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Diverses:Heiße Nacht

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Wir sind uns einig, dass dies heute die heißeste Nacht aller Zeiten wird.
Die Jungs sind wunderbar drauf und deren Euphorie strömt auf mich über. Wir treffen uns zum Vorlöten. Einer muss fahren und das werde nicht ich sein...
Der Loser lädt ein und besorgt die Ströme. Nach ersten, brachialen Kippschlücken fangen wir verwirrt an zu kichern und es entbricht ein Feuerwerk der guten Laune. Wir stellen uns den weiteren Ablauf dieser heißen Nacht vor:
Nach unseren höchst primitiven Vorstellungen, schlagen wir gleich locker auf der Party auf, geben uns relativ gemäßigt die Kante und feiern gepflegt ab bis der Notarzt kommt. Unsere Kleidung stimmt. Die fetten Jacken lassen wir bei minus 15 Grad zuhause.
Weniger ist oft mehr... oder sollten wir der neugierigen Frauenwelt unsere stahlharten Körper vorenthalten?! Da legen wir doch lieber ein bisschen hochprozentigen Brennstoff nach...
Die dritte Pulle ist angebrochen und wird unterwegs gelötet, damit uns während der Fahrt nicht unsere bombastische Stimmung wegbricht.

Beim Enteisen des Türschlosses bricht dem hochgestylten Kumpel der liebevoll manikürte Fingernagel ab. Der leiseste Gedanke, dass wir eventuell witterungstechnisch underdressed sein könnten, wird verdrängt und nicht ausgesprochen. Sicher ist: Nur extreme Ultraweicheier stünden das nicht durch.

„Kannst du so parken, dass wir bei der Scheißkälte direkt in den Laden springen können?“, wird der Fahrer gefragt.
Der Schwachmat ist unfähig, erwidert nichts und umkreist das Areal weiträumig. Selbst Parklücken, in denen die Queen Mary in drei Zügen hätte wenden können, erscheinen dem Pflegefall als zu eng.
Von frisch aufgelegtem Duftwasser Moschus-Extreme stinkt die Karre wie ein Schwuchtelcontainer.
„Haben wir eigentlich Karten, der Kumpel bot mir an , welche vorbeizubringen?“, frage ich völlig weltfremd. „Brauchen nur Arschfreds!“, kommt als Antwort und beruhigt mich.
Insbesondere das infernale Grinsen der beiden gibt mir die Gewissheit, nicht vor dieser erbärmlichen Tanzhütte bei Eiseskälte stehen zu müssen.
Die Autokapelle wird voll aufgedreht und lässt die Bassröhre wie einen Satellit durch den Innenraum schweben. Von den tiefen Bässen kriege ich irgendwie ein Gefühl, als müsste ich gleich meinen Adamsapfel verschlucken...
Bei unserer Ankunft ist die Stimmung nahezu auf dem Höhepunkt: ALARMAAAHH!
Jetzt in die warme Hütte und wie geplant abrocken.
Der zuvor beschriebene ignorante und höchst dilettantische Fahrer parkt dagegen etwa 7000 Straßen vom Zielobjekt entfernt; aufgrund unseres sehr dezenten Gary-Glitter-Revival-Outfits, hätte man bei diesem nicht enden wollenden Spaziergang an unseren Brustwarzen einen Kohlensack aufhängen können...
„MEINE FRESSE, hat mein Kumpel im körpernahen Seidenhemdchen eine entsetzliche Gänsehaut“, denke ich.
So eine Hautstruktur hatte ich zuletzt gesehen, als meine Oma Heiligabend 1980 einen gigantischen Kosmos-Puter in die Backröhre schob. SCHAUDERHAFT!

So etwa sah es dort vor der Disco aus!

