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Novemberrevolution

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Selbst modernste Waffentechnik konnte die Revolution nicht mehr aufhalten

Die Novemberrevolution von 1918/19 war eine Schmierenkomödie, die hochrangige Politiker und Militärs am Ende des Ersten Weltkriegs mehr schlecht als recht inszenierten und in der zahlreiche Laiendarsteller aus der deutschen Bevölkerung involviert waren. Die einzelnen Akte wurden weitestgehend improvisiert, sodass überraschende und radikale Wendungen am Ende des Kriegs den Eindruck vermittelten, große bedeutende Umwälzungen wären im Gange und den oftmals grotesken Splatterszenen einen tieferen Sinn beimaßen. Tatsächlich strahlten die Ereignisse der Revolution eine gesellschaftsverändernde Wirkung aus, die absolut keinen Nutzen hatte und später revidiert wurde- außer ein abgeschaffter Monarch, der blieb abgeschafft. Kritiker bemängeln bis heute das unbefriedigende Ende der Revolution und kritisieren wiederum die harsche Kritik der Zeitgenossen an ihren Zeitgenossen, die nur dazu führte, dass sich die Regisseure der Revolution im Nachhinein weitestgehend gesellschaftlich handlungsunfähig sahen und traurig waren.

Zeitlich fiel die Novemberrevolution, die wie jede gute Novemberrevolution im Oktober begann, in eine Traumtanzphase der deutschen Geschichte, die zwischen der zerschmetternden Niederlage im katastrophalen Weltkrieg dem Zusammengeschreibe einer neuen Wunschverfassung und der internationalen Politsatire "Der Versailler Vertrag" spielte. War also insgesamt ein recht langer November. In dieser Phase war hinsichtlich der Gestaltung einer Nachkriegsordnung so gut wie alles möglich. Insgeheim hoffte das Deutsche Reich jedoch vor allem bei den anderen Staaten mit einem "Schwamm drüber" davonzukommen.

Die Vorgeschichte

Januaraufstand und Märzquengelei

Als sich im Januar 1918 die Spannungskurve des Weltkriegs Richtung Null bewegte, hatten einige Arbeiter in Berlin und im Ruhrgebiet, nicht viele, ein annäherndes Milliönchen etwa, die Schnauze vom Kartätschenbasteln und Patronenzusammenschrauben gestrichen voll. Auf dem Schwarzmarkt war die Butter alle, die Bockwurst konnte man nur noch mit Senfgas essen und viele Jugendliche waren arbeitslos. Das deutsche Reich drohte sich in ein modernes Griechenland zu verwandeln. Einige waren auch über das Kriegsernährungsamt, ein überflüssiges Scherzministerium zur Aufheiterung der Bevölkerung, wütend.

Viele Frontsoldaten, die im Stellungskrieg an der Westfront gefallen waren schrieben nicht mehr heim und die Briefe, die zurückgingen wurden zensiert und alle Begriffe gestrichen, bis auf "Bombe", "Sieg" und "Franzosenschwein".

In dieser unbefriedigenden Situation gingen nun viele Menschen auf die Straße, u.a. weil sie zu Hause kein Licht hatten und streikten wild herum. Das sahen insbesondere die Gewerkschaften nicht so gerne und halfen fleißig, die Streikenden niederzuprügeln und zu demütigen. Klingt komisch, war aber so.

Zunehmend bedenklich fand die Regierung, dass die Forderungen der Arbeiter immer linker wurden. So hatten diese Schweine doch allen Ernstes um einen Acht-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich (!) und die Gründung von Betriebsräten gebeten. Bevor noch jemand mit der Frauenquote um die Ecke kam, schoss man lieber zwei, drei mal in die Menge, dann hatte sich der Spaß.

Als dann die Regierung im März den äußerst humanen Frieden von Brust-Litowsk mit Sowjetrussland geschlossen hatte, erhoffte sie sich ein paar mehr Unterstützer, aber die linken Quengler stänkerten weiter. Erst nach und nach konnte die offizielle Propaganda das Volk von einem neuen sinnlosen Angriff überzeugen, der nun auch im Westen die große Entscheidung herbeiführen musste, er sollte Operation Michaels heißen. Wer dieser Michael war und was ihm fehlte ist unbekannt.

Oktoberreform

Die Reste der gesamten deutschen Armee auf dem Rückzug.

Im Oktober war der Krieg schon so gut wie vorbei, nachdem die SPD es endlich mal für nötig gehalten hatte, ein, zwei Reformvorschläge vom Stapel zu lassen. Tatsächlich war nämlich den Burgfräuleinsparteien aufgefallen, dass das Parlament gar keine Macht über den bekloppten Kriegshetzer da an der Reichsspitze besaß. Potz Blitz! Das musste natürlich sofort geändert werden. Eilig arbeiteten alle Parteien einen Reformplan aus, der das Parlament stärkte. Sogar eine neue Regierung war vorgesehen, an der die Mehrheit beteiligt werden sollte, die Mehrheit der Bekloppten, die dachten, damit etwas zu sagen zu haben.

Die umsichtigen Reformer wussten um die Dringlichkeit ihrer Reform, denn sie sollte die Mengen an linken Quenglern ruhig stellen, die nun schon wieder Frieden und anderen Firlefanz verlangten. Reichstagsparteien und Regierung arbeiteten die Reform also bereits am 03. Oktober aus und setzten sie schon am 29. Oktober in Kraft, obwohl auch einige gerne noch länger gewartet hätten, z.B. bis Weihnachten... 1957. Neuer Reichskanzlist wurde irgendein Max aus Baden, neue Fachminister kamen von SPD und Fortschrittsspinnern. In der Summe war also die Oktoberrevolution am Ende des Krieges ein Erfolg zur Befriedung der unzufriedenen Massen, wenn sie irgendjemanden interessiert hätte.

Die Ereignisse bis Januar 1919

Vorspiel in Spa

Am 28. September kamen die beiden Generalquartiersharlekine Paule Hindenburg und Eddie Ludendorff nach einer Wellnessmassage im kaiserlichen Hauptquartier in Spa zusammen, um sich mal eben die neuesten Sterbeziffern anzusehen. Seit Michaels Operation im Sommer 1918 leider mit einigen Komplikationen verlaufen oder besser schief gegangen war, lief es im Westen eigentlich eher mäßig, man könnte auch sagen, es lief so schlecht, dass Erich Maria Remarque schon drohte, sein nächstes Buch darüber zu schreiben. Die Gräben zwischen den Deutschen und den Alliierten im Westen hatten sich komischerweise vertieft. Der totale U-Boot Krieg war international weniger gut angekommen, als man das nach einer Runde Opiumrauchen im kaiserlichen Hauptquartier geglaubt hatte.

"Unser Demel sitzt in Spa". Dieses Gemälde hat Wilhelm II. noch am Tag seiner Flucht Abreise anfertigen lassen.
In dieser Situation fiel es Ludendorff wie Schrapnells von den Augen, dass es möglicherweise sein konnte, dass der Krieg nun doch nicht mehr zu gewinnen war. Auch Meister Paule war mit Blick auf die nicht mehr vorhandenen Waffenmagazine der Meinung, dass man vielleicht doch langsam mal darüber nachdenken könnte, den Krieg zu beenden. In der Folgezeit zog das Komikerduo mit dieser Idee also durch die Lande und tauchte mit mahnendem Zeigefinger überall da auf, wo man erwog, eventuell doch noch weiter Krieg zu führen. Der neue Evergreen hieß "Nein, das geht nicht mehr", der ihren größten Hit "Nein, geht noch" sogar noch übertreffen sollte.

Die Friedensverheißung im Oktober

Während sich die einen Hoffnungsträger im Oktober noch immer mit einer Reform des Reiches befassten und die anderen mit ihrem Waffenstillstands-Shmash Hit auf große Tournee gingen, schrieben Dritte dem Amerikaner Woodrow Wilson, offenbar einem mächtigen Mann, nett gemeinte Briefe.Darin fragten sie ihn, ob er nicht Lust auf einen Frieden hätte. Die Bestimmung durfte er auch selbst diktieren. Woody hatte Lust, denn er hatte schon während des Krieges eine To Do-Liste mit 14 enorm unwichtigen Punkten aufgeschrieben, die er total wichtig fand, die bisher aber außer ihm keiner lesen wollte. Jetzt jedoch konnte er es allen zeigen! Woody forderte neben der Akzeptanz seiner 14 Punkte ein großes Sandwich und erklärte außerdem, dass er nicht mit Autokraten verhandle. Was auch immer das heißen sollte, die Stimmung im Deutschen Volk war jedenfalls so aufgeheizt, dass man es als Willen zur Abdankung des Staatsoberhauptes, dem legendären Krüppel der Hohenzollern begriff.

Der war zufällig Ende Oktober nach Spa abgereist, natürlich nicht, weil die unzufriedenen Massen in Berlin mit einem Aufstand drohten, sondern weil er in Spa noch wichtige Erledigungen zu tätigen hatte. Solange die Antwortnoten zwischen Reichsamt und Wilson hin und her gingen und weder der Max aus Baden noch das Volk ihren steifen Willi zum Abgang zwingen konnten, ging das Sterben jedenfalls erst mal weiter. Soldaten an der Westfront begrüßten jetzt jedoch ihren Einsatz, würden sie ja den ganzen Oktober und vermutlich noch den November über nicht mehr sinnlos für den Krieg, sondern bereits sinnlos für den Frieden sterben, der ja ohnehin nun kam. Trotzdem war es im Oktober immer schwieriger geworden, noch Freiwillige zu finden, die bis zum Abschluss des Waffenstillstands für das Deutsche Reich sterben wollten. Einige Soldaten verließen einfach ihre Posten und ließen Pappaufsteller von sich zurück, sodass zum tatsächlichen Abschluss des Krieges im November über 20000 Pappaufsteller in alliierte Gefangenschaft gehen mussten.

Matrosenaufstand

In Wilhelmshaven wurden täglich tausende Menschen geschmuggelt.

An die ungezwungenen Kontakte zwischen Deutschem Reich und Woody Wilson, die ja auf Grund der Opferzahlen von durchschnittlich 30000 neuen Toten pro Tag ehrlich nicht eilten knüpfte sich eine Reihe von Spaßbefehlen, die die deutsche Seekriegsleitung in den letzten Oktobertagen an ihre Matrosen erteilt hatte. So wähnte die Marine sich ihrer Narrenfreiheit sicher, wenn sie eben mal einen Angriff gegen England befahl, der am 24. Oktober ohne festes Ziel in der Nordsee stattfinden sollte. Mal schauen, was passierte, genug Matrosen waren ja noch da. Doch schon vorher hatte sich Missmut unter den Seeleuten geregt. Seit 1918 ein Wirtschaftsembargo aus Übersee verhängt wurde, musste die Seekriegsleitung ihre Matrosen auf dem Schwarzmarkt für die Truppenversorgung verkaufen.


Ganz so überraschend schien es dann also gar nicht mehr zu sein, dass die Wasserköpfe des Schlachtschiffs Mark Graf in der Schilligreede in Wilhelmshaven nicht wirklich Lust zum Auslaufen hatten. Nachdem die Marineleitung den Meuterern mit Bombarde gedroht und rund tausend dieser Vögel verhaftet hatte, ließ sie den Rest der meuternden Flotte, beleidigt über die Verweigerungshaltung, nach Kiel zurückschiffen. Eine spitzen Idee! Nachdem also am ersten November der meuternde Haufen dort von Bord gegangen war und sich der missmutigen Protestarbeiterschaft in den Ortsverbänden in die Arme geworfen hatte, schaffte es der Mob innerhalb von drei Tagen, die ganze schmutzige Matrosenschaft auf die Straße zu ergießen und unter dem Motto "Frieden und Zwieback Yohohoho" einen riesen Aufstand um ihre gefangenen Mitmatrosen anzuzetteln.

Am 4. November setzten sich die zunächst blinden Massenproteste in zunächst blinden Aktionismus um, der dann in weitere blinde Aktionen mündete. Überall in Kiel bildeten sich Arbeitergremien, die sich gegenseitig die Zeitung vorlasen, in denen Berichte über die jüngsten Taten der Arbeitergremien in Kiel standen. Seit vier Uhr morgends liefen irgendwelche Vollpfosten mit einer roten Fahne die Hafenkante auf und ab. Weiß war gerade aus, weil die meisten Matrosen auf Landgang ihren feinen Sonntagszwirn am Leibe trugen. Den stinkbesoffenen Hafenarbeitern war es aber egal, Hauptsache Fahne. Überall war reges Treiben auf den Straßen, hier hat man Nahrungsmittel getauscht, da hat man einen Polizisten erschossen, in Kiel war Leben in der Bude wie lange vor und lange danach nicht mehr.

