Materialismus
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Der Materialismus ist eine aus dem Egoismus entstandene polytheistische Weltreligion.
Das Symbol der Religion (siehe unten) stellt ein I dar, welches von einem S umschlungen wird. Das I steht dabei für "Ich" (englisch I), das S für "Selbst" (englisch: self). Das Selbst umschlingt das Ich, das Programm des Materialismus, welches in jedem Moment des Glaubens sinngebend und handlungsrelevant ist.
Verbreitung
Nach anfangs unbedeutender Ausbreitung in biblischen Kanaaniterkreisen und in Gomorra gelangte der Materialismus zu größter Blüte und Anhängerschaft in der sogenannten weltlichen Welt. Anfänglich in den kaufmännischen Gilden und handwerklichen Zünften der mitteleuropäischen Städte beheimatet, verbreitete er sich schnell über die Handelsstraßen und armen Bauern hinweg nach Osten und vor allen nach Süden, wo sich in Oberitalien erste Hochburgen lombardischer Geldprägung entwickelten.
Zuerst war es den Seefahrervölkern spanischer und portugiesischer Konvenienz gegeben den Glauben nach Südamerika und dahin, wo der Pfeffer wächst zu tragen, später wirkten auch verschiffte britische und niederländische Glaubensboten in Asien und vor allen Nordamerika. Dort und zeitlich etwas versetzt auch in China, Indien, sowie Japan, etablierte sich der Materialismus schnell als Erfolgsmodell und wurde zur vorherrschenden Glaubensrichtung, unbedeutendere Sekten, wie Christentum, Hinduismus oder Buddhismus verdrängend.
Längst bezieht die Religion ihre Anhängerschaft nicht nur mehr aus Adelskreisen, sondern auch aus Skrupellosen, Gewissenlosen und Religionslosen. Sie verbindend dient ihnen eine allgemeine Lieblosigkeit. In Zukunft könnte sie sich in einem eigenen Land als oberstes politisches Prinzip etablieren.
Ursprünge
Bezeichnung
Die etymologische Wurzel des Wortes Materialismus liegt im lateinischen materia für „Stoff“ und dem Suffix –ismus, der die Anhänger einer daraus resultierenden theoretischen Bewegung oder Ideologie bezeichnet, die sich von anderen Gruppen distanzieren will. Somit ist der Materialismus eine elitäre, abgrenzende, rein stoffliche Ideologie, die alle menschlichen Bedürfnisse und Ziele im Diesseits, der Materie, zu erfüllen trachtet und geistige, unsichtbare Kräfte ablehnt, also übersinnliche, ungreifbare Götter verneint.
Aus dieser Definition heraus erklärt sich eine Gründungslegende die im Kiffermillieu spielt und dem Protagonisten durch Einnahme von genügend Stoff göttlich-geistige Welten entbehrlich machte. Er erkannte, dass schon der Stoff an sich allein zu gewissenloser Klarheit führt und ein erstes Gebet hervorbringt: „Ist mir geholfen, ist allen geholfen!“
Mythologie
Eine ursprüngliche mythologische Grundbetrachtung geht davon aus, dass der Materialismus alle reich und glücklich macht, vorausgesetzt man ist reich und damit glücklich. Die eigene Grenze der Ausbreitung dieser Glaubenslehre endet lediglich bei noch mächtigeren, egoistischeren Glaubensbrüdern und –schwestern, keineswegs bei ausbeutungswürdigen Kleinbauern, sozial Schwachen oder konsumverweigernden Gesocks.
In der Mythologie fußt weiterhin die unverrückbare Vorstellung, dass sich Märkte stets selbst regulieren und keine von außen einwirkende Kraft benötigen. Als logische Konsequenz daraus gilt ständiges Wachstum als erwünschte Seelig- und Gewinnmachung. Dies klingt mythologisch in der geglaubten Unendlichkeit der Rohstoffe und der natürlichen Ressourcen an, die schließlich als die „kleineren Brüder“ betrachtet werden, gehören sie doch ebenso substantiell zur Stofflichkeit, wie man selbst.
Auch eine eschatologische Komponente kann in den Überlieferungen erkannt werden. Am Ende all des unendlichen Wachstums, der Gewinnmaximierung und des Raffens steht die Vernichtung der Menschheit und des Globus in einem gewaltigen Börsencrash, bei dem der Lebensindex auf Ramschniveau herabgestuft wird.
Geschichte
Allgemeine Geschichte
Als die Männer noch das Mammut erlegten und die Frauen um die Höhlen Preiselbeeren sammelten, sowie Kinder aufzogen, war die allmächtige Natur das erahnte Göttliche des Menschen. Alles Erjagte wurde in der Sippe geteilt und sollten einmal zu viele Mitesser vorhanden sein regulierte man die humanoide Population durch Zertrümmerung von feindlichen und altersschwachen Schädeldecken.
Die Sesshaftwerdung während der Jungsteinzeit zeigte dann dem Menschen, dass er auch durch eigene Anstrengungen ohne Einmischung eines höheren Wesens durch Ackerbau aus dem Boden Frucht gewinnen konnte. Es entstand eine individuelle Überheblichkeit, eine Ichbezogenheit, die als Egoismus bezeichnet werden kann. Dieser Zustand ist die Vorstufe und Initialzündung des Materialismus, denn schnell wurde offenbar, dass ein Überschuss keineswegs an die Sippe verteilt zu werden braucht, sondern gewinnträchtige Tauschgeschäfte das Zuviel nochmals vermehrt. Das Göttliche eines höheren Wesens floss gewissermaßen in das Stoffliche, Materielle, welches weitaus mehr unter der Kontrolle des Menschen stand, als irgendein Papa Schlumpf im fernen Himmel.
