Diverses:Talkshowbaukasten
Einen wunderschönen guten Tag und herzlich Willkommen! Wir freuen uns, dass Sie sich für den Talkshowbaukasten entschieden haben. Bitte wählen Sie aus, welches Kapitel Sie lesen wollen, um Ihre eigene Talkshow zusammenzustellen – so eine echte aus der ARD mit allem Drum und Dran.
Sie wollen keine eigene Talkshow zusammenstellen oder wissen schon, dass Sie bei der Zusammenstellung nach Strich und Faden verarscht werden, weil wir für Sie alles auswählen und Sie gar keine echte Wahl haben? Oder weil Sie glauben, dass Talkshows eh alle gleich sind und der ausstrahlende Sender mal wieder nur Bockmist verzapft? Oder Sie haben alle drei Teile durch? Lesen Sie HIER das Ergebnis.
Moderation
Für eine Talkshow braucht man einen guten Moderator oder eine gute Moderatorin. Das ist wichtig, weil Moderatoren durch die Talkshow leiten und aufpassen müssen, dass sich die Gäste nicht ihre schönen, von den Rundfunkgebühren bezahlten, aber völlig überteuerten Sofas um die Ohren pfeffern.
Herausragende Persönlichkeit
Sie müssen gar nicht mal eine Person für Ihre Talkshow auswählen, die jetzt schon ständig in der ARD jede Woche ihre Sendung moderiert. Jemand, der das vorher noch nie gemacht hat, ein Quereinsteiger in diesem Metier, wäre beispielsweise auch angebracht. Die Person muss schillernd und strahlend sein, womöglich auch noch berühmt – oder man ist sehr progressiv und setzt einen Neuling als Moderator ein, der vermutlich nicht einmal weiß, was eine Talkshow ist. Damit die Leute aber trotzdem einschalten, werden kontroverse Themen gesucht, mitunter auch provozierende, gepaart mit fanatischen Gästen und berühmten Personen. Im Grunde stehen Ihnen also mehr als sieben Milliarden Menschen frei, die eine Talkshow moderieren könnten – wir entscheiden uns daher einmal für einen totalen Rookie: Klaus Mombach aus Delmenhorst, (nun ehemaliger) Langzeitarbeitsloser, im frischen Alter von 62.
Redaktion
Hinter jedem Moderator steckt eine richtig gute Redaktion, die zusammen mit dem Moderator das Thema heraussucht und nötige Einspieler zur rechten Zeit am rechten Ort in die Sendung einbaut. Ob die Einspieler dann aber korrekt sind oder besonders gut recherchiert, spielt keine Rolle. Doch auch, wenn eher der Moderator für die Fehler in der Talkshow verantwortlich gemacht wird und nicht die Redaktion, sollte sie sich dennoch bewusst sein, dass sie ihren Job verliert, wenn der Moderator fliegt. Also sollte die Redaktion zumindest halbwegs gute Arbeit machen. Fehler können immer wieder mal passieren und können sich positiv auf die Quote auswirken.
Als Redaktion setzen wir den 16-jährigen Praktikanten im WDR, Peter Walder, ein. Er hat aber zur Zeit Akne und ist deshalb krankgeschrieben.
Ausstattung
Wie bekommt der Moderator seine Informationen? Hat er ein Knopf im Ohr oder bekommt er von einem schönen Assistenten im Tanktop regelmäßig ein paar Moderationskarten zugesteckt? Kann es sich der Moderator erlauben, die Informationen auf den Karten zu ignorieren oder muss er das, was dort steht, in der Sendung auch konsequent umsetzen? Je höher die Macht gegenüber dem Moderator, desto eher kann er sich über die Entscheidungen der Redaktion hinwegsetzen.
Unser Moderator wird mit Papierfliegern beworfen. Dies soll das neue, freshe Konzept der Sendung unterstreichen und sich dadurch von anderen 08/15-Talkshows unterscheiden.
Gäste
Keine Talkshow ohne Gäste! Wo kämen wir denn dann hin? Eine Talkshow zeichnet sich schließlich dadurch aus, dass mindestens zwei Personen neben dem Moderator miteinander streiten und versuchen, sich an die Gurgel zu gehen.
Aggressionspotenzial
Ein richtiger Gast muss ordentlich zündeln können. Seien Sie kreativ – je eher der Gast in einer Talkshow ausflippt und anderen während der Sendung Morddrohungen ausspricht, desto höher ist die Quote und desto eher bekommt der Feuilleton einen Orgasmus, wie Augen öffnend diese Sendung doch war: Die Gäste waren ungeschminkt, gerade heraus ihre Meinung kund tuend und überhaupt war das Thema ja sehr interessant. Muss es schließlich gewesen sein, denn sonst hätte sich niemand so aufgeregt. Behalten Sie aber am besten immer zwei Trupps Sanitäter im Backstagebereich bereit. Man kann nie wissen, wann es doch eskaliert.
