1 x 1 Silberauszeichnung von Deadpool

Diverses:Das Weihnachtsfest, das binnen Minuten fast zum Dritten Weltkrieg eskalierte

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24. Dezember, 17:33 Uhr Alaska Standard Time (AST); Anchorage, Alaska, USA

Frostiger Dezemberwind peitschte vom Cook Inlet aufs Festland. Es schneite und die eisigen Flöckchen stachen wie kleine Nadeln in den Gesichtern derer, die ihnen ausgesetzt waren. Der achtjährige Troy Snyder stand mit seiner Mutter, Catherine, am Pier und spuckte ins Meer.

"Ferkel", schimpfte Catherine ihren Sohn und gab ihm einen sanften Klaps auf die Schulter. "Wenn du nicht artig bist, fällt Weihnachten aus."

Troys Mutter war sich der Tragweite ihrer Drohung nicht bewusst. Dass Weihnachten dieses Jahr tatsächlich beinahe ausfallen würde, konnte sie nicht ahnen.

"Hast du jetzt genug aufs Meer gestarrt?", fragte sie ungeduldig.

Ihr Sohn liebte das Meer. Seit er halbwegs laufen und sich einigermaßen brauchbar artikulieren konnte, drang er seine Eltern in jeder freien Minute dazu, mit ihm ans Meer zu fahren. Stundenlang konnte er auf die verlorene, weitläufige Wasserfläche starren, ohne sich auch nur im Ansatz zu langweilen. Die unendliche Ebene aus Wasser gab Troy ein Gefühl von Freiheit und Grenzenlosigkeit, dass ihm in der bergigen, beklemmenden Berglandschaft Alaskas meist vergönnt war. Das Meer machte ihn glücklich; das Meer machte ihn frei. Er las sämtliche Bücher über Fische und Schiffe. Sämtliche. Er konnte mit seinen grade mal acht Jahren ausschweifend über die Zusammensetzung von Meerwasser philosophieren, kannte 72 verschiedene Arten von Strahlentierchen beim Vor- und beim Fachnamen und war sich sicher, dass er später mal einen Beruf erlernen würde, der ihn an das, oder sogar in das, Meer bringen würde. Troys Eltern konnten dem Interesse ihres Sohnes zwar nichts abgewinnen. Sie waren aber zu mindestens froh, dass Troy nicht den ganzen Tag vor der Playstation saß und dass er, obwohl jung, männlich und US-Amerikaner, keine Übung im Umgang mit Handfeuerwaffen hatte.

"Troy. Kommst du?" Seine Mutter trieb ihn zur Eile. "Wir kommen zu spät zum essen. Oma gibt sich so viel Mühe, steht den ganzen Tag in der Küche um für die Weihnachtstage zu kochen..."

"Ich komme ja schon", sagte Troy genervt.

Catherine nahm ihren Sohn an die Hand und zog ihn durch das dichter werdende Schneetreiben zur Bushaltestelle.

"Mir ist kalt", jammerte Troy.

"Was glaubst du wie es mir grade ging, als wir zwei Stunden aufs Meer gestarrt haben. Mitten im Winter.", erwiderte Catherine verärgert.

Troy blickte betrübt auf den eingeschneiten Boden und blieb stehen. Seine Mutter hielt inne und er tat ihr leid. Sie beugte sich zu ihm herunter und nahm ihn in den Arm.

"Entschuldige, mein Schatz", sagte Catherine. "Ich wollte nicht gemein zu dir sein. Es ist doch Weihnachten. Frohe Weihnachten, Troy."

"Frohe Weihnachten, Mama."

24. Dezember, 17:45 Uhr (AST), 21:45 Uhr Ortszeit; 24 Sussex Drive, Ottawa, Kanada, Sitz des Premierministers

Mike Welsh richtete sich in seiner Pförtnerloge auf und zog seinen dicken Mantel an. Da es draußen zu schneien begann, setzte er auch die dicke russische Pelzmütze auf, die er neulich im illegalen Kellerladen eines alten US-Vietnam-Veterans in Saskatoon gekauft hatte. Der Alte verkaufte dort vornehmlich Devotionalien aus totalitären, repressiven Staaten, wie dem Dritten Reich, der Sowjetunion oder den USA. Für die Pelzmütze aus Beständen der Roten Armee zahlte Mike 12 Kanadische Dollar. Bevor er die Mütze jedoch bei der Arbeit trug, entfernte er zunächst den roten Stern, der von Hammer und Sichel geziert wurde.