Bei den Hirtennomaden der Frühzeit erkennt man dasselbe Muster: Ein entstehender Überfluss im Tierbestand eignet sich besser zum Tausch gegen glitzernden Tand aus Gold, Silber oder Bronze, als zur Nährung der Besitzlosen im damals schon vorhandenen bronzezeitlichen gesellschaftlichen Hinterhof. Weit darüber entwickelte sich bereits eine im Glauben des Materialismus fest verhaftete Oberschicht. Da diese die zu besitzenden Waren bald zu wenig wurden, fügte man noch Menschenleben hinzu, denn Sklaven mehrten das Ansehen gegenüber anderen, aber auch die eigene Wertschätzung ungemein. Männer gefiel daran vor allen, dass Frauen im neuen Glauben als Besitz besser zu handhaben waren, als durch anstrengende Liebesbeweise.
Im antiken Griechenland und während des römischen Weltreichs begann eine expansive Ausbreitung des Materialismus, der allerdings weniger auf Mission ausgelegt war, sondern auf radikale Festigung des eigenen Glaubens. Grausame Heerführer stiegen zu Heroen des Glaubens auf und diese plünderten und löschten unwürdige, schwache Völker aus, um deren Besitz als Beweis der Überlegenheit der ausgeübten Religion an sich zu bringen. Dies steigerte sich zu einer grenzüberschreitenden Davonraserei, die sich als Völkerwanderung in die Geschichte niederschlug mit dem Ziel lieber das bereits erwirtschaftete anderer an sich zu bringen, als selbst etwas zu produzieren. Selten wechselten die sakralen Gegenstände des Materialismus, der Besitz, schneller seinen Besitzer, als in dieser Zeit mit dem Ergebnis, dass entweder aller Besitz irgendwann unauffindbar vergraben war oder als Reisebudget verbraucht.
Erst gut 1000 Jahre später erstand aus dem Egoismus des Mittelalters in der Renaissance eine reformierte materialistische Glaubensbewegung. Deren sakrale Gerätschaften wandelte sich vom Mistvieh nun zur Papierform, die man Geldscheine, Wechsel oder Schecks nannte. Im Gegensatz zu heute verstanden es die lombardischen Italiener damals mit fremden Besitz umzugehen, weshalb man ihn ihnen vertrauensvoll anvertraute, und wurden zu einer Art Priesterschaft des Materialismus, deren deutsche Ministranten Fugger oder Welser hießen. Um einen immerwährenden Zustrom von Glaubensinhalten von unten, dem gemeinen Volk, zu erhalten, schickte man die königlichen Schergen und Steuereintreiber durch die Lande, die auch vor gewaltsamer Aneignung sakraler, materieller Gegenstände nicht zurückschreckten. Manchmal wollten die Bauern diese nicht so einfach hergeben und rotteten sich zur Verteidigung in Aufständen zusammen, doch stets zeigte sich der feudalistische Glauben als stärker und die bäuerlichen Köpfe als lockerer unter der Richtschwertschneide sitzen. Es war die Zeit, in der sich das Christentum im niederen Volk etablierte, das lieber einen gerechten Gott, als einen korrupten Herrscher über sich haben wollte und der Adel dem Materialismus den Vorzug gab. Dies führte zu Hexenverbrennungen im Namen des christlichen Glaubens im dumm gehaltenen Volk und zu Städteverbrennungen im Namen des materialistischen Glaubens unter den raffgierigen Feudalherren.
Sie sicherten sich auch durch das Lehnsrecht die Vormachtstellung ihrer Religion und erkannten erneut die Eignung von Menschenleben als Opfer am Altar des Materialismus. Zwar brach dieses Opferwesen im Humanismus im geringen Umfang ein, aber die sogenannte Industrieelle Revolution, die eigentlich wiederum eher als eine Reformbewegung des Materialismus bezeichnet werden kann, spülte gleichermaßen große summarische Glaubensinhalte in die religiösen Säckel der materiell Gläubigen. Für diese wirkten damals teilweise sogar Kinder als Religionsträger, die durch ihre kaum bezahlte Arbeit, meist unter Tage, wertvolle Dienste für ihre Herren erwiesen. Die gnadenvoll frühe und hohe Kindersterblichkeit ersparte eine teuere soziale Absicherung für das Alter.
Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts, führte die mangelnde soziale Komponente im Materialismus zu einer kirchlichen Gegenbewegung, deren Thesen der Reformator Karl Marx an die goldenen Türen des Kapitals heftete. In diesen Thesen fordert er eine Aufhebung der Glaubensgrundlage des Materialismus, dem Egoismus, und eine luschenhafte Solidarisierung mit leistungsunwilligem, unterschichtigem Arbeiterpöbel. Diese kurze Episode eines säkularen Materialismus, die kurzzeitig im Osten Europas Fuß fassen konnte, wurde bald durch eine gegenschwingende Pendelwirkung aufgehoben, die als neoliberaler Materialismus bezeichnet wird.
Dieser entstand im angelsächsischen Sprachraum, vor allen in Nordamerika, und steht unter dem Gesetz der 4 Gebote, die da lauten:
1. Gewinne werden kapitalisiert.
2. Verluste werden sozialisiert.
3. Märkte regulieren sich selbst.
4. Fließen aus den Märkten keine Gewinne mehr, sind es damit keine Märkte und müssen von der Allgemeinheit reguliert, sprich mit neuem Geld versehen werden.
Verfolgungen
Neben den Schießbefehlen deutscher Monarchen auf ihr Volk im Vormärz und später durch den Marxismus, bei dem sich Arbeiter-, Bauern- und Soldatenstände mit Gewehrkugeln entleibten, fanden in Europa kaum Verfolgungen der Anhänger des Materialismus statt. Anders hingegen zeigte sich die Lage in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf Kuba, in Nordkorea, Russland und China. Verdammungswürdige Ketzer, die auf Castro, Lenin, Stalin oder Maoam hörten, schickten Materialisten in Gefängnisse, Gulags in Sibirien oder gar in die Hölle, also den finanziellen Ruin. Die Märtyrer des Glaubens spornten amerikanische GI’s in Schweinebuchten, in Heartbreak Ridge oder der Rüstungsfront an, die eigenen Götter als unbesiegbar darzustellen und einen Glaubenswechsel des marxistischen Kommunistenpacks herbeizuführen. Diese gewaltsame Mission war allerdings weniger erfolgreich, als eine Ende der 1980er Jahre durch die Forderung von persönlicher Freiheit hervorgerufene kommunistische Glaubenskrise, die materialistische Propheten wie Ronald McDonald, Bill Gates, Steve Jobs oder der Heilige Bimbam in die Länder des Ostens strömen ließ.