Betroffene
Wenn Sie über ein Thema diskutieren wollen, zu dem man leicht Betroffene einladen können – tun Sie es nicht. Hier ein paar Beispiele:
- Eine Sendung über Feminismus: Laden Sie auf keinen Fall Feministinnen ein, sondern maximal Feministen oder aber antifeministische Frauen – darüber regen sich die Zuschauer dann sehr gerne auf und beschweren sich fleißig in den sozialen Netzwerken. Das gibt Ihnen Aufmerksamkeit!
- Eine Sendung über Flüchtlinge: Laden Sie das komplette derzeit in Deutschland vertretene politische Spektrum von rechts wie AfD über Mitte-Rechts wie SPD bis selbsterklärte Mitte der Gesellschaft wie FDP ein, die einem Flüchtling noch nie näher als 50m gekommen sind. Ihnen soll die Chance gegeben werden, zu zeigen, dass sie als deutsche Einheimische das Problem durchaus verstanden haben, ohne jemals mit dem Thema richtig in Berührung gewesen zu sein.
- Eine Sendung über Katzen: Katzen kommen immer gut an. Laden Sie aber bitte nur Hunde ein.
Grenzen aufzeigen
Man muss allerdings aufpassen, dass keine Gäste ins Studio eingeladen werden, die die Fähigkeiten des Moderatoren überstrahlen. Es ist in Ordnung, wenn sie berühmter sind – aber berühmt zu sein heißt ja nicht unbedingt, zu etwas fähig zu sein. Die Gäste haben die Autorität des Moderatoren zu respektieren und das zu achten, was er sagt. Alles andere zählt nicht. Wenn der Moderator „Nun halt mal die Fresse“ ruft, hat Ruhe im Karton zu sein. Allenfalls der Presserat darf nachher wegen unflätigen Ausdrücken eine Rüge erteilen, aber die ist eh wirkungslos.
Gäste haben sich dem Moderator unterzuordnen. Um das zu gewährleisten, hat die Redaktion kleine Einspieler vorbereitet, die die Gäste einmal kurz vorstellen. Oder aber der Moderator verliert mal kurz einen Satz über sie – so wenig, dass der Gast überhaupt gar nicht merkt, dass er gerade vorgestellt wurde. Pech gehabt.
In unserer exemplarischen Talkshow werden vier Gäste eingeladen:
- Björn Höcke ist schon allein aufgrund seines Geburtsdatums ein lebender Scherz. Er ist Vorsitzender der AfD Thüringen, ein Amt, das er … hat, für das er aber nicht sonderlich bekannt ist. Bekannter ist er eher aufgrund seiner rassistischen Positionen und wegen seine Deutschlandflagge, die er gerne mal über Sofas legt. Es ist schließlich Deutschland hier.
- Klara Bunzen ist Kreisvorsitzende der CDU Essen. Sie ist in der CDU und betont es sehr gerne, dass sie in der CDU ist. Dass die CDU Regierungsverantwortung hat, sieht sie als Chance für die CDU. Sie unterstreicht gerne ihre CDU-Parteimitgliedsschaft in der CDU.
- Jochen Günther ist, ähnlich wie Frau Bunzen, ebenfalls ein Nobody in der Bundespolitik, aber einer aus der SPD. Er nimmt Regierungsverantwortung sehr ernst und möchte auf jeden Fall die Koalition aufrecht erhalten.
- Adolf Hitler. Vorstellung unnötig.
Zuschauer
Zuschauer sind schon immer das Herz und die Seele einer Talkshow gewesen. Mit den Zuschauern steht und fällt die Quote, die Zuschauer werden politisch gebildet, die Zuschauer bloggen, twittern, facebooken zu einem vorgegebenen Hashtag und geben dadurch freie Publicitiy, egal, wie scheiße die Sendung doch eigentlich vom Konzept her ist. Und überhaupt, diese Gäste! Immer eine schlechte Wahl. Immer.
Studiopublikum
Keine ordentliche Talkshow ohne ein ordentliches Studiopublikum. Dabei müssen das nicht unbedingt alle Claqueure sein, die auf der Tribüne sitzen, nein, es kann auch mal der Nachbar von nebenan sein, der ein paar Gartenzwerge hinter seinem Zaun stehen hat und eigentlich immer um Punkt neun Uhr abends ins Bett geht, um dort noch ein bisschen zu lesen.
