Brasilianische Prozessionsmeisterschaft

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Die brasilianische Prozessionsmeisterschaft ist eine südamerikanische, nicht ballbezogene und somit völlig aus dem Rahmen fallende Sportveranstaltung.

Hintergründe

Das Dorf Rio Negro Avelaneda mit seinem Beitrag zur Straßenprozessionsmeisterschaft 2012

Brasilien. Land der weißen Strände, wie von Geisterhand umfallender Tropenwälder, übergewichtiger Fußballer, minderbemittelter Brandstifter und halbnackter Frauen mit Federschmuck, die sich auf bunten Karnevalswagen legal prostituieren. Ein Land, das vieles bietet, wenig verbietet und günstig vermietet, sofern man ein reicher Industrieller aus dem Ausland mit einem Faible für Industriestandorte im Regenwaldgebiet ist. Viele Menschen glauben ja, in diesem fröhlichen Land würde permanent etwas los sein (sogar außerhalb der großstädtischen Polizeidezernate, die sich auf Straßenraub spezialisiert haben) – und manche Klischees stimmen einfach: Brasilien ist ein Land des Feierns. Hier sind Straßenumzüge fast so alltäglich wie Demonstrationen in Nordafrika und öffentlicher Völkermord in Syrien, nur noch viel spaßiger und mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eines AKTIVEN Einmischens der UNO. Und so ist es völlig logisch, dass die Brasilianer das Feiern einer Straßenprozession zu einem Sport gemacht haben und regelmäßig Meisterschaften austragen. Man hat in einem Land mit einer dermaßen hohen Arbeitslosigkeit ja eh nichts Besseres zu tun.

Geschichte

Die Geschichte des Feierns ist so alt wie das Feiern selbst, deshalb ist es ja die Geschichte des Feierns und nicht des Freiers, obwohl diese ungleich spannender und schlüpfriger wäre. Erzählt wird im Folgenden aber weder das eie, noch das andere, denn das würde komplett den Rahmen sprengen. Sollte jemand etwas übers "Ficken" lesen wollen, so möge er hier klicken.

Die Kirche des Gründerdorfes wurde als Andenken an die große Errungenschaft ohne Turm gebaut.

Tatsache ist, dass im Jahre 1865 ein Dorf im abgelegenen Norden Brasiliens mit einer defekten Turmuhr ihres Kirchenturms zu kämpfen hatte und so nicht mehr im Bilde um die korrekte Uhrzeit war. Da die Armbanduhr noch nicht erfunden war und das Dorf dermaßen weit ab vom Schuss war, dass keiner der Bewohner wirklich Lust hatte, mal zum Nachbardorf zu fahren und dort etwas Angemessenes zum Anzeigen der Zeit zu erstehen lebte man von dort an frei nach Gefühl. Und auch als die Karnevalszeit in diesem Jahr begann, hielt man sich nicht an die offizielle Uhrzeit zum Start, sondern entschied frei aus dem Bauch heraus. Man versah sich also um knappe 3 Monate, was nicht unbedingt für die innere Uhr der nordbrasilianischen Landbevölkerung spricht. Da man es nicht besser wusste (in Äquatornähe sind die Jahreszeiten schließlich irgendwie alle gleich) startete man dennoch die übliche Karnevalsprozession ins Nachbardorf (auch wenn man sonst ja zu faul dazu war... Aber wenn man feiern will, geht plötzlich alles...) und sah sich bei der Ankunft einer ziemlich verdutzen Masse gegenüber, die eigentlich gerade Weihnachten feiern wollte (wobei das auch falsch war, denn auch hier ging der Kirchturm nicht. Es war Juli.)

Die Dorfbevölkerung stand nun vor einer schwierigen Entscheidung: Entweder man gibt ehrlich zu, einen Fehler gemacht zu haben, oder man denkt sich irgendwas völlig Beknacktes, an den Haaren Herbeigezogenes aus, um nicht für höchstens drei Sekunden wie der letzte Depp da zu stehen.