Die Bedrohung materialistischer Glaubensgrundsätze nach den Selbstkasteiungen durch einen Herrn Lehmann und seinen Brüdern 2008 verursachte kurzzeitig zahlreiche Kirchenaustritte aufgrund Verarmung. Auch die Pläne hysterischer Finanzminister europäischer Länder den materiellen Glaubensalltag durch häretische Finanztransaktionssteuern zu stören, ließ Zweifel an den geistigen Grundfesten der Materialisten aufkommen. Doch auch aus dieser Krise konnten sie gestärkt und risikobereiter denn je hervorgehen, zumal man mit dem Derivathandel einen transzendentalen Glaubensinhalt besitzt, ähnlich der katholischen Scholastik, der geistig und stofflich unsichtbares in einen tatsächlichen materiellen Zustand überführen kann.
Abspaltungen
Aufgrund seiner stark egozentrisch bindenden Wirkung am Äußerlichen hatte der Materialismus in seiner Geschichte kaum Abspaltungen zu erleiden. Eine 1968 in Studentenkreisen entstandene stark betäubte Hippiebewegung blieb im sexuellen Keim und später im Establishment stecken. Allerdings bildete sie den Grundstock einer Sekte von Konsumverweigerern, die gekleidet mit Schafwollpullis und Feincordhose eine autarke Lebensweise ohne Götter in Freiheit anstrebte. Daraus erwuchs im Zuge jeder sich anbahnenden Kristallisation neuen Gedankenguts eine grün-ökologische Strömung, die sich auch parteipolitisch als „Die Grünen“ etablierte.
Doch auch diese gedankliche Zukunftsform verstofflichte sich weiter und erstarrte in den Nuller-Jahren zum typischen, nun im Geheimen dem Materialismus angehörenden Grünen-Wähler, der sich eines hohen Einkommens als Oberlehrer oder Verwaltungsbeamten erfreuen kann und immer dort den Materialismus anprangert, wo seine eigene Lebensqualität nicht beeinträchtigt wird. Seine Weiterentwicklung ist der militante Wutbürger oder Empörling, der weder unterirdische Bahnhöfe, abgeholzte Ziersträucher, noch Rauchverbote in Eckkneipen duldet. Diese versteckten Glaubensbrüder werden auch als Empörkömmlinge bezeichnet.
Pantheon
Die wichtigsten Gottheiten
Der Pantheon des Materialismus ist patriarchalisch geprägt und kennt als oberste Gottheit den Neid. Er paarte sich in grauer Vorzeit mit der Gier. Sie gebiert die Töchter Macht und Gewinnmaximierung und die Söhne Profit (Symbol: das Tortendiagramm) und Erfolg, dessen Attribut die nach oben gestreckte Faust ist.
Daneben gibt es noch eine Vielzahl von Ungeheuern, Riesen, Heroen und göttliche Tiere, wie etwa der Kredithai, die Finanzheuschrecke oder der börsianische Bär und Bulle.
Die Propheten
Zu den bedeutenden Propheten des Materialismus zählen der inzwischen heilig gesprochene Steve Jobs, Bill Gates, Ronald McDonald und der sogenannte alte Prophet Warenbuffet. Ihre prophetischen Gaben stellten auch Norbert Blüm unter Beweis, der den Zauberspruch verkündete: „Unsere Renten, die sind sicher“ und ein kanzlerhafter Saumagenbevollmächtigter, dessen Attribut ein Kohl ist, der die Vision einer blühenden Landschaft in ostdeutschen Gefilden erhielt.
Der Ahnenkult
Gerade in Familienkirchen des Mittelstands werden die verstorbenen Väter als Firmengründer im Stand der Heiligkeit verehrt. Auch sogenannte Wirtschaftsweise werden zu Rate gezogen, wenn es um wichtige theologische Glaubensinhalte geht. Die innovative Aktionsbereitschaft der Jugend zur Erschließung neuer Ausbeutungsfelder prallt hier oft auf die konservative, einbremsende Geisteshaltung verstorbener Kirchengründer. Dabei entstehen Glaubenssätze wie: „Früher war alles besser, auch die Zukunft“ oder: „Der Erste schaffts, der Zweite erhälts und der Dritte verprassts“.
Ideologie und Lehre
Kosmologie
Der im Materialismus verehrte Planet ist Merkur. Er steht für die Denkfähigkeit, die Kommunikation und die Lernfähigkeit aus allen Situationen die größtmöglichen eigenen Vorteile zu schöpfen. Sind Prognosen oder Analysen der materialistischen Prophetie ungenau, spricht man es aus: „Es steht in den Sternen“. Von ihnen erlangt die Religion damit im geringen Umfang ihre Kraft.
Das materialistische Universum wird in eine Ober- und Unterwelt geteilt. Man nennt sie auch Berg- oder Tiefbau und Hochbau. Aus der einen Welt werden die Rohstoffe entnommen, die in der anderen Welt benötigt werden. Der Osten steht dafür, dass von dort die gelbe Gefahr und der Russe kommt, im Süden sitzt die Faulheit und Fiat, im Norden die Kühlheit und Scania, im Westen der Ami und die Wall Street.
Gottesbild, Philosophie
Der Materialismus besitzt einen manichäischen Glaubensanteil, der den Widerspruch Gut und Böse zum Inhalt hat. Diese Schwarz-Weiß-Malerei lässt Achsen des Bösen, Schwarzgelder, Finanzkartelle oder die Mafia entstehen, aber auch Geldwäsche und weiße Westen, positive Bilanzsummen oder AAA-Ratings. Die obersten Gottheiten Geiz und Neid spiegeln sich in dieser Weltanschauung wider.
