Die letzten Tage der Menschheit

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Die letzten Tage der Menschheit ist ein Drama in fünf Akten mit ca. 200 lose aneinander gereihten Szenen. Entstanden ist diese Tragödie zwischen 1915 bis 1922 vom damaligen k.u.k.-Satiriker Karl Kraus, der mit seinem Werk die Absurdität und andere Grausamkeiten des Ersten Weltkrieges aufzeigen wollte. Die wahre Unmenschlichkeit präsentiert sich jedoch durch obskure Interpretationen und unzumutbare Aufführungsversuche.
Schnell noch Karten für die Aufführung im Burgtheater reservieren. Man hat ja nur 52 mal im Jahr die Gelegenheit dazu.

Inhalt (auszugsweise)

Eine Handlung im klassischen Sinne fehlt in diesem Stück. Lediglich die Erwähnung der Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand soll symbolisch den Auslöser des Ersten Weltkrieges symbolisieren. Da grölen auch schon in Wien die ersten Passanten die allseits beliebten Phrasen wie „Serbien muss sterbien“ oder "Die Russen und die Serben, die hauen wir in Scherben!", nur um zu demonstrieren, dass der Sieg in der Tasche wäre. Und laut einigen Optimisten haben die Staaten der Entente bereits jetzt schon verloren, sei es durch Missernten oder aufgrund des Verfalles der anderen Währungen. Hingegen rätseln manche Leute, warum die Preise am Markt rasant gestiegen sind und fragen sich, ob der Warenmangel eventuell mit dem Krieg zusammenhängen könnte. Ein Offizier wiederum lässt in einem Wiener Kaffeehaus das Argument bezüglich des bewaffneten Konfliktes gar nicht gelten und rastet förmlich aus, dass seine Lieblingsmahlzeit auf der Speisekarte gestrichen wurde. Wie man sieht, spielt sich ein Großteil der Szenen in Wien ab. Denn Wien, so war man überzeugt, wäre das Zentrum Europas, ja, des gesamten Abendlandes. Was hingegen die Leute in den anderen Bundesländern/Gebieten so denken, war weitgehend uninteressant. An diesem Verhalten hat sich aber bis heute wenig geändert.

Wenn sich das Geschehen einmal außerhalb abspielt, dann darf die Front nicht fehlen. Ein Feldpriester erkundigt sich bei den Infanteristen im Schützengraben, ob eh tüchtig geschossen wird. Um seinen Soldaten beizustehen, feuert der Priester gleich selber mit einem geliehenen Gewehr in die Richtung des Feindes. In einer anderen Szene befragt eine Kriegsreporterin einen Offizier, wie es sich so anfühlt, gerade ein gegnerisches U-Boot versenkt zu haben. Bei einem Schauplatzwechsel wird im Wiener Prater als Attraktion ein aufgebauter Schützengraben gezeigt. Hier demonstriert man dem staunenden Publikum, wie toll die eigenen Soldaten gegen imaginäre Feinde kämpfen.

In einem weiteren Kapitel versucht ein Ärzteteam, vermeintliche Simulanten (eigentlich verletzte Soldaten) mittels Elektroschocks dahingehend zu motivieren, so schnell wie möglich wieder den Dienst im Kampf zu verrichten. Überhaupt sei man der medizinischen Ansicht, der Krieg wirke sich positiv auf die Gesundheit der Menschen aus. Habe man durch den Wohlstand doch glatt vergessen, sich auf die Einfachheit des Lebens und den Weg zurück zur Natur zu besinnen. Wem die Front doch zu anstrengend ist, kann sich immerhin mit guten Beziehungen zu Musterungs-Ärzten einen schlechteren Tauglichkeitsbeschluss verschreiben lassen. Der Versuch funktioniert nur am Anfang, im fortgeschrittenen Verlauf des Krieges wird hingegen jeder genommen, der halbwegs gerade sehen kann.

