Audere Semper

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Die Zeiten, in denen Frauen verständnislos auf den Bildschirm des Rechners starrten und Informatiker als Menschen von einem anderen Stern betrachteten, sind endgültig vorbei. Grund genug für das Software-Haus ARS Movandi ein Spiel, das auch weibliche Akteure anspricht, auf den Markt zu bringen. Sollte es sich zu einem wirtschaftlichen Erfolg entwickeln, dürfte der sich Markt für eine bislang wenig angesprochene Zielgruppe öffnen und eine Revolution der rechnergestützten Rollen-Spiele ins Rollen bringen. Der Homo ludens der Zukunft könnte dann weiblich sein!

Short Cut

Die unschuldige Claudine muss sich in einer männerdominierten Welt durchsetzen.

Paris – Die junge, attraktive und sehr unerfahrene Journalistin Claudine LeFevre hat eine Volontariatsstelle bei Paris Match erhalten und soll als Assistentin des bekannten, gut gebauten und braungebrannten Rémi Serge die Modewochen in Rom begleiten. Im Zuge ihrer Recherche über Rom entdeckt sie in einem alten, verstaubten Buch aus dem 18. Jahrhundert einen lädierten Zettel mit einem handschriftlichen Vermerk. Von diesem fühlt sie sich persönlich angesprochen. Die Botschaft dieses Fragmentes gibt Rätsel auf und zieht Claudine in den Bann:

Audere semper! Audentem fortuna iuvat. Va ... Fontana di Trevi, gehe nicht über Los und suche nach.dem Antlitz des Tiberius. So wirst Du Dein Glück finden in den ..men von R... Fac id quot est humanitatis tuae!

Hier endet der Hinweis. Was hat das zu bedeuten? Wer ist R...? Rémi etwa? Schon lange hat sie einen Blick auf den Beau geworfen. Aber wird er sie überhaupt beachten? Sie ist doch noch so jung, so unerfahren. Spontan kontrolliert sie den Sitz ihrer Haare im Spiegel.

Eine Woche später fliegt sie mit dem heimlich Angebeteten in die ewige Stadt. Wie erwartet, beachtet Rémi sie nicht. Er entschwindet nach Ankunft im Hotel in sein Einzelzimmer. In der Hotellobby wird sie das Gefühl nicht los, seit ihrer Ankunft beobachtet zu werden. Ihr fallen merkwürdige Menschen auf, die sie nicht einschätzen kann, bis sie jemand anspricht. Das Abenteuer beginnt.

Szenario

Geschichtliches Hintergrundwissen rund um das Imperium Romanum zur Zeit 300 nach Jesu Geburt wird dem Nutzer dieses Abenteuerspieles abverlangt. Darüber hinaus sind Kenntnisse in Schmink- und Modefragen von Vorteil. Aktuelle und antike Accessoire-Trends der Lederbranche (Handtaschen, Schuhe, Gürtel, Lendenschurze) sowie Informationen rund um Gladiatorenkämpfe, Laufmaschenprobleme und römische Machtstrategien erhöhen die Chancen, bei diesem Spiel weiterzukommen.

Man gelangt über immer neue Mitteilungen in andere Stadtteile Roms, lernt interessante Menschen kennen und erobert Level für Level. Im Gegensatz zu ähnlich gestrickten Spielen muss man hier keine Gegenstände (Schwert, Pokal, Herz usw.) sammeln, sondern Informationen. Man befragt Menschen, manchmal auch Tiere oder in Stein gehauene Monumente und erhält neue Auskünfte. Diese Sätze, die einem in den wichtigsten romanischen Sprachen mitgeteilt werden, können wichtige Botschaften enthalten. Sie werden bei Bedarf gespeichert und später wiederverwendet. Die Kunst bei diesem Spiel liegt darin, herauszufinden, welche Sätze wichtig und welche unwichtig sind. Ein begrenzter Speicherplatz für zwölf Informationen schränken den Spieler ein und zwingen ihn, frühzeitig zu selektieren.

Grafik & Sound

Wenig später sieht sie sich in der Arena eines antiken Gladiatorenkampfes. Kann sie das mental verkraften? Vor allem in diesem Gewand?