Zu diesem Gottesbild gesellt sich eine umfangreiche Geisterwelt. Sie ist geprägt durch Finanz- und Immobilienblasen, Scheinbilanzen oder virtuellen Rohstoffhandel. Aus dieser Welt strahlen die Geister des Betrugs, der Fälschung oder der Unterschlagung in die Bilanzrealität herein. Dennoch treibt der Überlebenswille der Materialismusgläubigen sie zu immer höherer Risikobereitschaft an.
Das Almosenwesen ist nur wenig ausgeprägt, außer es tritt in Stiftungsform auf oder als steuerliche Absetzungsmöglichkeit. In der Regel gelten aber kostenlos verteilte sakrale Gegenstände, wie Besitztum oder Bargeld, als destruktiv und ohne Gewinnaussicht als Ursache reuiger Buße.
Die Sünde an sich und eine Buße dafür ist kaum verbreitet. Als Sünde gilt eher das Nichthandeln, das Versäumen von Gelegenheiten, das Nichtanwenden von Betrugsmöglichkeiten. Die Buße dafür wird vom Gott Neid auferlegt, der mit dem Gläubigen versucht sein Fehlverhalten beim nächsten Mal auszugleichen und auch Antrieb schenkt zur Herbeiführung von Situationen, die wieder ganz dem Götterdienst entsprechen.
Neben den 12 Zylindern des firmeneigenen Ferrari hat im Materialismus vor allem das Geld zu arbeiten. Dieses schiebt seine Verantwortung auf die niedere Arbeiterklasse ab, die zu produzieren hat. Die produzierte Menge muss dabei immer effizienter vergrößert werden, weil das Geld durch Zins und Zinseszins danach strebt sich ohne eigenes hinzutun zu vermehren.
Menschenbild
Das materialistische Menschenbild will in Bewerbungsunterlagen und Präsentationen Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit vortäuschen, aber ebenso scheinheilige Nächstenliebe, die sich in Arschkriecherei äußert, wenn es darum geht in ein einkommenstechnisch höherwertiges Karrierecluster zu gelangen. Feindschaften innerhalb der Glaubensgemeinschaft sind versteckt und intrigant auszuüben, eine Friedenspflicht besteht nur bei Tarifauseinandersetzungen zwischen den Ausbeutungsblöcken. Als oberstes Ziel gilt es Wohlstand für alle zu schaffen, der oktroyiert, dass derjenige, der dieses Ziel nicht erreicht in Glaubensdingen zu lau und in seiner Wertigkeit zu unwürdig ist.
Überhaupt gelang es dem Materialismus beim Menschen ein für alle mal nicht objektiv verifizierbare innere Werte durch exakt zu taxierende äußere Werte zu ersetzen. Ein Mensch erhält seine Qualitäten durch fette Autos, jüngere Frauen oder Männer an seiner Seite oder andere genau festgelegte Statussymbole, die eine soziale Rangfolge in der Glaubensgemeinschaft suggerieren. Einzelne Körperteile, wie freiwillig verkaufte Nieren aus Indien oder eine unfreiwillig ausgeweidete Leber eines brasilianischen Straßenkinds, erhalten in Devisenmengen ausdrückbare Wertigkeiten.
Der materialistischen Ideologie wird auch die Ernährungslehre untergeordnet. Die Mahlzeiten werden zu Arbeitsfrühstück oder Arbeitsessen ritualisiert. Sich in heiligen Messen des Materialismus befindliche, an den Bildschirmen, News-Tickern oder vor der Financial Times und dem Kontoauszug, gönnen ihrem Körper in asketischer Entzückung meist nur eine schnelle Currywurst oder den Pizzaservice.
Naturverehrung
Die Ökologie hat im Materialismus einen hohen Stellenwert. Bäume, Pflanzen, Trinkwasser oder fossile Brennstoffe erhalten im Glaubensbekenntnis des Rohstoffmarktes eine minütliche Wertigkeit zugeordnet. So gelten beispielsweise Edel- und Tropenhölzer als beliebte Opfergabe für den Gott Profit, für bessere Verkaufspreise zurückgehaltenes Getreide sind der Göttin Gier gewidmet, Hungersnöte am Horn von Afrika in Kauf nehmend. Die Luft wird mittels des Emissionshandels geehrt. Er bringt die Anzahl an Lungenkrebs erkrankter in der Nähe des Chemiewerks mit dessen gesamtwirtschaftlichen Nutzen innerhalb der Religion in eine vernünftige materielle Relation zueinander.
Besonders erhaltenswerte landschaftliche Schönheiten werden im Glaubensbekenntnis des Grundstückspreises erwähnt. Erst wenn man den Göttern Gier und Gewinnmaximierung ihren Tribut zollt, kann die Natur als heilige Opfergabe ihrer wahren Bestimmung zugeführt werden.
Auch die Tierwelt besitzt im Materialismus eine feste Größe. Die Größe der Hühner wird beispielsweise in den Legebatterien berücksichtigt. Dasselbe geschieht mit Schweinen oder Rindern in Großbetrieben, die auch dem natürlichen Herdenverhalten dieser Nutztiere durch Massenhaltung Rechnung tragen.
Heilige Schriften
Die Kinderbibel des Materialismus ist der Playmobilkatalog. Später rücken andere Kataloge, etwa für Autozubehör, Schuhe oder elektronische Geräte an ihre Stelle. In den Wirtschaftsuniversitäten, den Ausbildungsstätten zukünftiger materialistischer Kirchenprediger, ist das BWL-Schulbuch Hauptschrift der Religion, in der verschiedene Auslegungsmöglichkeiten bekannter Lehrsätze verzeichnet sind.
Andere Heilige Schriften sind der Effekten- und Börsenspiegel, die Financial Times, das Wall Street Journal, das Handelsblatt oder das Raiffeisenbankgebührenverzeichnis.
Nachtod
Ein Nachtodglaube wird im Materialismus nicht gelehrt. Da alle sakralen Gegenstände und äußeren Werte nur im Stofflichen vorhanden sind und genau bestimmbare Preise besitzen, kann der Tod nur das Ende allen Lebens und des eigentlichen Existenzgrunds des Menschen sein. Nichts kann in den Tod mitgenommen werden, womit er lediglich zum willkommenen Mehrer der Erben wird.