Mike goss sich einen Kaffee ein, nahm den Joint, den er grade gerollt hatte, vom Tisch und ging nach draußen. Der Wind stürmte ihm den Schnee um die Ohren. Mike holte sein Sturmfeuerzeug aus der Tasche und entschädigte sich selbst dafür, dass er an Heiligabend arbeiten musste. Er blickte zum Hauptgebäude hinüber. In den Wohnzimmerfenstern im Erdgeschoss brannte Licht. Justin Trudeau saß sicherlich mit seiner Sophie und den drei Kindern vor dem warmen Kamin und stopfte sich mit Süßigkeiten und heißem Kakao voll. Mike verachtete seinen Boss und Premierminister. Überhaupt verachtete er alle Politiker. Allein schon das Bestreben, politische Macht über andere Menschen erlangen zu wollen, empfand er zu tiefst verachtenswert.

"Politik ist Menschenverachtung", sagte Mike laut und zeigte dem Haus des Premierministers seinen Mittelfinger. "Wäre ich US-Amerikaner, dann hätte ich dich schon lange abgeknallt."

Er blickte durchs Fenster in seine Pförtnerloge und betrachtete sein Gewehr. Doch verwarf er den Gedanken gleich wieder. Er zog ein letztes Mal tief an seinem Joint und trank seinen Kaffee in einem Zug aus. Dann ging er wieder in sein kleines Kabuff und widmete sich verschiedenen Talkshows.

24. Dezember, 18:11 Uhr (AST); Anchorage, Alaska, USA

Elizabeth Snyder, Troys Großmutter, war grade dabei, den Tisch zu decken, als Catherine mit ihrem Sohn zur Tür hineinkam. Eine dichte Schneewehe fegte dabei ins innere des Hauses. Troys Vater, Mason Snyder, saß im Wohnzimmer und schaute mit Troys Großvater fern. Sie tranken Bier.

"Ihr kommt grad' recht", säuselte Oma Elizabeth wohlwollend. "Das Essen ist fertig!"

Die Familie versammelte sich am Esstisch. Es gab Kartoffelsalat und Bockwürstchen. Troy war verwirrt. Hatte Mama nicht gesagt, Oma hätte den ganzen Tag in der Küche... Troy musterte die Schüssel mit Kartoffelsalat und die Platte mit Bockwürstchen und fragte frech:

"Und dafür hat Oma den ganzen Tag in der Küche gestanden?"

Mason Snyder griff über den Tisch und gab seinem Sohn eine Backpfeife.

"Sei nicht so frech!", schimpfte Troys Vater.

"Mason, bitte. Nicht an Weihnachten", versuchte Catherine ihren Mann zu beschwichtigen.

Arschloch, dachte Troy bei sich selbst. Hoffentlich erschießt dich der Weihnachtsmann.

24. Dezember, 22:37 Uhr (AST); Elmendorf Air Force Base, Alaska, USA

Die beiden Piloten James Falcoon und Heather Eagle saßen im Aufenthaltsraum der Airbase und aßen Pizza, während sie sich eine Talkshow nach der anderen im Fernsehen anschauten. Der Empfang war miserabel. Die US-Sender wurden durch Überlagerungen von Kanadischen Sendern und dem russischen Pazifiksender gestört. Immer wieder sprang das Bild kurz auf eine andere Sendung um oder der Ton stimmte nicht mehr mit den Bildern überein.

"Verdammtes Laptopverbot", schimpfte Falcoon.

Eagle stimmte ihrem Kollegen lautstark zu. Mit einem Laptop hätten sie sich Videos oder Streamingfilme anschauen können. Aber Privatlaptops waren auf der Airbase nicht gestattet und mit den Rechnern der Air Force durften sie keine Filme herunterladen.

"Spielen wir Karten?", fragte Falcoon genervt.

"Okay." Eagle war vom TV-Programm und seinen Überlagerungen ebenso gelangweilt.

"Vielleicht spielen ein paar Kollegen aus der Radar-Station mit und der Staff Sergeant. Dann können wir Tas de merde spielen."

"Au ja", sagte Eagle. "Wie hat es eigentlich ein französisches Kartenspiel in die US Air Force geschafft?"

"Ein Command-Chief-Master hat mir das mal erklärt“, antwortete Falcoon. "Der Kerl sagte, er wäre selbst dabei gewesen. Es war nach dem Völkermord in Ruanda im Jahr 1994. Als das Gemetzel endlich vorbei war und die UN-Soldaten sich wieder nach Ruanda hinein trauten, gab es viele Begegnungen zwischen französischen und amerikanischen Soldaten. Da fand dann wohl auch ein reger kultureller Austausch statt und..."