In Kiel gings rund zum Matrosenaufstand

Für die Soldaten wurde das Ereignis vom 4. November zum echten Erlebnis. In kurzer Zeit griffen die Proteste auf immer größere Massen über, schon nach wenigen Tagen spielte man in vielen Städten Arbeiter- und Soldatenraten, um die ganzen Kriegsheimkehrer zu identifizieren, die sicherheitshalber schon etwas früher heimgefahren waren, um beim Waffenstillstand nichts zu verpassen und jetzt begeistert in den demonstrierenden Mengen mitliefen, auch wenn sie nicht wirklich wussten, um was es eigentlich ging. Hamburg, Hannover, Braunschweig, ja selbst interessante Städte beteiligten sich. Es war ein riesiges Spektakel. Manche Soldaten fuhren in drei verschiedene Städte und demonstrierten dort mit, nur um später sagen zu können, sie seien dabei gewesen.

Doch die Regierung in Berlin hatte noch einen Trumpf auf der Hand. Max aus Baden, den diese Protestwelle überrascht hatte, schickte sein bestes Pferd im Stall- SPD-Mann Gustav Noske. Er sollte am siebten November nach Kiel reisen, um dem schrecklichen, chaotischen Treiben Einhalt zu gebieten und tatsächlich! Noske wurde am siebten November zum Vorsitzenden der Arbeiter- und Soldatenräte gewählt! Gut, das war nicht unbedingt der Auftrag gewesen, doch als später im November ein Platz in der Übergangsregierung frei wurde konnte Noske als Beauftragter für Heer und Marine sein Geschick beim Unterdrücken und Töten von rumpöbelnden Arbeitern unter Beweis stellen. Wie viele politische Eliten dieser Tage war Noske ohnehin generalanwesend im Reich, kaum ein Politiker kam häufiger an zwei Orten gleichzeitig zum Einsatz. Zeitweilig munkelte man, dass bis zu fünf Noskes die Geschehnisse der ersten Revolutionstage mitbestimmten.

Die Massenaufstände waren jedenfalls nicht mehr zu stoppen. Meuternde, mauschelnde Matrosen stürmten Straßen und Versammlungshäuser. Was sich vorher Stammtisch oder Verband der kriegsversehrten Lüstlinge nannte wurde nun zum Soldatenrat der neue politische Forderungen stellte, wie die Abdankung des gerade amtierenden Kaisers oder die Gründung einer Räterepublik, weil man sah, wie gut das bisher in Russland funktioniert hatte. Selbst auf das Ausland griff die Begeisterung der Arbeiter und Soldaten über. In Bayern rief z.B. Kurt Eisner die Räterepublik aus.

Bild Arbeiter und Soldatenrat

Der 9. November und der Abschied

Friedrich Eber 1918

Freilich hatte Wilhelm II. im großen Hauptquartier in Spa mitbekommen, dass irgendetwas in Berlin nicht so lief wie es sollte, spätestens als ihn der Reichskanzlist aus Baden am 7. November dargelegt hatte, dass es vielleicht besser wäre, erst einmal unterzutauchen, weil das deutsche Volk befürchte, er könne weiteren Aufständen und Unordnungen im Wege stehen. Als Wilhelm jedoch erfuhr, dass in Wahrheit der Amerikaner Wilson die Friedensverhandlungen mit ihm verweigerte, zeigte er sich brüskiert. Er, ein international geschätzter Sympathieträger, der seinem Volk so viel Gutes getan hatte durfte nun nicht einmal über dessen Verderben verhandeln? Aus Trotz beschloss der verantwortungsvolle Monarch also noch ein paar Tage zu warten, bis die Amerikaner ihre laxen Friedensbedingungen verschärften und war fest davon überzeugt, die Sieger mit größerer Unnachgiebigkeit zum letztlichen Einlenken zu bewegen.

Leider war der geniale Stratege von einem höchstens bauernschlau zu nennenden Beraterkreis umgeben, der seine avantgardistische Denkweise nicht in allen Einzelheiten nachvollziehen konnte. Dieser legte dem Kaiser daher eher den Abschied nahe.

Am 9. November hielt es dann also auch Wilhelm an der Zeit, dem Drängen und dem Druck der öffentlichen Meinung in Berlin und seiner Berater nachzugeben. Von seinem Rutschenpark in Spa aus verfasste er ein Schreiben an Kanzlist von Baden, in dem er sich nun schon vorstellen konnte, dass er unter gewissen Bedingungen, wenn das Wetter gut bleibt und er sich gerade recht fühlt, ganz zwanglos und unverbindlich mal darüber nachdenken werde, ob er eventuell doch einmal nach Berlin reisen könnte, um vielleicht Gespräche darüber aufzunehmen, ob man eventuell darüber nachdendenken könnte, dass der Kaiser irgendwann, wenn er Lust dazu hat, zu bestimmten Konditionen, wie einem Ehrensold von 200.000 Reichsmark im Jahr vorerst auf den Kaisertitel verzichten könnte, aber nur wenn er natürlich König von Preußen bliebe.

Zurück in Berlin. Als Max gegen 14:00 Uhr am 9. November das Schreiben des Kaisers erhielt, war er beeindruckt von so viel Klartext und Entschlusskraft. Sofort versuchte er, die eigenmächtige Abdankung, die er zwei Stunden zuvor an die Presse gegeben hatte zurückzurufen, weil diese nicht nur den Abtritt des Kaisers sondern auch seinen Wunsch zur Selbstgeißelung und zur Bestimmung eines Sozialdemokraten als Nachfolger enthielt. Leider, leider war das Schreiben schon in Druck gegangen und überall verbreitet worden, sodass es nun inkonsequent gewesen wäre, etwas anderes zu verkünden. Das wäre außerdem auch ziemlich illegal gewesen, in etwa so, als hätte man vor zwei Stunden ein Abdankungsschreiben des Kaisers gefälscht und an alle Presseorgane weitergeleitet.

Aus Baden hatte also um 12:00 Uhr bereits herumtelefoniert, wer denn jetzt Lust hätte, sein Amt zu übernehmen. Ans Telefon war aber nur der Sozialdemokrat Friedrich Eber gegangen. Also übergab Max ordnungsgemäß sein Amt an Friedrich Eber, der sich sofort auf sein altes Klapprad schwang und zur Reichskanzlei düste. Obwohl auch dieser Schritt des Reichskanzlisten vollkommen illegal war, akzeptierte Eber kurzerhand das verantwortungsvolle Amt und begann schon mal in der Reichskanzlei neue Gardinen aufzuhängen.

Philipp Scheidemann ruft die Republik aus. Im Nachhinein betrachtet, hätte er diese Pose lieber sein lassen sollen.

Alles hätte so schön werden können, hätten nicht einige linke Störenfriede wieder dazwischen gefunkt. Seit dem achten November hatten sich kontinuierlich neue Protestgruppen der Arbeiterschaft gebildet, die in Berlin wild durcheinander rannten und irgendwelche Wortfetzen in die Straßen brüllten, wie "Frieden", "Abdankung" oder "Helga!?..." Als nun der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann, der übervorsichtige Spitzbart, gerade beim Mittagessen war, trug man ihm zu, dass diese revolutionären Arbeitermassen plötzlich auf die Idee gekommen seien, eine Republik auzurufen. Scheidemann, ein leidenschaftlicher "Erster"-Rufer, dem beim Essen immer die besten Ideen kamen beschloss daraufhin gegen 14:00 Uhr auch mal die Republik auszurufen. Dazu trat er auf den Balkon des Reichtags, unter dem seltsamerweise bereits sehr viele Menschen standen und warteten. Eber, der gerade neue Ohrensessel in seinem Büro aufgestellt hatte, begann nun schrecklich herumzutoben. Gerade hatte er sich mühsam häuslich eingerichtet, da rief dieser Depp die Republik aus. Nun musste also eine neue Regierung erfunden werden. Kurzerhand stellte Eber einen Rat auf, in dem keiner regieren wollte. Scheidemann wurde für den Mist, den er verbockt hatte verpflichtet. Mit dem üblichen SPD-Zynismus nannte Eber diesen Rat "Rat der Volksbeauftragten", in dem nun auch einige übervorsichtige Linke hinein sollten, die aber ohne ihren übervorsichtigen Anwalt Hugo Haase erst mal bis zum 10. November gar nichts sagten.

Während sich drinnen eine hochlegitime Regierung bildete, begann in den Berliner Straßen die Rätebewegung um sich zu greifen. Von einer Revolution der Räte war allerdings am neunten November nichts zu spüren, stattdessen machten einige linke Socken am Berliner Stadtschloss Rambazamba. Schnell bildete sich dort eine Menschenmenge von über 300.000 Leuten. Viele, die sich an diesem trüben Samstag extra frei genommen hatten, um am Nachmittag mit der Familie noch zur Revolution zu gehen, stießen über Mittag hinzu. Ganz oben in der Menschenmenge stand seit morgens 10:00 Uhr der ultralinke Karl Weberknecht und drohte seine Zuhörer mit einer vierstündigen Mammutrede zu zermürben. Neben ihm stand Pondy Cherry, die in den Redepausen etwas von wegen gleiche Rechte für Frauen dazwischen rief. Damit sie dafür bejubelt wurde, beendete sie jeden Satz mit "Ein Hoch auf Genosse Lenin!". Unter den jubelnden Anwesenden befand sich auch der spätere Staatsratsvorsitzende der DDR, Walli Ulbricht, der eigentlich nur auf dem Weg zum Kiosk gewesen war, um sich die neueste Ausgabe des "Vorwärts" zu besorgen.

Nachdem Weberknecht mit Bezug auf die Notwendigkeit einer Weltrevolution und die Fesseln des Kapitalismus zwei Stunden überzogen hatte, proklamierte er gegen 16:00 Uhr die freie sozialistische Republik Deutschland. Nun hatte man also zwei Republiken. Die Bürger konnten sich das Beste aussuchen. Der Großteil der in den Arbeiterräten organisierten Arbeiterschaft war aber nicht besonders entscheidungsfreudig und bereitete für den 10. November aus Wut einen neuen Generalstreik vor, den sie eigentlich schon am neunten veranstalten wollten, hätte der Monarch sich nicht an diesem Tag fast freiweillig entschieden, abgedankt zu werden. In Berlin bestand weiterhin die Gefahr, dass streikende Arbeiter die Straßen verstopften und unanständige Parolen riefen.

Der Rat der Selbstbeauftragten und die Sache mit den Räten

Pakt mit dem Teufel

Der Rat der Volksbeauftragten probiert Ebers neue Sessel aus, zweiter v.r. ist Ebers Bruder Sigmar.

Am zehnten November wurde der Rat der Volksbeautragten als provisorische Regierung gegründet und paritätisch mit je drei Vertretern der SPD und der USPD besetzt (Unter-SPD, linker als ihre Genossen, hauptsächliche Träger der Rätebewegung, ähnlich konzeptionslos). Paritätisch besetzt hieß, dass Friedrich Eber das Gremium mit seinem Vorsitz dominierte.

Der Rat verstand sich selbst als Verwirklicher des Sozialismus. Das war natürlich ein Witz. Eber hatte schon der USPD für ihre Beteiligung unmenschliche Zugeständnisse machen müssen, u.a. die Durchsetzung des allgemeinen, gleichen und freien Wahlrechts mit dem Haken des Frauenwahlrechts und die Verhängung von Grundrechten. Erstes Ziel des Rates war es, Wahlen zur Nationalversammlung auszuschreiben, die dann weitere Wahlen ausschreiben sollte für ein Parlament, das irgendwann in der Zukunft mal zusammentreten sollte. Dazu, die Programmpunkte anzunehmen, die im Volk und besonders in den Räten diskutiert wurden wollte sich Eber indes nicht herablassen. Eine Beteiligung der Räte und die Erfüllung ihrer Forderungen hätte ja tatsächlich bedeutet, dass die SPD auch das tut, was in ihrem Parteiprogramm stand. Dabei schienen die Forderungen der Räte erst mal ganz vernünftig zu klingen - Sozialisierung der dazu reifen Industrien, besonders des Bergbaus, die demokratische Wahl von Offizieren in der Armee und die Demokratisierung der staatlichen Verwaltung, schließlich die gesellschaftliche Durchsetzung des Rätegedankens auf allen Ebenen. In Betrieben sollte es Betriebsräte geben, beim Radmacher zukünftig Räderräte, für die Freizeit Rundfunkgeräte und für den Spielplatz Sandkastenräte.

