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Fernbus

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Der Platzmangel im Flugzeug ergänzt um die Passagiere der Deutschen Bahn und die Staus, die man aus dem eigenen Auto kennt. Fernbusreisen kombinieren die Negativaspekte dreier Reisemöglichkeiten – und das zu verdammt guten Preisen.

Fernbusse sind die unbequemere und langsamere Alternative zu Kurzstreckenflügen in der Business Class und eine ernstzunehmende Reiseoption für all diejenigen, deren private Hygieneanforderungen sich auf wöchentliches Gesicht-in-den-Morgentau-Dippen beschränken oder die eine mehrstündige Verhaltensstudie zu reisenden Müttern in Stresssituationen anfertigen wollen.

Dennoch revolutionieren sie den deutschen Langstreckenverkehr: Wer vor drei Jahren noch mit dem Bus von Hamburg nach München vom Hauptbahnhof zum, ähhh... Flughafen wollte, musste 34-mal umsteigen, sich in anderthalb Wochen durch 27 verschiedene Nahverkehrsnetze kämpfen und oft auch kilometerweit zu Fuß durch die hessische Einöde ziehen, um die nächste Buslinie zu erreichen, die einen 15 Kilometer weiter südlich brachte. Ein gewöhnlicher Fernbus braucht für die Strecke HamburgMünchen sieben Stunden.

Allgemeines

Da sich Fernbusreisen preislich im Hartz-IV-freundlichen Bereich bewegen, ziehen Fernbusse ein finanzschwaches, charakterlich „besonderes“ Publikum an, das bei der Fahrt Magdeburg – Berlin bereits das Gefühl bekommt, auf große Weltreise zu gehen. In ihrem Ansehen bilden Fernbusse trotzdem den Gegenpol zur „beschissenen und unpünktlichen Bahn“. Zumindest so lange, bis der eigene Bus kurz vor der Autobahnausfahrt Villingen-Schwenningen hinter 46 anderen Fernbussen in einen Stau gerät, weil scheinbar jeder deutsche Fernbus gerade nach Villingen-Schwenningen will.

Seit der Liberalisierung des Fernbusmarktes 2013 reisten über 20 Millionen Deutsche im Massen-Lebendtransport durch die Republik. Die Linien fahren dabei mehrmals täglich und starten ihre Fahrten vom Busbahnhof, dem Arbeitsamt oder dem Parkplatz der Poco-Domäne deines Vertrauens aus. Das nennt sich Zielgruppenanpassung.

Die bekanntesten Fernbus-Unternehmen sind meinfernbus.de, meinfernbus.to (kostenlos), Flixbus, Meyer-Reisen (inzwischen insolvent), deinbus.de, der ADAC-Postbus, fernreise.de (insolvent), busdream (insolvent) und der Allgäu-Airport-Express in Baden-Württemberg.

Reiseablauf

Kommen Sie, kommen Sie! Die Krätzemilben sind stubenrein, keine Angst.

Zwanzig Minuten vor Fahrtbeginn schaltet der Busfahrer vorsorglich schon mal den Motor an, um Reisenden zu verdeutlichen, wie knapp man in der Zeit liegt. Es folgt erst mal eine Zigarette. Ist diese geraucht, wird Koffer-Tetris im Laderaum gespielt, in dessen Verlauf der Fahrer mehrmals in den Bauch des Fernbus krabbeln muss, um Zeit zu verschwenden. Spätestens die passende Einordnung des kleinen Hartschalenkoffers Nummer 16 macht einen Neustart sowieso nötig, das Prozedere wiederholt sich. Ist das Spiel gewonnen, folgt erst mal eine Zigarette. Die Reisenden betreten währenddessen den Bus, nachdem sie sich zuvor mehrfach versichert haben, dass sie auch wirklich in den richtigen Bus steigen. Der Busfahrer belohnt anschließend jeden Reisenden dafür, dass er den Bus gefunden hat, mit einer Zigarette.

