Spiegelwelten:Die Traumhochzeit – Waraluq Wurbani von Würgmenistan heiratet Prinzessin Bonita von Äquador

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Dieser Artikel ist zwar im Namensraum Spiegelwelten zu finden, er spielt aber in der Orbis Alius.
Was ist die Orbis Alius?Was sind die Spiegelwelten?
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9:00

Pîlasty Prezdenko Wyrqmanîsty, Êliza Wyrqmâbashý 1, Êreqalqh, Wyrqmanîsty, 9. Wyrqmâbashý 2017

Würgmenischer Präsidentenpalast, Würgmenbaschi-Straße 1, Erbrechabad, Würgmenistan, 9. März 2017

Es ist ein lauer Morgen über der würgmenischen Hauptstadt, und es sind noch nicht so viele Autos unterwegs. Es haben aber auch nicht so viele Würgmenen ein Auto. Die Smogglocke ist trotzdem schon vorhanden, zum einen, weil die Kraftwerke, Chemiefabriken und Müllverbrennungsanlagen auch nachts arbeiten, und zum anderen, weil sie sich nachts sowieso nicht mehr auflöst.

Im Präsidentenpalast wälzt sich ein junger Mann im Halbschlaf in seinem opulenten Bett herum. Leise erklingt ein Vogelzwitschern vom Tonband, denn echte Vögel gibt es hier schon lange nicht mehr. Endlich schlägt der junge Mann – er ist Anfang 20 – die Augen auf. Schreckensstarr ist sein Blick von dem, was er geträumt hat. Dabei ist das – oder vielmehr die –, von der er geträumt hat, ein Mädchen. Ein bekanntes Mädchen. Es ist die Prinzession der Realdemokratischen Republik Äquador, namentlich Bonita Ramirez. Und der junge Mann, der bis gerade eben so unruhig in einem der zahlreichen Betten des Präsidentenpalastes schlief, ist Waraluq Wurbani.

Warum er augenscheinlich so schlecht geschlafen hat, ist inzwischen in der ganzen Orbis Alius wohlbekannt: er soll Prinzessin Bonita ehelichen. Und die Boulevardpresse aller Länder zeichnet von Bonita Ramirez, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, ein eher negatives Bild. Sie soll einen Helferkomplex haben, immer und überall irgendetwas unterstützen, egal, wie sinnlos es ist. Nicht gerade das, was Waraluq sich unter einer Frau vorstellt.

Mühsam wälzt er sich aus dem Bett und betätigt die Klingel, die seine zwei Ankleiderinnen herbeiruft. Nur Sekunden später kommen diese herein und eine der beiden fragt, was der Sohn des Vaterlandsvaters denn gern anziehen würde. Noch recht müde brabbelt Waraluq irgendetwas unverständliches, deutet dabei auf den Kleiderschrank. Die eine Dienerin tut so, als habe er staatsmännische Reden vorgetragen. Die andere Dienerin holt ein paar Kleidungsstücke hervor, beide wissen, dass es Waraluq egal ist, was sie ihm hinlegen. Er schläft schon seit einiger Zeit nicht sonderlich gut und wacht immer schweißgebadet und übermüdet auf.

Daraufhin kleiden die Dienerinnen ihn an und geleiten ihn danach zum Frühstückssaal. Schweigend nimmt er an der langen Tafel Platz. Wenige Minuten darauf kommt seine ältere Schwester Marîjana herein. Sie ist gut gelaunt und setzt sich, allerdings in respektvollem Abstand zu Waraluq, an die Tafel. Der Rest der Familie hat anscheinend dringende Verpflichtungen, denn plötzlich beginnen die Diener und Dienerinnen, das Essen aufzutragen. So frühstücken die beiden jungen Erwachsenen allein.

Während des Essens versucht Waraluq, ein bisschen Smalltalk mit seiner Schwester zu treiben, doch ein richtiges Gespräch entsteht nicht daraus. Eher ein Ping-Pong-Spiel von Fragen und knappen Antworten beziehungsweise Nicken oder Kopfschütteln. Warum Marîjana ihren kleinen Bruder nicht wirklich beachtet, weiß der nur zu gut. Der Haussegen hängt schon einen guten Monat ziemlich schief, was ein Grund sein könnte, warum Vater Golban Wurbani nicht zum Frühstück erschienen ist.

Die normalerweise sehr ausgelassene Stimmung der Wurbanis wurde empfindlich gestört, als herauskam, dass Wurbani neben dem saftigen Taschengeld, welches sein Vater regelmäßig aus dem Staatshaushalt für ihn abzweigt, noch saftigere Bestechungsgelder und Steuern eingezogen hatte. Zwar ist Korruption in Würgmenistan nicht gerade selten, doch ohne Billigung seines Vaters über eineinhalb Jahre insgesamt 2'198'400 Muwat in die eigene Tasche zu stecken – so weit geht die Toleranz in Würgmenistan dann doch nicht.

Waraluq weiß ganz genau, was er verbockt hat. Dass das der Grund ist, warum er Prinzessin Bonita heiraten soll. Abfinden will er sich damit dennoch nicht. Bonita ... brrrrrrrrr. Beim Gedanken, sein restliches Leben mit dieser Tussi zu verbringen, sträuben sich ihm alle Haare.

