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Griechische Tragödie

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Die alten Griechen hatten noch kein Farbfernsehen, sondern nur Hologramme in diesem Bernsteinton, von denen einige erhalten sind. Diese Liveübertragung von den antiken Olympischen Spielen zeigt einen Zehnkämpfer und seinen Trainer, der ihn darauf hinweist, dass er statt Diskuswerfen lieber für den Schwanzvergleich trainieren sollte.

Als Tragödie wird heutzutage mancher harmlose Zwischenfall bezeichnet, etwa wenn ein Kreuzfahrtschiff auf einen Felsen fährt, weil der Kapitän gerade Wasserski laufen wollte, oder wenn ein Atomreaktor hopsgeht, weil er gerade Erdbeben und Tsunami gleichzeitig zu Besuch hat. Über derlei Lappalien hätten die alten Griechen nur gelacht. Damals, bei den alten Griechen, da gab es noch richtige Tragödien, bei denen man wirklich die Ohren anlegen musste. Nur die griechische Tragödie ist eine Original-Qualitätstragödie mit allen Schikanen.

Der Grund dafür ist einfach: Die alten Griechen mussten sich mit einem Haufen von Göttern herumschlagen, die alle möglichen spitzfindigen und widersprüchlichen Regeln aufstellten. Beim kleinsten Regelverstoß nahmen die Götter dann furchtbare Rache. Der Schuldige wurde fortan vom Schicksal gebeutelt und gepiesackt, und nicht nur er, sondern auch seine Nachkommen, Verwandten und Kegelbrüder bekamen den göttlichen Zorn in voller Wattstärke zu spüren. Hatte er aber das Unmögliche geschafft und sich mit der beleidigten Gottheit versöhnt, so stand sofort ein anderer Gott oder eine andere Göttin auf der Matte und erklärten, so ginge es ja nun nicht. Denn die Götter selbst waren eine untereinander zerstrittene Clique von unterbelichteten Größenwahnsinnigen, wie man sie sich heute höchstens in einer Castingshow-Jury vorstellen könnte.

So war es kein Wunder, dass in der Antike der Durchschnittsgrieche zum tragischen Helden werden musste. Besonders tragisch wurde es dann, wenn der Held (oder in diesem Zusammenhang besser das "Opfer") sich einbildete, sein Schicksal noch ändern und dem Unausweichlichen entrinnen zu können. Jeder Versuch in diese Richtung musste natürlich, unter Hohngelächter des zuständigen Gottes, tragisch enden. Nein, wen die Götter auf dem Kieker hatten, der konnte sich eigentlich nur noch die Kugel geben. Aber die Schusswaffen waren auch noch nicht erfunden. Tragisch.

Doric Temple (PSF).png Tantalus, der Götterfreund Doric Temple (PSF).png

Tantalus war eine solche tragische Gestalt. Dabei durfte er sich eigentlich gut fühlen: er war König eines ansehnlichen Reiches, und reich wie ein König war er auch. Er war so mächtig, reich und wichtig, dass er eines Tages sogar von den Göttern zum Essen eingeladen wurde. Das passierte sonst ziemlich selten, meistens nur jungen süßen Griechinnen, die von Göttervater Zeus persönlich zum Essen eingeladen wurden, um sie nach dem Date zu vernaschen.

Mit so etwas musste Tantalus nicht rechnen, obwohl man es bei den alten Griechen nie ganz so genau wissen konnte. Nein, für Tantalus wurde nur ein ganz normales Bankett gegeben, er saß mit Göttinnen und Göttern zusammen bei Speis und Trank, Musik und fröhlicher Unterhaltung. Die Stimmung war auf den ersten Blick bestens. Bis der Nachtisch aufgetragen wurde.

Zum Nachtisch gab es, wie jeden Tag im Olymp, natürlich Götterspeise. Und obwohl Tantalus gar nicht so auf das glibbrige Zeug stand, haute er sich seine Schüssel damit voll, langte ordentlich zu und fragte seinen Nebengott noch, ob er etwas Vanillesoße dazu bekommen könnte. Das war ein ziemlicher Lapsus, und auch wenn er ein bedeutender Gast war und mit ihren Gebräuchen nicht sonderlich vertraut, verstanden die Götter da keinen Spaß. Später beim Abschied, schon ziemlich beschwipst, verwechselte er dann seinen Hund mit einem anderen Golden Retriever, der ausgerechnet Zeus persönlich gehörte, und nahm ihn mit. Der Ärger war vorprogrammiert.

Trotzdem kam es zu einer Gegeneinladung, die Götter kamen zu ihm in seinen Palast und wurden auf das Üppigste bewirtet. Tantalus wollte es besonders gut machen und ließ seinen göttlichen Gästen die erlesensten Spezialitäten servieren, doch wieder kam es zu einem Eklat. Ausgerechnet Demeter, die Göttin des Biogemüses und eingefleischte Vegetarierin, bekam ein herzhaftes Gulasch vorgesetzt!

Damit hatte Tantalus bei den Göttern endgültig verschissen. Aber während unter zivilisierten Leuten da keine große Sache draus gemacht worden wäre, man hätte sich halt nicht mehr gegenseitig eingeladen und wäre sich aus dem Weg gegangen und hätte sich vielleicht bei anderen gegenseitig schlechtgemacht und das Maul zerrissen, aber das wäre es dann auch gewesen; nein, die Götter tüftelten jetzt einen exorbitanten Vergeltungsplan aus, der etwa zweitausend Seiten hatte und regelmäßig überarbeitet wurde.