Vor der Fahrt nuschelt der unterhemdtragende Busfahrer, dessen Hände gelb vom Rauchen sind, in Manier einer perfekt-blondierten Stewardess ein paar Richtlinien in sein Bordmikrofon. „Wer den Bus verdreckt, weil chrchrhchrhch an der nächsten Raststätte rausgeschmissen, da kenn ich nichts. Alles schon erlebt, chrchrhchrhch. Wenn Sie die Luft hier drinnen nicht mehr aushalten, können chchrhchrchrh und es fallen Sauerstoffmasken von der Decke.“

Sobald der Bus auf der Autobahn ist, gibt es alle zwei Stunden eine Pause auf einem Rastplatz, dessen Sanitäranlagen so verdreckt sind, dass die Leute Schlange an den Büschen stehen. Wer sein Geschäft verrichtet hat, streunert ohne großes Ziel über den Parkplatz oder kauft sich drei Cheeseburger im Fast-Food-Restaurant. Der Konsum dieser Cheeseburger wird vom Reisenden über die nächsten Stunden hinweg im Bus zelebriert, um das Geruchsaroma konstant zu verbreiten und allen anderen Reisenden damit eine vermeintlich große Freude zu machen.

Sobald der Bus die Autobahn verlässt, hört man ein erleichtertes „Sind wir bald da?“ durch die Reihen huschen. Letzte Rangiermanöver gelingen und der Bus kommt am jeweiligen Zielbusbahnhof an. Die Reise ist beendet, der Bus geparkt. Die größten Deppen beginnen jetzt zu klatschen, weil die Reise unfallfrei über die Bühne gebracht wurde. Es stellt sich doch auch niemand neben einen Buchhalter und beginnt wie bescheuert zu applaudieren, wenn dieser eine Buchung korrekt kontiert hat.

Reisende

Der Weltenbummler

„Entschuldigung? Könnten Sie vielleicht noch eine meiner Isomatten die Fahrt über auf dem Kopf balancieren? Danke!“

Betritt den Bus als allerletztes, bepackt mit sieben Isomatten, drei Schlafsäcken, Pfeil und Bogen zur Nahrungssuche, einem riesigen Jack-Wolfskin-Wanderrucksack, einem Koffer und drei vollen Plastiktüten. Auf der Suche nach seinem Platz muss er den Mittelgang viermal auf und abgehen, ehe er fündig wird. Bis dahin schlägt er den am Gang sitzenden Reisenden seine Isomatte ins Gesicht und auf dem ersten Rückweg reißt eine der Plastiktüten, woraufhin sich deren Inhalt im Mittelgang verteilt. Hat der Weltenbummler seinen Platz gefunden, versucht er sein Gepäck in sämtlichen freien Ritzen des Busses zu verstauen und beginnt letztendlich damit, Reisende auf umliegenden Plätzen zu fragen, ob diese einen seiner Schlafsäcke für die kurze Strecke auf dem Schoß aufbewahren können. Der Weltenbummler trägt von Februar bis November kurze Hose, hat ausgeprägte Haarzuchtplantagen im Achselbereich und Rastazöpfe und beginnt noch vor dem ersten Abbiegen ein Gespräch mit seinem Sitznachbarn über geile Erfahrungen von früheren Fernbusreisen, in denen die Reisegruppe gemeinsam Kumbaya gesungen hat und sich wegen einer Vollsperrung nachts Bockwürstchen am Feuer der brennenden Autos am Unfallort warm machen musste, um nicht zu verhungern.

Der Rentner

Hat in Tupperdosen abgepackte Drei-Gänge-Menüs dabei und dachte eigentlich, dass ihn eine Kaffeefahrt nach Weimar oder Bayreuth erwartet. Beginnt in seiner Zweierreihe zu schunkeln, wenn im Radio Schlager laufen und löst nebenbei simultan mehrere Kreuzworträtsel. Bringt eigene Duftbäumchen mit, riecht selber aber nach totem Hund. Wenn jüngere Reisende neben dem Rentner sitzen, erzählt er von seiner letzten Reise im Reichsomnibus oder seinen Enkeln. Beschwert sich, wenn der Busfahrer auf drei Stundenkilometer über Tempolimit anzieht.