"Nach einem Völkermord?", wandte Eagle ein. "Kultureller Austausch? Da gab es doch größere Probleme!"

"Nein. Welche denn? Der Völkermord war ja vorbei. Die Hutu waren so sehr mit töten beschäftigt, dass die verfolgten Tutsi die Macht im Land an sich reißen konnten und das Morden war beendet. Die Vereinten Nationen brauchten gar nichts zu unternehmen. Sie ließen zwar die regelrechte Abschlachtung von ca. einer Millionen Menschen zu. Das Problem an sich hatte sich aber von selbst gelöst."

"Tod durch Unterlassung", sagte Eagle und schaute ihren Kollegen an. Falcoon nickte. "Feige Schweine", sagte er. "Ich würde jeden töten, der andere tötet!"

Die Widersprüchlichkeit seiner Aussage schien ihm nicht bewusst zu sein.

"Na dann, frohe Weihnachten", sagte Eagle und stand auf. "Gehen wir in die Radarstation. Karten spielen."

24. Dezember, 22:40 Uhr (AST); Anchorage, Alaska, USA

Catherine gab ihrem Sohn einen Kuss auf die Stirn, nachdem sie ihn in seine Bettdecke gewickelt hatte.

"Tut mir leid, dass Papa dich vorhin geschlagen hat.", sagte Catherine. "Und es tut mir auch leid, dass ich nicht mitbekommen habe, wie er dich später in der Garage nochmal richtig verprügelt hat“, fügte sie hinzu.

"Mama?", fragte Troy. "Kommt der Weihnachtsmann nicht zu mir?"

"Aber natürlich kommt er zu dir, mein Schätzchen! Du wirst sehen. Morgen früh liegen lauter Weihnachtsgeschenke für dich unter dem Baum."

"Papa sagt, der Weihnachtsmann bringt mir nichts."

"Ach Schätzchen", beruhigte Catherine ihren Sohn. "Du weißt doch wie Papa ist, wenn er getrunken hat."

Catherine lächelte und küsste ihren Sohn auf die Wange. "Schlaf gut."

Nachdem seine Mutter das Licht ausgeschaltet und die Tür von außen geschlossen hatte, richtete Troy seinen Blick auf das Fenster und betrachtete den sternenklaren Winterhimmel über Alaska.

24. Dezember, 22:45 Uhr (AST); Elmendorf Air Force Base, Anchorage, Alaska, USA

Heather Eagle und James Falcoon saßen mit dem Staff Sergeant und den beiden Diensthabenden vom Radar am Tisch und spielten Karten. Der Staff Sergeant zog eine Sieben.

"Behalte ich erstmal."

Er reichte eine andere Karte an Heather Eagle weiter, als das Radar ein Warnsignal ausgab. Einer der Diensthabenden legte seine Karten ab und ging zum Radarschirm.

"Irgendwas besonderes?", wollte der Staff Sergeant wissen.

"Unidentifiziertes Objekt", antwortete der Diensthabende. "Nähert sich Alaska von Norden. Fast in US-Luftraum. Ich funke es mal an."

Der Diensthabende nahm am Radar Platz und setzte sich die Kopfhörer auf. "Hier US-Airforce. Drehen Sie bei oder identifizieren Sie sich. Sie fliegen auf amerikanischen Luftraum zu."

Er wiederholte die Aufforderung drei Mal. Eine Antwort blieb jedes mal aus. "Die Antworten nicht, Sergeant", sagte der Mann am Radar.

"Frag bei der Nordpolarflotte der Navy nach, ob die das Flugobjekt identifizieren können. Bestimmt sind das da oben Iraker." Der Staff Sergeant war sich seiner Sache sicher.


24. Dezember, 22:53 Uhr (AST); zwei Kilometer hoch über internationalen Gewässern des Nordpolarmeeres, nördlich von Alaska

Der Flug über die nördliche Polarkappe war bisher gut verlaufen. Normalerweise eignen sich die thermischen Verhältnisse nicht, um von Europa über den Nordpol nach Amerika zu fliegen. Auch, wenn der Weg kürzer ist. Aber diese Flugroute hatte sich zweckdienlich angeboten. Nachdem er am Abend des 24. Dezembers die Kinder in Europa und einigen Teilen Asiens und Afrikas beschenkt hatte, war der Weihnachtsmann am Nordpol zwischengelandet um neue Geschenke auf seinen Schlitten zu laden. Er würde pünktlich in Amerika ankommen, um die Kinder dort am Morgen des 25. Dezembers beschenken zu können.