Die Rache der Götter bestand zunächst darin, Tantalus in den Tartaros zu schicken, das war eine Art Strafkolonie in der Tiefgarage des Hades, wo er eine Ewigkeit lang Tischmanieren lernen musste, indem man ihm ständig Essen und Trinken zeigte, er aber nichts davon bekam. Das war ziemlich übel, weil die Ewigkeiten damals noch recht lang waren, und es heißt, Tantalus habe in dieser Zeit ziemlich abgenommen. Mit etwas gutem Willen hätte diese Strafe noch als angemessen gelten können, doch weil die Götter in Rachelaune waren, mochten sie es nicht dabei belassen.

Deshalb verfielen sie auf die Sippenhaft. Die gesamte Nachkommenschaft des Tantalus wurde mit bestraft, auch die, die bei den beanstandeten Banketten gar nicht dabei gewesen waren. Von Rechts wegen hatten sie sich also gar nichts zuschulden kommen lassen, aber darauf kam es nicht an. Bereits die Tatsache, dass sie geboren waren, machte sie in den Augen der Götter mitschuldig und strafwürdig. (Und genaugenommen war auch das nicht notwendig, denn auch diejenigen seiner Nachfahren, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geboren waren, kamen später automatisch mit auf die Liste.)

Um mit dieser fiesen Schikane durchzukommen, bedienten sich die Götter eines juristischen Tricks: sie sprachen einen Fluch über die ganze Sippe des Tantalus aus. Jeder seiner Nachfahren, so fluchten sie, sei dazu verdammt, eines seiner Familienmitglieder umzubringen. Durch diese Tat, die fluchbedingt ja nun unvermeidlich war, machte sich jeder Nachfahre automatisch wieder schuldig und durfte dementsprechend auch bestraft werden.

Die versteinerte Niobe wurde inzwischen gefunden. Auch heute, nach rund 3000 Jahren, ist sie immer noch unglücklich.

Doric Temple (PSF).png Niobe, die Fruchtbare Doric Temple (PSF).png

Als die älteste Tochter des Tantalus, Niobe, von diesem Fluch erfuhr (der als Tantalidenfluch in die Mythologie einging), kam sie ins Grübeln. Sie hatte gar keine Lust darauf, irgendein Familienmitgied zu meucheln. Niobe hatte selbst vierzehn Kinder, sieben Mädchen und sieben Jungen, sie hätte also reichlich Auswahl gehabt. Aber sie glaubte, es werde ihr Unglück bringen, eines ihrer Kinder zu töten, denn dann wären es ja nur noch ausgerechnet dreizehn gewesen.

Sie beging den Fehler, die Angelegenheit mit einer Göttin zu diskutieren, nämlich mit Leto, der Mutter von Artemis und Apollo. In diesem Gespräch ließ sie ziemlich oft heraushängen, wie stolz sie auf ihre vierzehn Kinder war, und Leto war schnell genervt, weil sie es nur auf zwei gebracht hatte. Göttinnen auf den Nerv zu gehen ist nie eine gute Idee. Leto schickte Artemis und Apollo aus, und diese fackelten nicht lange und metzelten alle vierzehn Kinder der Niobe nieder.

Niobe verwandelte sich daraufhin vor Trauer und Schmerz in einen Stein. Und das, obwohl ihr die Götter noch die tröstliche Mitteilung gemacht hatten, dass sie nunmehr von dem Fluch, selber ein Familienmitglied umbringen zu müssen, befreit war.

Obwohl Niobe nun eigentlich kinderlos war, berichtet die Mythologie von einigen ihrer Nachkommen, zum Beispiel von Nestor, einem trinkfesten Abenteurer, der mit Jason auf der Argo fuhr und später in hohem Alter noch beim Trojanischen Krieg mitmischte. Oder auch von Augias, der sich einst mit Herakles wegen des Putzplans anlegte. Das sind andere Geschichten, aber wenn diesen Helden etwas schiefging, dann musste auch dafür der alte Fluch herhalten.

Doric Temple (PSF).png Pelops, der Rasante Doric Temple (PSF).png

An Tantalus' Sohn Pelops und seiner zahlreichen Nachkommenschaft haben die Götter sich dann so richtig abgearbeitet. Dabei war Pelops anfangs ein vielversprechender schöner Jüngling, den die Götter liebten. Besonders Poseidon liebte ihn oft und gern. Vielleicht wäre es das beste gewesen, wenn die beiden geheiratet hätten, aber die Homo-Ehe gab es damals noch nicht, auch nicht für Gottheiten.

Also suchte sich Pelops dann doch eine Frau. Seine Wahl fiel auf die schöne Hippodameia, die trotz ihres Namens keine Nilpferddame war, sondern Tochter des Königs Oinomaos. Dieser Oinomaos wiederum liebte Wagenrennen, hasste es aber, zu verlieren. Er versprach demjenigen seine Tochter zur Frau, der ihn beim Wagenrennen besiegen könne. Eine Menge Prinzen versuchten es, aber keiner konnte das Rennen gewinnen, weil Oinomaos jedem, der ihn überholte, diskret ein Wurfmesser in den Rücken pfefferte. Das mag heute unfair erscheinen, aber Oinomaos war König, stellte die Schiedsrichter und machte die Regeln. Übrigens stand in den Regeln auch, dass man sterben musste, wenn man das Rennen verlor. Das erfuhren die Verlierer aber oft erst nach dem Rennen.

Wünschst du ein Debakel, dann frag das Orakel

König Oinomaos war deshalb so drauf, weil ihm das Orakel von Delphi geweissagt hatte, er werde einst von dem Mann seiner Tochter getötet werden. Solche Prophezeiungen waren damals fast so gut wie Flüche, sie waren unentrinnbar und trafen immer ein, da konnte man sich drehen und wenden wie man wollte. Jedenfalls hatte Oinomaos deshalb kein Interesse daran, einen Schwiegersohn zu bekommen.

