Diverses:Erfahrungen im Öffentlichen Personenverkehr

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Keiner benutzt mehr öffentliche Verkehrsmittel. Es ist da viel zu voll.

1. Fallstudie: Straßenbahn im Stresstest

Ausgangssituation: Eine Straßenbahn fährt kurz nach Schulschluss an vier Haltestellen an drei Schulen vorbei, um die Leistungsfähigkeit des ÖPNV zu demonstrieren. Dazu wird das kürzeste Fahrzeugmodell in Einfachtraktion hergenommen, das hat vier Doppeltüren und eine einfache. Der Verfasser dieser Zeilen betätigt sich als Beobachter im Fahrzeug.

Nach der ersten Haltestelle liegt die Auslastung noch unter 100 %. Doch siehe: an der zweiten Haltestelle steigen (neben denen der zweiten Schule) auch viele Schüler der ersten Schule ein, bzw. sie wollen einsteigen. Es ist ja heute üblich, nach dem Einsteigen gleich bei der Tür stehenzubleiben, damit man in dem Gedränge schneller wieder aussteigen kann. Der Herdentrieb bewegt die nachfolgenden Schüler, es den ersten gleich zu tun. Trotz vieler freier Sitze im Heck bildet sich also ein Pulk fröhlich gackernder Jugendlicher an jeder Tür. Die Türen versuchen zu schließen: Türen zu, Türen auf, Türen zu, Türen auf. Es quetschen sich immer noch Leute in das Fahrzeug, meist unter Zuhilfenahme des Einklemmschutzes, denn dafür ist er ja da, oder? Türen zu, Türen auf, Türen zu, Türen auf.

Automatische Ansage: „... Einstiegsbereiche freihalten ...“, dann wieder Türen zu, Türen auf, Türen zu, Türen auf. Immer noch versuchen weitere Racker einzusteigen. Türen zu, Türen auf, Türen zu, Türen auf. Zweite automatische Ansage, gleiches Resultat: Türen zu, Türen auf, Türen zu, Türen auf. Der örtlich zuständige Fahrgastdompteur spricht nun zu uns, erstaunlich ruhig und höflich. Es hilft nichts: Türen zu, Türen auf, Türen zu, Türen auf.

Irgendwann (mittlerweile sind zehn Minuten vergangen) erscheint die Inkarnation der Stimme aus dem Lautsprecher. Vermutlich musste er zuerst der Zentrale den Grund für den Stillstand erklären. Immerhin stapeln sich hinter dem Zug bereits viele Autos und die nachfolgenden Bahnen. Der Fahrer hat auch die roten Zettel für gestörte Türen dabei, kann sie aber nicht anbringen, weil ab zwei (nebeneinander liegenden) defekten Türen die Fahrt sowieso zu Ende ist.

Immer noch ruhig und höflich schickt er die vielen Schüler vor die Tür, und diese hören sogar auf ihn. (Wahrscheinlich hat er ihnen erklärt, dass der Zug in dem Zustand keinen Meter fahren kann, so dass sie auf jeden Fall aussteigen müssen.) Der Fahrer prüft jede einzelne Tür: Tür zu. Und sie bleibt zu. Fertig! Er geht also an die Zugspitze zurück.

Die Schüler merken, dass das Problem behoben scheint. Die ersten wagen sich vorsichtig wieder herein, der Herdentrieb lässt dann alle hereinströmen. Türen zu, Türen auf, Türen zu, Türen auf. Natürlich geschieht das abermals per Einklemmschutz, Zwangsschließen kennen alle lediglich als sportliche Herausforderung. Türen zu, Türen auf, Türen zu, Türen auf.

(Anm.d.Verf.: Spätestens jetzt hätte ich aufstehen sollen, um den Trantüten die Benutzung einer Straßenbahn zu erklären und auf die immer noch leeren Sitze hinzuweisen. Nur: sobald sich erst einmal Ärger in mir aufgestaut hat, bekomme ich eine erhobene, gleichwohl souveräne Stimme einfach nicht mehr hin. Und wenn ich laut werde, klirren die Scheiben – die der umliegenden Häuser.)

Eine Viertelstunde ist vergangen, als der Spitzenmann die magischen Worte spricht: „Bitte alle aussteigen, der Zug kann wegen einer Fahrzeugstörung die Fahrt nicht fortsetzen.“ (Anm.d.Verf.: Ich habe kein Kichern gehört. Für den ist das wohl Routine.)

Zum Glück steht der Folgezug (nebst dessen Nachfolger) derselben Linie hinter uns, doch ist der auch schon über 100 % ausgelastet. Es ist ein längeres und insbesondere neueres Modell: Das Schließen der Türen wird von lautem Fiepen und rotem Blinken begleitet, was den vor zwanzig Minuten eingeleiteten Denkvorgang bei einigen so beschleunigt, dass sie endlich Platz machen. Türen zu.