Die Rentiere schnaubten. Der Schlitten lag gut in der Luft und zog einen Schweif aus Sternenglitzer hinter sich her. Es herrschte tiefschwarze Nacht. Das eisige Weiß der Polarkappe, tief unter dem Schlitten, war nicht zu sehen. Nur der Sternenhimmel funkelte hell über dem Kopf des Weihnachtsmanns. Er blickte auf seine Taschenuhr. Er lag gut in der Zeit. Und in der Ferne konnte er die ersten Lichter Alaskas sehen. Und der Sternenglitzerschweif des Weihnachtsschlittens leuchtete wie ein Komet am Nachthimmel.

24. Dezember, 22:53 Uhr (AST); Anchorage, Alaska, USA

Troy nahm vom Bett aus einen kleinen, blinkenden Stern am Firmament wahr, der langsam größer wurde. Troy hob den Kopf. Der Stern veränderte sich. Zog sich mal in die Länge, wurde wieder Punktförmig und schien über den Himmel zu wandern. Sollte das der Weihnachtsstern sein? Troy wickelte sich aus seiner Bettdecke und schlich zum Fenster. Ja wahrhaftig. Ein funkelnder Stern mit Glitzerschweif, der am Himmel tanzte. Das konnte nur der Weihnachtsstern sein!

24. Dezember, 23:07 Uhr (AST); Elmendorf Air Force Base, Anchorage, Alaska, USA

Die Navy hatte, ebenso wie die Air Force, versucht, das unidentifizierte Flugobjekt zu kontaktieren. Ohne Erfolg.

Der Staff Sergeant der Elmendorf Air Force Base tat sich schwer mit einer Entscheidung zum weiteren Vorgehen. An einem normalen Wochentag wären immer mindestens fünf, wenn nicht sechs höherrangige Dienstgrade anwesend, die in solchen Situationen die Entscheidungen fällen. Der Staff Sergeant schwitzte zwei Liter und drei große Fische aus, bis er den Befehl gab, Abfangjäger hoch zu schicken.

Heather Eagle und James Falcoon machten sich zum Abflug bereit. Drei Minuten später waren sie mit ihren F-15-Kampfjets in der Luft und näherten sich mit Überschallgeschwindigkeit dem unbekannten Flugobjekt. Der Staff Sergeant gab den Befehl, den Befehlshaber der Airbase von zu Hause zu holen. Außerdem solle der Präsident informiert werden. Es könnte sich ja um Terroristen handeln.

24. Dezember, 23:13 Uhr (AST); Anchorage, Alaska, USA

Troy stand mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund am Fenster und starrte auf den glitzernden Weihnachtsstern am Himmel. Troy vergaß zu schlucken und Sabber lief aus seinem Mund. Und als ob das alles nicht schon schön genug wäre, gesellten sich noch zwei weitere Sterne zu dem Weihnachtsstern. Die beiden neuen Sterne glitzerten nicht. Sie stießen Feuer aus und näherten sich dem Glitzerstern sehr schnell.

24. Dezember, 23:14 Uhr (AST); über amerikanischem Luftraum, Alaska, USA

Der Weihnachtsmann ging langsam in einen Sinkflug über. Dass man so eben 21 Mal versucht hatte, ihn anzufunken, wusste er nicht. An Bord des Weihnachtsschlittens gab es kein Funkgerät. Der Weihnachtsmann atmete die kalte Luft ein und schloss verträumt die Augen. Der Wind toste in seinen Ohren. Als er die Augen wieder öffnete, flog links und rechts von ihm je ein F-15-Kampfjet neben seinem Schlitten her. Die beiden Flugzeuge kamen dem Schlitten gefährlich nah und die Rentiere scheuten. Von einem auf den anderen Moment blieb der Schlitten in der Luft stehen. Die beiden Jetpiloten waren darüber so irritiert, dass sie vergaßen zu steuern und ihre Flugzeuge vor dem Schlitten in einander flogen. Die Piloten konnten sich im letzten Moment mit dem Schleudersitz retten.

24. Dezember, 23:14 Uhr (AST); Anchorage, Alaska, USA

Troy war fasziniert von dem Spektakel, das da am Weihnachtshimmel vor sich ging. Die beiden Feuersterne waren erst neben dem Glitzerstern her geflogen, als der Glitzerstern plötzlich stehen blieb und die beiden Feuersterne kurz zu einem riesengroßen Feuerball verschmolzen, um dann wieder als kleinere Sterne vom Himmel zu fallen. Für Troy stand fest. Dies war das schönste Weihnachtsfest aller Zeiten!