Endlich eingetroffen, bietet sich uns ein grauenhaftes Bild:
Vor der Hütte eine menschliche Snake in Achterreihen wie Weidevieh vor der Schlachtbank.
Am Anfang steht ein schmächtiger Türsteher, der alleine zwei Fahrstreifen für eine Richtung braucht. Sieht irgendwie aus wie ein Wikinger. Sein Kinn ist so breit wie mein Beckenknochen.
„Nur nicht so geschmeidig“, denke ich, als ich erwartungsfroh meine kreisende Hüfte vor mir sehe.
Der Türhüne schleust die Menschen durch eine schmale Eingangstür und lässt sich Eintrittskarten zeigen.
„Das läuft hier auf tutti, da sind wir schnell drin“, orakelt der Kumpel überoptimistisch.
Der unwesentlich vernetzte Naturschwamm unterhalb meiner Schädeldecke signalisiert mir allerdings äußerst realistische Zweifel an dieser waghalsigen Prognose, die nur durch ein:
“Wir haben noch'n paar Restströme, Alta!“ gemildert werden.
Die Neige der letzten Pulle rettet uns über die ersten zwanzig Minuten. Inzwischen bildet sich Rauhreif auf unseren Lackschuhen
Für Schneeboots gäbe ich einen Arm, der sich momentan problemlos und ohne Kraftaufwand abbrechen ließe. Aber was sollte man mit einem eingefrorenen Arm anfangen? Vielleicht diesen degenerierten Chief-Security-Manager erschlagen, der sich in martialischer Feldherrenpose vor der Eingangstür aufbaut...
Die erste halbe Stunde ist rum und wir sind etwa 4,87 mm nach vorne geschubbert.
Von drinnen erklingt geile Mucke, die uns aufbaut und irgendwie auch niederschmettert.
Wie lange soll dieser Polarexpress noch dauern? Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Jedenfalls NACH meinen Füßen.
Manchmal verlassen Personen mit verschwitzten Körpern die Location, dampfen vor sich hin und klagen über zu große Indoorhitze. Meistens mit den Worten: “Hier ist aber KALT!“, verschwinden sie dann wieder in die wohlig warme Tanzhütte. Zum Glück haben die meisten noch ein bemitleidendes Lächeln für uns Wartende übrig...
Grelle Lichter dringen nach außen. Kälte kriecht meine Beine herauf und führt zu einem abdominalen Taubheitsgefühl bis hin zu Lähmungen.
Meine schutzbedürftigen Genitalien trage ich inzwischen invers, was einer Geschlechtsumwandlung gleichkommt und die Blutzirkulation drängt mittlerweile in die Körpermitte, um die primären Organfunktionen aufrecht zu erhalten.
Dies geht leider zu Lasten der Extremitäten: Uns sterben zuerst die Zehe weg!

Ich schreie, als mir ein 700-Tonnen-Osterhase auf den Fuß tritt und danke ihm später, da zumindest dieser Knochen später aufgrund der schweren Quetschungen am längsten aushielt. Bei dem Versuch, meine verachtende Danksagung zu beantworten, schiebt mir das Urzeitmonster fast seine üppig-lodernde Tabakware in den Augapfel.
Wäre ich nur knapp 2 Meter größer, würde ich diesem Industrieschornstein vor's Knie treten... so erreichte ich mit Anlauf und Sprunghilfe maximal das Fersenbein...
„Schieb mir doch bitte die Kippe ins Mittelohr und lass sie ausglühen...oder brich besser einfach 'ne Ohrmuschel ab, dann hast du'n Aschenbecher für unterwegs, Arschfred!“, kommentiere ich diese Aktion todesmutig. Lieber jetzt durch einen stumpfen Schlag sterben als jämmerlich erfrieren.
Das Urzeitmonster schweigt. Wieder aus Mitleid. Körper an Körper schieben wir weiter Richtung Eingang.
Lasziv bekleidete Lokalschönheiten mit Spaghetti- oder Bananenträgern (je nach Körperfülle...) überholen uns beidseitig. Der Türsteher haucht ihnen mit einem süffisantem Grinsen feuchten Atem ins metallbehangene Ohr und winkt sie erwartungsgemäß lässig durch.
„Für wie lange muss ich in den Bau, wenn ich den kille??“, frage ich die Jungs.
Egal, tu es einfach! Wir besuchen dich in den ersten Jahren...außerdem hasset warm!“
Meine hasserfüllten Meuchelmordgedanken legten ein Lächeln über meine eingefrorenen Gesichtzüge und ließen mich die nächsten 20 Minuten überstehen, die erfüllt waren von ausschweifenden Folterfantasien, vornehmlich bestehend aus mittelalterlichen Inquisitionsmethoden. Die Hauptrolle des Türstehers war Bestbesetzung.