Natürlich musste auch Oinomaos lernen, dass der Versuch sinnlos war, seinem Schicksal zu entrinnen. Diese Lektion erhielt er von Pelops. Pelops hatte sich ein paar Rennen angeschaut und sich überlegt, dass es eigentlich nicht darauf ankam, wer besser kutschieren konnte, sondern wer besser im Messerwerfen war. Entsprechend gestaltete er sein Training.

Von Poseidon, seinem alten Lover, erhielt er zudem einen schicken Zweispänner mit geflügelten Rossen für das Rennen. Poseidon war ein passionierter Bastler und fummelte ständig an den Genen vieler Geschöpfe herum, und geflügelte Pferde waren seine Spezialität. Auch den Wagen hatte er natürlich ziemlich aufgemotzt und eine ausgesuchte Crew stand an den Boxen bereit. Die Wetten standen gut und die Sponsoren rieben sich die Hände.

Selbst solche sechzehnbeinigen, zweiköpfigen und -ärschigen Mutantenpferde waren damals beim Wagenrennen zugelassen.

Pelops aber wollte ganz sichergehen und griff auch noch zu unfairen Mitteln, um das Rennen zu gewinnen. Er wandte sich an Myrtilos, den königlichen Mechaniker, und bestach ihn, indem er ihm bei seinem Sieg das halbe Königreich versprach. Myrtilos sabotierte daraufhin ein wenig an Onomaios' Boliden herum und ersetzte ein paar Bauteile durch minderwertige China-Ware, die während des Rennens garantiert zu Bruch gehen würde. Das Rennen konnte beginnen.

Onomaios hatte die besseren Trainingszeiten und durfte dementsprechend die Pole Position einnehmen. Das war Pelops ganz recht, denn solange der König vor ihm war, musste er nicht mit einem Messer im Rücken rechnen. Mit den geflügelten Rossen unter der Haube war es für Pelops kein Problem, an seinem Gegner dranzubleiben. Beide fuhren einen heißen Reifen und bald war klar, dass das bessere Material entscheiden würde. Und in der 35. Runde war es dann soweit: An Onomaios' Wagen löste sich der rechte Frontflügel und geriet ins Differentialventil, wodurch der Anpressdruck schlagartig abriss. So wurde es später jedenfalls von den Technikern rekonstruiert. Der Wagen überschlug sich und Onomaios wurde herausgeschleudert, aber von den Pferden weitergeschleift. Pelops warf sicherheitshalber noch sein Messer, aber ob er traf, wird von den Agenturen unterschiedlich berichtet.

Je höher der Fluch, desto tiefer der Fall

Onomaios wurde zu Tode geschleift, aber während des Geschleiftwerdens hatte er noch genug Zeit darüber nachzudenken, was eigentlich gerade vorgefallen war. Und er kam darauf, dass dieser Unfall nur das Werk seines Mechanikers Myrtilos sein konnte. Er nahm daher seine letzte Kraft zusammen und belegte Myrtilos mit einem Fluch, der besagte, dass Myrtilos durch die Hand des Pelops sterben sollte. Dann starb er, und die Weissagung des Orakels war erfüllt. Check!

Pelops bekam nun die Königstochter und das Königreich. Und bald Besuch von Myrtilos, der seinen rechtmäßigen Anteil verlangte. Doch wenn man einmal etwas hat, gibt man es nicht mehr gerne her, das war schon bei den alten Griechen so. Um die Teilung des Reiches zu besprechen, lud er Myrtilos auf die Insel Euböa ein, wo es ein paar hübsche Steilküsten gibt, und an einer schroffen Klippe gab er Myrtilos einen Schubs, so dass der in den Tod stürzte. Damit erfüllte sich auch der Fluch des Onomaios. Check!

Doch halt! Während Myrtilos so zu Tode stürzte, hatte er auch noch ein bisschen Zeit, und die nutzte er. „Fluch über dich, Pelops, und über dein ganzes Geschlecht!“ rief er aus, bevor er aufschlug. Dieser Fluch war aufgrund der Kürze der Zeit ziemlich ungenau, wurde aber nichtsdestotrotz von den Göttern notiert (insbesondere von Hermes, der zufällig der Vater von Myrtilos war. Die Götter streuten ihre Gene damals recht großzügig über die Menschheit aus). Damit waren Pelops und seine Nachkommen jetzt doppelt verflucht, denn der alte Tantalidenfluch galt ja auch noch.

Zunächst führten Pelops und Hippodameia allerdings ein verflucht cooles Leben und bekamen sage und schreibe 21 Kinder. Man hätte nun meinen können, bei so viel Nachkommenschaft wäre der Familienfluch zumindest etwas verdünnt worden, aber es war genug Fluch für alle da.

Doric Temple (PSF).png Ödipus, der Gelinkte Doric Temple (PSF).png

Bevor die Geschichte der besagten 21 Kinder erzählt wird (keine Angst, es wird noch ausführlich berichtet), soll ein Blick auf den zweiundzwanzigsten Nachkommen des Pelops geworfen werden. Da seine Frau dauerschwanger war, trieb Pelops sich nämlich gelegentlich etwas herum, und eines Tages traf er eine schnuckelige Nymphe und zeugte mit ihr den Sohn Chrysippos.

Chrysippos war ein extrem schönes Kind, was bei solchen Eltern kein Wunder war. Wie sein Vater liebte er Wagenrennen und Pelops vermittelte ihm seinen Kumpel Laios als Fahrlehrer. Laios war hauptberuflich eigentlich König von Theben, aber zur Zeit gerade gefeuert, so dass er Zeit hatte, Chrysippos die Feinheiten des Wagenlenkens beizubringen.