24. Dezember, 23:14 Uhr (AST); über amerikanischem Luftraum, Alaska, USA

Der Weihnachtsmann war zunächst perplex und konnte die Situation nicht richtig deuten. Was war da vorgegangen? Warum hielt der Schlitten? Er schaute auf seine Taschenuhr, die auch eine Datumsanzeige hatte. Weihnachten. Der Weihnachtsmann erinnerte sich. Er wurde wütend, weil er in letzter Zeit immer wieder Dinge vergaß. So auch, dass heute Weihnachten ist. Der Weihnachtsmann war nicht mehr eben jung und seine, zunächst schleichend beginnende, Demenz machte sich immer häufiger bemerkbar. Er war in Alaska, das wusste er. Also musste er naaaach...Kanada? Würde Sinn machen. Hatte er in Alaska Geschenke verteilt? Bestimmt. Also auf, nach Kanada!

24. Dezember, 23:17 Uhr (AST), 25. Dezember, 03:13 Uhr Ortszeit; Oval Office, Weißes Haus, Washington D.C., USA

Präsident Barack Obama saß in seinem Sessel und ließ sich von seiner Chefsekretärin einen blasen. Mit der Hand kramte er in der Schreibtischschublade herum und öffnete die Zigarrenkiste, die sich in der Schublade befand. Gute Havannas. Noch aus Bill Clintons Zeit. Als er gerade der Zigarre die Bauchbinde abnehmen wollte, klopfte es an der Tür.

"Fuck!", fluchte der Präsident leise. "Hoffentlich ist das nicht Michelle!" Obama versteckte seinen little president in seiner Hose und warf die Zigarre auf den Tisch. Der Präsident tat, als wäre er am Schreibtisch beschäftigt und die Chefsekretärin öffnete die Tür. Mit verschmiertem Lippenstift blickte sie in das Gesicht eines Staatsbediensteten, der nur verächtlich mit dem Kopf schüttelte und dann ungefragt eintrat.

"Mr. President", sagte der Staatsbedienstete. "Wir werden angegriffen! Ein nicht näher identifiziertes Flugobjekt, vermutlich Iraker oder Russen, ist in Alaska in unseren Luftraum eingedrungen und hat zwei F-15-Kampfjets zerstört. Die Piloten konnten sich mit dem Schleudersitz retten. Sechs weitere Abfangjäger, die schon in der Luft waren, nähern sich in diesem Moment dem Angreifer."

"Trommeln Sie den Krisenstab zusammen.", befahl der Präsident. "Wenn dieses Flugzeug keinem Bündnispartner gehört, können wir es einfach abschießen. Und jemand soll in Russland anrufen. Die verirren sich ja auch gerne aus Versehen in unseren Luftraum.“

"Zu Befehl, Sir!", sagte der Staatsbedienstete. Und mit Blick auf die Zigarre, die auf dem Schreibtisch lag, fügte er an: "Ich habe das schon zu Bill Clinton gesagt und ich werde es auch Ihnen sagen, Sir: So etwas nimmt niemals ein gutes Ende!"

24. Dezember, 23:17 Uhr (AST); über amerikanischem Luftraum, Alaska

Der Weihnachtsmann ließ die Rentiere mit Höchstgeschwindigkeit Richtung Osten fliegen. Wo wollte er nochmal hin? Kanada?

Wieder hörte der Weihnachtsmann dieses Dröhnen von vorhin.

War er in Alaska schon fertig?

Das Dröhnen wurde lauter.

Oder Europa? Klar! Er wollte nach Europa! Deshalb flog er in Richtung Kanada! Einfach nach Osten! Über Kanada! Ja, so musste es sein!

Der Weihnachtsmann blickte nach hinten, von wo das Dröhnen kam. Eine Gruppe aus sechs Kampfjets folgte dem Weihnachtsmann in sicherem Abstand. Der Kopf der Gruppe funkte mit der Bodenstation.

"Hier Mission Death an Mission Control. Bitte kommen."

"Hier Mission Control. Was gibt's?"

"Haben Sichtkontakt zum Zielobjekt. Wir verringern den Sicherheitsabstand. Über Funk erreichen wir ihn nicht."

"Seid vorsichtig! Der hat schon zwei Flugzeuge auf dem Gewissen! Erkennt ihr Hoheitsabzeichen?"

"Negativ. Scheint ein ziviles Fluggerät zu sein und es ist kein Flugzeug. Das ist irgendwas komisches."