Die Atmung der Mitreisenden sollte in den vorderen Reihen regelmäßig überprüft werden.

Der Schläfer

Verbringt von allen Reisenden die entspannteste Busfahrt, da er das Talent besitzt, mit dem Übergang in die sitzende Position in einen unerschütterlichen Dornröschenschlaf zu fallen, der bis zehn Minuten vor Zielankunft andauert. Blöderweise sitzt der Schläfer immer am Fenster, sodass sein Sitznachbar nicht mal rausschauen kann, um Leitpfosten zu zählen. Darüber hinaus wechselt der Schläfer nahezu im Minutentakt seine Stellung, nimmt anderthalb Sitze für sich ein und verewigt sich zusätzlich noch mit einem lasziven Sabberfaden auf der Schulter seines Sitznachbarn. In den letzten zehn Minuten der Fahrt sagt er mehrmals Upps, ich muss wohl eingeschlafen sein!“ oder „Das ist mir jetzt aber unangenehm.

Der Toilettengänger

Sitzt wie der Schläfer immer am Fenster und möchte alle halbe Stunde einmal kurz durch um auf Toilette zu gehen, nach Genuss einer kleinen Capri-Sonne sogar zweimal innerhalb der nächsten fünfzehn Minuten. Versucht auch beim vierten Toilettengang noch die Tür aufzuziehen, obwohl er drücken muss. Hat sein eigenes Toilettenpapier dabei, um die Sitzschale mit einer zentimeterdicken Sicherheitsschicht abzudecken (Fachwort: Sicherheitsabstand), vorher sprüht er bereits Desinfektionsmittel auf die Türklinke. Beschwert sich anschließend über die verstopfte Toilette, hat aber auf einmal nur noch halb so viel Klopapier bei sich. Sein Schutzpatron als Reisender ist der Charmin-Bär.

Der Unaufmerksame

Sitzt die erste Hälfte der Fahrt seelenruhig auf seinem Platz und schaut verträumt aus dem Fenster. Merkt irgendwann an, dass man nach Heidenheim doch Richtung Ulm fahren müsse, um dann mitzubekommen, dass er im Bus nach Heidelberg sitzt. Verliert jegliche Contenance und rennt „Anhalten, Anhalten!“ schreiend durch den Mittelgang. Greift in extremer Ausführung dem Busfahrer mitten auf der Autobahn ins Lenkrad. Jammert den Rest der Fahrt rum, dass die Zielorte der Busse nicht deutlich genug gekennzeichnet sind, erklärt Fernbusgesellschaften den Krieg und formuliert negative Online-Rezensionen vor.

Die Familie

Schematische Geruchsverteilung im Fernreisebus

Haben meistens zu spät gebucht und sitzen deswegen über drei Sitzreihen verteilt im Bus, weil nebeneinander nichts mehr frei war. Das hält die Familie trotzdem nicht davon ab, quer durch den Bus über Sitzreihen hinweg Uno oder Kniffel zu spielen. Die Eltern sind mit dem Versuch, ihre Kinder ruhig zu halten, komplett überfordert und leugnen ab einem gewissen Level an aufkommenden mürrischen Kommentaren aus den Rentnerreihen, die Blagen zu kennen. Verteilen zur Wiedergutmachung Apfelschnitten und Gummibärchen im ganzen Bus. Vater und Mutter bemerken während der Busfahrt, dass sie Sonnencreme, Zahnbürsten und den jüngsten Sohn zu Hause vergessen haben.