Zu guter Letzt werden noch jene Protagonisten erwähnt, die das Kommando über diesen Saustall, besser bekannt unter den Begriff Armee, haben. Wieder einmal ist Wien der Schauplatz des illustren Treibens. In einem Etablissement treffen sich die ranghöchsten Offiziere der österreichisch-ungarischen Monarchie mit ihren Verbündeten aus dem deutschen Kaiserreich. In einem Zwiegespräch zwischen einem preußischen Oberst mit einem einheimischen General wird u.a. erläutert, ob man mit deutscher Disziplin, Zucht und Ordnung oder mittels Schmäh und Sachertorten den Krieg gewinnen kann. Doch auch diese feucht-fröhliche Stimmung wird etwas getrübt, denn hin und wieder erscheinen Funker und berichten über die heranschreitende Drohung durch den Feind. Auch wenn am Anfang keiner daran glaubt, treffen auch schon die ersten gegnerischen Fliegerstaffeln ein. Es folgen die Einschläge durch Artillerie und die Feuerwalze tobt von Szene zu Szene, bis der Leser schließlich am Ende des Buches ankommt. Die Tage der Menschheit sind gezählt. Naja, fast. Die abscheulichsten Dinge findet man nun im Nachwort, nämlich österreichische Begriffe und deren Übersetzung in die deutsche Hochsprache.

Entstehungs- und Aufführungsgeschichte

So ähnlich dürfte die erste Ausgabe der „Fackel“ ausgesehen haben.

Alles begann damit, dass Karl Kraus ein Anhänger der Monarchie war und die liberale Presse für die Kriegshetze verantwortlich machte. Mit dem Fortschreiten des Krieges änderte er seine Meinung und schanzt nun den Habsburgern samt Politikern den schwarzen Peter zu. Jedoch wie ein früherer Michael Moore, nur nicht so dermaßen übergewichtig, verstand es Kraus, seine Systemkritik glaubwürdig unter das Volk zu bringen. In dieser Zeit entstand auch das Drama Die Letzten Tage der Menschheit. Inspiration holte sich Kraus aus Zeitungen, Militärbefehlen, Gerichturteilen und baute die massentauglichsten Zitate darin ein. Um aber halbwegs aktuell mit seinen Pamphleten zu bleiben, veröffentlicht Kraus nebenbei in seinem Satire-Magazin „Die Fackel“ in unregelmäßigen Abständen einige Szenen in dieser Zeitschrift.

Im Jahre 1922 wurden schließlich die besten Szenen aus der Fackel in das Drama übertragen. Was so viel heißt, dass bereits bekannte Textstellen nochmals in Buchform veröffentlicht wurden, ohne dass die Leser etwas merkten. Klingt komisch, ist aber so. Um dieses literarische Best-Of glaubwürdiger zu vermarkten, steht seither im Vorwort „Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate“.

Eine weitere Besonderheit stellt die geplante Unaufführbarkeit des Stückes auf der Bühne dar, denn für Karl Kraus war sein Werk dem sogenannten „Marstheater“ zugedacht. Das bedeutet nicht, dass man mit gleichnamigen Schokoriegel ein Puppenspiel veranstalten kann oder die NASA mit ihren Weltraumsonden einige Schauspieler auf dem roten Planeten entdeckt. Nein, nur die selbsternannten Literaturkritiker seien imstande, die genaue Bedeutung dieses Begriffes zu kennen. Das ordinäre Lesevolk müsse sich hingegen mit dem Umstand begnügen, dass die Bühnenpräsentation des gesamten Werkes nicht auf dieser Welt organisierbar wäre.

In den nächsten Jahren wurden die ersten Aufführungsversuche unternommen, da man der Meinung war, dass nichts unmöglich erscheinen sollte. Und so kam es, dass Kraus etliche Kürzungen vornahm, nur um das Stück mit den nun verbliebenen 80 Szenen für das Theater spielbar zu verfassen. Und so erschien 1929 abermals eine weitere Edition, nämlich Die letzten Tage der Menschheit – Bühnenfassung des Autors. Diesen Trick mit Wiedererscheinungen kennt man heutzutage aus der Filmbranche, nämlich unter dem Begriff „Directors Cut“, aber das nur so am Rande. Und Inszenierungen gab es dann genug, sei es mit Schwerpunkten auf das letzte Kapitel, Lesungen einzelner Personen oder Hörspiele des kompletten Stückes durch den ORF. Letzteres klingt aber fast schon unglaubwürdig, wenn man an den verflossenen Bildungsauftrag des öffentlich rechtlichen Rundfunkes in Österreich denkt.