Beziehung zu anderen Weltanschauungen
Die Religion hat kaum Beziehungen zu anderen Weltanschauungen, betrachtet man deren eigentliche Lehren, sie verdrängt sie aber zusehends auf massive Weise. Mit dem Christentum entstand eine Mischkalkulation, die weltliche Güter als Lohn für die Arbeit mit den geistlichen Welten sieht. Da aber im Christentum Zinsen als verwerflich gelten, zeigt sich hier ein Konfliktfeld mit dem Materialismus. Im Mittelalter wurde dieses mittels dem Judentum gelöst, heute durch Glaubensverleugnungen auf christlicher Seite.
Betrachtet man die Kathedralen des Materialismus in islamisch geprägten Ländern erkennt man rasch, dass auch hier der Glaube an Allah auf dem Rückzug ist und gegen die materialistische Götterwelt kaum mehr bestehen kann. Ähnlich sieht es im Hinduismus oder Buddhismus aus, wie etwa in Indien oder China.
Größte Unterschiede bestehen natürlich zwischen den Weltanschauungen, was geistige Werte in dieser Welt und schon gar nach dem Tod betreffen. Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Nächstenliebe oder Altruismus besitzen im Materialismus nur Sinn, wenn sie als Opfer für eine der Gottheiten dient. Als reich gilt der, der viel besitzt und nicht, wie in der christlichen Tradition verankert, der, der wenig benötigt.
Ethik und Soziologie
Rolle der Frau
Der patriarchalische Materialismus hatte anfänglich für die Frau keine geeigneten Antworten auf das Leben. Lediglich als Tippse, Sekretärinnengeliebte oder Reflexionsfläche für männliche Egoismen konnte sie dem Glauben dienen.
Erst als Frauen Mitte der 1970er Jahre eigene Einkommen erwarben, wurden sie für die Religionsausübung mittels Konsum interessant. Bald entstand auch die erfolgreiche Frau im Hosenanzug, die weibliche Ausgabe eines männlichen Hohen Priesters. Neue Ansätze den weiblichen Qualitäten eine wichtigere Rolle im Materialismus zu übertragen werden mit der Einführung von Quotenfrauen verfolgt.
Familie
Als Weiterentwicklung des Egoismus hat der Materialismus mit dem Lebensplan Familie Probleme. Gerade Kinder hindern oftmals an der Erfüllung wichtiger religiöser Pflichten und werden zugunsten des Glaubens deshalb verneint. Sollte doch einmal eine Frau einen Karriereknick nicht zu vermeiden wissen, so unterliegt die Kindererziehung der Konditionierung auf den Glauben der Eltern. Die Erziehung erfolgt meist in Kindertagesstätten, Ganztagesschulen oder Internaten, aber ebenso vor dem Internet oder dem Werbefernsehen, um den Glaubensbetrieb der Eltern möglichst wenig zu beeinträchtigen.
Liebe und Sexualität
Die Paarfindung und die Paarung erfolgt im Materialismus stets zugunsten seiner Götter. Das „Hochschlafen“ ist diesen wohlgefällig und auch das Gebet: „Liebe vergeht, Hektar besteht“ zeugt von ehrfürchtiger Gottesliebe. Orte dieser Liebe sind nicht nur Kopierräume, sondern auch Hotelzimmer, die auf geheiligte Dienstreisen aufgesucht werden.
Allgemein sind Liebe und Sexualität deshalb in den Glaubensvorstellungen stets ein Ausdruck von Macht. Fehltritte, Fremdgehen, aber auch vortäuschen von Müdigkeit sind gelebte religiöse Grundsätze, die dem Egoismus dienen.
Organisation
Hierarchie
Finanziell reichlich ausgestattete Menschen stehen in der kirchlichen Hierarchie als Hohe Priester des Materialismus ganz oben. Sie unterscheiden sich weniger durch die Art ihrer zur Schau gestellten Statussymbole, die sind überall dieselben, sondern an der schieren Menge und Größe der Statussymbole. Millionäre sind in ihrer Religion Vorbilder und es gilt ihnen nachzueifern und dabei stets den Göttern Neid und Gier hold zu sein.
Die darunter angesiedelte Priesterschaft besteht aus Managern der verschiedenen Verwaltungsebenen, Börsenmakler, Sparkassenberater und Steuerberater. Sie wiederum sind in Grade eingeteilt, die etwa der New Yorker Börse, der Londoner Börse oder dem Rinderauktionshaus Buxtehude zugehören. Die Priesterschaft schließt sich auch zu Orden zusammen, wie Studentenvereinigungen, Bruderschaften, den Bilderbergern oder anderen Verschwörungszirkeln.
Die unterste Stufe der Glaubenslehrer bilden die Experten, selbsternannt oder lobbyistisch geprägt, die unter Politikerkreisen agieren oder in TV-Talks ihre Glaubensgrundsätze verkünden. Darunter findet sich das gemeine Glaubensvolk wieder, stets den Göttern huldigend und bei Ebay steigernd, bei Media-Markt kaufend oder das neueste Handy mit sich tragend.
Mission
Die mittelalterliche Missionierung durch Kaufleute oder angriffslustige Feudalherren wich im 20. Jahrhundert dem Prinzip der Abhängigmachung. Bedeutende Missionswerke dafür sind die Weltbank oder der IWF. Sie verstehen es Staaten und Kleinbauern in Entwicklungsregionen mittels Einsatz der materialistischen Götterwelt Schuldzuweisungen zu übertragen. Deren Verzug schafft die nötige Gefügigkeit und Abhängigkeit um Glaubensboten wie McDonalds oder Rohstoffausbeutern Zugang zu den Märkten zu gewährleisten.
Das Zauberwort hierfür nennt sich Globalisierung. Da es irgendwo auf der Erde immer Menschen geben wird, die für noch weniger Geld etwas produzieren und anderswo es Menschen gibt, die noch mehr dafür bezahlen, gilt die Globalisierung als wichtiger Antriebsmotor des Materialismus im 21. Jahrhundert.
