüber, das Schlagwort des Westens; der Cowboy, der Stallbursche, der Outlaw oder kurz gesagt, der Bruder des Kutschers, der sich selbst im Paradies wieder zu finden glaubt. Und, der nicht weiß, ob er schon wieder etwas furchtbar Illegales getan hat, nur indem er die Kutsche bestiegen hat. Das, weil er so viel Anmut und Reiz noch nie zuvor aus solcher Nähe gesehen hat und damit folglich, logisch schlussfolgert, dass irgendwas nicht Richtig sein kann. Dann, urplötzlich seine eigene Schwäche bemerkend, presst er ein brummiges „..böhh..“ durch seine Lippen, das sein inneres Flehen nach der Wollust schleunigst unterdrückt, nickt den Damen zu, und verstummt gleicher Maßen.
Und hoch droben auf der Karosse, thronte fortwährend der alte Haudegen von Kutscher, durch und durch, und lauschte dem sich über die Fahrt hinstreckendem Getuschel und Gegiggel der Damen auf der einen Seite und dem grimmigen Brummen des verwegenen Schurken auf der anderen Seite. Unterdessen kassierte er, noch ehe er in irgendeinem verschlafenen Städtchen einfuhr, sieben Sioux ein, die einen Irokesen hatten, schoss achtzehn Büffel, die er natürlich liegen ließ, was sollte er auch damit, überquerte eine Todesschlucht und niedergekommene Brücke nach der anderen, hatte seine helle Freude daran, jeden Stein mitzunehmen, die die Reifen seines Gefährts finden konnten, und reparierte während der Fahrt zwei bis drei Räder und eine Achse, ohne dass es auch nur einer der Insassen mitbekommen hätte. Wahrlich, wahrlich meisterlich…
Vier Könige unter sich
An Bord: Ein Kutscher, zwei Cowboys, ein Unbekannter und ein zwilichtiger Typ
Man trumpft auf...
Mein lieber Sheriff Combstone, was für eine Ausgeburt der Hölle vereinte sich bei dieser Gruppierung innerhalb der Postkutsche. Vier ausgewachsene Westler, einer länger nicht geduscht als der andere, alle stärker bewaffnet als ihr jeweiliges Gegenüber und alle Virtuosen des Kartenspiels. Fahrten wie diese, die in der Begleitung treffsicherer Pistolleros durch den Westen der USA führten, waren legendär. Man versuchte sich gegenseitig mit linken Tricks während des geselligen Kartenspiels über die Fahrt hindurch abzuzocken und darin zu überbieten, wer dem ansehnlichen Statut eines Kutschers am nächsten käme. Da wurden unversehens die Waffen gezückt, falls jemand „Gesprächsbedarf“ hatte und die derbsten Geschichten erzählt, über irgendeinen legendären Kutscher, der so abgekommen war, dass er wohl der erste unter der Riege aller Kutscher hätte gewesen sein müssen. Man grölte und schubste und soff, zerriss die Fracht der Briefe und fürchtete sich hernach, vor des Kutschers Rache.
Und während die Fahrt so vor sich herdümpelte standen draußen die Indianer und Banditen und wussten nicht, wie ihnen geschieht. Ihr, ihnen höchst eigen reserviertes Hoheitsgebiet, ihre persönliche Domäne, das Erschrecken von Greenhorns und das Skalpieren schöner Häupter, war urplötzlich nicht mehr möglich, da sie auf Gegenwehr stießen. Auf Gegenwehr nicht nur eines Kutschers, sondern gleich einer ganzen kleinen Armee mit vortrefflichen Schützen. Das machte natürlich so wenig Spaß, dass die Indianer anfingen Schmuck herzustellen und Original General Custer Decken zu knüpfen und die Banditen, die noch zuvor ein paar Kutschen hochgenommen hatten, dazu übergingen, das Gold nicht mehr in diesen Kutschen zu suchen sondern in weiten, fernen und sicheren Flüssen.
...und braucht Glück
Und hoch droben auf der Karosse, thronte fortwährend der alte Haudegen von Kutscher, durch und durch, und dachte an seine Jugend zurück, da er schon damals das verwegene Gesicht des wilden Bandentums auf seinen Schultern trug. Und während man unten glaubte, vier Könige würden mit einer Hand voll Briefe durch den Westen kutschiert, wusste oben der gute Postillon die Sache besser einzuordnen. Ihm war als einzigem gewahr, dass die explosive Stimmung, die soziale Inkompetenz der Mitfahrer, das zum Bersten voll Gefahren steckende Indianerreservoir und seine Frisur nur deshalb ihr Ziel erreichten, weil das sprichwörtliche Glück der Dummen, ihn mal wieder nicht im Stich gelassen hatte. In die Sporen, hüaaaaa…
Irgendwer verdirbt die Party
Unter die beiden zuvor aufgezeichneten Allegorien, die am deutlichsten die Stimmung und das Leben rund um eine Postkutsche charakterisierten und a la bonne heure wiedergaben, mischt sich ein Sonderfall in das Wesen „Postkutsche“ ein, der das gelbe Gefährt erst wahrlich berühmt machte. Dieser Fall verschimpft alle da gewesene Idylle rund um die vier Räder als Lüge und denunziert alle schicklichen Gegebenheiten aufs Niederträchtigste. Potztausend...