Weil Chrysippos nun aber so liebreizend war, begann Laios irgendwann, an ihm herumzufingern, und wollte den Jungen am besten gleich ganz behalten. Schließlich verschleppte er ihn nach Theben. Als Pelops davon hörte, fluchte er fürchterlich. Pelops hatte nicht so viel Übung im Fluchen, jedenfalls nicht so viel wie im Verfluchtwerden, deshalb geriet sein Fluch etwas holprig: er verfluchte den Laios, dass dieser niemals einen Sohn bekommen solle; wenn aber doch, dann solle dieser Sohn ihn töten. Das war etwas Neues, ein Fluch mit zwei alternativen Ausgängen, und die Götter wussten nicht gleich etwas damit anzufangen, aber nachher bekamen sie es doch ganz gut hin.

Chrysippos wurde später auf Geheiß der eifersüchtigen Hippodameia von zweien seiner Halbbrüder umgebracht, das war im alten Familienfluch noch inbegriffen. Aber auch der neue Fluch begann sofort zu wirken. Laios konnte kurze Zeit später wieder als König von Theben anfangen, trennte sich schweren Herzens von seinem pädophilen Hobby und heiratete die Prinzessin Iokaste, die auch im Nu schwanger wurde.

Weisheit ohne Makel spendet das Orakel

Als der Geburtstermin näherrückte, grübelte Laios öfter über den Fluch des Pelops nach und fragte sich, wie das Ganze denn nun ausgehen würde, denn der Fluch war ja doch ziemlich unberechenbar. Er beschloss daher, das Orakel in Delphi um Rat zu fragen. Das taten damals viele Griechen, aber es war bei Licht betrachtet eine Scheißidee. Denn das Orakel gab niemals eine Antwort, die zu irgendetwas nutze war. Das einzige, was das Orakel konnte, war am Ende recht behalten. Zu diesem Zweck gab es meistens verschwurbelten Hokuspokus von sich, den man sich passend zurechtlegen konnte, wenn es erstmal zu spät war. Aber die Griechen standen total auf solches Zeug.

Das Orakel von Delphi. Dieses antike Meinungsforschungsinstitut machte ständig Umfragen unter den griechischen Göttern und sagte seinen Kunden ihr Schicksal voraus.

Dem Laios prophezeite das Orakel, sein Sohn werde ihn töten und anschließend auch noch seine Mutter heiraten. Laios war entsetzt. Dabei hätte er eigentlich auch cool bleiben können: immerhin konnte ihm jetzt ansonsten nichts passieren, er konnte weder im Krieg fallen noch sich totsaufen, er war vor Pest und Lungenkrebs sicher, denn er wusste ja, dass nur sein Sohn ihn umbringen konnte, und der war ja noch nicht einmal geboren. Aber die Kunst des positiven Denkens war damals noch nicht bekannt, und Laios setzte alles daran, seinem unausweichlichen Schicksal zu entkommen - wie immer vergeblich.

Tatsächlich brachte Iokaste alsbald einen Jungen zur Welt, und Laios war entschlossen, den Knaben sofort zu beseitigen. Leider vergaß er dabei zwei wichtige Dinge: erstens, dass der Versuch wegen der erwähnten Unentrinnbarkeit sowieso sinnlos war, und zweitens, dass man wirklich wichtige Dinge unbedingt selbst tun muss und nicht an nietenmäßige Mitarbeiter delegiert.

Er beauftragte einen Ziegenhirten, das Kind umzubringen. Der Ziegenhirt war zwar ziemlich gut im Ziegen hüten, hatte aber wenig Erfahrung mit Kindermord. Er stach dem Säugling lediglich die Fußsehnen durch und legte ihn irgendwo im Wald ab. Diese Gelegenheit ließen sich die Götter natürlich nicht entgehen und schickten sogleich einen Retter bei dem Kind vorbei. Der Kleine kam als Adoptivkind an den Königshof von Korinth und wurde wegen seiner kaputten Füße Ödipus genannt.

Ödipus wuchs in Korinth als Königssohn auf, erfuhr jedoch nicht, dass er adoptiert war. Als er größer wurde, steckte ihm aber ein missgünstiger Höfling, dass er sich besser mal nach seiner Herkunft erkundigen sollte. Er löcherte seine Pflegeeltern mit Fragen, doch die rückten nicht mit der Sprache heraus. Also machte er, was alle taten, riss von zu Hause aus und fuhr per Anhalter nach Delphi, um das Orakel zu befragen.

Gehst du zum Orakel, gibt es ein Spektakel

Und wieder weigerte sich das Orakel, eine nützliche Antwort zu geben. Statt ihm einfach zu sagen, wer seine wahren Eltern waren, wiederholte das Orakel ihm gegenüber nur die alte Leier, er werde seinen Vater töten und seine Mutter heiraten.

Von den Göttern und dem Orakel dermaßen gehässig in die Irre geführt, konnte Ödipus natürlich nur glauben, er würde womöglich seinen geliebten Pflegeeltern etwas antun. Er beschloss daher, nicht mehr nach Korinth zurückzukehren, um dem Fluch zu entrinnen (sie versuchen es einfach immer wieder ...). Stattdessen machte er mit Interrail eine Griechenlandrundreise, jobbte hier und da und sah sich die Gegend an. Beim Trampen geriet er irgendwo an einer Kreuzung schließlich mit dem Kutscher eines protzigen Wagens aneinander, der ihm ziemlich dumm kam. Ein Wort gab das andere, schließlich flogen die Fäuste und Ödipus erschlug im Streit erst den Fahrer und dann auch noch den Fahrgast. Dieser war natürlich kein anderer als Laios, der König von Theben und sein leiblicher Vater, und der erste Teil der Prophezeiung war erfüllt. Check!

Als die Nachricht vom Tod des Laios in Theben eintraf, übernahm Kreon, der Bruder der Königin, die Regierungsgeschäfte. Theben hatte zu dieser Zeit ein großes Problem mit dem Straßenverkehr: die wichtigste Zufahrtstraße wurde von einer Sphinx verstopft, die jeden Reisenden mit einer schwierigen Quizfrage belästigte, so dass die Pendler nicht mehr pünktlich zur Arbeit kamen. Auch die Umleitungen waren überlastet. Kreon war mit diesem Problem überfordert und setzte einfach eine Belohnung aus: wer die Sphinx besiegen könne, solle seinetwegen neuer König werden und auch gleich die Iokaste zur Frau bekommen.