Eber fand solche Forderungen schlicht überzogen. Er befürchtete, einer unkontrollierbaren politischen Entwicklung nachzugeben, wenn er sich auf die Reformbewegung der demokratischen Räte einließ statt den alten prügelnden Staatsbehörden zu vertrauen, die Zucht und Ordnung in die Bude brachten und diejenige neue Staatsform stabilisierten, die sie strikt ablehnten. Also telefonierte Eber mit seinem guten Freund Wilhelm Groener, der am 26. Oktober Ludendorff als Generalquartierclown beerbt hatte. Nach Groeners Meldung gab Ebert bekannt, dass er nur mal sagen wollte, dass in Berlin alles in Ordnung sei und dass er Groener bei der Rückführung der Truppen freie Hand lassen würde. Im Gegenzug dafür, dass er nun machen konnte, was er wollte, sollte Groener aber wenigstens dabei helfen, die revolutionierenden Räte in Berlin zu unterdrücken. Politisch links stehende Reformer und Radikale anzugreifen fiel dem militanten OHL-Chef zwar reichlich schwer, aber er willigte freudestrahlend widerstrebend ein.

Eber vs. Räte

Doch wer waren überhaupt diese "Räte", die sich zu einer bestimmenden Macht im Staat entwickelt hatten? Bereits in der zweiten Novemberwoche waren die ursprünglich aus Massenprotest hervorgegangen Clubs aus degenerierten Matrosen und Invaliden wieder verschwunden. Künftig wurde alles Rat genannt, was auf zwei Beinen stehen konnte und mehr als eine Person war. Es entwicklten sich ganz verschiedene Ausprägungen von Räten, die von unterschiedlichen politischen Strömungen beherrscht wurden. Die kleinste Gruppe waren radikale Kommunisten, allesamt Verwandte von Lenin, die eine "Diktatur des Proletariats" anstrebten, also eine Diktatur, in der das Proletariat unterjocht wird. Mehrheitlich wurden Räte von der USPD besetzt, die zwar die breiteren Forderungen nach Demokratisierung und Sozialisierung teilten, teilweise jedoch etwas größenwahnsinnig wurden. So forderten einige Räte neben der Demokratisierung des Staatsapparats auch eine Beschränkung des Wahlrechts auf die werktätige Bevölkerung, die dann von 06:00 Uhr bis 15:00 Uhr arbeiten konnte und danach kompetent und aufgeweckt die Geschicke des Landes bestimmte. Das fanden u.a. auch die drei USPD-Spitzen im Rat der Volksbeauftragten gut, aber wer hörte schon auf die?

Ein Soldatenrat Anfang November. Von gewöhnlichen Strichern kaum zu unterscheiden.

Räte konnten also alles sein. Umso überraschter waren die Genossen von der SPD, als sie herausfanden, dass viele Räte überhaupt erst auf Basis der kommunalen Mehrheitenverteilung gegründet und beschickt worden waren oder anders - der Großteil der Räte bestand aus USPD und SPD-Männern, einige waren sogar gelangweilte Bürgerliche. Viele von ihnen wollten eigentlich nur ihre paar Sozialisierungs- und Demokratisierungforderungen durchsetzen, Mittag machen und sich anschließend auflösen, um sich von der Republik und der parlamentarischen Staatsform für immer abzuwenden. Doch auch dieser Teil der Rätebewegung kam Eber nicht in die Tüte. Das hätte ja nur einer Pauschalablehnung all derjeniger im Weg gestanden, die nicht seiner forschen, reaktionären Linie folgten.

Weil selbst im Rat der Folkbeautragten drei Pflöcke saßen, die solche rätedemokratischen Quatschideen vertraten, konnte Eber aber leider nicht alle Räte sofort mit Hilfe der Reichswehr ausschalten. Das musste nach und nach in Zusammenarbeit mit denselben geschehen. Sein Parteikollege und späterer SPD-Führer Otto Wels, ein Freund von Fritz Hecht, rannte z.B. tagelang durch Berlin, um Soldatenräte zu fragen, ob sie nicht ihre politischen Forderungen aufgeben und anstattdessen lieber Zivilisten und Räte umbringen wollten, weil sie das doch besser konnten. Die SPD gründete eine Reihe von Scheinräten, die im Grunde überflüssig waren und nur dazu dienten, die Arbeiter- und Soldatenräte in ihrer politischen Schlagkraft unglaubwürdig zu machen. So gab es Räte der Ratdooffinder, Räte gegen Räte, Räte chronischer Lügner und Räteräte, die sich für mehr Bürokratisierung einsetzten.

Weiterhin beabsichtigte Eber die Räte durch konservative Gegenorganisationen zu schwächen. So förderte die SPD die Gründung von Bauernräten, die die Versorgungslage der Stadt sichern und damit der linken Ratsbewegung ein Stück weit ihre Radikalität nehmen sollten. Leider waren die Bauern nicht von der Räteidee zu überzeugen und gründeten Räte, um gegen eine Gründung von Räten zu protestieren. Aber auch dezentere und unauffälligere Wege kannte die SPD, um die Rätebewegung zu unterlaufen. In zahlreichen Arbeitervierteln schleuste der Rat der Volksbeauftragten SPD-Männer in die Räte ein, die unauffällige Tarnnamen wie Karlo Inkognito oder Klaus Pion trugen und bei allen Grundsatzentscheidungen für Ebert-freundliche Ergebnisse stimmten und jede Woche vorschlugen, in den Ortsvereinen SPD-Winkefahnen zu basteln oder die Frauen Pullover mit Ebermotiven stricken zu lassen.

Doch die Räte wussten sich gegen diese Infiltrierung zu helfen. Der große Berliner Arbeiter- und Soldatenrat, der sich für den besten von allen hielt, beanspruchte selbst die Regierung für alle Räte der Republik(en). Die linken Linken und die USPD machten das Ding unter sich aus und gründeten am 10. November einen Vollzugsrat in Konkurrenz zum Rat der Volksbeauftragten. Paradoxerweiser beschickte die SPD auch diesen Rat wieder mit SPD-Leuten, sodass also nun ein Rat aus USPD und SPD gegen einen Rat aus USPD und SPD mit linken Spinnern stand, die beide gegeneinander regieren wollten, obwohl die Parteimitglieder, die den jeweiligen Räten unterstanden identische politische Ziele verfolgten. So funktionierte also deutsche Revolution. Es muss wohl außerdem das erste und einzige mal in der Geschichte gewesen sein, dass sich Parteispitze und Basis der SPD über ihre politischen Ziele nicht einig waren...

Der Reichsrätekongress

Wer nun eigentlich was regierte wurde vom 16. - 20. Dezember ein wenig deutlicher auf dem Ersten Reichskongreß der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin. Dort beratschlagten die Räte über alle tendentiell wichtigen Fragen der letzten Wochen, besonders darüber, was sie alles in Zukunft nicht machen werden und bestimmten bereits am 18. Dezember den Rat der Volksbeauftragten gegen den Vollzugsrat zum King im Ring. Das lag aber bestimmt nicht daran, dass die SPD wieder zig Mitglieder dorthin entsandt hatte- nein, nein. Das waren alles ganz einfache Menschen mit einem gesunden politischen Urteilsvermögen, die ganz ungezwungen in Berlin zusammengekommen waren.

Einer der vielen Ausschüsse des Reichskongresses beratschlagt, was es zum Mittag geben soll. Man kann sich richtig vorstellen, wie diese dreckigen Proleten mit ihren feinen Anzügen am Hochofen schuften- wie frisch aus dem Stahlwerk...

Während einer Sitzung malten einige Hamburger Delegierte, die im Plenum "Schiffe versenken" gespielt hatten einige dicke Punkte auf die Rückseite ihrer Plädoyers. Diese einfache Arbeiterkunst stellten sie anschließend als Anklage an die Militärhörigkeit der SPD-Funktionäre den Räten vor und forderten eine massive Demokratisierung des Heeres mit Abschaffung aller Rangabzeichen und sexuellen Prärogativen bei der Truppe. Der Antrag wurde als Hamburger Punkte bekannt.

Die SPD applaudierte diesem Antrag - bevor sie ihn ablehnte, d.h. bevor Eber ihn ablehnte, also eigentlich nicht offiziell. Die Vereinbarung mit Groener, die so unter der Hand getroffen war, ließ ihn in dieser Beziehung herumeiern, bis von der OHL eine Entscheidung kam. Groener akzeptierte die Hamburger Punkte- aber nur für die Reserve in der Heimat. Das waren zu diesem Zeitpunkt ausgehungerte 14jährige, Invaliden mit maximal zwei verbliebenen Gliedmaßen und Veteranen, die es bestimmt gern sahen, dass man ihnen die Verdienstabzeichen abriss. Aber Groener hatte entschieden, also wurde gemacht, was Groener sagte und die aus dem Feld zurückmarschierende Armee blieb voll hierarchisiert.

Der Reichsrätekongress endete, wie er begonnen hatte. Sie SPD hatte das erreicht, wofür sie angereist war, nämlich gar nichts. Dafür hatte sie die USPD mit sinnlosen Verhandlungen über die Exekutive im Reich bloßgestellt, verärgert und schon halb zum Austritt aus dem Rat der Volksbeauftragten gedrängt und die Spinner linksaußen zu neuen Aufstandsdrohungen veranlasst, die sie schon bald einlösten.

Man hätte natürlich mit dem demokratisch gesinnten Teil der Arbeiter- und Soldatenräte zusammenarbeiten können, zumal sie sogar ihre Hilfe bei der Umgestaltung von Heer, Verwaltung und Staatswesen angeboten hatten und die Bedingungen einer allgemeinen und gleichen Parlamentswahl halbwegs akzeptierten, aber Eber wollte aus einem ganz banalen Grund nicht - er konnte dieses ganze Pack einfach nicht leiden.

Der Waffenstillstand von Compiègne

Matthias Erzberger in Denkerpose

Parallel dazu, dass sich in Berlin am zehnten November eine tatkräftige Regierung gebildet hatte, die alle wichtigen Grundsatzentscheidungen auf die gelobte Nationalversammlung verschob waren auch international wegweisende Entscheidungen getroffen worden.

Seitdem die USA am sechsten November grünes Licht für den Waffenstillstand gegeben hatten, tüftelten französische Voodoopriester und Hexenbeschwörer tagelang an einem Waffenstillstand, der für Deutschland so unerträglich wie möglich sein sollte. Tatsächlich fand man ihn darin, dem Deutschen Reich möglichst viele Bedingungen zu diktieren, die zwar objektiv gesehen sinnlos waren, (wie die Abtretung der deutschen Ostgebiete, die später selbst um Wiederaufnahme ins Reich baten), die aber den Deutschen zeigen sollten, was sie für böse Buben gewesen sind. Das Rheinland musste entmilitarisiert werden, die Franzosen wollten praktisch das gesamte deutsche Waffenarsenal, plus der dazugehörigen Offiziere, um alles...ganz ordnungsgemäß im Atlantik zu versenken. Dann war da noch die unangenehme Sache mit der Lebensmittelblockade von Westen her. Nahrungsmitteleinfuhr war unmöglich, alles was von Frankreich durchkam, waren Baguettes und Syphilis. Weiterhin mussten alle Deutschen Schulkinder 500 mal den Satz "Ich bringe keine belgischen Zivilisten um." in ihr Muttiheft schreiben und die Seite, mit ihrem Blut unterzeichnet, an den französischen Staatspräsidenten Clemenceau senden.

Die Bedingungen waren alle unannehmbar, vielleicht auch ein Grund, warum die Franzosen das Ultimatum zum Waffenstillstand gleich mitlieferten. Der Kommentar der OHL war: "Tja...". Groener brauchte eh noch einen Schuldigen und weil das natürlich niemand vom Generalstab sein konnte, der sich die letzten vier Jahre mehr als tadellos verhalten hatte deutete man auf einen dicken Typen aus irgend so einer deutschen Hinterwäldlerregion und rief "Der da, der ist schuld. Der soll jetzt die Verantwortung übernehmen!"

Der da, das war der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger, als Politiker sicherlich ein verkanntes Genie, im Reich mehr der Mann fürs Grobe. Erzberger war von dem Schlage, dass er es schaffte, mit jeder noch so kleinen Handlung den brutalsten Hass der politischen Rechten auf sich zu ziehen. Dabei war es egal was er eigentlich tat, ob es nun eine unbedingt notwendige und kluge Finanzreform zur Haushaltssanierung war, die notgedrungene Befürwortung des Versailler Vertrags oder ob er sich an der Nase kratzte, Erze wurde leidenschaftlich gern gehasst.

In einem Wald bei Compiègne, in einem Eisenbahnwaggon, in dem es nichts zu essen gab, war es dann am 11. November soweit und Erzberger besiegelte mit seinem Wilhelm den grandiosen Erfolg der letzten vier Jahre.