1914 – 2014

Gemäß dem Motto „Stell dir vor, es war einmal Krieg und es gibt total interessante Dinge zu berichten“ wurde der 100. Jahrestag vom Attentat auf Franz Ferdinand medial aufbereitet. Und wäre das nicht genug, wurde man als Konsument des Fernsehprogramms regelrecht mit Filmaufnahmen über den Ersten Weltkrieg zwangsbeglückt. Zwar behauptete jeder Sender, man präsentiere erstmals unveröffentlichte Aufnahmen, doch in Wirklichkeit handelt es sich um gleichen Szenen wie bei der Konkurrenz, nur etwas eingefärbt. Das war es auch schon, zumindest bei NTV, N24, Phoenix und anderen deutschen Anstalten. In der Alpenrepublik hingegen erinnerte man sich tragischerweise an Die letzten Tage der Menschheit und versuchte, das Buch kommerziell auszuschlachten.

Im Wochentakt wurde das Stück im Wiener Burgtheater in Kooperation des Ensembles der Salzburger Festspiele aufgeführt und in den Feuilletons der verschiedenen Tageszeitungen bewertet. Selbstverständlich waren die Kritiken so verfasst, dass ein einfaches 5-Punkte-Fazit eine Beleidigung für dieses Buch darstellen würde und so haben sich die Autoren alle möglichen Interpretationen aus den Fingern gesaugt. Sei es die bissige Satire und chilli-scharfe Abrechnung mit der damaligen Gesellschaft oder die Ukraine-Krise mit Russland gegen die EU inkl. NATO, welche als aktueller Bezug herhalten muss. Denn ein militärischer Konflikt passt immer auf solch einen Themenindex. Mit diesem Gedankengang ist auch Zuschauer überzeugt, der sich vier Stunden lang die Aufführung im Burgtheater zur Gemüte führen darf und letztendlich die Vorstellung mit einer Selbstzufriedenheit verlässt, den Inhalt des Stückes gemäß den Rezensionen in den Medien richtig verstanden zu haben.
Zum 100. Jahrestag ist auch eine Sonderedition mit all den fürchterlichen Ereignissen im Jahre 2014 erschienen.

Aber das war noch nicht alles. Servus TV, der hauseigene Sender von Red Bull hat sogar eine halbe Stunde seines Programms dafür geopfert, die Programmleiter der Burgtheater-Aufführung zum Wort kommen zu lassen. Und diese labern auch die üblichen Phrasen bezüglich der kukident-bissigen Satire und senfgasartig scharfen Abrechnung über die damaligen Geschehnisse. Nebenbei wurden auch einzelne Szenen aus der Vorführung gezeigt, damit sich der geneigte Zuschauer nach dem Gequatsche irgendetwas darunter vorstellen kann. Den Fernsehkonsumenten drohte jedoch ein größeres Unheil, denn 3sat fühlte sich auch berufen, etwas über Die letzten Tage der Menschheit zu senden. Doch zum Glück keine Dokumentation, sondern ein Lichtbildwerk mit einer Laufzeit von 97 episch anmutenden Minuten. Neben Szenen aus damaligen Aufführungen, Ausschnitten aus Kriegsreportagen oder Meinungen von unbekannten Literatur-Experten präsentiert man auch zwei österreichische Kabarettisten, die mit ihrer apokalyptischen Humorkompetenz ihren Teil dazu beitragen, das Werk von Karl Kraus irgendwie zu erträglicher zu gestalten. Das sollte dann wirklich alles gewesen sein, um die Omnipräsenz des Buches in diesem Jahr zu verdeutlichen.

Ausblick

Für 2015 steht eigentlich kein Gedenktag zum Ersten Weltkrieg an. Wer dennoch nicht genug hat, kann sich „Final Days – Die letzten Tage der Menschheit“ auf DVD ansehen. Doch anders als der Titel vermuten lässt, handelt es ich nicht um eine Literaturverfilmung. Es sei nur so viel verraten, dass Aliens in Menschengestalt versuchen, unseren Heimatplaneten zu erobern. Ansonsten werden die Medien zum 70. Jahrestag vom Ende des Zweiten Weltkrieges wieder in ihren Archiven kramen und bekannte Hitler-Dokumentationen ausstrahlen. Was man zwar die Jahre davor machte, aber nun gibt es wieder einen Grund dazu. Für Anhänger von Weltuntergangsprophezeiungen stehen andere Geschehnisse bereits vor der Tür. Litauen führt den Euro als neue Währung ein. Zwischendurch wird es wieder Konflikte im Nahen Osten geben, der Islamische Staat lässt auch seine Muskeln spielen oder bereits vergessene Seuchen könnten ihre Renaissance erleben. Also genug Potential für einen zweiten Teil von Die letzten Tage der Menschheit. Fragt sich nur, warum noch niemand auf die Idee zur Fortsetzung gekommen ist.


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