Das Studiopublikum grölt oder johlt nicht, ruft auch nicht rein oder korrigiert Talkshowteilnehmer, wenn diese katastrophale Fehler in ihren Statements einbauen, sondern klatscht einfach nur, wenn sie glauben, irgendjemand hat etwas ganz Tolles gesagt. Das könnte man eigentlich auch über die Konserve erledigen, aber durch die Zuschauer wird noch ein bisschen Geld in die Kasse gespült.
Auf der anderen Seite des Bildschirms
Social Justice Warriors und Freunde der Rettung des Abendlandes aufgepasst, das ist euer Abschnitt. Eure Aufgaben sind recht einfach.
- Benutzen Sie den jeweils für die Sendung gültigen Hashtag. Ohne den Hashtag wird Ihre Meinung keine Socke finden, weil Sie auf Twitter zu 90% kaum Follower haben und den Account extra für die Sendung anlegten – so kurz vor der Sendung, dass Sie nicht einmal Zeit hatten, Ihren Standardavatar zu ändern. Wenn Sie Facebooker sind, gehen Sie einfach auf irgendeine Seite und pöbeln Sie dort rum, wie schlecht die Sendung ist („gut“ ist keine Option!), weil immer nur die Gegenseite dargestellt wird, mit der Sie nicht einverstanden sind.
- Suchen Sie nach Kombattanten in den sozialen Netzwerk. Sind Sie Linker? Dann suchen Sie sich einen Rechten und kämpfen Sie gegen ihn. Sind Sie Rechter? Dann suchen Sie sich einen Linken und kämpfen gegen ihn. Sind Sie ein Troll? Pöbeln Sie einfach irgendwen an und unterstellen Sie ihm, sobald er antwortet, dass er eigentlich keine Ahnung von dem Thema hat und Sie an ihm Ihre Zeit vergeuden.
- Sollten Sie kein Internet haben oder keine sozialen Netzwerken benutzen, schreien Sie den Fernseher an und schreiben anschließend einen bitterbösen Brief an den Rundfunkrat der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Wie kann er es sich erdreisten, so etwas zu senden?
Die Sendung
Alles fertig? Scheinwerfer korrekt eingestellt? Ach, in dem Guide wurde gar nicht erwähnt, dass Techniker von Nöten sind? Egal, zu spät. Die Sendung beginnt in drei … zwei … eins …
Moderator: Herzlich Willkommen bei unserer wöchentlichen Talkshow! Mein Name ist Klaus Mombach, aber den Namen müssen Sie sich nicht merken, da ich eigentlich nur noch als Moderator betitelt werde. Unser heutiges Thema betrifft den Brand in einer Bäckerei in Bad Nauheim: Wir wollen heute mit unseren Gästen besprechen, ob es mehr Schutz für Bäckereien braucht, denn die Polizei sieht es mittlerweile als erwiesen an, dass hier Brandstifter am Werk waren. Ein Versehen kann ausgeschlossen werden. Dazu begrüße ich Herrn Höcke von der AfD, Frau Bunzen von der CDU, Herrn Günther von der SPD und Herrn Hitler. Guten Abend!
Höcke: Guten Abend. (schaut sich um) Hier fehlt eindeutig eine Deutschlandflagge. Glücklicherweise habe ich immer eine dabei. (legt eine Deutschlandfahne über seinen Stuhl)
Bunzen: Guten Abend, ich bin von der CDU und habe Regierungsverantwortung.
Günther: Guten Abend. Ich hatte doch eigentlich gebeten, dass ich nicht mit diesen … Menschen von der AfD in einer Talkshowrunde sitzen möchte. Haben Sie mein Antwortschreiben nicht bekommen?
Moderator: Doch, ich glaube schon, aber wir haben Sie nicht gelesen. Ihr SPD-Menschen nehmt doch eigentlich immer jede Gelegenheit wahr, ins Fettnäpfchen zu treten. Zudem waren wir damit beschäftigt, Herrn Hitler auf die Bühne zu holen, dieser Tage immerhin ein großes Idol für anscheinend zahlreiche Deutschen – mal wieder. Da wir allerdings feststellen mussten, dass Herr Hitler 1945 verstarb, haben wir stattdessen ein Hitler-Double eingeladen. Herzlich Willkommen, Hitler-Double.
Hitler-Double: Einen wunderschönen Abend im tausendjährigen Reich.
Moderator: Das ist untergegangen.
Hitler-Double: Ach?
Moderator: Und wenn Sie zu Hause wie immer über soziale Netzwerke mitdiskutieren wollen, der Hashtag für diese Sendung ist wie immer #DummesGeschwätz. Kommen wir nun zum Thema. Herr Höcke, allein schon vom Namen her fordert die AfD Alternativen für Deutschland. Was ist denn die deutsche Alternative dazu, keine Bäckereien anzuzünden?