Und so kam es dazu…
War die Postkutsche mit samt ihrer Fracht von den schützenden Valleys in die Tiefebenen des Westens eingebogen, galt sie unter Banditen und Räubern als vogelfrei. Diese Herren übelster Sorte betrachteten zwar grundsätzlich alles als vogelfrei, es will dem redlichen Bürger nur nahe gelegt werden, wie gemein und böse es damals her ging. Zeichnete es sich ab, dass die Passagiere reich beladen waren, war die Kutsche als Überfallobjekt heiß begehrt. Eine richtig heiße Fracht allerdings stellte sie erst dann dar, wenn einerseits die Sonne im Zenit schien und zum anderen, wenn sie wie üblich die im Umlauf befindlichen Steckbriefe von Valley zu Valley transportierte. Diese Überführung sicherte jedem Kopfgeldjäger gleiche Chancen zu und wirkte schon damals der Monopolbildung entgegen. Kartellämter gab es dennoch nicht.
Dieser Transport nun also, der zumeist schwachen Bildchen, musste auf Gedeih und Verderb verhindert werden, so man Bandit war und nicht wollte, dass der eigene Kopf alsbald den ganzen Westen zierte und auf Kakteen, Sträuchern und Lattenzäunen ein modisches Accessoire darstellte. Dabei sei gesagt, dass all diejenigen, die sich noch einen Namen als verwegene Schurken machen mussten und Berühmtheit einstreichen wollten, selbstredend die Postkutschen in Ruhe ließen und somit der kostengünstigen Publicitypresse frei Bahn gewährten, wenn sie sie nicht gleich sogar unter Geleitschutz durch die Grenzgebiete sicherten. Trat der Fall ein, dass eine Postkutsche aus persönlichem oder diebischem Interesse gestoppt werden musste, galt die in der Luft hängende Gefahr als sprichwörtlich gefährlich.
War der Kutscher darüber hinaus gezwungen sein Gefährt zum Stehen zu bringen, hatten all seine zuvor unternommenen Versuche versagt, die Räuberbrut zu eliminieren. Und selbst die aus tiefster Verzweiflung ins Geschehen geworfenen üppigsten Dekolletés einiger Damen, vermochten nicht eine Ablenkung der erstrebten Ziele herbeizuführen. Es verblieb die letzte Hoffnung der Passagiere, dass eine Gang von Ponyexpress Reitern, die zu den Postkutschern in starker Konkurrenz standen, sich einen Scherz erlaubte und demgemäß unlustig war. Lachte der Kutscher als Zeichen, dass er es leid war sich mit dummem Humor auseinandersetzen zu müssen nicht laut auf, stand ihnen eine waschechte Banditencrew vor. Achtung war geboten.
…dass der Schurkenalarm…
Die Postkutsche wurde mit dem Angst einflössenden Verbrechensruf: „Halt Postkutschenüberfall!“ zum Stehen gebracht. Damit war gleichzeitig klar, dass die KutschenVerbandsBetriebe nicht zur bloßen Kontrolle der Tagestickets vorbeigekommen waren, sondern ein Filmreifer Überfall stattfand. Sehr hilfreich. Und während nun ein jeder überlegte, wie er sich best möglichst gönnerhaft in den Dienst der Banditen stellen könne um ungeschoren davonzukommen, waren die vermummten Herren zumeist schon in das Interieur eingedrungen. Dabei hatten sie in ihrer Gott gegebenen Kreativität noch einen herzerwärmenden Spruch wie etwa: „…Warum geht ihr Arbeiten, wenn wir’s klauen?...“ in die Gruppe der Fahrgäste gedrückt und waren nun hernach eilends damit beschäftigt, sich darüber zu amüsieren, wer von ihnen denn das höchste Kopfgeld auf den Schultern trug oder ob man nicht profitabler aus der Sache hervorgehen könnte, wenn man sich auch tatsächlich des Wertvollsten unter ihnen, entledigen würde.