Die radikale Linke - Ihre schönsten Niederlagen

"Links" war in der Revolution von 1918 keine politische Einstellung. Es war vielmehr eine Ausdrucksform des persönlichen lebensweltlichen Ensembles im Umfeld kultureller, religöser, sozialer und politischer Faktoren. Anhänger von "links" waren meist auch Vertreter der Arbeiterbewegung, eines sozialen und moralischen Milieus. Manche waren aber auch einfach Spinner. Das galt besonders für die übermotivierten Parteifunktionäre, die immer einen Notizblock in der Brusttasche trugen, auf den sie die schönsten Sätze der letzten KomIntern-Sitzung zum Auswendiglernen geschrieben hatten. Links war mittlerweile politisch sehr weit gefächert und facettenreich und wer seinen Marx zu Hause in der Schublade hatte, musste nicht mehr zwangsweise mit allen Mitteln die Weltrevolution erkämpfen. Das politische Spektrum jenseits der Sozialdemokratie war kaum noch zu übersehen, nur Eber dümpelte als riesige fette Boje weit rechts außen.

Dennoch kann in der Bewegung der Revolutionstage eine Unterscheidung der linken Strömungen vorgenommen werden. Auf der einen Seite standen solche, die parteipolitisch an der Verwirklichung eines demokratisch-parlamentarischen Systems mitwirkten, diejenigen, die an demselben mitwirkten, weil sie über die Parlamentarisierung am liebsten einen Rätestaat etablieren wollten, diejenigen, die beides kombinieren wollten, diejenigen, die überhaupt nichts verstanden, aber trotzdem dabei waren und diejenigen, die nur dabei waren, weil sie mussten und im preußischen Abgeordnetenhaus das Klo nicht gefunden hatten.

Auf der anderen Seite stand ein verschwindend geringer Teil an Radikalen, die diesen ganzen Revolutionstürstoppern von den etablierten Parteien mal zeigen wollten, wie der Haase läuft und Revolution forderten, immer und überall. Alles konnte die Weltrevolution auslösen. Ein Schmetterling hatte gefurzt? Revolution! Der „Vorwärts“ wurde zehn Pfennige teuer? Revolution! Im Lokal ein verbranntes Schnitzel bekommen? Reklamation! Die Errungenschaften der Revolution sollten gesichert werden? Revolution! Dennoch gab es auch hier Unterschiede in den Gruppierungen und Vorgehensweisen.

  • Der Spartakusbund, wurde um den thrakischen Gladiator Spartacus gegründet, der die Ideen von Karl Marx toll fand und für die Revision des italienischen Risorgimento kämpfte. In Deutschland vertraten ihn Karl Weberknecht und Rosi Luxusburg, die bis dato noch der USPD angehört hatten und nun ihre eigene Gruppe aufmachten. Sie forderten, konsequenterweise bei der Rätebewegung zu bleiben, wo sie schon einmal da war, die Produktionsmittel zu verstaatlichen, obwohl sie nicht mehr da waren und überhaupt alles abzuschaffen, die Arbeiterparteien sowieso, zum Schluss auch das Proletariat und sich selbst. Die Gruppe entfaltete einen schier ungezügelten Aktionismus, ließ sich komplett rot tätowieren, heizte an öffentlichen Plätzen mit allem, was schlecht angenagelt war oder verteilte "Die Demokratische Republik stinkt"-Flyer. Für ihr Engagement wurden sie selbst unter Freunden und Gönnern belächelt.
  • Die Bremer Linksradikalen, waren aus der Gewerkschaft der Bremer Stadtmusikanten hervorgegangen und wollten unbedingt eine eigene Partei gründen. Sie waren als Internationale Sozialisten Deutschland (ISD) (Preisfrage: Was stimmt nicht mit diesem Titel?) Teil der SPD, der sie nur wegen der hübschen Stempel im Parteibuch beigetreten waren und gründeten schon am 23. November eine neue Partei, die IKD, die dagegen war. Gegen was sie war, konnte die Partei nicht herausfinden, weil sie sich schon am 1. Januar 1919 mit den Sparta-Kisten zur KPD vereinigte, um gemeinsam dagegen zu sein.
  • Die Revolutionären Obleute, waren, ob Leute oder nicht, hauptsächlich Metallarbeiter und Eisenbahner, die im Krieg überall da auftauchten, wo es etwas zu demonstrieren gab und dann wieder verschwanden. Die geheimnisvollen Anhänger der Gruppe sah man meist mit Trenchcoat und falschem Schnurrbart an öffentlichen Plätzen stehen und beobachten, wann eine kommunistisch aussehende Taube die Litfaßsäulen zuschiss, an denen SPD-Plakate hingen. Dann schlugen sie los.
  • Die KPD, wurde am 30. November nach guter Vorbereitung in Berlin gegründet. Aus der Hektik des Augenblicks heraus stellte sie auf ihrem Gründungsparteitag auf einem Hinterhausplumpsklo in Berlin-Mitte ein improvisiertes Parteiprogramm auf, in das die Eindrücke mit einflossen, die sich die Spartakisten von Ebers Politik der letzten Wochen gemacht hatten. Das Programm enthielt vier knappe Stichpunkte:
  1. Irgendwas mit Volksbetrug und Diktatur des Proletariats!
  2. Die neue Republik ist Klassenherrschaft, die mit Herrschaft der Arbeiterklasse überwunden werden muss!
  3. Schrecklicher Bürgerkrieg für den Frieden gegen alle Imperialistenschweine (bei Gelegenheit Definition nachliefern)
  4. Enteignung, Entmachtung der Polizei, Entwaffnung, Entgeisterung, mehr Stichworte auf Ent- finden...
Dabei blieb es im Großen und Ganzen für die Zeit der Weimarer Republik. Die KPD trennte sich offiziell von der USPD, die aber weiterhin den Sozialismus klasse fand und mit den Radikalen in Verbindung blieb, falls mal irgendwo eine Räterepublik gegründet werden musste.

Die Weihnachtskämpfe

Elende, faule Matrosen. Konnten nicht sechs Wochen an einem Ort bleiben, ohne, dass es aussah wie Sau.

Advent, Advent, ein Verlagshaus brennt. Dieses bekannte Sprüchlein war in den Dezemberwochen des Jahres 1918 zum politischen Programm geworden. Die revolutionären Turner des Spartakusvereins übten bei jedem Anschein einer Zurücksetzung der Rätebewegung schon mal Bürgerkrieg. Warum gerade die Zeitungshäuser immer wieder Opfer von Anschlägen wurden, erschließt sich nur bei erster und oberflächlicher Sichtweise aus ihrer propagandistischen Funktion für die organisierte Arbeiterbewegung. Tatsächlich waren in diesem kalten Winter die Verlagshäuser die einzigen Orte in Berlin, die gut brannten, weil sie noch brennbares Material hatten und wenn schon Anschlag, dann sollte es auch schön warm sein, bis die Polizei kam. Doch Auseinandersetzungen über die Art der Demobilisierung, die neue Staatsform, Beschimpfung der Gewerkschaften, das waren alles keine besonderen Anlässe, um mal wieder eines der wertvollen Häuser anzuzünden. Diesen besonderen Anlass lieferten Regierung und einige Revolutionäre dann dankbarerweise als Weihnachtsgeschenk nach.

Wieder einmal waren es Matrosen, die Ebers Schwein zum Pfeifen brachten. Am 23. Dezember 1918 weigerte sich die Volksmarinedivision aus Cuxhaven, ein Rudiment des Matrosenaufstands, das Berliner Stadtschloss und den Marstall zu räumen. Die faulen Nichtsnutze waren dort seit dem neunten November einquartiert, hatten ihre Pferde in der Vorhalle stehen, nutzten die Suiten für ausschweifende Orgien und hängten an Regentagen ihre Schmutzwäsche an den reich geschmückten Fenstersimsen auf. Dafür bekamen sie zu allem Überfluss noch ein Haufen Geld von der Kommune. Ethos und Amtsverständnis künftiger Bundespräsidenten wurden hier vorgeprägt.

Was beim loddrigen Bundespräsidenten nicht mehr so schnell klappte, setzte der Rat der Vollbeauftragten damals so schnell wie möglich in die Tat um. Mit hohen Geldzahlungen wollte er die Tunichtgute bestechen, damit sie endlich aus dem Schloss verschwanden. Doch das konnte der damalige Stadtkommandant Otto Wels trotz seines fleißigen Einsatzes für alle sinnlosen Aktionen der SPD-Führung nicht verantworten. Noch bevor die letzten 80.000 Groschen beglichen waren, sollten die Matrosen aus dem Schloss raus. Das war ein mutiger und venünftiger Entschluss von Wels und er wäre sogar klug gewesen, hätte er ihn nicht persönlich bei der Schlüsselübergabe an den Volksbeauftragten Barth den aufgebrachten Soldaten vorgetragen. So entschied sich die Volksmarinedivision, noch ein bisschen im Marstall zu bleiben und Herrn Wels gleich mitzunehmen.

Otto Wels

Als Verhandlungen der Volksbeauftragten vor dem Reichspalais scheiterten, glühte bald darauf wieder Ebers heißer Draht zu Groener um ein paar Regierungstruppen zu bestellen. Gleich lozuschlagen wäre allerdings zu einfach gewesen, man wartete aus Pietät bis zur heiligen Nacht. Am 24. Dezember aber, nachdem die Volksmarinedivision bekannt gegeben hatte, man könne nach der letzten Linsensuppe nicht länger für Wels Leben garantieren, gaben die Volksbeauftragten den üblichen Befehl, alles in Schutt und Asche zu legen.

Zuerst jedoch gaben die Regierungstruppen den Soldaten noch zehn Minuten Zeit, die Gefangenen zu entlassen, Unterwäsche für die ganze Batterie zu nähen, zehn Kilo Muskelmasse aufzubauen und dann mit Hab und Gut das Gebäude zu verlassen. Doch die trotzigen Matrosen gingen nicht auf dieses großzügig gestellte Ultimatum ein. Also eröffneten die Truppen das Feuer, um die ollen Revolutionäre aus den wertvollen Gebäuden, die sie vor den Matrosen schützen sollten mit Maschinengewehren, dann mit Granaten, schließlich mit Minenwerfern und Schiffskanonen herauszubomben.

Der Angriff war für die SPD-Führung ein voller Erfolg. Wels kam mit dem nackten Leben davon. Über die Erfahrungen, die er in dieser Nacht im Stall gemacht hatte, würde er nie wieder reden können. Aus Sicht der USPD hatten die drei Volksbeauftragten von der SPD ihr möglichstes getan, damit ihre Kollegen endlich aus der Regierung austreten und mit den Linksradikalen gemeinsame Sache machen. Die USPD-Führung war eh abgemeldet und wurde von den Genossen beschämt, also entschloss sie sich am 29. Dezember endlich zu dem ersehnten Rücktritt im Rat der Volksbeauftragten. Die Stellen wurden mit Aufstockern aus der ehemaligen Reichstagsfraktion der SPD besetzt. Die Linksradikalen wiederum hatten nun einen schönen Grund, um in Berlin Zeitungshäuser zu stürmen. Bereits am 28. Dezember besetzte eine Kommune das Redaktionsgebäude des Vorwärts und schiss erstmal auf alle neuen Ausgaben, die sie vorfand.

Spartakus- Blood and Spree

Der Januaraufstand im Zeitungsviertel

Müde Spartakisten ruhen sich im Schatten einer Mauer aus.

Nachdem die SPD mit der Entfernung einiger hundert Revolutionsmatrosen wieder ihr Ansehen in der Bevölkerung gesteigert hatte konnte auch die Stimme der Straße in den letzen Dezembertagen nicht verstummen. Obwohl der Reichsrätekongress die Wahlen für die Nationalversammlung bereits Mitte Januar angesetzt hatte, wollte es die Spartakusgruppe noch einmal wissen, es musste doch eine Gelegenheit geben, noch einmal deutschlandweit eine Republik auszurufen, egal was für eine. Jetzt, wo die USPD nicht mehr in der Regierung war und der ein oder andere linke Spinner noch hinzugewonnen werden konnte musste sich doch eine günstige Gelegenheit ergeben, um seine Dummheiten gerechtfertigt unter das Volk zu bringen!

Tatsächlich konnte sich die Spartakusgruppe in punkto Anlässe auf Eber verlassen. Der hatte am 3. Januar, nach der Gründung der KPD nämlich den Berliner Polizeipräsidenten Eichhorn gefeuert, einen schlimmen Finger, der sich geweigert hatte, seine Polizeitruppen als paramilitärische Verbände in den Weihnachtskämpfen missbrauchen zu lassen. Eichhorn bekam einen Händedruck und einen neuen Bleistift und wurde dann ohne Arbeitszeugnis oder Abfindung aus den Amt geschoben. Doch so einer war er nicht!