Der Pilot flog näher an den Weihnachtsmann heran um erkennen zu können, mit was für einer kranken Scheiße sie es hier zu tun hatten. Das sah aus wie ein Schlitten, mit Rentieren. Und der Pilot des Schlittens? Ein dicker, bärtiger Mann mit roter Kleidung und Zipfelmütze...sollte das etwa...das kann doch nicht...unmöglich! Sind das etwa...Sowjets?! Heutzutage? Nein, das kann nicht sein. Dann müssen das folglich...

"Mission Control, ich glaube, das sind Russen."

"Negativ. Obama hat mit Putin telefoniert."

"Na das ist ja eine sehr zuverlässige Quelle. Ach noch was, Mission Control. Wir nähern uns bald Kanada. Sollen wir das Zielobjekt runter zwingen oder eliminieren?"

"Verfolgt das Zielobjekt weiter über Kanada."

"Haben wir die Erlaubnis?"

"Die holen wir noch. Fliegt weiter hinterher. Mission Control over."

24. Dezember, 23:20 Uhr (AST); 25. Dezember, 01:19 Ortszeit; Canadian Forces Base Cold Lake, Alberta, Kanada

Captain Harris betrat die Radarzentrale der Luftwaffenbasis und blickte sich nach dem diensthabenden Offizier um.

"Da sind Sie ja. Was gibt es denn um diese Zeit?", fragte Harris.

"Hallo Captain Harris. Ein unidentifiziertes Flugobjekt, wahrscheinlich russisch oder irakisch, nähert sich Kanada. Es hat zwei Kampfjets der US Air Force abgeschossen und wird nun von sechs US-Kampfjets nach Kanada gejagt."

"Die Amerikaner sollen den gefälligst auf ihrem eigenen Staatsgebiet runter holen! Oder zum Abdrehen bewegen. haben wir Funkkontakt?"

"Zu dem Angreifer nicht. Zu den Amerikanern die ihn verfolgen schon."

"Sagen Sie denen, die sollen mit ihrem Zielobjekt abdrehen!"

"Das haben wir getan. Die US-Piloten gaben zurück, sie unterstünden dem amerikanischen Präsidenten, nicht dem kanadischen Premierminister und wir hätten keine Befehlsgewalt über sie. Womit sie ja auch irgendwie Recht haben..."

"Und jetzt fliegen sie weiter auf uns zu? Schickt Abfangjäger hoch. Mindestens zwölf. Hindert sie daran, in kanadischen Luftraum einzudringen. Und informiert den Premierminister!", befahl Captain Harris.

"Zu Befehl, Sir!"

24. Dezember, 23:24 Uhr (AST); 25. Dezember, 03:24 Uhr Ortszeit; 24 Sussex Drive, Ottawa, Kanada, Sitz des Premierministers

Mike Welsh schlief in seiner Pförtnerloge, als das Telefon schellte. Es dauerte einen Moment, bis Mike davon erwachte. Müde hob er den Hörer von der Gabel und gähnte hinein.

"Hallo?"

"Entschuldigen Sie die späte Störung. hier ist Harjit Sajjan. Ich muss leider zu dieser späten Stunde den Premierminister sprechen.", meldete sich der kanadische Verteidigungsminister am anderen Ende der Leitung.

"Bin dran", log Mike und musste grinsen.

"Gut, gut", sprach der Verteidigungsminister durch den Hörer "Herr Premierminister, wir werden angegriffen."

"Von wem?", wollte Mike wissen.

"Naja, im Grunde genommen von den USA. Die jagen uns grad' ein unidentifiziertes Flugobjekt ins Land, dass in Alaska zwei F-15-Jets abgeschossen hat. Eine unserer Abfangjägerflotten ist mit den Zielobjekten bald in Kontakt."

"Also", sagte Mike gewichtig und legte für die Dramatik eine kurze Pause ein. "Wenn die Amis meinen, sie könnten uns einfach so ihre Al-Qaida-Feinde ins Land scheuchen, dann holt sie runter! Ihr habt Schussbefehl, sobald kanadischer Luftraum verletzt wird."

"Ist das nicht etwas übereilt, Herr Premierminister? Ich meine...Schussbefehl?"

"Tun Sie was ich sage!"

Und der Verteidigungsminister tat, was der vermeintliche Premierminister befohlen hatte. Und er informierte auch die Amerikaner über den Abschussbefehl und der amerikanische Präsident tobte im Oval Office.