5 Minuten später war ein neuer Volkssport begründet – das Straßenprozessionieren.

Die Sportart breitete sich bald wie ein Lauffeuer in alle Richtungen des Landes aus und wurde überall begeistert aufgenommen. Karnevalsumzüge auch außerhalb der Karnevalszeit abhalten und das Ganze als Sport bezeichnen? Warum auch nicht! Und so wurde aus einem Irrtum eine Sportart. Die Bewohner des Gründerdorfes setzten ihrer großartigen Errungenschaft ein Denkmal, indem sie feierlich ihre Kirche abrissen und an dieser Stelle eine neue errichteten – mit Flachdach und ohne Glockenturm mit eingebauter Uhr. Man hatte ja gelernt, dass es nur Vorteile hat, keine Ahnung von der Uhrzeit zu haben.

Regelwerk und Bewertungssystem

Der Pico delle Vilhjavacho zählt ob seiner schwer einsehbaren Serpentinen jedes Jahr zu den größten Herausforderungen der Prozessionsteams

Die Brasilianische Prozessionsmeisterschaft folgt weitestgehend den Regeln der guten Laune und einigen anderen, die der Sportverband (ja, den gibt es. Überall, wo Leute Spaß haben, gibt es irgendwen, der was gründet, um den Spaß zu reglementieren) festgelegt hat.

Ein Meisterschaftslauf in der Nationalen Straßenprozessionsprofiklasse, welcher in der laufenden Saison 2012/13 insgesamt 24 Dorf- und Stadtgemeinschaften angehören, wird für gewöhnlich auf einer bis zu 56 Kilometer langen Strecke ausgetragen. Aufgabe aller Teams ist es, auf der festgelegten Strecke eine möglichst ansprechende Prozession abzuhalten und die gesamte Strecke dabei in einer vorher festgelegten Zeit zurückzulegen.

Bewertet werden neben der zeitlichen Einhaltung vor allem die Stimmungsverbreitung, wie auch die Schwierigkeit der gezeigten Choreographien. Besonders gern wird dabei das Einbinden der Streckengegebenheiten gesehen. So erreichte ein gewagter Balanceakt über einen Abhang der östlichen Bergregion mittels einer wackeligen Seilkonstruktion (trotz Vorhandensein einer Hauptverkehrsbrücke) der Truppe aus Recife im Jahre 2007 die Höchstwertung, da trotz der erschwerten Bedingungen alle Festwagen absturzfrei ins Ziel kamen, ihre 50 Synchronjongleure auf dem Seil keinen Ball fallen ließen und der parallele Einsturz der Hauptverkehrsbrücke zu einer Höchstpunktzahl in der Hellseherwertung führte. Wenig Punkte hingegen erhielt die Mannschaft aus Porto Alegre, die im selben Wettbewerb leider ausschied, als die Spitze der Prozession am gefürchteten Pico delle Vilhjavacho nach einer Serpentine einen entgegenkommenden Sattelschlepper übersah und anschließend alle Trommler am Abhang verlor - und zwar unsynchron.

Die Bewertung erfolgt durch eine vorher streng festgelegte und damit vollkommen willkürliche Befragung von Zuschauern und einer 5-köpfigen Jury, die jedoch am Ziel sitzt und so von den vorherigen 56 Kilometern überhaupt nichts mitbekommt. Die Jurywertungen werden daher meist als Streichresultat gewertet und durch ein kompliziertes Würfelsystem ersetzt. Wer am Ende genau gewonnen hat, ist nicht selten völlig unklar. Das liegt aber meist daran, dass die Dorfbevölkerung weder rechnen noch lesen kann, oder es zumindest nicht möchte, wenn sie selber offensichtlich nicht gewonnen hat.