Eichhorn empfand es als große Unartigkeit, ihn nur wegen seiner politisch linksradikalen Einstellung, mit der er der Republik, die er schützen sollte absolut feindlich gegenüberstand zu entlassen. Zusammen mit Spartaquisten, denen er gerade recht kam plante er also am vierten Januar das Polizeipräsidium zu stürmen, um den Wanderhut aus seinem Büro zu holen, den er dort vergessen hatte. Damit begann in Berlin ein Gewaltexzess, wie er kompromissloser nicht hätte geführt werden können. Mit Eichhorn hatte der Spartakusbund jemanden engagiert, der so kompromisslos war, dass er nicht einmal Verniedlichungsformen in seinem eigenen Nachnamen akzeptierte. Die SPD, auf solche Aufstände militärpolitisch vorbereitet wie ein Baum auf den Herbst musste also erneut auf die guten alten Haudegen von der Reichswehr zurückkommen.

Wurde immer wieder Schauplatz von Umsturzversuchen- Berliner Zeitungsviertel.

Bereits am fünften Januar besetzten die Spartakisten neue Verlagshäuser im Berliner Zeitungsviertel, um den Freunden im Polizeipräsidium zu helfen, bei denen langsam aber sicher das Klopapier zur Neige ging. Die Solidarität, die sie dabei aus der Berliner Arbeiterschaft erfuhren war in der Tat bemerkenswert und ging weit über die radikale Agitation hinaus. In einem neuen Anflug von Größenwahn erklärte Weberknecht den Rat der Volksbeauftragten daher für abgesetzt ließ im Polizeipräsidium einen neuen Regierungsausschuss aus nicht drei, nicht fünf, nein, aus 53 Personen wählen, die nun darüber berieten, was weiter geschehen sollte. Die Alternativen waren denkbar einfach: Aufstand oder friedliche Verhandlungen mit der demokratischen Arbeiterschaft. Daher wurde sich der Ausschuss auch nicht einig. Die mittlerweile in der Arbeiterschaft etablierte KPD-Führung unter Rosi Luxusburg wollte die USPD-Führung fragen, ob die die SPD-Führung fragen könnten, ob die sich mit der KPD zu Verhandlungen bereit erklären würde. Diejenigen Spartakisten, die aber nun mühevoll und mit Liebe ihren bewaffneten Aufstand geplant hatten, wollten sich den Spaß nicht nehmen lassen. Es waren auch schon regierungshörige Truppen angerückt, die man eigentlich super beschießen konnte!

Leider hatten es die radikalen Aufständischen schwerer und schwerer, denn während sich am sechsten Januar die Führer aller Arbeiterparteien auf eine Deeskalation der Lage einigen wollten, stellten sich nun auch die herbeigeströmten Arbeitermassen, die zunächst den Aufständischen geholfen hatten zu friedlichen Massendemonstrationen in den Straßen auf. Schießwütige Freiwillige fehlten den Spartakisten leider zu einem großen Teil. Nun hing es von den Verhandlungen der Arbeiterführer ab, die Lage in Berlin zu entschärfen.

Ohne wertend zu klingen würde man vermutlich sagen, dass es in dieser angespannten Situation keine dümmere Handlung einer Partei hätte geben können, als z.B. ein Flugblatt mit dem Titel "Die Stunde der Abrechnung naht" herauszugeben. Das hätte den Chefpropagandisten von der SPD vermutlich jemand sagen müssen. Als der revolutionäre 53er-Ausschuss am achten Januar so ein ominöses Schreiben in die Hände bekam, brach er erwartungsgemäß die Verhandlungen ab und gab der aufständischen Minderheit das Signal zu Losschlagen. Die SPD reagierte prompt und schickte den einzigen Mann nach Mitte, der es in dieser Situation noch richten konnte - Gustav Noske. Mit Noske trafen noch eine Menge motivierter Freikorps in Berlin ein, die eine Stadt voller Kommunisten und demonstrierender Arbeiter als ihre ganz persönliche Spielwiese betrachteten.

Fünf Tage und Nächte tobten in Berlin die Barrikadenkämpfe, was sowohl für Freikorps als auch für die aufständischen Spartakisten schwer war, denn die Kugeln mussten ja um die friedlich demonstrierende Arbeiterschaft herumfliegen, die immer noch für eine Verständigungslösung auf den Straßen stand... freilich nur ein Spaß,- es wurden natürlich wieder sinnlos Zivilisten ermordet. Die Freikorps waren dabei überhaupt nicht zimperlich.

Am elften und zwölften Januar räumten regierungstreue Truppen das Zeitungsviertel. Alle Aufständischen wurden standesrechtlich...oh ...sagen wir, verheiratet. Doch damit nicht genug. Weil nun schon einmal in Berlin der Belagerungszustand verhängt war nutzten viele Freikorpsler die Gelegenheit, um alte Rechnungen zu begleichen, ein bisschen zu plündern oder ausschweifende Selbstjustiz zu üben. Klar, aus Sicht der Regierung und Gustav Noskes hätte man sie nicht unbedingt machen lassen sollen, was sie wollten oder wahllos Zivilisten ermorden lassen sollen- aber der Gewehrlauf so eines Freikorpslers hatte nicht nur Kugeln für radikale Sozialisten und Kommunisten übrig, auch auf Regierungsangehörige hätte er gepasst. Außerdem musste der Rat der Volksbeauftragten noch das neue Design der Stühle für die Nationalversammlung aussuchen, die in einer Woche zu wählen war- da konnte man sich nicht um jede Kleinigkeit kümmern.

Ermordung Karls und Rosis

Rosi mit Schwägerin Clara auf dem Weg zum Damenkniffel, ca. 1910.

In diesen Tagen, am 15. Januar, verschwanden ausgerechnet die KPD-Führer Weberknecht und Rosi Sue spurlos, die man doch so dringend in Berlin gebraucht hätte. Weberknecht tauchte kurz danach in der Spree wieder auf, in der er sich einfach mal treiben ließ, Luxusburg wurde Anfang Juni im Landwehrkanal in Berlin entdeckt, in dem sie mit dem Gesicht nach unten schwamm. Offenbar wollte sie für die Zeit bis zum Friedensschluss untertauchen. Beide waren seltsamerweise an Unterkühlung gestorben, nachdem sie in die kalten Gewässer gefallen waren. Gerüchte, eine "Garde-Kavallerie-Schützen-Division" könnte hier beim Baden behilflich gewesen sein wurden zerstreut, da es so eine Organsiation in Berlin im Januar 1919 gar nicht gab, sondern nur rechtsradikale Witzfiguren. Dennoch fand man heraus, dass die Kugeln, die Weberknecht und Luxusburg im Kopf trugen, als man sie fand von diesem Freikorps mit dem langen Namen stammten.

Die Gerichtsmedizin brachte die Gewissheit, dass die Kugeln sich eindeutig vor dem Schwimmengehen im Kopf der beiden Kommunisten befunden haben mussten. Also stellte die Regierung einige Freikorpssoldaten vor Gericht, um zu zeigen, was bei Verdacht mit rechten Attentätern geschehen könne - sie wurden beschenkt, geliebt und bekamen gute Publicity. Um den unangenehmen Prozess so kurz wie möglich zu machen, befahl Noske, die Freikorps nicht (wie zu erwarten gewesen wäre) in einem Strafgerichtsprozess vor das Oberlandesgericht zu stellen, sondern ein unbefangenes Militärgericht einzusetzen, das hart über seine Kameraden urteilen sollte. Das tat es dann auch, denn die verdächtigten Soldaten wurden angehalten, zu schwören, dass sie so etwas nie nie wieder tun würden. Noch dazu bekamen sie einen geschmacklosen Ehrenorden, der jedem in der Armee zeigte, was sie für böse Kommunistenmörder waren. Das sollte den Freikorpslern eine Lehre gewesen sein.

Was genau in dieser Nacht des 15. Januar geschah, ist ja recht unklar, irgendwas mit Entführung und Misshandlung, blabla... nach Angaben der unpolitischen Weimarer Justiz jedenfalls ertrank Weberknecht in der Spree, als er betrunken und unvorsichtig seine Arbeiterlieder schmetternd aus seiner Arbeiterkneipe geradewegs in den Fluss fiel. Dabei muss ihn eine frei fliegende Kugel, die seit dem neunten Januar durch Belin irrte in den Kopf getroffen haben. In den unparteiischen Augen der Justiz war das nur die gerechte Strafe für Weberknechts politische Orientierung. Diese Urteile nach den ersten erfolglosen Tagen des Spartakusaufstands steigerten das Ansehen der Regierung enorm. Die Rechte lobte besonders Noskes Hang zu unkomplizierten Lösungen und kam bei folgenden Morden gerne auf die Militärgerichte zurück. Richter waren dann meist Freunde, Familie oder Haustiere, wenn man ihnen antrainiert hatte, den Hammer zum Freispruch zu erheben. Die KPD-Führer und aufständischen Linken hofften, eines Tages auch mal ein paar SPD-Männer vor diese unkomplizierten Gerichte stellen zu dürfen.

Die politische Rechte - Ihre schönsten Lügen

Dolchstusslegende

In den ersten Wochen der Revolution war das rechtskonservative Lager des Kaiserreichs politisch quasi gelähmt. Der Monarch war gerade abgereist und die alten Eliten hatten ihrem dringenden Wunsch nach Kapitulation nichts mehr hinzuzufügen. Der eine war von Berlin aus unter dem Decknamen Ernst Lindström nach Schweden geflohen und schrieb dort Groschenromane, der andere saß auf Gut Neudeck und war alt.

Die rechte Bewegung formierte sich nur langsam und weil ihre Mitglieder eben so langsam im Kopf waren, begannen sie gegen Ende November erst zu realisieren, dass der Krieg vorbei und der Kaiser abgesetzt war. Was davor geschehen war müssen Konservative, aber auch hohe Militärs irgendwie vergessen haben, z.B., dass die OHL vehement auf der Beendigung des Krieges bestanden hatte und zwar mit dem Hinweis, dass die Armee keine 24 Stunden mehr durchhalten werde. Für sie datierte die bewusste Erfahrung des Kriegsendes ab der Unterzeichnung des Waffenstillstands. Der Unterzeichner Matthias Erzberger war schuld, dass Deutschland den Krieg verloren hatte. Philipp Scheidemann hatte ihm dabei geholfen. Vielen Rechtsgesinnten, für die die Erde eine Scheibe war, um die sich die Sonne drehte schien es durchaus wahrscheinlich, dass Politiker, die sich extra für ihren Krieg vier Jahre lang in einen interfraktionellen Ausschuss gezwängt und politisch Ruhe gegeben hatten, jetzt plötzlich alles zerstörten.

Doch warum hatte Erzberger den Krieg beendet und das deutsche Reich verraten? Mhmm...eine plausible Erklärung musste her. Man hätte ihn ja als Juden stigmatsieren können, wäre er nicht unvorteilhafterweise ein katholischer Zentrumspolitiker gewesen. Da waren die rechten und völkischen Verbände mit ihrer Philosophie leider schon am Ende. Ganz aus Zufall fand die rechte Presse und Propagandamaschine aber die Dolchstusslegende in einem alten Buch wieder.

Typische Kampfszene an der Westfront, Links: Ahnungsloser Soldat, Rechts: Vollbusiger Jude, der ihm auf Schritt und Tritt mit einem Messer folgt

Die Dolchstussegende war ein altes Märchen eines unbekannten Verfassers, das irgendwann schon im Kaiserreich oder im Krieg oder im Alten Rom oder wann auch immer entstanden war. Die Handlung war sehr einfach, sodass auch konservative Landadlige und nationalistische Trottel, ja sogar Freikorpssoldaten sie verstehen konnten. Ein mutiger junger Soldat zog guter Ding ins Feld, um den Ruhm seines Vaterlandes zu mehren, besonders da, wo sich das Vaterland durch seine hochwertige Kultur als zivilisatorisch überlegen erwies. Kaum hatte er aber eine Zeitlang in den Gräben zu Westen gelegen, da traf ihn die düstre Hand eines (-Feindbild hier einsetzen-)s mit einem Dolch in den Rücken.