Schulen
Neben den bereits erwähnten Wirtschaftsuniversitäten, welche die Hohen Priester der Religion ausbilden, gibt es auch viele kleine Glaubensschulen. Seminare beraten über die richtige Anrufung der materialistischen Götterwelt, Auditings schaffen eine vorteilhafte geistige Einstellung hierfür. Morgendliche Briefings und E-Mail-Rundschreiben sollen die sogenannten „Soft facts“ optimieren, also die Menschen positiv im religiösen Sinn beeinflussen.
Religiöse Praxis
Orte der Anbetung
Dort, wo sich die Priester aufhalten, sind natürlich auch die Kirchen des Materialismus. Gerade die Börsen gelten als Tempel der Eingeweihten. Der bekannteste Tempel steht in New York und ist St. Wall geweiht. Über die ganze Erde verteilt findet man weitere Anbetungsstätten, die meist vom Banken- und Sparkassenorden rituell gepflegt werden.
Andere Tempel sind die Konsumtempel außerhalb der Städte in den Gewerbegebieten. Die Gläubigen parken mit ihrem religiösen Statussymbol vor dem Anbetungsort, in dem sie dann beim Eintritt das Gefühl erhalten im Paradies anzukommen. Wie Weihwasser am Eingang christlicher Kirchen, werden hier Einkaufswagen oder Einkaufskörbe aufgenommen. Bei entspannender Kirchenmusik, sowohl in Fahrstühlen, als auch in den Toiletten, wird die Göttererfahrung zwischen all den Kirchenbänken, auch Wühltische oder Regale genannt, zum spirituellen Erlebnis. Seelische oder körperliche Defizite, diese auszugleichen die Schulmedizin längst aufgegeben hat, werden durch die heilsame Erleuchtung des Shoppings gelindert. Wer solche Befriedigungen im eigenen Heim erlangen will, tut dies per Internet am Computer.
Das Pilgerwesen zeigt sich im Materialismus stark ausgeprägt. Kleine, nahe Tante-Emma-Kapellen werden nicht zur Anbetung verwendet, vielmehr sind weit entfernte Glaubenscenter attraktiver und wirksamer in materielle Ekstase zu verfallen. Als regelrechte Pilgerzentren können sogenannte Outlet-Stores bezeichnet werden, die möglichst weit entfernt von überall zu stehen haben, aber ein unglaublich glaubensintensives Anziehungspotential für Gläubige ohne etwas anzuziehen besitzen.
Gebetspraxis
Eines der frühesten materialistischen Gebete stammt aus der Zeit des Römischen Reiches. Es lautet: „Geld stinkt nicht“ und wurde vom damaligen Hohen Priester Vespasian kreiert, als er die Pieselsteuer einführte.
Heute werden die Gebete meist im Werbefernsehen vorgestellt und dort zum Nachbeten aufgefordert. Es entstehen Stoßgebete wie „Geiz ist geil“ oder „Wohnst du noch oder lebst du schon?“, die den Glaubensanhänger zum Preisen der Göttin Gier anregen. Weitere bekannte Stoßgebete sind „Gib her!“ oder „Meins!“
Kult und Ritual
Der materialistische Kult passt sich stets flexibel den gesellschaftlichen Strömungen an. Findige Trendforscher erschaffen sakrale Gegenstände, die als „in“ bezeichnet werden. Ein immerwährender Kult der letzten Jahrzehnte ist allerdings das Zücken einer Plastikkarte, die als Tor zu paradiesischen Gefilden dient.
Obwohl auch in den börsianischen Kathedralen schwarze materielle Magie betrieben wird, sind Casinos und Wettbüros die eigentlichen Stätten dieser Kultrichtung. Rituelle Abläufe regeln das Überschreiten von Limits oder den Verlust der beiseite gelegten Studiengebühren des eigenen Kindes.
Das Fasten hat kaum Einzug in die religiöse Praxis erlangt, lediglich beim Ende von Ebay-Auktionen wird angespannt vor dem Computer sitzend kurzzeitig das Essen und Trinken verweigert, um dann das Stoßgebet „Meins!“ abzugeben. In Afrika oder weiten Teilen Asiens und Südamerikas hingegen trifft man das göttergewollte Fasten an, welches auch gerne als Hungersnot bezeichnet wird. Angeordnet ist es von den Hohen Priestern des Westens, die das Wasser, Land und die Lebensmittel der Fastenden der Göttin Gier opfern.
Die kirchlich-rituellen Orakelsysteme der Religion nennt man Börsenanalysen oder Wachstumsprognosen. Die dabei tätigen Wahrsager sind Börsenanalysten und Ratingagenturen. Eine besondere Art des Orakels ist die Rückversicherungsrisikobewertung, bei der nicht beeinflussbare Faktoren mit beeinflussbaren Faktoren vermischt werden, um als Ergebnis den nächsten Hagelschauer über Bottrop Kirchhellen vorherzusagen.
Für den Kult, aber auch den Messen, dienen manchmal der Priesterschaft Erlebnisverstärker und Aufputschmittel in Kräuterform. Gerne werden dafür Essenzen der Hanfpflanze und der Kokapflanze verwendet. Diese sollen zudem die bereitwillig gegebenen persönlichen Opfer der Priesterschaft mildern, die deren Gesundheit betrifft.
Das Opferwesen an sich ist eine der Säulen des Materialismus, denn das eigene Wohlergehen kann nur mit der Opferung eines anderen Menschen oder der Natur erreicht werden. Das Opfer kann blutig sein, ausgehend von Landverteilungskämpfen oder Krieg um Trinkwasser, aber auch unblutig, wie Hungersnöte, Landflucht oder Klimaflucht aufgrund von ungerechter Wohlstandsverteilung auf der Erde. Bauernopfer sind in der Politik oder den Vorstandsetagen üblich, wenn die eigene Verantwortung für eine materiell blasphemische Handlung, wie Dividendenkürzung oder Gewinnrückgang, auf untere priesterliche Hierarchien abgegeben wird.
Rituelle Tänze im Materialismus sind wenig verbreitet. Der biblische Tanz um das goldene Kalb sollte damals einen einzelnen Gott treffen. Nur der sogenannte Tanz auf dem Vulkan, den börsianische Hohe Priester gerne für die Götter Erfolg und Gier aufführen, kann als typischer Kulttanz bezeichnet werden.