Vermarktung und Übertragung

Der Übertragungssender des Brasilianischen Privatfernsehens. Mistgabeln und Fackeln sind erwünscht

Obgleich die Brasilianische Straßenprozessionsmeisterschaft in ihrer Popularität dem Fußball fast ebenbürtig sein könnte (über die Realität wird zumindest im Ausland ausgiebig geschwiegen) ist sie marketingtechnisch dem Ballgeschiebe noch deutlich unterlegen. Die Merchandise-Stände am Streckenrand machten in den letzten Jahren wenig Umsatz, da sie nicht bedacht hatten, dass die meisten brasilianischen Landstraßen und Bergpassagen überhaupt keinen Streckenrand besitzen- Folglich wurden die Stände mitten auf die Straße gestellt und meist bereits vor Eintreffen der ersten Prozessionsteilnehmer von argentinischen Fernbussen und kolumbianischen Drogentransportern umgemäht. Wenn nicht wurde dies von der Prozession selbst gern übernommen. Die Verkäufe blieben so oder so deutlich unter den Erwartungen und verhielten sich damit antizyklisch zu den Krankenhauskosten.

Bedingt durch die 56 Kilometer lange Strecke und der simplen Tatsache, dass es einer Idiotie gleichkommt, sich auf eine brasilianische Landstraße zu stellen, um außerhalb der Karnevalszeit auf insgesamt 24 Karnevalsumzüge zu warten, wurde die Straßenprozessionsmeisterschaft schon vor Jahren vom Privatfernsehen entdeckt, um eine von vielen 12,5-stündigen Lücken im Programm halbgar zu füllen. Die Berichterstattung kennt kaum Grenzen, zumindest nicht die des guten Geschmacks. So wird jeder Todesfall während der Prozession erst mal ausgiebig interviewt, das Rahmenprogramm mit Home-Storys von lokaler C-Prominenz, die 1993 auch mal Karneval gefeiert hat unterfüttert und Christian Danner zum Co-Kommentator gemacht, obwohl er kein Portugiesisch spricht. Danner, dessen Sprachbarriere ihm auch bei RTL immer wieder Schwierigkeiten macht beschränkt sich in seinen Aussagen allerdings weitestgehend auf eine Analyse der Reifen sämtlicher Festwagen in Zusammenhang mit dem Wetterbericht der letzten 4 Wochen. Trotzdem schalten jedes Mal mehr als 112 Millionen Brasilianer ein. Nicht alle denselben Kanal, aber das verlangt ja niemand.

Olympiaträume 2016

Der Olympiastützpunkt in der Hauptstadt Brasilia

Sollte sich der geneigte Leser nicht in einer Nachrichtensperre, dem Tal der Ahnungslosen oder in einem wachkomatösen Zustand, der freudigen Verdummung befinden (diesem wohligen Zustand in den man während eines Auftritts von Mario Barth verfällt), dann müsste ihm klar sein, dass die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro stattfinden. Wenn nicht, ist es auch egal - die Zuschauerzahlen der letzten Spiele sagen ja auch nichts anderes.

Um der Spiele 2016 einen heimischen Charakter zu geben, versucht der brasilianische IOC-Stützpunkt bereits seit Jahren verzweifelt, einige heimische Dauerbrenner wie „Straßenraub“, „Sambatanz“, „Messerkampf gegen tollwütige, aus unerfindlichen Gründen in der Innenstadt lebende Paviane“ und eben auch die Straßenprozession olympisch zu machen. Bislang mit wechselhaftem Erfolg. Manches hat nicht geklappt, manches überhaupt nicht. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Der brasilianische IOC-Funktionär Joao Havelange jedenfalls hat bereits einmal vorsorglich einen „Koffer, den wir natürlich nur mit Geld gefüllt haben, weil wir gerade kein anderes Auslegematerial auf Lager hatten, um das Wildleder auf der Innenseite zu schonen“',' nach Genf an FIFA-Boss Sepp Blatter geschickt.

Dies ist im Falle von Olympia zwar vollkommen nutzlos, aber man „kann von geliebten Gewohnheiten so schlecht lassen.“, so Havelange. „Außerdem hat irgendwer eine Ahnung, an wen man sich beim IOC wenden soll, wenn es um Koffer geht? Ich kenne da keinen außer mir.“

Ob die Straßenprozession 2016 zu den Olympischen Spielen hinzustoßen wird, ist mehr als fraglich. Aber so oder so ist es eine Sportart, deren internationaler Durchbruch nur noch eine Frage der Zeit ist.


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