Dieses Märchen auf das Kriegsende anzuwenden, musste jedem vernünftigen Soldaten irgendwie merkwürdig erscheinen, denn die wenigsten konnten sich daran erinnern, im September 1918 kurz vor dem siegreichen Durchbruch gestanden zu haben, wenn nicht der eigene gemeint war. Aber sie konnten sich ja auch irren, schließlich kannten sie auch nicht die ganze Front. Presse und Parteiarbeiter taten jedoch ihr möglichstes, um die Dolchschmulegende in die Köpfe der Bevölkerung zu meißeln. Für Aufsehen sorgten immer wieder Promoauftritte aus der rechten Szene, wie z.B. die fast 70jährige Aufziehpuppe Paule von Hindenburg, der vor einem Ausschuss der Nationalversammlung im November 1919 und dann nochmal 1925 in einem Schauprozess für ein Breckie brav eine Erklärung herunterspulte, in der er den Dolchstuss als wahr proklamierte. Hindenburg, der ohnehin alles vergessen hatte, was die letzten paar Monate passiert war, glaubte natürlich auch daran. Irgendwann glaubte sogar die politische Linke daran und begann der Regierung vorzuwerfen, dass sie nicht schnell genug gedolcht hatte. Das hat die Republik argumentativ sicher nach vorne gebracht.

Wie jedes rechte, zusammengesponnene Konstrukt wurde die Dolchstusslegende während der Zeit des Nationalsozialismus erhöht und instrumentalisiert, aber gleich nach dem Krieg wissenschaftlich widerlegt...-oder auch nicht. Aber dann in den 50ern wurde sie...auch nicht widerlegt und in den 60ern...auch nicht...ach du liebe Zeit...wann wurde sie denn dann eigentlich widerlegt?... Naja, irgendwann sind jedenfalls die, die noch daran geglaubt haben, gestorben und heute ist sie ohne wissenschaftliche Aufarbeitung wieder in Vergessenheit geraten.

Paramilitärische Verbände

In jedem Freikorps gab es mindestens einen, den der Krieg verändert hatte.

Direkt nach dem Krieg begannen kleine heimgekehrte Truppenverbände sich zu bewaffnen und illegal neu aufzustellen. Viele hatten sich noch Munition und Autos aufgespart und ein, zwei gute Mäntel in der Truhe. Was sollte denn mit dem Zeug nun werden?, die Idee -die Heimkehrer gründeten Freikorps. Freikorps, das waren stehengebliebene Frontsoldaten mit Mordgelüsten, die einem Offizier folgten, der verzweifelt versuchte, nicht wieder in seinen zivilen Beruf als Postbote oder Jahrmarktfeger zurückzufallen. Meistens saßen sie auf irgendeiner Burg oder in irgendeiner Scheune und führten eigenmächtige Truppenanwerbungen durch. Aufgabe der Freikorps in den November- und Dezembertagen war es, wie ein ordentliches Krebsgeschwür möglichst bösartig, weit verzweigt und überflüssig zu sein. Das stärkte die Abwehrkräfte der Gesellschaft. Außerdem filterten die Freikorps den sozialen Satz aus der arbeitenden Bevölkerung und entschlackten damit die Betriebe, die sich über ein Stück soziale Harmonie freuen konnten.

Freikorps waren leicht zu beeinflussen und glaubten alles, was die rechte Presse ihnen erzählte. Vermutlich hätten sie auch jede andere Nachricht geglaubt, in der wenigstens dreimal das Wort "national" vorkam. Als die Regierung sie im Januar 1919 also zur nationalen Verteidigung in Posen anwarb, folgten die meisten Korps diesem Lockruf. Leider wurden die Volksbeauftragten sie danach nicht wieder los. In den ersten Monaten des Jahres konnte man ihre hemmungslose Brutalität ja noch auf die wertlose Linke abwälzen. Was aber geschehen sollte, nachdem diese tot oder gefangen waren, darüber hat sich natürlich keiner Gedanken gemacht. Seit Sommer 1919 und besonders seit dem Versailler Vertrag suchten sich die Freikorps ihren neuen Feind daher persönlich und der hieß die jüdische Schandrepublik. Wo auch immer die lag, die Freikorps wendeten jedenfalls viel Zeit und Mühe auf das ordnungsgemäße Umbringen von Volksvertretern auf.

Auf zur Hyperinflation!

Auf ZAG

In den Wochen der Revolution entstanden in den Städten nicht nur Aufstände und Demonstrationen sondern auch Streiks. Vielerorts gründeten sich Betriebsräte aus Vorarbeitern, die meist Jan, Jochen oder Dirk hießen und die den betrieblichen, arbeitgeberhörigen Werkvereinen den Garaus machen sollten. Zusätzlich legte das Amt für Demobilmachung den armen Unternehmern auf, sozial zu handeln und statt der fleißigen Kinder auch mal heimgekehrte Soldaten ohne Arme einzustellen.

Die Unternehmer hatten schon seit Kriegsende bemerkt, dass eine aufziehende Revolution weitreichende Sozialisierungsforderungen mit sich bringen musste. Gott sei Dank konnten sie sich in dieser Hinsicht auf die Gewerkschaften verlassen, deren vorrangiges Ziel es ebenfalls war, die Sozialisierung der Betriebe bei Kriegsende weitgehend zu verhindern. Es war ja auch schließlich nicht Aufgabe der Gewerkschaften, sich um sozialere Arbeitsbedingungen zu bemühen. Den Unternehmern war es recht, konnten sie doch jeden fähigen Mann brauchen, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch nach dem Krieg zu verhindern. So kam es bereits am 30. Oktober zur Annäherung von Elektroindustrieverbänden und Schwerindustrie um den gesalbten Inflationskönig Hugo Stinnes.

Stinnes, hier beim Posieren für ein neues Geschäftsmodell.

Stinnes, durch seinen Missbrauch der staatlichen Kriegskredite ein vielgeliebter Mann im von der Industriearbeiterschaft geprägten Ruhrgebiet, war sicher der richtige, um gemeinsam mit den sozialdemokratischen und christlichen Arbeitnehmerverbänden eine Sozialpartnerschaft einzugehen. Die Aufrichtigkeit dieses Vorhabens ließ sich am 15. November förmlich spüren, als er mit guten Freunden und Gewerkschaftsfunktionären das Stinnes-Legien-Abkommen (kurz: Satzung für die Arbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands) unterzeichnete, das mehrere sozialpolitische Forderungen gegen ein wirtschaftsfreundliches Verhalten der Arbeitnehmerverbände festschrieb.

Das Abkommen gestand von Arbeitgeberseite den unheiligen Acht-Stunden-Tag zu (der möglicherweise die Lebenserwartung noch weiter zu steigern drohte), legitimierte die Betriebsräte und erkannte Tarifstreits als rechtmäßig an, sowie im Falle der Uneinigkeit von Tarifparteien auch die staatliche Schlichtung. Zur Nichtbeachtung dieser Bestimmungen wurde die Zentralarbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kurz ZdiugAuA oder ZAG gegründet, die mit einem nicht benötigten Zentralvorstand die 14 wichtigsten Industriezweige im gesamten Reich unter seine organisatorische Einflusslosigkeit nahm. Die Gewerkschaften waren damit am Ziel ihrer Träume angelangt, sofern sie überhaupt von etwas geträumt hatten.

Freilich waren die Punkte für die Ewigkeit geschlossen und konnten nie wieder rückgängig gemacht werden, außer die Unternehmer hielten sich nicht dran. Den Acht-Stunden-Tag hatten sie schon nur unter dem Vorbehalt akzeptiert, dass er dauerhaft bleiben dürfe, wenn er sich auch international durchsetzt, wenn sich die Flüsse im Reich innerhalb von zwei Jahren in Wein und Honig verwandeln, Brathänchen durch die Luft fliegen können und intelligente Schweine auf dem Mars eine Siedlung errichten. 1921 reichte aber auch schon der wirtschaftliche Aufschwung im Reich, damit die reaktionären Schwerindustriellen ihren "Sozialpartnern" eine lange Nase drehten und die ZAG komplett ignorierten, die sich dann auch 1924 aufgelöst hat. Tja, welcher Gewerkschaftsführer hätte denn auch ahnen können, dass Unternehmer kalkulativ dachten und um jeden Preis auf Gewinnmaximierung aus waren?

Die kurzlebige ZAG war aber auch ein wichtiges Signal an den Staat, zeigte doch die Sozialpartnerschaft der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerparteien, dass sich beide von vorherein einer dilettantischen politischen Regelung ihrer Vorhaben entziehen wollten und ihre Interessen auch ohne ein Parlament durchzusetzen wussten. Das war natürlich toll, denn da hatte das Paralament in dieser Beziehung viel weniger Arbeit! Wie man ja die Großindustriellen zu Beginn des 20. Jahrhunderts kannte, (viele hatten noch das Kaiserreich mitaufzubauen geholfen), waren sie auch ohne politische Einflussnahme extrem loyal zu demokratisch gewählten, sozialistisch geprägten Volksvertretern und wollten schon immer die Hohenzollernherrschaft beseitigen. Das zeigen schon die Unterzeichner des Stinnes-Legien-Abkommens wo neben Walter Rathenau oder Hans von Raumer auch Namen wie Ernst Borsig, Alfred Hugenberg, Carl von Siemens oder die Hoesch-Gruppe auftauchten.

Alle auf den Preis

Die Hyperinflation war eigentlich ein Prozess, der erst am Ende des Jahres 1922 einsetzte. Vorher war er einfach nur die gute alte Inflation. Die schleichende Geldentwertung hatte schon während des Krieges eingesetzt und lag am Kriegsende noch auf etwa 10% von 100% des Vorkriegsniveaus. Die Reichsmark wurde teilweise schon aus den Kassen zahlreicher Monopolyspiele aufgestockt.

Doch was war geschehen? Gewöhnlich finanziert man einen Krieg durch Steuern. Das war dem Kaiser 1914 aber nicht kreativ genug und so gab die Regierung zur Stärkung der Loyalität an ihre Untertanen Kriegskredite aus, die aus den Einnahmen der bald zu besiegenden Staaten getilgt werden sollten. Dumm? Na freilich. Ein Zyniker könnte sie im Nachhinein auch als französische Staatsanleihen bezeichnen, aber das wäre nicht historisch. Schließlich wusste man 1914 noch nicht, dass man den Krieg verlieren würde...oder auch nicht im Jahr 1915...oder 1916...oder...17. Allerdings mussten die ersten Kriegsanleihen in diesen Jahren schon an die Aktionäre zurückgezahlt werden, zudem kam im Volk so ab 1916, als man nichts mehr zu essen hatte, so ein leichter Zweifel auf, ob es sinnvoll sei, weitere Kriegsanleihen zu kaufen. Das Reich musste nun Schulden machen. Wo bekommt man also Geld her, wenn es einem keiner mehr vorschießen will? Richtig! Entweder man kürzt Sozialleistungen, die nicht da waren oder man druckt ein paar Millionen Scheine nach.

Mit dem genialen Mittel der Notenpresse erkannte die Regierung, dass sie ihre Kredite ganz einfach zurückzahlen konnte. Damit war eigentlich das Problem beseitigt, wäre da nicht diese elendig störende Geld- und Realwirtschaft gewesen, die die Waffen für den Staat herstellte. Die Banken fanden die neue Lösung nicht so wirklich genial und erhöhten schlagartig ihren Kreditzins, die Unternehmer nahmen das in Kauf und erhöhten einfach die Preise, die Einkäufer kauften weiter und erhöhten ihre Bereitschaft, keine zusätzlichen Kredite beim Staat zu zeichnen. Der Staat wiederum erhöhte die umlaufende Geldmenge. Wer gerade eine neue Waschmaschine, ein Auto oder ein Kampfflugzeug brauchte, für den war die Zeit günstig, einen Kredit aufzunehmen, denn die nächsten zwanzig Monatsraten ließen sich ja bequem mit dem 10.000 Markschein aus der Portokasse zahlen.

Warum dieser Missstand nach Kriegsende nicht beseitigt wurde, ist noch einfacher zu beantworten als die Frage, warum man nicht schon 1916 mit dem Mist hätte aufhören können. Die Konjunkturpolitik stand zu diesem Zeitpunkt unter dem Motto: Läuft! Solange alle die Fresse hielten konnten also sogar Sozialpakte wie die ZAG geschlossen werden. Klar mussten die bezahlt werden und wer sollte das tun? Etwa die stinkreichen Unternehmer? Nein. Solange alle glücklich und zufrieden waren konnte man das alles auf den armen Preis abwälzen und weil der Staat immer noch Kredite an seine Bürger abstotterte hatten diese wiederum schön billiges Geld, um die hohen Preise zu bezahlen -ein Währungssystem, wie es nur in der Traumtanzphase der deutschen Geschichte vorkommen konnte. Später, als dann das Geld aus staatlichen Krediten alle ging, konnten die Unternehmer auch bequem ihren Arbeitern einen beruflichen Paradigmenwechsel vorschlagen. Das löste auch langsam aber sicher das Poblem einer schleichenden Überschäftigung, nur wollten die verdammten Sozialfälle, die Alten, Kranken und Arbeitslosen einfach nicht sterben. Das Leben kann so ungerecht sein.