Nun könnte man vermuten, dass der Fahrer des „defekten“ Fahrzeugs einfach bei der nächsten Haltestelle normal weitergemacht hätte, denn es lag offensichtlich nicht an der Hardware, sondern an der Software. Außerdem waren überaus viele Leute zu befördern. Aber nichts da, er hat die nächste Wendeschleife genommen und die Werkstatt aufgesucht, wie die Vorschriften es verlangen. Das resultierende Menschengewimmel an den folgenden Haltestellen sorgte mithin für viele weitere Verspätungsminuten. Effektives Ergebnis: eine Taktlücke von 30 Minuten und völlig überfüllte Wagen.

Verkehrsunternehmen aller Größen, auch die Deutsche Bahn (sie betreibt die hiesige S-Bahn), haben Probleme dieser Art. Wer sich also laut beschweren will, sollte die Hintergründe erfahren.

Nachtrag: Es gibt an vielen Haltestellen Anzeigen mit den nächsten Zügen. Wenn darauf mehrere Züge derselben Linie dicht hintereinander erscheinen, ist erhebliche Verspätung offensichtlich und Überfüllung zu erwarten. Kleiner Tipp: steige dann nicht in den ersten Zug, sondern warte eine Minute oder so, bis ein praktisch leerer vorbeikommt.

2. Fallstudie: Prioritäten

Eine junge Frau versucht, nachts aus einer Straßenbahn auszusteigen (keine Sorge: die letzten Sexualmörder sitzen allesamt ein, nur die Mafiamorde sind ungeklärt). Das erste Mal springt sie viel zu spät auf, um den Knopf „Haltewunsch“ zu drücken, so dass die Bahn schon wieder fährt. Sie hat den Knopf also schon gedrückt, setzt sich hin (und zwar nicht bei der Tür) und widmet sich wieder ganz ihrem Suchtobjekt namens Smartphone.
Bei der nächsten Haltestelle verpasst sie vor lauter Glotzen und Wischen wiederum die offene Tür, drückt den Knopf nochmals und setzt sich wieder hin. (Es hätte ihr auch nichts genützt, denn ihre Wunschhaltestelle ist von dort aus nur über Schienen zu erreichen.)
Dritte Haltestelle: die Tür geht auf, sie springt auf und... bleibt vor der Tür stehen, weil gerade etwas ungeheuer Wichtiges auf dem Bildschirm erschien. Die Tür geht zu; sie hätte sich wohl geärgert, wenn das Schlauphon nicht so sehr von ihr Besitz ergriffen hätte.
Beim vierten Versuch muss ich herzlich lachen. Ich rate ihr, dieselbe Bahn (die in eine Wendeschleife fährt) in der Gegenrichtung zu benutzen, um an denselben Haltestellen vorbeizukommen.
Man könnte nun vermuten, dass sie danach von Wendeschleife zu Wendeschleife gefahren wurde (einschließlich Schwarzfahren), bis sie nach Mitternacht im fünf Kilometer entfernten Depot landete – mit Stöckelschuhen ein beschwerlicher Weg. An einer Wendeschleife werden aber alle aus der Bahn gescheucht, so dass sie vermutlich so lange dort stand (weitab von jeder Wohnbebauung), bis der Akku leer war und auch keine Straßenbahn mehr fuhr. Von dort aus musste sie nur zwei Kilometer gehen – falls sie den Weg kannte. Ohne Telefon gibt es keinen Routerplaner, kein Taxi und keine Hilfe von Mitbewohnern. Naja, mit der S-Bahn kann man von dort zum Hauptbahnhof fahren, um ein Taxi zu nehmen. Ich frage mich, was sie um die Zeit im Gewerbegebiet wollte, wenn die letzten Betrieb schließen. Das kann nur Putzen oder Warenanlieferung am Großmarkt sein. Vielleicht hat sie aber bereits viele Haltestellen verpasst.

3. Fallstudie: Schwarzfahren für ganz Schlaue

Es begab sich zu der Zeit, in der die Bundesbahn mit den ursprünglichen Silberlingen fuhr. Eines finsteren Abends mit kräftigem Regen stieg ich aus, und der Zug fuhr gemächlich wieder an. Der Schaffner musste den Zug noch kurz beobachten für den Fall eines Problems. Danach stieg ein Typ mit Rucksack auf die Trittstufen des fahrenden Zug, hielt sich von außen an zwei Türflügeln fest und fuhr an mir und dem Stellwerk vorbei (was der Fahrdienstleiter nicht sehen konnte). Nach 200 Metern gab es einen lauten Knall, dann ein Kreischen, dann Stille. Der Fahrdienstleiter wetzte an mir vorbei.
Es dauerte lange, bis der Verursacher in den Zug gelassen wurde. Das wäre eine unkomfortable Fahrt gewesen, mit all den Masten und dem Grünzeug. Schwarzfahren gilt doch nur im Zug, nicht wahr? Und so, liebe Kinder, klingt eine richtige Notbremse; nicht als eine unverbindliche Anfrage beim Lokführer, bei Gelegenheit mal anzuhalten. In Tunneln hat das seinen Sinn, aber als Dauerzustand?

Siehe auch

Fahrgast
Diverses:Mein Abenteuer mit der Deutschen Bahn


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