Eine ansprechende, esoterisch angehauchte Grafik, die durch kleine Video-Einspielungen aufgelockert wird, sorgt für Spielspaß von der ersten Minute an. Wohltuend erkennt man, dass die bei anderen Spielen dieses Genres vorhandenen Klassiker wie Elfen, Blutrausch-Szenen, Kobolde oder Hinrichtungen fehlen. So erhält der Spieler ein stimmiges Gesamt-Konzept, bei dem man sich realistisch in das Spielgeschehen und in die Figur der Claudine hineinversetzen kann. Die grafischen Umschaltungen vom antiken Rom in die brodelnde, moderne Metropole gelingen mühelos und werden keinesfalls als störend empfunden.

Die Spielfiguren sprechen in Originalsprache, während je nach Einstellung ein Fenster den Text anzeigt, mittels Übersetzungswerkzeug auch in der jeweiligen Landessprache. Per Tastendruck kann das Fenster auch verborgen bleiben. Ebenso können die Fragen über die Tastatur oder über ein Mikrophon mit Kopfhörern dran eingegeben werden. Somit dient AUDERE SEMPER auch als multilinguales Sprachtraining.

Enervierend ist der Wechsel der Musik, die sich jedem Bildschirmwechsel anpasst und bei den antiken Szenen Gregorianische Gesänge, beim neuzeitlichen Rom jedoch pulsierende italienische Diskomusik ausstrahlt. Glücklicherweise ist die Musik über Ctrl-M zu- oder abschaltbar.

Fazit

AUDERE SEMPER ist nicht für Spieler geeignet, die sich aufs Spielen indizierter Splatter-Games eingeschossen haben, auch wenn der Titel als Aufforderung für sie genauso gilt und daher zur Irritation führen kann. Wer jedoch über ein Maß von Sensibilität und Einfühlungsvermögen verfügt, wer sich als Frau versteht oder ernsthaftes Interesse an römischer Geschichte, romanischen Sprachen oder dem römischen Modezirkus hat, findet mit diesem Spiel eine hochspannende, topaktuelle und supernette Freizeitbeschäftigung.

Spielkritik

Nachfolgend aufgezeichnetes Telefongespräch zweier LAN-Partyabhängigen geben Kenntnis über eine Möglichkeit, wie AUDERE SEMPER seine Spieler nicht erreicht.

Battle-Lord: wählt die Nummer seines Freundes War God.
War God: „Jaaa?”
B: „Hi, Worgodd! Ich bin’s, Battle-Lord.“
W: „Hi, Bettellord. Was gibt’s?“
B: „Voll geil. Ich hab hier bei Nadine ein neues Spiel entdeckt. Audere Semper oder wie man das ausspricht. Jetzt will sie wohl auch noch spielen, oder so. Aber nicht an mein PC, das sach ich dir.“

Die grafische Gestaltung erreicht nur bedingt die Herzen klassischer Gamer.

W: „Und, schon installiert?“
B: „Nee, bin grad dabei. Is ja nur eine CD.“
W: „Worum geht’s denn da? Ich kenn das Spiel gar nicht.“
B: „Keine Ahnung. Irgendwas mit Römern, oder so. Gladiatoren und all so’n Scheiß.“
W: „Klingt ja geil, Alter!“
B: „So, er lädt jetzt hoch. Hmm, komische Bilder...“
W: „Wieso hat Nadine denn jetzt Lust zu Spielen? Die hat doch dauernd gemeckert?“
B: „Keine Ahnung. Vielleicht gab’s das Spiel ja bei ner Tupper-Party? So! Is installt. Ma sehn. ... ... ...Ach du Scheiße.“
W: „Was is?”
B: „Verfluchte Kacke. Da muss man ja total viel Lesen. Auch das noch.“
W: „Is da keine Obtschn-Taste?“
B: „Warte ma. Doch, hier. Hmm...hm...a...hm...ach so...ja, ja...ich glaub, ich hab’s.“
W: „Und?“
B: „..........“ Spielt und flucht eine Weile vor sich her. War God wartet geduldig. Er weiß, dass man sich erst in ein neues Spiel eindenken muss und da er ein Head-Set benutzt, hat er die Hände frei, während des Telefonats ein paar Runden Retro-Doom zu spielen. Battle-Lord meldet sich wenig später wieder zu Wort.
B: „Also. Ich bin hier ne Tussi und irgendwie in Rom. In so’ nem Hotel. Komische Typen hängen hier rum. Ich knall die ma ab. Ma sehn, was passiert....Scheiße. Ich hab gar keine Waffe. Jetzt kommt einer auf mich zu. Mist. .... .... .... Was? Der Typ labert mich an. Aber auf italienisch -?- oder so. Ach so, hier steht’s ja auf deutsch. Also. Ich soll zum Fontana di Trevi. Keine Ahnung, was das ist.“
W: „Ich glaub, das ist so was wie das Kolosseum oder so.“
B: „Meinst Du?“
Nach einer halben Stunde ist das Lernziel weit entfernt. Battle-Lord gibt entnervt auf.
B: „So ein Scheiß Spiel. Ich bin hier jetzt irgendwie immer noch in Rom, aber auf ner Modenschau. Mit Laufsteg und so. Hab immer noch keine Waffe. Karate und so geht auch nicht. Ich hab keinen Plan, was ich hier machen soll.“
W: „Warum köpf st Du nicht erstma ’n Bier?“
B: „Hab ich doch schon. Bringt auch nichts. Ich hau in’n Sack. Ein Scheiß-Spiel mit totaler Scheiß-Mucke!“
W: „Counter-Strike??“
B: „Yepp!“