Von diesem Preis wusste Ödipus gar nichts, als er auf seinen Reisen der Sphinx begegnete. Sie stellte ihm das Rätsel: „Was geht am Morgen auf vier Füßen, am Mittag auf zweien und am Abend auf dreien?“ und Ödipus konnte natürlich sofort lösen: „Ein Besoffener!“ Daraufhin gewann er den Hauptpreis, eine Kaffeemaschine, und die Sphinx machte sich davon und ging schwimmen.

Ödipus reiste weiter nach Theben, und als die Leute dort die Kaffeemaschine sahen, wurde sehr gejubelt, denn die Straßen waren jetzt wieder frei. Und Kreon löste sein Versprechen tatsächlich ein: Ödipus wurde König von Theben. Iokaste wurde ihm vorgestellt, und trotz des Altersunterschieds nahm Ödipus sie zur Frau, denn sie war noch ziemlich gut in Form und insgeheim stand Ödipus auf ältere Frauen. Damit war auch der zweite Teil der Prophezeiung erfüllt, wobei man sagen muss, dass die Götter sich hierfür ziemlich absurde Wendungen ausgedacht haben, die man heute keinem Drehbuchautor mehr durchgehen lassen würde. Aber trotzdem: Check!

Nun waren die fälligen Prophezeiungen und Flüche zwar erfüllt, aber die Beteiligten wussten das überhaupt nicht (mit etwas Nachdenken hätte Iokaste drauf kommen können, aber sie war schon wieder mit Kinderkriegen beschäftigt). Die Götter amüsierten sich zwar untereinander damit, wie sie Ödipus reingelegt hatten, aber irgendwann machte ihnen das keinen Spaß mehr. Sie legten Wert darauf, dass die von ihnen erfolgreich ins Unglück gestürzten Helden sich auch dementsprechend scheiße fühlten.

Ödipus hingegen hatte Spaß am Königsein und machte nebenher seiner Frau und Mutter vier Kinder, nämlich die Zwillinge Eteokles und Polyneikes sowie die Mädchen Antigone und Ismene. Diese vier, die gleichzeitig Kinder und Enkel der Iokaste waren, waren natürlich automatisch fürs Leben verflucht, allein schon wegen der komplizierten Verwandtschaftsverhältnisse, die man auf keiner Geburtsurkunde hätte korrekt eintragen können.

Als die Götter das fröhliche Familienleben nicht mehr länger mit ansehen konnten, schickten sie eine Pest über die Stadt Theben. Damit war klar, dass ganz Theben von den Göttern verflucht war. Während heutzutage viele Menschen dem Aberglauben anhängen, man könne Seuchen durch Händewaschen und Impfen vermeiden, wussten die alten Griechen genau, dass gegen eine ausgewachsene Seuche nur Gebete und Opfer etwas ausrichten konnten.

Brauchst du ein Mirakel, meide das Orakel

Um zu erfahren, wie die Stadt von der Seuche erlöst werden konnte, gab es daher nur eins: man musste mal wieder das gute alte Orakel von Delphi befragen. Das Orakel orakelte wieder halbgares Zeug, aus dem zu entnehmen war, dass der Mörder des alten Königs Laios gefunden werden musste, um die Stadt von der Seuche zu befreien. Wer der Mörder war, verriet das Orakel natürlich nicht, das wäre ja viel zu einfach gewesen.

Die Sphinx stellt Ödipus die 300-Drachmen-Frage.

Ödipus ließ sich also die alten Akten kommen und versuchte, den alten Mordfall aufzuklären. Er studierte die GPS-Daten von Laios' altem Navigationssystem, verglich sie mit Google Earth und fuhr schließlich selbst an die Stelle, wo es passiert war. Die Kreuzung kam ihm merkwürdig bekannt vor, und schließlich dämmerte es ihm, dass er selber Laios umgebracht hatte. Iokaste und Ödipus reimten sich daraufhin endlich die ganze Geschichte zusammen.

Während Iokaste nun beschloss, sich einfach einen Strick zu nehmen, machte Ödipus es komplizierter: er stach sich in seinem Elend die Augen aus und überließ es im übrigen den Göttern, ob sie ihn leben oder sterben lassen wollten. Die Götter sahen ihn natürlich gerne leiden und gaben ihm noch eine lange Lebenszeit, in der er von seinen Töchtern gepflegt werden musste, weil die Pflegeversicherung wegen Selbstverschulden keine Zuschüsse rausrückte.

König von Theben wurde jetzt wieder Kreon, der ein wenig herumdilettieren durfte, bis Eteokles und Polyneikes alt genug waren, den Thron zu übernehmen. Als es schließlich so weit war, gerieten sich die Zwillingsbrüder in die Haare, weil der Thron nicht groß genug für beide war, und Polyneikes wurde aus Theben vertrieben.

Polyneikes beschwerte sich daraufhin bei seinem blinden alten Vater und erklärte, er werde ein Heer aufstellen und sich Theben mit Gewalt zurückholen. Der alte Ödipus wurde hierüber äußerst stinkig und entschloss sich, selber mal einen Fluch rauszulassen: er verfluchte den Sohn, der sich nie um ihn gekümmert hatte, und prophezeite ihm, dass die Zwillinge sich gegenseitig töten würden, wenn er seinen Plan in die Tat umsetzte. Das war einer der am schnellsten verwirklichten Flüche der griechischen Geschichte, denn während Ödipus nunmehr sein Leben aushauchte, zog der ungestüme Polyneikes sofort mit einem Heer gegen Theben, und die beiden Brüder schlugen sich dort gegenseitig die Schädel ein. Check!