24. Dezember, 23:35 Uhr (AST); 25. Dezember, 03:35 Uhr Ortszeit; Oval Office, Weißes Haus, Washington D.C., USA

Ein Teil des Krisenstabs hatte sich bereits im Oval Office eingefunden. Die Chefsekretärin hatte ihren Lippenstift wieder zurecht gemacht und der Präsident wählte wutentbrannt die Handynummer des kanadischen Premierministers.

Es klingelte mindestens sieben Mal, bis sich eine verschlafene Stimme meldete.

"Trudeau?"

"Was zur Hölle erlaubst du dir, unseren Flugzeugen mit Abschuss zu drohen?! Wenn wir über euer Staatsgebiet fliegen wollen, dann TUN WIR DAS AUCH!!! Auf diesem Kontinent haben WIR das sagen!", insistierte der amerikanische Präsident.

Der kanadische Premierminister war verwirrt. "Was ist los? Was machst du denn..."

"Du weißt ganz genau, was los ist!", fauchte Obama scharf in den Hörer.

"Ich werde mir nicht von euch Ahornpflückern die Vormachtstellung über Amerika und den Rest der Welt streitig machen lassen!!!"

Der Präsident war stinksauer und knallte den Hörer auf die Gabel.

Ein Staatsbediensteter trat an den Präsidenten heran und fragte: "Was werden Sie jetzt tun, Mr. President?"

"Das, was jeder amerikanische Präsident in meiner Lage tun würde.", sagte Obama. "In den Krieg ziehen."

"Ein Krieg? Bei allem Respekt, Mr. President, aber ein Krieg..."

"Tun Sie, was ich sage! Richten Sie Atomraketen auf Ottawa, Vancouver und Montreal."

24. Dezember, 23:36 Uhr (AST); 25. Dezember, 03:36 Uhr Ortszeit; 24 Sussex Drive, Ottawa, Kanada, Sitz des Premierministers

Justin Trudeau legte sein Handy zurück auf den Nachttisch. Obama war sicher betrunken. Ist ja auch Weihnachten. Aber, dass er immer alle möglichen Ministerpräsidenten und Könige anrief, wenn er getrunken hatte, dass nervte den Premierminister. Über dieses sinnend, schlief er wieder ein.

24. Dezember, 23:36 Uhr (AST); Anchorage, Alaska, USA

Troy kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und stand nun schon lange und unterkühlt am Fenster. Nachdem die beiden Feuersterne vor dem Glitzerweihnachtsstern zu einem großen Feuerball wurden, kamen kurz darauf sechs neue Sterne dazu, die mit dem Weihnachtsstern flogen. Doch die gesamte Sternenformation entfernte sich immer weiter und als sie gänzlich verschwand, blickte Troy noch ein paar Minuten lang zum Himmel hinauf, in der Hoffnung, die fliegenden Sterne würden zurückkehren.

24. Dezember, 23:39 Uhr (AST); 25. Dezember, 03:39 Uhr Ortszeit; 24 Sussex Drive, Ottawa, Kanada, Sitz des Premierministers

Mike Welsh saß in seiner Pförtnerloge und telefonierte mit dem Dienstapparat. Er sprach mit seinem Cousin aus Übersee, mit dem er sich viel zu erzählen hatte. Im Gebäude war der Premierminister grade wieder eingeschlafen, als sein Handy erneut klingelte. Justin Trudeau nahm ab.

"Justin? Harjit hier. Dein Festnetz ist besetzt, deshalb muss ich dich auf dem Handy anrufen. Die Lage hat sich verschlimmert. Die Amerikaner stellen Atomraketen auf. Wir erwarten dich dann."

Ohne eine Antwort abzuwarten, hatte der Verteidigungsminister wieder aufgelegt.

"Amerikaner stellen Atomraketen auf?", dachte der Premierminister schlaftrunken. "Und Wasser fließt bergab. Das ist doch alles nichts neues." Justin Trudeau drehte sich zu Sophie um und schlief weiter.

24. Dezember, 23:42 Uhr (AST); 25. Dezember, 13:42 Uhr Ortszeit; Büro von Ban Ki-moon, Seoul, Südkorea

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wählte eine Nummer und verlangte, mit dem amerikanischen Präsidenten und dem kanadischen Premierminister zu sprechen. Zeitgleich und unverzüglich.

Barack Obama, schimpfend im Oval Office, war schnell in der Leitung. Bei Justin Trudeau dauerte es einen Moment, bis dieser sich, müde und genervt, meldete.

"Geht's euch gut da drüben?", fragte Ban Ki-moon wissend und vorwurfsvoll. "Ihr tickt doch nicht ganz richtig! Es ist Weihnachten, ich habe frei und erfahre plötzlich, dass Ihr beiden drauf und dran seid, heute den Dritten Weltkrieg auszutragen! Oder den Vierten. Je nach Definition." Dieser Seitenhieb ging in Richtung USA.