Höcke: Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen. Ich will aber nicht sagen, dass es eine Alternative ist, stattdessen Flüchtlingsheime anzuzünden.
Moderator: Das habe ich doch gar nicht…?
Höcke: Sie haben es versucht. Sie haben die Frage gestellt und haben darauf spekuliert. Die AfD ist keine fremdenfeindliche Partei. Punkt.
Moderator: ...okay? Was sagt denn die CDU dazu?
CDU-Tante: Erst einmal möchte ich...Moment mal, warum steht bei mir CDU-Tante?
Moderator: Sie sind so unbekannt, Ihren Namen kann sich keiner merken. Daher haben wir Sie umbenannt.
CDU-Tante: Machen Sie das bitte wieder rückgängig.
SPD-Onkel: Genau! Ich stimme meiner Koalitionspartnerin zu.
Moderator: Warum stimmen Sie ihr zu?
SPD-Onkel: Ich muss, sonst schmeißt sie mich aus der Koalition. Und Opposition ist Mist.
Moderator: Haben Sie sich nicht letztens noch aufgrund des zweiten Asylpakets kräftig gezankt?
SPD-Onkel: Show, alles nur Show. Wir können uns nicht klar genug abgrenzen, wenn Merkel so linksextrem agiert.
Hitler-Double: Merkel muss weg.
Höcke: Er ist zwar ein Nazi, aber da muss ich ihm doch ausnahmsweise mal recht geben.
Hitler-Double: Ich bin kein Nazi, ich bin ein besorgter Führer.
Moderator: Um auf das Thema wieder zurückzukommen, haben wir nun einen kleinen Einspieler für Sie von unserem Praktikanten Peter vorbereiten lassen. Peter?
Peter: So sah der Brand in der Bäckerei hier vor Ort aus. Das mag vielleicht eine extrem übertriebene Darstellung sein, aber gefühlt sah es zumindest so aus, haben wir anhand des Augenzeugenberichts des Bäckers, der alles sehr eindrucksvoll schilderte, herausgefunden.
Hitler-Double: Mein Gott, das erinnert mich an meine V2-Raketen.
Höcke: Der Junge ist ziemlich pickelig. Den sollte man wegen Akne krankschreiben.
Moderator: Müssen wir uns nun vor Bäckereizündlern schützen?
Höcke: Vielleicht hat der Bäcker nahöstliches Gebäck angeboten. Das zeugt von der fortschreitenden Islamisierung des Abendlandes. Er sollte wieder deutsches Gebäck anbieten.
CDU-Tante: Der Bäcker darf backen, was er will.
SPD-Onkel: Ich stimme ihr zu.
Hitler-Double: Liegt Israel nicht im Nahen Osten?
Moderator: ...ja?
Hitler-Double: Dann stimme ich dem Nazi zu.
Höcke: Ich bin kein Nazi, nur ein besorgter Bürger.
Hitler-Double: Ich verstehe, also so wie ich.
Höcke: Ja, so in etwa.
Moderator: Das klingt nicht so, als wären sich alle Teilnehmer hier einig.
Zuschauer: LÜGENPRESSE! LÜGENPRESSE!
Moderator: Warum lüge ich denn? Das haben Sie doch alle hier gesehen!
Zuschauer: LÜGENPRESSE! LÜGENPRESSE!
Höcke: Ich gebe ihm recht, Sie haben nicht gut genug recherchiert.
Moderator: Bitte was?
Höcke: Sehen Sie, wir sind alle eigentlich einer Meinung, aber Sie stellen es so dar, als gäbe es verschiedene.
Moderator: Aber die CDU-Tante und der SPD-Onkel haben doch vorhin noch gesagt...
Höcke: Die zählen nicht, das sind alles Altparteien, die Sie aufs Glatteis führen wollen und Ihnen vorgeben, was Sie zu sagen haben. Eigentlich bin ICH hier derjenige, der darauf aus sein sollte, nicht mit solchen Pfeifen zu reden.
Hitler-Double: Aus dem Kerl wird mal was.
Höcke: Die Show ist abgesetzt.
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3. Platz beim 36. Stupid Contest
Talkshowbaukasten ist ein Gewinner des 36. Stupid Contests.
Für dieses Werk erhält Lightening Evolve den bronzenen Stupidedia-Stern am Band.
Gezeichnet, die Jury
Der Artikel Diverses:Talkshowbaukasten ist nach einer erfolgreichen Abstimmung mit dem Prädikat Gelungen ausgezeichnet worden und wird zusammen mit anderen gelungenen Artikeln in unserer Hall of Fame geehrt. Unbedingt weiterempfehlen! |