Nun waren von der ganzen verfluchten Sippe nur noch Antigone und Ismene übrig. Und Schwageronkel Kreon, der mal wieder den Thron besteigen durfte. Kreon verkündete, dass die Verräter, die Theben angegriffen hatten, kein ordentliches Begräbnis bekommen sollten, auch Polyneikes nicht. Antigone verstieß gegen diese Anordnung, indem sie Polyneikes pro forma doch ein bisschen verscharrte. Und weil gerade inkompetente Herrscher besonders starrsinnig sind (und weil natürlich noch eine Menge Fluch in der Luft lag) verurteilte Kreon seine Nichte Antigone dafür zum Tod.

Antigone wurde lebendig eingemauert. Während sie schmachtete, versuchte ihr Verlobter, Kreons Sohn Haimon, seinen Vater umzustimmen, aber Starrsinn war schon damals unheilbar. Von einem reisenden Seher, der halbwegs verständliche Sätze von sich gab, erfuhr Kreon allerdings, dass auch seine eigene Familie Todesfälle erleiden würde, wenn er an seinem Befehl festhielt. Schließlich ließ er sich doch erweichen und die Grabkammer wieder öffnen, doch Antigone hatte sich dort bereits erhängt, weil sie keine Lust aufs langsame Verhungern hatte. Haimon und auch Kreons Frau brachten sich darauf ebenfalls um, was aufgrund der letzten Prophezeiung ja zu erwarten war.

Von Ismene und Kreon selbst ist noch zu berichten, dass auch sie irgendwann gewaltsam zu Tode kamen. Ob auch dies noch den alten Flüchen zuzuschreiben ist, darüber streiten sich die Fluchingenieure, denn im alten Griechenland ging es auch sonst recht ruppig zu.

Doric Temple (PSF).png Atreus und Thyestes, die Krawallbrüder Doric Temple (PSF).png

Nun aber zurück zu den anderen 21 Kindern des Pelops. Da wären vor allem Atreus und Thyestes zu nennen, die ältesten Söhne, die sich durch den Mord an Chrysippos (siehe oben) bei ihrem Vater ziemlich unbeliebt machten. Sie flohen vor ihm nach Mykene, da sie den dortigen König gut kannten. Der zog allerdings gerade in den Krieg und bat die Brüder, einstweilen auf seinen Palast aufzupassen. Als er aus dem Krieg nicht zurückkehrte, übernahmen die Brüder kurzerhand den Palast ganz und das mykenische Königreich gleich dazu.

Atreus heiratete die schöne Aërope, die er sich auf einem Edel-Sklavenmarkt gekauft hatte. Sie war von ihrem Vater Katreus persönlich verkauft worden, denn diesem hatte das Orakel von Delphi ebenfalls vorhergesagt, er werde von einem seiner Kinder umgebracht werden; aus diesem Grund versuchte er seine Kinder jetzt außer Landes zu schaffen und bei der Gelegenheit noch ein paar Drachmen zu verdienen. (Dass ihm das letzten Endes nichts nützte, braucht hier wohl nicht mehr erwähnt zu werden.)

Aus Ärger über diesen Umgang beschloss Aërope, nun etwas Unheil zu stiften. Sie heiratete zwar Atreus, fing aber gleichzeitig etwas mit seinem Bruder Thyestes an, und stachelte die Brüder zum Kampf gegeneinander um den Thron auf. Nachdem sich diverse Götter eingemischt hatten, blieb Atreus siegreich und rächte sich an Thyestes für die Affäre, indem er Thyestes' Söhne zu Hackfleisch verarbeitete (das ist hier nicht metaphorisch zu verstehen, er verarbeitete sie tatsächlich zu Hackfleisch und servierte sie ihrem Vater Thyestes als Eintopf). Dazu ließ er Aërope ins Meer werfen und heiratete nunmehr Pelopeia, eine Tochter des Thyestes.

Von Rachegedanken getrieben, wandte Thyestes sich nun an das Orakel von Delphi und das hatte auch gleich einen Tipp für ihn: er müsse lediglich einen Sohn mit Pelopeia (seiner eigenen Tochter) zeugen, und dieser Sohn werde dann Atreus abmurksen. Dieser Plan erschien Thyestes zwar etwas langfristig, aber Orakel ist Orakel, also machte er sich unkenntlich und vergewaltigte Pelopeia. Dabei wurde es am Schluss etwas hektisch, so dass er sein Schwert liegenlassen musste, aber es reichte, um erfolgreich den Sohn Aigisthos zu zeugen. Dieser wuchs nun offiziell als Sohn des Atreus auf. Als er erwachsen war, schenkte Pelopeia ihm das Schwert, das Thyestes liegengelassen hatte.

Aigisthos wurde dann von Atreus beauftragt, Thyestes zu töten, und fand, das sei eine gute Gelegenheit, das edle Schwert auszuprobieren. Er ging damit zu Thyestes, aber statt gleich das Schwert zu schwingen, ließ er sich von diesem erst in ein Gespräch verwickeln, und so etwas macht die Dinge immer noch komplizierter. Thyestes erkannte das Schwert und erklärte: Ich bin dein Vater, Aigisthos! und als er ihn davon überzeugt hatte, legte er noch einen nach: Ich bin auch dein Großvater!

Das war für einen charakterlich noch ungefestigten griechischen Jüngling zuviel. Er schlug sich auf die Seite des Thyestes und brachte statt diesem nun einfach den Atreus um.