AUDERE SEMPER verschließt sich demnach Spielergruppen, denen ein schneller Einstieg in das Spielgeschehen, ein schneller Lernerfolg und eine gewisse Anzahl von Waffen wichtig ist. Mit Bedacht wählten die Produzenten hier eine Plattform, die die Barbarisierung und Verrohung herkömmlicher Spiele umgeht. Es ist ein Spiel, deren Autorinnen eine spezielle Zielgruppe fest anvisiert hat: die Bildungselite, Frauen, Cross-Dresser und Verängstigte.

Die Primär-Level I - IV

Excursus I

Der Einstieg gelingt mühelos. Man erhält einen Hinweis, der sich mit dem des gefundenen Zettels deckt und geht zum Trevi-Brunnen. Dort angekommen, sucht man im Brunnen nach Münzen, von der eine aus der Zeit des Tiberius stammt. Ein junger Italiener spricht Claudine an und liefert den nächsten Hinweis. Mit diesem und der Münze geht man zu einer nahen Löwenkopfskulptur, die einen frühen Lügendetektor darstellt, da einem die Hand abgeschlagen wird, wenn man in die Öffnung hineinlangt und nicht den richtigen Text gesagt hat. Danach kommt man zur nächsten Geschichte.

Excursus II

Man ist an gleicher Stelle, nur in einer anderen Zeit. Claudine ist nun historisch korrekt in eine Toga gehüllt und spricht verschieden Passanten an. Da ihr Latein nicht ausreicht, um nicht als Fremde entlarvt zu werden, wird sie von einem dicklichen Sklavenhändler gefangen genommen und meistbietend versteigert. Im Publikum meint Claudine, Rémi erkannt zu haben. Doch bevor sie ihn ansprechen kann, verschwindet er in der Menge. Welches Spiel spielt er, fragt sie sich? Sie wird schnell verkauft und landet als Küchenhilfe im Haushalt des Gaius Tinnitus, einem Kaufmann für erlesene Stoffe. Dort lernt sie das buckelige und von entstellender Hässlichkeit gezeichnete Faktotum Munsterio kennen, der sich ständig mit der Faust gegen den Kopf schlägt, dabei lächelnd „Soi stupido!!“ ruft. Wenn die beiden allein sind, gibt sich Munsterio jedoch als feingeistiger und hochgebildeter Mann zu erkennen. Nachdem sie sein Vertrauen erhielt, verrät er ihr, dass auch er aus einer anderen Zeit stammt und eine Möglichkeit gefunden hat, wieder in die Realität zurückzukommen. Doch bevor er dazu kommt, ihr dieses Geheimnis mitzuteilen, wird er von Gaius Tinnitus als Zirkusfutter verkauft. Claudine beschließt, ihn heimlich ins Kolosseum zu folgen und zu befragen.

Excursus III

Claudine wendet im Augenblick höchster Gefahr einen weiblichen Trick an.