Feste und Feiertage der Religion sind die Quartalszahlen, der Valentinstag für Floristen, aber auch das christliche Weihnachten und Ostern. Dort stehen aber nicht geistig-spirituelle Aspekte im Mittelpunkt, sondern logischerweise rein materielle. Oft verbunden mit den Feiertagen ist das rituelle Mahl. Das Arbeitsessen fand bereits Erwähnung, das gemeinsame Essen bei Aktionärstreffen und die Selbstbeweihräucherung bei besonderen Banketten gehören ebenso hierher.
Fetische, Symbole
Im Jahr 2001 verschwanden zwei der bedeutendsten Totempfähle des Materialismus: Das World Trade Center in New York. Doch neben diesen ehemals weithin sichtbaren Zeichen findet man verborgen im Alltag viele weitere Fetische und Symbole. Ob es nun das Luxusauto vor der Villa ist oder die Markenkleidung des Kleinkindes, welches damit im Kindergarten Bewunderung hervorruft, stets sind es Anzeichen tiefer Gläubigkeit. Ebenso Bilanzzahlen, Excel-Tabellen und Tortendiagramme. Dollar- und Eurozeichen in Augen und auf Quittungen sind die Symbole erfolgreicher materieller Götterverehrung.
Initiation, Sakramente
Sicherlich ist das einsame Kind inmitten seines mit Spielzeug überladenen Kinderzimmers der beste Einstieg, die Initiation, in die materialistische Religion. Der edle Kindersitz für das Auto oder der Premium-Carbonkinderwagen kann als 1. Sakrament, ähnlich der Taufe, angesehen werden. Die Sparbüchse, welche die Geldgeschenke der Großeltern aufnimmt, mit ihrem in Fülle klingenden Klappern ist das 2. Sakrament. Mit dem Eintritt in die Pubertät gilt es dem jungen Gläubigen durch Markenkleidung und halbjährig neu angeschaffte Mobilfunkfernsprechgeräte eventuell nicht vorhandene Elternliebe vergessen zu machen. Dabei kann ein Handyvertrag als sakramentale Firmungs- oder Konfirmationsurkunde angesehen werden. Erste Kontakte mit der Priesterschaft und eine Einführung in die Glaubenspraxis entstehen gleichfalls während dieser Zeit in Form von Börsenspielen an Schulen.
Im Erwachsenenleben bietet der Materialismus dem Menschen weitere Sakramente an. Die vollgültige Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft wird mit dem Kreditkartenvertrag bezeugt, die materiellen Götter werden in das Herz eingeladen, damit man ihnen zu Ehren und dem eigenen Vorteils willen wirken kann. Mit dem Ehevertrag, der getrennte Veranlagung vorsieht, wird das Sakrament der Ehe besiegelt, der Kreditvertrag bezeugt die unverbrüchliche Treue zur materiellen Priesterschaft, den Sparkassenberatern oder den Börsenspekulanten.
Als einzig nicht auf die eigene Person wirkendes Sakrament kann die Lebensversicherung bezeichnet werden. Sie dient dazu, fehlen immobile Argumente, auf den zukünftigen Lebenspartner oder die Lebenspartnerin sexuelle Reize auszuüben, die als Ziel eine sichere, sowie zuverlässige Paarungsmöglichkeit beinhaltet und eine Nutzbarmachung einer anderen Person zur Verwirklichung der eigenen. Doch auch dieses Sakrament wird neuerdings durch Auszahlung an den noch lebenden Prämienzahler diesem nutzbar gemacht. Die zuvor angewandte Todesklausel für eine Fälligkeit stellte allzu oft die Geduld des Begünstigen der Auszahlungssumme auf eine harte Probe, die er vielleicht nicht gewachsen war und der deshalb lebensverkürzende Maßnahmen für seinen Lebenspartner anwandte.
Bestattungsriten
Die Bestattungsriten in der Öffentlichkeit beschränken sich höchstens auf lautes scheinheiliges Geflenne über den Verstorbenen, vielleicht einen pompösen Sarg und massenweise Blumen, deren Verblühen nach der Löschung der Erinnerung der Hinterbliebenen an den Dahingeschiedenen eintritt. Die Trauerarbeit beginnt manchmal bereits am Sarg mit dem Streit der mutmaßlichen Erben.
Die eigentlichen Riten werden im Materialismus im Verborgenen abgehalten. Es sind die Notariate bei denen das letzte Sakrament, das Testament, zur Ausführung gelangt. In einer Vollstreckung wird das Leben des toten Gläubigen abgewickelt und seine Werte seinen Hinterbliebenen als Segnung einverleibt.
Kulturelle Errungenschaften
Eine herausstechende kulturelle Bereicherung schenkte die Religion der Weltgemeinschaft mit einer eigenen Religionssprache. Meist ist sie im Italienischen und Englischen verwurzelt. In den materiellen Wörterbüchern findet man Begriffe wie Skonti, Konto, Corporate Value, Shareholder oder Senior Assistant Manager. Gerade die neuen, modernen Ausdrücke, die sich auf Berufsbezeichnungen oder Funktionen beziehen, sollen dem Außenstehenden Seriosität, Integrität und Kompetenz vermitteln. Dabei trachten sie danach durch Verwirrung und Verschleierung einen Zustand herzustellen, wo sonst eigentlich keiner wäre.
Die filmische Aufarbeitung des Materialismus wird in Produktionen wie „Wall Street“ versucht, in der Michael Douglas den heiligen St. Wall spielte. Aber auch in 95 % der Sitcoms oder Fernsehproduktionen wird den Göttern gehuldigt. In Computerspielen wie „Die Gilde“ oder die „Anno“-Reihe werden junge Gläubige geschult.