Der miefende Gourmet

Klebt im Unterhemd auf seinem Sitz und packt direkt unter der Lüftung sitzend Eibaguette und Mettbrötchen aus. Deren Duft verteilt sich von da aus im ganzen Bus und vermischt sich beim Aufeinandertreffen mit dem Rentnersekret zu einem Gestank, der auf der Zunge nach Weltuntergang schmeckt. Die Remoulade vom Baguette hat er sich morgens im Badezimmer schon in die Haare geschmiert. Fängt auch bei Minusgraden im Bus an zu schwitzen und produziert dadurch von der Decke tropfendes Kondenswasser. Schmatzt geräuschvoll und rülpst ungeniert. Hat sich die Reise in den Pott oder nach Rostock entweder über Monate zusammengespart, oder ist auf der Reise zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei Verwandten. Fragt während der Fahrt, ob man im Bus rauchen darf.

Die letzte Reihe

Ist besetzt von einer Horde junger Erwachsener oder pubertierender Teenager. Ziel sind Festivals, Jugendreisen oder Kirchenfreizeiten – denn wo es Alkohol gibt, ist man am Start. Die jungen Erwachsenen denken dabei an gemeinsames Eimersaufen, die Teenager an Beck's-Mischbier. Beide Typen von Reisenden versprechen Stimmung pur auf der Hinfahrt und komatöse Ruhe auf der Rückfahrt.
Die jungen Erwachsenen schaffen es, sich das erste Mal zu übergeben, bevor das Festival überhaupt angefangen hat und grölen entweder Helga!, „Traum von Amsterdam“ oder „Tüte, Tüte!“ durch den Bus. Sie trinken Dosenbier und Berentzen aus ihrem Schnapsgürtel, die leeren Bierdosen rollen sie unter die Vordersitze. Winken aus der Rückscheibe anderen Autofahrern zu, schnallen sich demonstrativ nicht an und werfen Kissen oder Erdnussflips durch den Bus. Beim Verlassen des Busses geben sie sich größtmögliche Mühe, jeden liegen gebliebenen Erdnussflip als kleinen Gruß an die Reinigungsteams in den Teppich zu treten.
Die Vorstufe dazu sind die angehenden Konfirmanden auf dem Weg ins Sommercamp. Die Mädels pikieren sich durchgehend über die schlechte Luft im Bus und versprühen fragwürdige Parfumdüfte aus der Avril-Lavigne-Kollektion. Die Teenager-Jungs hingegen hoffen, dass aus einem Im-Bus-nebeneinander-Sitzen eine langfristige Beziehung mit ihrer besten Freundin wird und legen verschüchtert den Arm um sie, während sie ein Gähnen und anschließendes Strecken der Arme vortäuschen. Der Rest der Reisegruppe flüstert anschließend peinlich auffällig, ob da was bei den beiden läuft.

Trivia

  • Nach dem Wahlrecht für Frauen (1918) und der Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Ehen Lebenspartnerschaften (2001 & 17.09.2010, Hochzeitstag von Guido Westerwelle), ist mit der Legalisierung von Busreisen der letzte Schritt in eine moderne, offene Gesellschaft in Deutschland vollzogen worden.
  • Die Deutsche Bahn hat bis zuletzt versucht, Fernbusreisen vor Gericht verbieten zu lassen, Sicherheitsmängel aufzuzeigen und die Bus-Unternehmer in den Dreck zu ziehen. Zudem berief sich der Vorstand der Deutschen Bahn auf ein eingetragenes Patent zum „schienenlosen Ersatzverkehr“, welches als Hauptinspirationsquelle für die Geschäftsmodelle der Fernbusunternehmen abgekupfert worden sei. Der erste Gerichtstermin wurde jedoch verschoben, weil die S-Bahn von Richter Bernd Solisch ausfiel. Anschließend ging der Fall in Revision und in zweiter Instanz wurden Fernbusreisen schließlich gerichtlich bestätigt.
  • Besserverdiener behaupten lieber, im Renault Twingo der kleinen Schwester unterwegs gewesen zu sein, als eine Reise im Flixbus einzugestehen.
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