"Was ist denn überhaupt los?", wollte der kanadische Premierminister wissen.

"Ihr wisst ganz genau, was los ist!", schimpfte Ban Ki-moon. "Obama. Wollten Sie wirklich mit Atomraketen auf ihr Nachbarland schießen?"

"Nein", gestand der amerikanische Präsident und fühlte sich schuldig. "Aber ich wurde herausgefordert und habe im Eifer des Gefechts vielleicht etwas überreagiert. Außerdem bin ich müde und betrunken."

"Reißt euch zusammen und zwar beide!“, zischte Ban Ki-moon. "Ich verbiete euch, Krieg gegeneinander zu führen!"

"Ja", sagte Obama niedergeschlagen. "Aber woher wissen Sie..."

"Russland hat gepetzt. Die haben euren Funkverkehr abgehört.", sagte der UN-Generalsekretär knapp. "Also verhaltet euch ruhig. Ich kriege alles mit, was ihr macht!"

"Was ist denn überhaupt los?", wollte Trudeau wissen, doch da hatte Ban Ki-moon schon aufgelegt und auch Obama war aus der Leitung verschwunden.

24. Dezember, 23:45 Uhr (AST); 25. Dezember, 03:45 Uhr Ortszeit; 24 Sussex Drive, Ottawa, Kanada, Sitz des Premierministers

Der kanadische Premierminister lag noch einen Moment wach und fragte sich, warum alle verrückt spielten. Er hatte nicht viel erfahren. Nur, dass die Amerikaner ihr Nachbarland nicht mit Atomraketen beschießen wollten und das ein Krieg ausgeschlossen war. Warum weckte man ihn dann andauernd? Und welches Nachbarland der USA war gemeint? Sicher Mexiko.

Fünf Minuten, nach dem der Premierminister eingeschlafen war, klingelte sein Handy ein letztes Mal in dieser Nacht.

"WAS IST!?", schrie er ins Telefon.

"Justin", sagte der Verteidigungsminister. "Harjit hier. Die Amerikaner haben abgedreht. Das unidentifizierte Flugobjekt ist noch in Alaska gelandet. Senkrecht. Die F-15-Formation ist einfach so darüber hinweg gerauscht. Wir verstärken jetzt die Grenzsicherung nach Alaska. Kommst du eigentlich noch?"

"Ach lasst mich doch einfach schlafen", flehte der Premierminister. Und mit diesen Worten pfefferte er sein Handy an die Wand.

"Was wollen die denn alle von dir?", wollte Sophie neben ihm wissen.

"Ach, nichts, Schatz. Die haben alle nur zu kräftig gefeiert." Er rutschte an seine Frau heran und nahm sie in den Arm. Schnell schliefen beide wieder ein und konnten durchschlafen, bis ihre Kinder sie am Morgen weckten. Das Handy, das in Einzelteilen in der Ecke lag, gab keinen Laut mehr von sich. Und auch das Festnetz war weiterhin besetzt.

24. Dezember, 23:45 Uhr (AST); in der Wildnis des östlichen Alaskas, USA

Der Weihnachtsmann stapfte um seinen Schlitten herum durch die Dunkelheit. Am Himmel kreisten die Flugzeuge im Tiefflug. Es begann zu schneien. Genau das richtige Wetter für den Weihnachtsmann. Gut für sein Rheuma. Er erinnerte sich, wie er früher gerne bei solchem Wetter Geschenke verteilt hatte. Während er durch den dunklen Wald irrte, stieß der Weihnachtsmann irgendwann wieder auf seinen Schlitten. Der Schlitten war gefüllt mit Geschenken. Der Weihnachtsmann erinnerte sich abermals, wie er früher gerne bei solchem Wetter Geschenke verteilt hatte. Das wäre doch jetzt die Gelegenheit für den Weihnachtsmann! Ein Schlitten, mit Geschenken bepackt, und Rentieren davor gespannt!

Der Weihnachtsmann musste noch einen langen Moment überlegen, ehe er losfuhr und damit begann, Geschenke zu verteilen. Manchmal ließ er einzelne Haushalte aus und kam später dorthin zurück, oder er beschenkte den selben Haushalt zweimal. Es dauerte bis in den März hinein, ehe der Weihnachtsmann, in den Abgründen seiner Demenz, endlich jeden Menschen beschenkt hatte. Aber am Ende hatte er niemanden ausgelassen.

~ Ende ~

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