Kritik
Wissenschaftsanspruch
In diesem Zusammenhang muss die Meinung von Globalisierungsgegnern und Antikapitalisten erwähnt werden, die dem Materialismus vorwerfen aus Gerüchten und Ahnungen Sachwerte zu erschaffen, die lediglich in der virtuellen Welt vorhanden sind. Dabei kritisieren sie, dass die Materialisten zwar bei anderen Religionen die geistigen Welten und Werte ins Lächerliche ziehen, aber nicht davor zurückschrecken selbst aus geistigen, virtuellen Welten weltliche Werte zu ziehen. Dies sei äußerst unwissenschaftlich und inkonsequent.
Die gleiche Unwissenschaftlichkeit kann festgestellt werden, wenn mit geborgtem Geld auf Preisanstiege oder Preisverfall von noch nicht existenten Waren gewettet wird. Gleichzeitig beispielsweise der christlichen Religion vorzuwerfen Ablasshandel für Sünden im Diesseits zu treiben, damit sie im Jenseits nicht der Buße bedürfen, ist heuchlerisch, zumal in einem Fall Menschen verhungern und getötet werden können, im anderen Fall nur Sachwerte vernichtet und Seelen gerettet.
Alleingültigkeitsanspruch
Die materialistische Theologie verbreitet heute einen Alleingültigkeitsanspruch, der Agnostizismus oder Atheismus befürwortet. Die Ableitung aller Lebensziele und dem Sinn des Lebens vor dem Hintergrund materiellem Erfolgs lässt in Lebenskrisen oder bei materiellen Misserfolg oftmals beim Menschen eine seelische Leere zurück, die dann gerne doch wieder mit verpönten geistigen Werten aufgefüllt werden. Kurz gesagt: In Lebenskrisen hält der Materialismus keine Antworten bereit.
Gerade aber das Christentum scheitert im Alltag an der Propagierung unverifizierter Ewigkeitsräume, die dem Quartalsdenken des Materialismus entgegengesetzt sind. Seine handfesten Werte, die sich in Zahlen auf Kontoauszügen oder Depots ausdrücken, korrelieren mit unsichtbaren geistigen Werten, die auf Gottesliebe und Sündenvergebung setzen. Der Mensch zieht dabei das seh-, spür- und hörbare vor.
Rassismusvorwürfe
Im Materialismus werden vor allem Vorurteile dafür genutzt bestimmte Konkurrenzgruppen zur Erlangung eigener Vorteile zu verunglimpfen. Aussagen wie Griechen und Italiener sind faul oder Chinesen plagiieren nur sind willkommene Allgemeinplätze, die gezielt zur Lenkung von Kapital eingesetzt werden. Stärker als den Teint beachtender Rassismus ist eher sozial bedingter Rassismus verbreitet. Dabei gilt es die Minderbemittelten ausfindig zu machen und sie so lange zu verfolgen und zu diskriminieren, bis ihre minderen Mittel den Verfolgern zufließen.
Eine universelle Bruderschaft, so die Kritiker, wird nur toleriert, wenn gemeinsam ein Dritter ausgebeutet werden kann. Somit kann es im Materialismus niemals Solidarität geben, weil sein Ziel eben die Schöpfung von Verlierer ist, deren sakralen Besitztümer in die eigenen Religionstempel verbracht werden.
Manipulationsvorwürfe, Lebensfeindlichkeit
Diese Kritik wurde allerdings stets entkräftet. Weder Erdölproduzenten, noch Lebensmitteldiscountern konnten vom Kartellamt irgendwelche Preismanipulationen nachgewiesen werden. Meist stammen diese Vorwürfe von zahlungsunwilligen Kunden oder solchen, die den legitimen gesellschaftlichen Mechanismen der westlichen Welt ablehnend gegenüberstehen. Auch deren Bezichtigungen die Religion wolle Monopole schaffen weisen auf eine lebensverneinende Haltung der Kritiker hin. Gerade die Bestrebungen des Materialismus auf das Leben Patente zu schaffen und diese in den Handel gewinnbringend mit einzubeziehen, spricht für ein lebensbejahendes Prinzip.
Antidemokratievorwürfe
Seit der Pleite von Herrn Lehmann und seinen Brüdern, sowie der Spannung von kontinentalen Rettungsschirmen, wird von Kritikern oftmals der Vorwurf vorgetragen, der Materialismus bedrohe auch die Demokratie an sich. Als Beweis dafür werden das wachsende Prekariat und die Demonstrationen in den von Verschuldung geplagten Staaten vorgebracht. Der ursprüngliche Demokratieanspruch Sicherheit für seine Bürger zu schaffen wird auf eine Sicherheit nur mehr für freie Märkte begrenzt.
Weiterführende Literatur
Literatur führt im Materialismus auch zu nichts weiter, als zur Bestätigung des eigenen Ego's, um dem sich der persönliche Kosmos wie die Zwiebeln einer Schale anordnet. Neben Steuerspartricks sind deshalb seit neuestem Bücher beliebt, die eine gnadenlose Erfüllung der eigenen Wünsche propagieren, auch im Verbund mit psychologischen oder fernöstlichen Helferlein. Ob Sprüche des Dalai Lama, Yoga oder japanische Gärten, in denen gerächt wird, all dies soll den geistentleerten Menschen für die selektierende Wildnis der materialistischen Welt stärken. Dort, wo sich beispielsweise im Christentum Gläubige entrückt und in Demut vor ihren Gott hinwerfen, werfen die Gläubigen des Materialismus das Handtuch vor ihren Göttern und verrücken sich in das Burnout-Syndrom. Dort, wo sich Gläubige im Hinduismus in diesem Leben nicht beeilen brauchen, weil sie noch tausend andere weitere Leben Zeit haben etwas zu erreichen, da hetzen die Gläubigen des Materialismus durch ihr kurzes Leben, um daraus das Bestmögliche zu quetschen, weshalb ihnen das Altern auch als persönliches Versagen erscheint.
Weiterführend ist hier deshalb keineswegs Literatur, sondern die Erkenntnis, dass ein neues Auto oder ein neues Kleid für Glücksgefühle kaum nachhaltig sind. Eher gilt: So oft man geliebt hat und geliebt wurde, so oft hat man gelebt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es außerhalb des Materialismus auch unverkäufliche Liebe gibt.