Die zweite Phase von Januar bis Juni 1919

Die Wahlen zur Nationalversammlung

Am 19. Januar fanden die ersehnten Wahlen zur ersten Nationalversammlung statt. Unter dem Eindruck der zunehmenden Radikalisierung der Arbeiterschaft war dies genau das richtige Signal, um zu zeigen, dass die ahnungslose Regierung keinen anderen Plan mehr hatte, als alle Probleme auf ein Parlament zu vertagen. Die stabilen republikanischen Verhältnisse, in denen sie zustande kam wurden mit dem Namen Weimarer Republik hinreichend gewürdigt, denn sie trat das erste mal am sechsten Februar in Weimar zusammen, obwohl oder gerade weil in Berlin Bombenwetter war.

Zur Auswahl standen dem aufgebrachten Volk eine Reihe von Parteien, die sich aus den politischen Gruppierungen der alten Reichstagsfraktionen in den ersten Novemberwochen gegründet hatten. Selbst das konservative Spektrum hatte sich neu aufgestellt und war unter dem Eindruck der Novemberrevolution noch konservativer geworden. Eine Mehrheit im neuen Parlament erhielt die SPD (Spastis und dicke Proleten) mit ca. 38 %. Das würde für immer das höchste Wahlergebnis der Partei bleiben. Unter den Wählern waren auch viele, die über die kalten Wintermonate verreist waren und noch nicht recht mitbekommen hatten, dass es mittlerweile auch bessere Wege gab, links zu wählen. Die USPD (Unsympathische Spinner und dicke Proleten), insgesamt 7,6% war eine von ihnen. Die KPD ließ sich entschuldigen, weil sie noch in Berlin zu tun hatte.

Doch auch das bürgerliche Lager schnitt in den Wahlen gut ab, v.a. das Zentrum (für unentschlossene Katholiken) und die DDP (Durchsetzungsschwache Demokratische Partei). Sie bildeten mit der SPD künftig die Koalition, die ihre Kabinette öfter wechselte, als ihre Sitzungshemden und wegen ihrer guten Arbeit auch nie wieder gewählt wurde. Am rechten Rand standen indes hauptsächlich altkonservative Milieuparteien mit neuen Namen, wie die DVP (Deutschlobbyitische Volkspartei) und die DNVP (Durchweg nichtsnutzige Vollidiotenpartei). Die beiden letzteren waren mit dem erklärten Ziel angetreten, die Republik sofort wieder abzuschaffen, sobald sie gewählt waren. Doch es zeigte sich, dass sich das Volk Anfang 1919 noch für einen subtileren Zersetzungsprozess aussprach.

Bunte Bastelverfassung mit Konfetti drin

Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 (Schematische Darstellung)

Sofort nach dem Zusammentreten der Nationalversammlungen begannen die Verfassungsverhandlungen. Federführend bei der Verfassungsverfassung war der durchsetzungsschwach-demokratische Staatssekretär des Inneren Hugo Saupreuß. Die Verfassungskommission hatte es äußerst schwer bei der Ausarbeitung einer neuen allgemeingültigen Verfassung für das Reich, dementsprechend musste sie sich beeilen. Durch Spontanentscheidungen waren in den letzten Monaten kaum einige Grundzüge festgelgegt worden, höchstens die Staatsform, die Ablenkung des Sozialisierungsdrucks der Rätebewegung in einen außerparlamentarischen Sozialpakt, die Wahlrechtsbestimmungen, das Parlament und der föderale Staatsaufbau unter Beteiligung der Länder. Es war also kaum Vorarbeit für den Verfassungsentwurf geleistet worden. Schleunigst, weil ja nun alles zusammenbrechen drohte wurden die zu füllenden Lücken an Reichsinstitutionen mit dem Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt geschlossen. Vorläufig bedeutete in diesem Fall: "uns fällt auch nichts anderes ein" bzw. "bleibt so, passt." Dank mangelnder Kreativität durfte die Nationalversammlung nun auch Gesetzesentwürfe vorlegen, die Reichländer wurden in einem Ausschuss zusammengepfercht und als neues Staatsoberhaupt sollte nun ein Reichspräsident gewählt werden, der es schon richten würde.

Die Wahl zum Reichpräsidenten fiel am 11. Februar aus mangelnden Alternativen mit einer deutlichen Mehrheit auf Friedrich Eber. Der erklärte gerührt vor der Nationalversammlung: "Ich will und werde so handeln wie ich will, nicht als Strohmann meiner Partei, die mir ohnehin zu sozialistisch ist." Dafür erntete er tosenden Applaus. Seine zweiten Worte waren dann "Auch wenn es uns schwer fällt, müssen wir womöglich in nächster Zeit durch eine sozialere Politik versuchen, die Werte einer freien Demokratie zu mehren und aufrecht zu erhalten." Auf diese Worte hörte man nur noch trockenes Husten im Saal, eine Windhexe rollte vorüber. Seine dritten Worte schließlich waren: "Ja ich kann auch aufhören, wenn ihr wollt. Ich muss hier nicht steh...hey! Wer hat diese schimmlige Tomate geworfen?"

Wie dieses Beispiel zeigt, nahm die bürgerlich dominierte Versammlung Ebers Wahl sehr ambivalent auf. Viele Abgeordnete gaben im Nachhinein an, dass sie Eber als Kandidaten sehr begrüßt hatten, ihn aber hassten wie die Pest, andere, dass sie ihm bei der Eröffnung applaudiert und ihn gleich danach mit Tomaten beworfen hätten. Diese Anzeichen dissoziativer Störungen, vermutlich bedingt durch die psychologische Zerissenheit der Revolutionszeit ist nicht nur an Ebers polarisierender Person zu erklären. Sie ist vielmehr repräsentativ für alle Entscheidungen, die die Nationalversammelten bis zum Frühsommer 1919 hinsichtlich der Reichsverfassung trafen. Weil jeder mit anderen Konzepten und Erwartungen nach Weimar gekommen war, wurde kein praktikabler Kompromiss gefunden. Die Verfassungkommission würftelte einfach alle Einfälle zusammen, die die verschiedenen politischen Lager hier und da in die Runde warfen und betrieb eine Politik der gemeinsamen Lösung.

Den wohl dümmsten Kompromiss zur Verfassung verhandelte Saupreuß mit einigen liberalen Höhlenforschern bereits seit Dezember 1918. Der Staat sollte zwar ein Parlament erhalten, doch das Parlament sollte keine allzu starke Stellung im Staat erhalten, sonst, so glaubten die alten Herren aus dem Kaiserreich, würde das blanke Chaos ausbrechen. Klar hätte man sich seit November 1918 einen Eindruck schaffen können, welche Auswirkungen das quasi-absolutistische Kaiserregime der letzten vier Jahre gehabt hat, aber die Verfassungsväterchen waren leider schon alt, taub und blind. Deswegen schufen sie einen Reichspräsidenten, der im Gegensatz zum Reichstag das Recht hatte, alles mit dem Staat zu machen, was er gerne wollte. Dazu war lediglich die Begründung eines Ausnahmezustands nach dem neuen praktischen Artikel 48 nötig und welcher Staat befand sich nicht ständig vor einem drohenden Ausnahmezustand? Angesichts der historischen Umstände war der Artikel sicher sehr vernünftig, konnte man doch unter Umgehung des Parlaments mit der selbstständigen Ermächtigung das ein oder andere ungeliebte Gesetz schneller durchbringen. Leider zeigte der Artikel auch das Denken vom Tisch bis zur Tür, denn offenbar konnte kein Sozialdemokrat glauben, dass einmal ein republikfeindlicher Monarchist auf diesen Posten gewählt werden würde. Wenigstens glaubte das kein Sozialdemokrat, der nicht die letzten vier Monate betäubt in seinem Keller gelegen hatte.

Die erste und einzige Seite der Weimarer Verfassung. Ein paar Ideen wurden nach kurzem Brainstorming auf der Rückseite notiert.

Doch Saupreuß hatte noch mehr tolle Ideen, die ihm die kompromisswütigen Abgeordneten kaputtkasperten. So sollten z.B. die Länder einem unitaristischeren Staatsaufbau weichen, die Ostgebiete sollten nicht wieder zum Reich zurückkehren. Dafür konnte man ja schon mal über einen Anschluss der österreichischen Gebiete nachdenken. In der Traumtanzphase vor dem Versailler Vertrag war alles möglich. Nach Intervention der einzelstaatlichen Regierungen musste jedoch auch hier ein Kompromiss her. Bayern und Württemberg wurden die eigene Post, das Heer und das eigene Verkehrswesen gestrichen. Dies war der Moment, in dem der Freistaat schwor, eines Tages mit einer deutschlandweiten Maut an den Verfassungsvätern Rache zu nehmen. Jedenfalls bekamen die Länder für ihre Einbußen auch neue Rechte. So wurde das Oktoberfest zum bayerischen Nationalfest erklärt und der Generationenhass auf Restdeutschland in der Verfassung verankert. Zudem wurde den Bayern ausdrücklich über den Grundrechtekatalog zugesichert, dass sie als einziges deutsches Volk weiterhin warme Leberwurst essen durften.

Apropos Grundrechte. Zwar konnte der Verfassungsentwurf mit einigen Modifikationen bereits im Februar zur Diskussion vorgestellt werden, doch eine endlose Debatte über den Grundrechtekatalog, den Saupreuß beim Entwurfsschreiben fast ganz weglassen hätte brachte in den ersten Wochen des Jahres noch einmal einen Höhepunkt an Konzeptionslosigkeit. Angestoßen wurde die Debatte vom überliberalen Superdemokraten Friedrich Naumann. Der bemängelte nicht etwa, dass der Grundrechtsteil erst nach 109 zermürbenden Artikeln in ein paar Fußnoten versteckt war, sondern vielmehr eine Erweiterung seiner eigenen Grundrechte forderte, die er "volkstümlich" nannte. Sie umfassten u.a. das Recht auf volkstümliche Musik und auf volkstümlichen Rassenhass.

Naumann schlug mit seinen Wünschen alldenjenigen eine Bresche, die unter dem Eindruck der historischen Situation auch noch schnell ein Grundrecht unterbringen wollten. Das Zentrum meldete an, es wolle wieder mehr Priester in den Schulen sehen, die den hohen moralischen Standard unter den Schülern hielten. Der Arbeiterschaft gelang es tatsächlich, die Arbeiter- und Soldatenräte als Grundrecht für die nächste Revolution einzubringen und die Enteignung von privaten Betrieben festzuschreiben. Den Liberalen war so etwas egal, im einzelnen las sich das eh keiner durch. Wer brauchte schon Kohäsion, so lange die eigenen Artikel auch da irgendwo drin standen und im Zweifel mit allen Mitteln einklagbar waren? Bald kamen jedenfalls noch weitere Grundrechte hinzu wie das Grundrecht auf Pilzesammeln, das Grundrecht auf Spiegeleierbraten oder das Grundrecht, bunte Socken zu tragen.

Nachdem noch einmal jeder zu der konzeptionslosen Ideenkompilation seinen Senf gegeben hatte wurde die Verfassung am 31. Juli 1919 verabschiedet und ihr Alles Gute gewünscht. Nachdem sie der Reichspräsident am 14. August ratifiziert hatte, zog sie mit allen guten Vorsätzen aus dem nächsten Tor hinaus und ward nie wieder gesehen.

Die Räte geben keine Ruhe

Seit Gründung der ZAG und Wahl der Nationalversammlung war die Rätebewegung zunehmend ins Abseits geraten. Schon der Umstand, dass es für viele Räte kein Geld mehr gab, führte dazu, dass sie immer weiter nach links rückten. Im März wurde die neue Armee aufgestellt, die künftig ohne Soldatenräte auskommen sollte- schade, war das doch das beste an ihr. Zudem ging die Strategie der SPD auf, die Räte von jeder Menge Schwachsinniger infiltrieren zu lassen und die Arbeiter und Soldaten mit endlosen "Warum?"-Fragen zu entnerven. Der zweite Reichsrätekongress am 14. April konnte dann schon nur noch beschließen, dass alle Beschlüsse der Nationalversammlung doof seien, dass Heiligabend 1919 auf den 24. Dezember fallen werde und, dass sie dagegen waren.

Auf diesem Balkon wurde die dekadente Hanserepublik endgültig für sechs Tage beseitigt.