Ein leider noch lebendes Exponat der „Körperwelten“ steht in Endzeithaltung vor mir.
Man könnte ihn als Missing Link bezeichnen. Das seit Jahrtausenden gesuchte Bindeglied zwischen Homo Erectus und Homo Sapiens. Ohne letztgenannte Entwicklungsstufe beleidigen zu wollen.
Der fremde Typ, dessen warmer Fellmantel dankenswerterweise meinen kondensierten Atem aufgenommen hatte, stinkt erbärmlich nach Pitralon. Was wollte er damit reißen? Vielleicht einem suizidgefährdetem Todeskandidaten Sterbehilfe leisten?
„Sollte ich draufgehen, nehme ich noch'n paar mit“, denke ich. Den Neandertaler auf jeden Fall.
Der Oberlippenschnauz der Schnullerbacke war mit Schleimhautsekreten vereist und an seiner üppigen Nasenbehaarung rangen Eiskristalle.
„Würd' ich ihm gerne mit 'nem Fünfkilohammer abschlagen... wenn er mich darum bäte. Ein Nicken würde als Zustimmung reichen.“ Sein Haar ist hardcore-gegeeelt bis zum JÜNGSTEN TACH. Erinnert unwillkürlich an eine verendende Wattmöwe nach 'ner schweren Tankerhavarie...
„Soll ich dir noch'n warmen Tee oder ne Heizdecke besorgen?“, frage ich ihn, als er sich abermals auf meinen Knochen ausruht, die allmählich zur vereisten Sanduhr werden... Nicht, dass der Eindruck entsteht, wir seien mittlerweile aggressiv... NEEEIIIIIIN... nur, weil sich mein Unterkörper inzwischen in eine Eisscholle verwandelt hatte...
„Ich glaub', ich pinkel mal, damit ich weiß, wo oben und unten ist“, ruft einer humorvoll aus den hinter uns liegenden Reihen. Dazu wäre ich aus anatomischer Sicht schon gar nicht mehr in der Lage...

Als wir es fast bis in den Eingangsbereich geschafft haben, kreuzt der herzliche Türsteher die Arme vor der Brust: „Jetzt kommt keiner mehr rein, nur noch im Gegenzug mit verlassenden Gästen!“ Klar, es werden zur Primetime bestimmt einige Leute die Party verlassen, vielleicht um sich bei 12000 Grad minus hinter uns anzustellen... unsere hervorragende Stimmung ist wahrscheinlich schon nach innen geschwappt.
„Bei allem nötigen Respekt, gebt mir einfach nur ein stumpfes Schwert und ich schäle ihn aus seinem Kampfdress, mitsamt der granulatgepolsterten Kunstlederhandschuhe“, sage ich zu mir.
Plötzlich drängt sich ein glattgeleckter SCHACKALACKO mit Skifliegerfigur nach vorne:
„Ich kenn' den Männetscher.“, sind seine Worte. Wir lachen so lange, bis ein Oberfred aus dem Inneren das Türungeheuer anweist, Hanni durchzuwinken...
„Wir haben so lange durchgehalten Alta, lass uns jetzt nicht die verbliebenen Nerven verlieren“, versucht mich mein Kumpel aufzubauen, weil er spürt, dass ich bedrohlich zu einem Selbstmordattentat neige...