Sie flüchtet in einer Mülltonne aus der Küche des Tinnitus und gelangt in die untere Ebene des Kolosseums. Hier sieht sie die wohlproportionierten, kräftigen und geölten Körper der Gladiatoren, die hier eine Art Aufwärmtraining abhalten. Sie fragt sich durch nach einem Munsterio, doch niemand kann ihr helfen. Sie passiert die Riege der Christen, junge, sympathische Menschen, die nur knapp bekleidet darauf warten, in den Ring zu gelangen und erreicht schließlich das Verließ, einer Art Hotel für Gladiatorenopfer. Sie bezirzt den Wächter und gelangt herein. In Zelle MCMXIII findet sie den Gesuchten. Doch die Tür ist verschlossen. Sie hört Schritte und versteckt sich in einer Nische. Munsterios Zelle wird von zwei übel aussehenden Gestalten geöffnet und sie holen den Gefangenen heraus. Er wird zur Arena geleitet. Claudine folgt der Gruppe heimlich und in gebührendem Abstand. Sie erkennt, dass Munsterio in die Arena gestoßen wird und, dass dort ein Retiarius auf ihn wartet. Mit einem Stein schlägt sie den Portalswächter nieder und stürmt ebenfalls in die Arena. Das Publikum johlt um die Wette bei ihrem Auftauchen. Der Retiarius ist verwirrt und versucht Rücksprache mit dem Ortsgruppensenat der Gladiatoren-Gewerkschaft zu halten. Er hätte schließlich nur ein Netz und so war es nicht ausgemacht, gegen zwei Opfer zu kämpfen. Claudine stürzt auf Munsterio und fragt ihn, wie man wieder in die reale Zeit zurückkommen könne. Doch bevor er antworten kann, durchbohrt ihn ein Dreizack. Er röchelt noch „Maleta... negra... Fundamento...“ Dann haucht er für immer das Lebenslicht aus. Claudine stellt sich tot und hofft, dass der Gladiator auf diesen Trick hereinfällt. Das waghalsige Unterfangen gelingt und Claudine wird auf den Leichenwagen inmitten blutiger Körperteile geworfen und gelangt so aus dem Kolosseum heraus.

Excursus IV

Übel stinkend, blutverkrustet und mit einem Bein, das sich in ihrer Toga verheddert hat, hinter sich herschleifend, macht sich Claudine auf den Weg zum Tiber. Römische Bürger starren sie entsetzt an. Am Tiber legt sie ihre Kleidung ab und wäscht sich und ihr Leinentuch in den Fluten des Flusses. Als sie vollkommen unbekleidet aus dem Wasser steigt, steht Rémi in Gewand eines römischen Senators vor ihr. Er herrscht sie an, sie müssen zur Modenschau, der Termin sei fast schon überfällig und wie sie gedenkt, in diesen nassen Sachen in den Palazzo Provi, in der die erste Schau organisiert ist, zu kommen. Claudine versteht die Welt nicht mehr. Rémi muss doch bemerken, dass sie in einer völlig falschen Zeit verhaftet sind. Oder ist das alles nur Einbildung? Sie zweifelt an ihrer Wahrnehmungskraft und kommt, nachdem Rémi plötzlich verschwunden ist, auf den Gedanken, zurück zur Löwenkopfskulptur zu gehen, an der alles seinen Anfang nahm. Sie steckt die Hand ins Maul des Wandornaments und ist wieder in der Jetztzeit angelangt. Sie trägt wieder ihre Alltagskleidung, wenngleich völlig durchnässt. Claudine eilt verwirrt zum Hotel, um sich umzuziehen. In der Hotellobby trifft sie auf Gaius Tinnitus, der sie furchteinflößend ansieht. Er kommt auf sie zu...

Weitere Level

Wird Claudine das Rätsel um die Zeitverschiebung lösen? Welches Spiel treibt Rémi? Und wird sie nach dem Volontariat eine Festanstellung bei Paris Match erhalten? Diese Fragen lösen sich erst im weiteren Spielverlauf auf.

Die ersten vier Level gehören zur Grundausstattung, wie sie von ARS Movandi auf CD gebrannt wurden. Für weitere Level gibt es ein kostenloses Update, das jedoch erst nach Erreichen des letzten Levels heruntergeladen werden kann. Dieser einfache, aber effektive Kopierschutz ist Zeichen einer völlig neu gedachten Herangehensweise und ist exemplarisch für die Schläue, die die Autorinnen auch im Spiel beweisen.



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