Doric Temple (PSF).png Agamemnon und Menelaos, bekannt aus Film und Fernsehen Doric Temple (PSF).png

Aigisthos regierte Mykene anschließend mit seinem Vater Thyestes gemeinsam. Die Söhne des Atreus, Agamemnon und Menelaos, die jetzt eigentlich mit der Thronfolge dran gewesen wären, wurden vertrieben und flohen nach Sparta. Dort wurden sie von König Tyndareos aufgenommen und lernten dessen Töchter Klytämnestra und Helena kennen (die Gerüchteküche behauptete allerdings, eine oder beide seien in Wirklichkeit Töchter des Zeus, der die Königin Leda verführt hatte).

Die schöne Helena, umringt von Verehrern. Diese Frau war die schönste Frau Griechenlands. Echt.

Helena hatte gerade die Miss Griechenland-Wahl gewonnen und hatte an jedem Finger zehn Verehrer, die sie unbedingt heiraten wollten. Das war ein ziemliches Problem, denn wenn sie sich für einen davon entschieden hätte, hätten die übrigen wahrscheinlich sofort einen Krieg angefangen, das war damals so üblich. Zum Glück war gerade der gerissene Odysseus zu Besuch, und der schlug vor, alle Heiratskandidaten sollten zunächst einmal einen Eid schwören, den Auserwählten zu unterstützen und zu verteidigen, für den Helena sich letzten Endes entscheiden würde. Das fanden alle eine gute Idee, weil jeder glaubte, die Wahl würde auf ihn fallen. Helena wählte schließlich Menelaos.

Agamemnon gab sich daraufhin mit Klytämnestra zufrieden, obwohl er ihren Namen kaum aussprechen konnte. Die beiden Prinzen heirateten also die beiden Prinzessinnen und schmiedeten, logisch, Rachepläne gegen Aigisthos. Die Spartaner wurden überredet, gegen Mykene zu Felde zu ziehen, und so konnten sie nun ihrerseits wieder Aigisthos und Thyestes aus Mykene vertreiben.

Als König Tyndareos kurz darauf starb, konnten die Brüder sich die beiden Königreiche aufteilen: Agamemnon herrschte mit Klytämnestra über Mykene, Menelaos und Helena über Sparta. Alles hätte ganz toll werden können, doch es kam eine Kleinigkeit dazwischen: der Trojanische Krieg. Genaugenommen wurde er sogar hier angezettelt.

Ein Trojaner in Sparta

Menelaos und Helena bekamen Besuch von Paris aus Troja, das war so eine Art männliche Paris Hilton seiner Zeit, ein unglaublicher Lackaffe, dem alle Frauen auf den Leim gingen. Während er im Palast ein und aus ging, musste Menelaos plötzlich weg, weil sein Großvater Katreus gestorben war (siehe oben, die Prophezeiung hatte auch ihn letzten Endes erwischt). Helena hatte keine Lust auf eine Beerdigung und machte sich stattdessen mit Paris ein paar schöne Nachmittage. Als Paris schließlich abreiste, hatte er neben seinen T-shirts und Badesachen zufällig auch Helena mit im Gepäck.

Diese Entführung musste natürlich einen Krieg auslösen, auch wenn es genaugenommen keine Entführung war, denn Helena hatte sich von dem Schnösel einwickeln lassen und war freiwillig mitgegangen. Aber statt die einfältige Blondine sausen zu lassen, haute Menelaos mächtig auf den Putz und sammelte die damaligen Verehrer Helenas, die ja alle einen Eid geschworen hatten, für einen Rachefeldzug. Da damals halb Griechenland Helena hatte heiraten wollen, kam ein ziemliches Kontingent zusammen.

Um nach Troja zu kommen, musste dieses Aufgebot allerdings über die Ägäis segeln, und das war ein Problem, denn es herrschte andauernder Gegenwind. So etwas war natürlich nicht auf einen ortsfesten Tiefausläufer zurückzuführen, sondern auf göttliches Eingreifen. Agamemnon, der selbstverständlich mit dabei war, hatte sich nämlich kurz zuvor mit der Göttin Artemis angelegt, irgendein kleinlicher Streit wegen Wilderei, und bevor man lossegeln konnte, musste das erstmal in Ordnung gebracht werden.

Artemis verlangte von Agamemnon, er müsse ihr zur Strafe seine Tochter Iphigenie zum Opfer bringen. Agamemnon war ganz erleichtert, dass sie nichts wirklich Wichtiges von ihm wollte, und setzte seiner Tochter prompt das Opfermesser an die Kehle. Später wurde erzählt, Artemis habe noch Mitleid mit Iphigenie bekommen und sie im letzten Moment durch eine Hirschkuh ersetzt, aber das ist natürlich schönfärberischer Unsinn. Agamemnon metzelte seine Tochter ab, worauf sich sofort der Wind drehte und die Fahrt losgehen konnte.

Klytämnestra blieb in Mykene zurück und bekam von Agamemnon eine SMS, in der es hieß, er habe leider die gemeinsame Tochter der Göttin opfern müssen. Dummerweise hatte sie kein Verständnis für diese notwendige Maßnahme. Sie sann auf Rache gegen ihren Mann. Da erschien plötzlich wieder Aigisthos auf dem Plan, der sich ein paar Jährchen versteckt hatte und nun, als alle ausgeflogen waren, die Gelegenheit für günstig hielt, den Thron von Mykene wieder an sich zu reißen. Während das griechische Heer zehn Jahre lang Troja belagerte, bändelte Aigisthos mit Klytämnestra an und heckte mit ihr finstere Pläne aus.

Schließlich fiel Troja in die Hände der Griechen, nachdem Odysseus einen Trojaner programmiert hatte. Troja wurde zerstört und die Griechen sammelten mächtig Beute ein. Agamemnon suchte sich ein paar schöne Stücke aus, darunter auch die Seherin Kassandra, die er zu seiner persönlichen Sklavin machte. Kassandra prophezeite ihm, dass er ermordet werden würde, wenn er mit ihr nach Mykene zurückehren würde, aber Agamemnon glaubte ihr nicht. Niemand glaubte ihr, dafür hatten die Götter gesorgt, um mal wieder ihren Spaß zu haben.