Eine gute Nachbildung des Türstehers.

„Hasse ne Karte??“, fragt mich die Tür. Von der LIDL-Goldcard bis hin zum Lottoschein zeige ich ihm alle mitgeführten, die ihn noch nicht einmal zu einem abfälligen Lächeln zwingen.
Stattdessen lässt er frisch eingetroffene Partygäste an mir vorbeischleichen.
„Welches Arschloch wollte keine Karte besorgen?“, frage ich und integriere die Jungs in mein gedankliches Folterszenario auf Streckbänken, zumindest in Nebenrollen. Nach ca. 1,5 Stunden werden wir mit einem Pinchen Schnaps versorgt.
Ein Eimer Glykolkonzentrat, intravenös verabreicht, hätte uns nicht auftauen lassen. Als die Party offenbar längst ihren Zenit überschritten hat, drängt sich ein heimreisendes Paar mitleiderfüllt an uns vorbei:
„MEIN GOTT, diese armen kältegetrockneten Menschen, kann man da nichts tun?“, sagt sie völlig aufgelöst. „Schau da nicht hin, Kleines“, erwidert der männliche Begleiter und hält schützend die Hände vor die Augen dieser besorgten Frau.
Ich schaue zu den Jungs und gebe der Frau recht.

Mit kaltgegerbter Gesichtshaut habe ich nur noch die Kraft, dem Traumpaar eine gute Heimreise nachzuknurren.
Mit letzter Energie sickern wir nur wenige Stunden später im Schutze einer neu eingetroffenen Menschengruppe in den Laden ein. Mit dem jämmerlichen Flehen: “UM HIMMELS WILLEN, NEHMT MICH BITTE MIT...!“, verlor ich den allerletzten Rest meiner arg minimierten Menschenwürde.
Im Grundgesetz ist meines Wissens verankert: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Meine ist mittlerweile unauffindbar.

„Hasse auch keine Karte?“, fragt mich der selten dämliche Schleuser. Meine Entgegnung bleibt aus, da auch meine Stimmbänder durch Gefrierbrand in Mitleidenschaft gezogen sind, doch mein blutunterlaufener Blick reicht als Antwort...

Bei Bezahlen des überhöhten Eintrittspreises schlägt mir die Kassenfrau Eiszapfen vom Doppelkinn und führt mich zur überfüllten Herrentoilette, damit ich beim Auftauen nicht die gesamte Tanzfläche versaue. Nach Flutung des WCs sind wir endlich nüchtern...

Als schließlich die Innentemperatur unsere vereisten Hautporen aufwärmt und wir an der völlig überfüllten Theke nach etwa 25 Minuten das erste Bier bestellen können, sind wir sicher, dass dieses apokalyptische Warteinferno in unserer persönlichen Lebens(Leidens-)geschichte einen Ehrenplatz erhalten wird.
Im hohen Alter von 80, dem uns diese phänomenale Horrornacht zumindest biologisch um garantiert drei Dekaden näher gebracht hat, werden wir noch darüber mit Grauen philosophieren und uns fragen, wie verstrahlt man sein muss, um über zwei Stunden in Eiseskälte vor diesem Schuppen auszuharren, um seine hart verdienten Kohlen raushauen zu dürfen.

Warum wir uns vorher nicht diese erbärmlichen Karten besorgt haben, werden wir allerdings nie begreifen!

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Dieser Artikel aus den Namensräumen „Diverses“ oder auch „Spiegelwelten“ besitzt aufgrund seiner Qualität die Urkunde „Schatzkistentauglich“ und wird daher im Portal Rumpelkiste gelistet.
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Der Artikel Diverses:Heiße Nacht ist nach einer erfolgreichen Abstimmung mit dem Prädikat Gelungen ausgezeichnet worden und wird zusammen mit anderen gelungenen Artikeln in unserer Hall of Fame geehrt.

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