…um sich schlug
Von diesen Überfällen geplagt, schipperten die Postkutschen ein ums andere Mal durch die Lande und ihre Insassen waren froh, wenn sie wenigsten einen "rühmlichen" Raub miterleben durften, bei dem die Goldstücke, Diamanten und Steckbriefe noch höfflich aber natürlich noch unter gezückter Pistole, erbeten wurden. Gelangte ein Reisender an sein Ziel, so war das meistens selten und darüber hinaus war er dann einer derjenigen, die ihr Leben lang nicht an Gesprächsmangel litten. Weil ein und dieselbe Postkutsche während ihrer Fahrt zumeist an bis zu sieben Malen geplündert wurde, galt es als sachdienlicher, Fahrten, die eine längere Zeit in Anspruch nehmen würden, per Zug zurückzulegen. Doch das ist eine komplett andere Geschichte mit gleichem Inhalt. Es ging sogar soweit, dass die letzten Überfälle so ermüdend auf die Fahrgäste einwirkten, die mittlerweile schon gar nichts mehr zum Berauben hatten, dass man den Räubern anbot, sie ein Stück zu begleiten, um den neuesten Tratsch von Billy the Kid oder anderen Schurken in Erfahrung zu bringen. Ganz besonders pervertiert stellten sich die Bilder der überfallenen Gangsterbanden ein, die gerade zuvor eine Postkutsche beraubt hatten, und nun selbst zu Opfern wurden, weil es ein Überangebot an Verbrechern gab. Piff Paff, das riecht doch nach Aas,…
Postkutsche vs. Ponyexpress
Konkurrenz beflügelt oder in diesem Fall galoppiert seit Jahrhunderten das Geschäft. So auch im Fall der in Rivalität liegenden Interessenverbände, die derer der Postkutscher und die der Ponyexpress-Reiter. Beide Gesellschaften waren für die schnellst mögliche Durchquerung des Westens zuständig und hatten beständig mit argen Widrigkeiten zu kämpfen. Deshalb ist hier nachfolgend der kurze Versuch unternommen, die jeweiligen Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen, um in das Wissen zu gelangen, wer war der Boss der Prärien.
Ein Pferd allein...
Alles begann mit der Instandsetzung und Wartung des Gefährts und der Gepferdten. Da gab es auf der einen Seite die Bastion der Kutscher, die ihren Wagen durch den Dreck schleuderten, als würde gerade dieser Unrat das Schmieröl auf den Achsen ersetzen und auf der anderen Seite, die altruistisch veranlagten Ponyexpressler, die in sorgsamer Acht darauf Wert legten, ihren galoppierenden Untersätzen, jedes Hindernis zu ersparen. Nur um dem Laien das einmal sinnbildlich vor Augen zu führen: Das ist gerade so, als fahre man Autoscooter ohne jemanden anzustoßen! Da gefiel doch eher das verfemte Auftreten der Kutscher, die folglich in dieser Hinsicht ihren ersten Punkt einstrichen.
Weiter über die Auslastung der Pferde. Während der Expressreiter angehalten war, anhalten zu müssen, um seinem einzigen Pferdchen etwas Ruhe nach seinem Ritt zu vergönnen, konnte die elitäre Gruppierung der Postpferde unter ihren Reihen, stets einen ihrer Artgenossen schlafen lassen während die anderen drei orientierungssicher weiter dem Ziel zu eilten. Dieses ausgeklügelte System hat seine Wurzeln in der Agrarwirtschaft, dem Brachliegen unter der Dreifelderwirtschaft, gefunden. Wie klein doch die Welt ist….
Das führt zum Hufeisenwechseln. Ganz klar ist hier der Kutscher im Vorteil, der einfach dasjenige seiner Pferd auf den Schoß zunehmen vermochte, dem die Hufen qualmten und konnte alsgleich noch während der Fahrt mit seiner Prozedur zum Austausch beginnen, während der Reiter hingegen ein weiteres Mal zu rasten hatte und irgendeine Schmiede aufsuchen musste, da ihm das verwahrloste Handwerk vollkommen befremdlich nach Fußfetischismus schien.
Des Weiteren konnte Nahrung im großen und zumeist leeren Stauraum der Postkutschen gelagert werden, nicht aber im viel zu kleinen Cowboyhut der Expressler. Auch dieser Entscheid ist eindeutig. Ein weiterer Punkt geht in Hinsicht des Umsatzes an die Kutscher, die neben dem Nahrungsvorrat natürlich genug Platz boten, etliche Briefe und Passagiere mitzunehmen. Auf dem Rücken eines Expressponys wäre das alles ein herrliches Gedränge geworden. Und auch die Geschwindigkeit nimmt sich für die Postkutschen ein, denn wenn vier Pferde nicht schneller sind als ein einziges, was will dann die Mathematik in dieser Welt vermitteln?