Der Mord an Agamemnon war relativ schnell aufgeklärt. Das Tatortfoto zeigt Ermittlerin Elektra mit der Tatwaffe, einem umgebauten Gyrosspieß.

Aber im antiken Griechenland trafen Prophezeiungen nun mal immer ein. Agamemnon reiste mit Kassandra nach Hause zurück und wurde dort von Klytämnestra und Aigisthos ermordet. Kassandra natürlich auch, denn Klytämnestra verdächtigte sie, die Geliebte des Agamemnon zu sein, und darüber war sie und ihr Liebhaber Aigisthos natürlich rechtschaffen empört.

Kassandra war die erste Griechin, die sich nicht gegen ihr tragisches Schicksal zur Wehr setzte. Sie wusste genau, was ihr bevorstand, und versuchte trotzdem nicht, ihrem Tod zu entrinnen. Als die Götter das erfuhren, bekamen sie Angst, dass ihr ganzer sorgsam ausgearbeiteter Fluch-Rache-Mechanismus bald nicht mehr funktionieren und die Geschichte der Menschen damit furchtbar friedlich und langweilig werden könnte. Aber noch war es nicht so weit - ein letztes Mal sollte es noch scheppern.

Doric Temple (PSF).png Die letzten Rächer: Elektra und Orestes Doric Temple (PSF).png

Aigisthos hatte verständlicherweise Muffensausen, dass er selbst nun Opfer einer Blutrache werden könnte. Deshalb strebte er danach, alle in Frage kommenden Rächer prophylaktisch umzubringen, vor allem Agamemnons halbwüchsigen Sohn Orestes. Dessen Kindermädchen rettete ihn jedoch mit einem Trick: sie lieferte nicht Orestes, sondern stattdessen ihren eigenen Sohn an Aigisthos zum Umbringen aus. Über solche pfiffigen Mitarbeiter konnte Orestes wirklich froh sein, und er floh nun zu seiner Tante, die mit dem König von Phokis verheiratet war, und wuchs dort heran.

Acht Jahre später kehrte er verkleidet nach Mykene zurück und traf dort zunächst seine Schwester Elektra, die ihn über alle Einzelheiten des Mordes an ihrem Vater informierte. Nun war Rache gefragt. Orestes hatte kein Problem damit, Aigisthos töten zu müssen, der ja nur ein entfernter Vetter von ihm war, doch die Blutrache verlangte auch, die eigene Mutter zu erschlagen. Muttermord galt damals tatsächlich als furchtbares, natürlich fluchwürdiges Verbrechen (während fast jede andere Art von Mordtat bei den alten Griechen als Kavaliersdelikt betrachtet wurde).

Das Orakel gibt wieder Ungereimtes von sich

Orestes war in der Zwickmühle, also gab es für ihn nur eins: frag nach beim Orakel von Delphi. Aus dem wolkigen Orakelgeschwafel entnahm Orestes, dass Rache tatsächlich vor Mutterliebe geht. Damit war der Fall klar. Er zögerte nun nicht länger und tötete Aigisthos und Klytämnestra.

Arbeitslose Rachegöttin.

Allerdings hatte das Orakel auch diesmal wieder gelogen bzw. nicht die ganze Wahrheit gesagt oder aber sich so verklausuliert ausgedrückt, dass findige Anwälte es eben doch ganz anders sehen konnten. Wenn es nach den Göttern ging, war Rache zwar in Ordnung, musste aber eben auch wieder zurückgerächt werden. Um bei den ganzen fälligen Blutracheeinheiten noch den Überblick zu behalten, beschäftigten sie inzwischen eine riesige Zahl von Hilfsrachegöttinnen, die sogenannten Erinyen. Diese stachelten die Menschheit ständig zu neuer Rache an, die Götter hatten ihren Spaß dabei und freuten sich schon darauf, es jetzt Orestes zu zeigen.

Allerdings übersahen die griechischen Götter, dass der Unterhalt so vieler Rachegöttinnen Riesensummen verschlang. Zur Zeit des Orestes war der Olymp bereits rettungslos verschuldet. Erinyen, Nymphen, Mänaden und Halbgötter bekamen schon lange keine regelmäßigen Gehälter mehr, protestierten inzwischen lautstark auf den Straßen für ihre Rechte und legten immer wieder die Arbeit nieder. Die Götter versuchten noch, sich in Brüssel etwas zu pumpen, aber das ging damals noch nicht so gut, da die dort ansässigen Gallier und ihre Götterwelt selber pleite waren.

Und so brach das griechische Fluch- und Rachewesen unter der Last des ewigen Wachstumszwangs zusammen. Die Rachegöttinnen gingen irgendwann nach Hause und schulten um, sie wurden Stewardessen und Olivenbäuerinnen und Schafskäsefachverkäuferinnen, und Orestes entging ihrem Zorn. Er übernahm die Königreiche von Mykene und Sparta und Arkadien, wurde neunzig Jahre alt und hatte eine Menge Nachkommen, die alle ein fluchfreies Leben führen konnten - und daher komplett in Vergessenheit geraten sind.

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2. Platz beim 29. Stupid Contest

Griechische Tragödie ist ein Gewinner des 29. Stupid Contests.

Für dieses Werk erhält Relic Nr. Oblatan den silbernen Stupidedia-Stern am Band.

Gezeichnet, die Jury

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Stupidedia-Goldpokal

für

Griechische Tragödie

Diesem Artikel wurde die unfassbare Ehre zuteil, zunächst von einer Mehrheit der ehrenwerten Leser zum absoluten Hammer gewählt und anschließend von der Mehrheit der Diktatoren zum Goldpokalartikel erklärt zu werden.

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