Die Radikalen hatten indes deutliche Signale vernommen, dass der Aufstand in Berlin mit allen Mitteln fortzuführen sei. Es kam zur Ausweitung auf das Bundesgebiet am 10. Januar in Bremen, am 11. Januar in Hamburg, am 4. März zu einem Generalstreik in Mitteldeutschland und schließlich kamen die Aufständischen noch einmal nach Berlin zurück. In München konnte man über diese Schreihälse nur müde lächeln. Dort hatte sich bereits Anfang November 1918 der Freitod Bayern gegründet in dem still und heimlich eine sozialistische Räterepublik gedieh.

Gustav Noske hatte indes souveränere Lösungen gefunden, um mit den streikenden Radikalen umzugehen. Die Freikorps konnten mittlerweile viel flexibler eingesetzt werden und töteten auch schon eine viel geringere Zahl Zivilisten. Mittlerweile stellte Noske eigene Lizenzen zum Töten aus, die die schlimmsten Exzesse seiner Freikorps auch entschuldigten.

In Bremen konstituierte sich am 10. Januar eine Räterepublik. USPD und KPD hatten dort dicht gemacht, um sich in Ruhe mit den Räten der Stadt zu streiten. Nach außen herrschte leider schon Verhandlungsstop, nachdem die Bremer Banken ihre Kredite am 16. Januar zurückzogen. Da erkannten die Revolutionäre, dass es eine dumme Idee war, ihren Revolutionssenat noch weiter aufrecht zu erhalten. Auch der Revolutionsbrutus wurde entlassen. Die Linken gaben an die Hamburger Soldatenräte weiter, dass in Bremen jetzt wieder alles gut sei und, dass die nach Berlin funken sollten, dass jemand nach Bremen kommen und mit den kapitulierenden Revolutionären verhandeln sollte. Das tat Noske dann auch und wie er das tat! Offenbar gerade von einer schweren Gehirnoperation erholt schickte er das Freikorps Division Gerstenkorn nach Bremen und ließ es am 4. Februar dort einmarschieren. Unklar ist freilich, ob der kriegsunerfahrene Noske den Sinn des Wortes "Kapitulation" begriffen hatte, unklar auch, ob er überhaupt etwas begriffen hatte. Jedenfalls marschierte die Division am 4. Februar schnurstracks nach Bremen ein, tötete 75 Menschen, verbreitete Angst und Schrecken und zog danach wieder ab. Das sollte den Bremern für was auch immer eine Lehre sein.

In mitteldeutschen Bergbaurevieren und in Berlin, wo im März Streiks ausbrachen ließ Noske seine Freikorps ebenfalls aktiv werden. Schließlich sollten diese Soldaten nicht auf dumme Gedanken kommmen, weil sie zu lange ohne Morderlaubnis blieben. Die KPD hatte in Berlin schon wieder die Räterepublik ausgerufen, denen war also anders gar nicht mehr beizukommen. Im Gegensatz zur "Niederschlagung" des Bremer Was-auch-immers wurden hier jedoch nicht nur 75 Menschen, sondern über 1000 brutal gequält und umgebracht. Ups! Ja, das könnte an Gustav Noskes Befehl gelegen haben, jeden umzumähen, der dieser Tage eine Waffe trug. Da war das Spektrum gleich viel breiter. Als dann die Freikorps in Berlin nach mehr Blut schrien setzte Noske die Bedingungen stückweise weiter herab, um die Lage nicht eskalieren zu lassen. Seit dem achten März durfte also jeder Hutträger erschossen werden, seit dem zwölften jeder, der verdächtig guckte und seit dem vierzehnten, etwas allgemeiner, jeder.

Ein gefügiger Mörder erwartet neue Befehle von seinem großen Herrn, Gustav Noske (hier mit Ausgehheiligenschein)

Im April waren die "Aufstände" der Räte weitestgehend unter Kontrolle und auch die Freikorps hatten alle Hände voll zu tun mit standesrechtlichen Erschießungen von Kommunisten oder solchen, die im Verdacht standen, es zu werden. Da bemerkte Noske ganz plötzlich, dass ja seine Freikorps noch gar nicht in München waren! Wahrscheinlich wäre der kluge Mann nie darauf gekommen, wären nicht Anregungen aus der rechtsradikalen Szene in Bayern selbst gekommen. Zunächst einmal hatten dort arbeitslose Soldaten ein wenig Radau gemacht, nachdem die Wahlen zum Bayerischen Landtag für die Sozialisten nicht gut gelaufen waren. Zu den Ermordeten gehörten ausgerechnet Pazifisten unter denen auch Kurt Eisner war. So etwas konnte man im Reich nun gar nicht gebrauchen.

Erschossene Sozialisten und Pazifisten waren aber noch kein Grund, gleich die Freikorps nach München kommen zu lassen, nein, das geschah erst, nachdem ein Kommunist sich mit einer Pistole im Landtag für das Attentat rächen wollte. Nachdem schließlich die Arbeiter- und Soldatenräte wieder das Zepter des unfähigen Landtags in Empfang nahmen und USPD und SPD, jetzt zur Abwechslung mal auf Länderebene, an einer gemeinsamen Regierung gescheitert waren, verjagte ein Revolutionsausschuss die SPD-Abgeordneten und gründete eine "Rote Armee" in München. Dieses Zauberwort bedeutete in Berlin so viel wie "Bitte völkische Verbände und neue Freikorps ausheben". Gesagt, getan, Mitte April wagten die Rechtsradikalen einen Vorstoß gegen die Rote Armee in München. Die war freilich nicht viel besser als die Gegenseite und ließ ihren Hass erst einmal an der Münchner Bevölkerung aus. Am zweiten Mai traf in Bamberg, dem Heerlager der Rechten Idiotennachschub aus Berlin ein und so gingen nun rund 35.000 Mann gegen den roten Armeehaufen in München vor. Was danach kam, ist aus Jugendschutzgründen nicht in diesen Artikel eingeflossen. Was sich sagen lässt, ist, dass die Freikorps bei "nur" 600 Opfern aus der Münchner Bevölkerung einiges an Kreativität aufwandten, was die Hinrichtungen anbelangte. Dabei konnte man nun wirklich nicht noch Rücksicht auf unschuldige Zivilisten nehmen, die rund die Hälfte aller ermordeten Personen ausmachten.

Mit der Münchner Räterepublik endete die revolutionäre Agitation der radikalen Linken weitestgehend. Die weise Regierung in Berlin hatte durch den dezenten und diplomatischen Einsatz in der ersten Jahreshälfte viele Freunde gewonnen. Doch nicht nur das trug wohl auf lange Sicht zur Verspannung der politischen Lager bei. Denn überall da, wo Noske mit seinen Freikorps mähen ließ, fiel neben dem blühenden Hass der Linken auch rechte Saat auf fruchtbaren Boden. In Bayern konnten sich endlich mal die Bürgerlichen durchsetzen, die sich schon lange über den vielen Bolschewismus geärgert hatten. Schuld an ihm waren ...sagen wir... die Juden...,denn die...naja...also...die waren ja sowieso an allem Schuld. Zum Schutz vor den Juden oder anderen unsichtbaren Feinden wurden also künftig in Bayern alle paramiltärischen Terrororganisationen akzeptiert solange sie nur ordentlich rechts waren. Regiert hat in dieser Zeit nicht das Zentrum oder die BVP (Bayerische Vollspasten und Pisser), sondern, ganz nach Berliner Vorbild, die SPD.

Ergebnisse

Die halbjährige Revolutionsphase im Deutschen Reich hat in der Deutschen Geschichte wenige Spuren hinterlassen. Trotz eines verstärkten wissenschaftlichen Interesses an den Revolutionsereignissen und den Chancen, die aus ihnen hätten erwachsen können, muss die Novemberrevolution als gescheitertes Spaßprojekt angesehen werden. Wobei- ein Scheitern setzt voraus, dass es ein Ziel gegeben hat...Es könnte auch durchaus der Verdacht aufkommen, die gelangweilte deutsche Politik habe nur versucht, sich bis zum Erscheinen des Friedensvertrags irgendwie die Zeit zu vertreiben und nebenbei ein paar Probleme zu beseitigen, indem sie neue schuf. Mit Blick auf die "Ergebnisse" der Revolution ist dies eine durchaus stimmige Deutung, die heute auch von vielen Historikern geteilt wird.

  1. Die traumatische Niederlage des Weltkriegs konnte gut verarbeitet werden, indem zukünftig die Bombenleger von rechts und links ihre unbegründete Wut auf den Staat an den Buhmännern von der SPD auslassen konnten.
  2. Eine grundlegende Strukturreform der vordemokratischen, kaiserzeitlichen Gesellschaftsordnung blieb aus, aber gut, dass mal drüber gesprochen wurde.
  3. Die SPD kam an die Regierung, obwohl sie sich selbst eingestehen musste, dass das eine schwachsinnige Idee war.
  4. Der Irrtum wurde als dauerhafte Grundforderung in das neue Parteiprogramm der Sozialdemokraten aufgenommen.
  5. Die Parlamentarisierung schritt voran, leider so schnell, dass es die Zeitgenossen mit der Angst zu tun bekamen und gefährliche parlamentarische Instrumentarien wie die Fähigkeit zur Bildung von Koalitionen und regierungsfähigen Mehrheiten von vornherein mit reaktionären Gesetzen entgegenwirkten. Wähler und Parteipolitik halfen in der Folge mit, dass es so blieb.
  6. Die zahlreichen versprengten Kriegsheimkehrer ohne Arbeit und Perspektive konnten in halblegalen Freikorps gesellschaftlich erfolgreich wiedereingegliedert werden.
  7. Die Reichswehr, in der die jungen Kerle ausgezogen waren, um das Töten zu lernen fand im Inland mit einer Vielzahl von Aufträgen neue Beschäftigungsmöglichkeiten.
  8. Die desolate wirtschaftliche Lage bleib weiterhin unreglementiert, aber man schloss nun Verträge, um Lösungen effektiv aufschieben zu können.
  9. Der Acht-Stunden Tag wurde eingeführt, damit er später wieder abgeschafft werden konnte.
  10. Brot und Bedarfsgüter wurden teurer, Geld billiger. Ein Scherz- es gab natürlich weder Brot noch Bedarfsgüter.
  11. Die meisten Reichsländer konnten ihre sinnlose Gesetzgebung nicht fortführen, wofür die dortigen Bewohner der Republik ihren Dank ausdrückten.

Literatur

Memoiren, Quellen, Biographien

  • Friedrich Eber, Ihr wolltet mich doch auch..., Berlin 1925.
  • Ulbricht Walli, Niemand hatte die Absicht eine Revolution zu beginnen, Garol Morks Stodt 1958.
  • Philipp Scheidemann, Ja sorry, aber... was ich erlebte, Kassel 1937.
  • Matthias Erzberger, Einer musste es ja machen, Heidelberg 1925 posthum.
  • Max aus Baden: Mit dem Schrott hatte ich nichts zu tun. Dokumente, Berlin/Leipzig 1927.
  • Eduard Bernstein: Die deutsche Revolution von 1918/19 in meinem Zimmer. Geschichte der Entstehung aller Probleme, hrsg. v. Heinrich August Winkler, Bonn 1998, ISBN 3-8012-0272-0.
  • Karl Liebknecht, Wer mich am 15. Januar 1919 erschossen haben könnte. Eine Analyse, Berlin 1929.

Überblicksdarstellungen und Spezialstudien

  • Heinrich August Winkler, Von der Revolution zur Stabilisierung. Arbeiter und Arbeiterbewegung versauen die Weimarer Republik 1918 bis 1924, Berlin 1984. ISBN 3-801-20093-0
  • Reinhard Rürup, Probleme der Revolution in Deutschland 1918/19 Bd. I-V., Wiesbaden 1968, 5621 S.
  • Gerhard Schulz, Das was Reinhard Rürup geschrieben hat, Tübingen 2004.
  • Eberhart Kolben, Die Arbeiterräte in der deutschen Innenpolitik 1918–1919? Warum nicht?, Frankfurt im Main/Berlin/Wien 1978.
  • Susanne Miller, Die Hürde der Macht 1918-1920. Als die SPD zum ersten mal zu blöd zum Regieren war, Düsseldorf 1978. ISBN 3-7700-5095-9.
  • Arnold Wirsing, Noch ein Buch über die Weimarer Republik. Keine neuen Erkenntnisse, Göttingen 2009.
  • Klaus Schönhoven, Mord und Totschlag. Hauptsache KPD, Berlin (Ost) 1988.
  • Ursel Büttenredner, Die ganze Wahrheit über die Weimarer Republik - interessiert eh keinen, Stuttgart 2008.
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