...macht noch keinen wilden Westen
Und letztlich die Kutscher und Reiter selbst, die es zu vergleichen gilt. Und da verbleibt an dieser entscheidenden Stelle nur noch zu fragen: "Würde man einem Fremden seine Briefe anvertrauen?!" Dann doch lieber dem Schutzbefohlenen der Niederschriften, dem bekannten Wahrer der Briefe, dem Postillon, dem lieb gewonnenen Rabauken bzw. dem Kutscher des fernen Horizonts.
Und so verbleibt schlussendlich das Resümee zu vollziehen. Durchwegs haben sich die Kutscher als harte Burschen erwiesen, denen die Gesellschaft blind ihre Loyalität entgegenbringen konnte und die klaren Argumente sprachen sich so voller Leidenschaft für das Unternehmen Postkutsche aus, dass kein Zweifel mehr daran gefasst werden darf, wer im Vorteil lag und wem die Herzen der Sympathie zuschwebten. Die Postkutsche vermochte selbst durch der Nächte Dunkelheit in diesem Bild zu strahlen und dankte es für das entgegen gebrachte Vertrauen dadurch, dass sie sinnbildlich jegliches Klischee, das der Westen hervorbrachte, in sich vereinte und unmittelbar in ihrem Umfeld wiedergab. Deshalb gilt noch heute und galt seit jeher, dass zwar ein Pferd noch keine Prärie macht, die Postkutsche aber den Wilden Westen schuf. Ei der daus, Zügel an den Mann und hinfort...
Ein Brief kommt an
Da nun fast alle Elemente aufgegriffen worden sind, die einem das Verständnis nahe brachten „was ist eine Postkutsche und was wollte man damit“ will abschließend noch das schwächste Element in der Kette starker Glieder, rund um das rollende Gelb, Erwähnung finden. Es ist der Brief vom Liselottchen, der seinen weiten Weg durch den Westen suchte und nicht wissend wie ihm geschah, mehr erlebte als er auf seinen dünnen Zeilen zu vermitteln wusste.
Kurz nachdem man ihn mit Tinte beschmutzt, seinen Charakter geknickt und gefaltet und sein ganzes Wesen in einen schwarzen Sack gepfercht hatte, hob man ihn an, um den Sinn einer Postkutsche zu erfüllen. Die Fahrt hindurch harrte er droben hinter dem Kutscher, dessen Schweiß auf ihn niederprasselte, wurde so es regnete kletschnaß, verstaubte hernach in den urplötzlich auftauchenden Sandstürmen, wurde durchlöchert von irgendeines Indianers Pfeil, der dem Kutscher gegolten hätte, lauschte andächtig den Liturgien älterer Herren Pfarrer, die unter den Reisenden waren und machte, wie alle anderen Reisenden auch, den gleichen beschwerlichen Umweg über Mexiko mit weil irgendeine garstige Büffelherde den engen Pass blockierte.
Und das alles nur um am Ende seiner Reise, seiner eigenen Aufgabe gerecht zu werden und Mitteilung zu erstatten, dass das Liselottchen, ihrer Tante einen schönen Tag unter Gottes gnädiger Sonne wünschen wolle und um alsgleich hernach, sofort zerrissen in den Ofen gesteckt zu werden und auf Nimmerwiedersehen als Rauch hinaus in das offene Land des ihm längst bekannten wilden Westens zuziehen. Er war die Arbeit wert und damit war er einer von uns, SALUT...FEUER...FEUER...
Brief und Siegel drauf
- Wer Postkutschen überfiel konnte zumeist nicht lesen. Irgendwie lächerlich
- Ein edles Cowboypferd trank niemals aus dem Wasserbottich eines primitiven Postkutschenpferdes. Nicht vorstellbar…
- Bekannter Witz: Was ist ein Ponyexpressreiter mit einem Klotz am Bein? Eine Postkutsche!
- Postkutschen waren gelb, um deutlich zu machen, dass sie zu den gelben Briefkästen gehörten und um sich vom weißen Teil des Ei's zu distanzieren
- Postillonen waren vernarrt in ihre „Karossen“. So sehr, dass der „Postkutschen Verein Tiefachse“ aus dem Süden der USA mit dem „Ups Postkutschen Club breite Reifen“ aus dem Norden, eine Jahrzehnte lange Fehde unterhielt. Der Osten und der Westen haben dabei übrigens nur zugeschaut
- Postkutschen konnte man auch unter starkem Alkoholeinfluss legal fahren. Es waren dieses noch mannhafte Zeiten
- Wie baut man sich eine Postkutsche Typ Fabia RS? Gar nicht! Das ist old-style. Man holt sich besser nen gelben Lamborghini und legt 'nen Brief dazu