9:00

Hotîl Desert Blue, Êreqalqh, Wyrqmanîsty, 9. Wyrqmâbashý 2017

Desert-Blue-Hotel, Erbrechabad, Würgmenistan, 9. März 2017

Bonita Ramirez, amtierende Prinzessin von Äquador, blickt aus dem Fenster. Graue Fabrikschlote ragen in den smogbraunen Himmel. Was für schöne Pastellfarben, denkt Bonita und beißt von ihrem Wurstbrot ab.

Horatio, Bonitas Vater und König von Äquador, lächelt sein bezauberndes Prinzesschen an. Endlich hat er sein kleines Goldengelchen unter der Haube. Es war nicht einfach gewesen, jemanden zu finden, der mehr besitzt als ein Piratenschiff und eine Schatzkarte. Doch dann hatte man vom Familienclinch im Hause Wurbani gemunkelt. Und schon war jemand gefunden, der die Prinzessin ehelichen muss.

„Ich hätte den Waraluq nur gerne mal vorher kennengelernt. Aber was solls. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“, sagt Prinzessin Bonita zu ihrem Vater.

„Ja...ähm...“, druckst seine Majestät herum. „Mit dem vorher kennenlernen, also das ist auch nicht so gut. Weil, meistens kommt dann keine Eheschließung zustande. Also, von dem her...“

„Das ist natürlich richtig“. Bonita tätschelt ihrem Vater sanft die Hand und lächelt liebevoll.

„Noch etwas Kaffee, Vater?“

Bonitas Mutter tritt an den Tisch.

„Kommt ihr? Der Wagen kommt in einer Stunde. Und Bonita trägt noch nicht ihr Brautkleid.“

9:00

Rarqi-rzlaq, Kamlagirqha, Wyrqmanîsty

Dorfplatz, Kamlagirqha, Würgmenistan
Die Karawanserei, Treffpunkt des kulturellen Lebens von Kamlagirqha!

Pedro, Pablo und Pepita sind vom äquadorianischen Staatsfernsehen nach Würgmenistan geschickt worden. Sie laden ihr Equipment aus dem Lieferwagen, den sie am Flughafen von Erbrechabad gemietet haben. Die alte Karre ist locker fünfundzwanzig Jahre alt und hat es kaum die Berge hinauf geschafft. Oft musste gehalten werden, um den Motor abzukühlen.

Pablo zieht an seiner Zigarette und tritt sie dann auf dem Boden aus.

„Schöne Scheiße“, flucht er. Pablo ist der Kameramann und hätte heute lieber das äquadorianische Pokalfinale gefilmt. Stattdessen hat man ihn in die hinterste Ecke Otrantoniens verklappt. Wie den Sondermüll, der hier überall herumliegt.

Pedro, der Tonmann und Aufnahmeleiter, ignoriert das Gefluche seines Kollegen. „Ob es in diesem Kaff einen Laden gibt? Ich habe Hunger. Wir hätten uns was mitbringen sollen. Warum feiern die überhaupt hier in der Einöde? Auf dem Flughafen wäre doch auch Platz gewesen.“

Pepita, die Moderatorin, richtet das Wort an ihre Kollegen. „Bei einer Hochzeit wird es schon etwas zu essen geben.“

„Ja. Hinterher“, erwidert Pedro. „Erst müssen wir uns das ganze Trara und Drumherum antun. Bis das Buffett eröffnet wird, können noch Stunden vergehen. Und ich habe jetzt Hunger.“

„Such doch zwischen all den Medienvertretern hier mal nach den Caterern. Vielleicht geben die dir ja schon was.“

Pedro nickt und verschwindet zwischen den vielen Übertragungswagen und Pressezelten.

Pepita blickt auf ihre silberne Armbanduhr. „Dauert nicht mehr lange, dann müsste das Brautpaar hier sein.“

„Na toll.“ Pablo spuckt auf den Boden. „Und in fünf Stunden ist in Äquador Pokalfinale.“

10:30

Pîlasty Prezdenko Wyrqmanîsty, Êliza Wyrqmâbashý 1, Êreqalqh, Wyrqmanîsty

Würgmenischer Präsidentenpalast, Würgmenbaschi-Straße 1, Erbrechabad, Würgmenistan

"Dürfte ich den großartigen Sohn unserer genialen Präsidenten vielleicht darum bitten, sich etwas zu beeilen?" Die Stimme von Waraluq Wurbanis Privatschneiderin klingt fast ein bisschen schnippisch. Seufzend dreht Waraluq sich noch einmal im Kreis und betrachtet sich im Spiegel. Mit der traditionellen würgmenischen Tracht, die er für die Hochzeit tragen muss, kann er nichts anfangen.

Ein paar Minuten später ist Waraluq fertig und verlässt sein Zimmer. Er geht die Treppen des Präsidentenpalastes hinab zum Vorplatz, wo schon der Konvoi zur Fahrt nach Kamlagirqha bereitsteht. In der sehr grellen, heißen Sonne steht sein Vater Golban Wurbani mit teils erfreutem, teils mürrischem Gesichtsausdruck. Zwischen den beiden Männern gibt es nichts zu sagen. Waraluq stapft wortlos an seinem Vater vorbei und steigt in einen der Wagen. Sein Vater steht nur da und beginnt zu grinsen.

11:00

Ârpurtý Êreqalqh, Êreqalqh-dîstrikti, Wyrqmanîsty

Flughafen Erbrechabad, Distrikt Erbrechabad, Würgmenistan

Einige Minuten vor um Elf ist der schon festlich geschmückte Konvoi am Flughafen von Erbrechabad angekommen. Wüste, nichts als Wüste. Eine 4000 m lange Betonpiste, die schon wieder zugeweht ist. Lotsen auf dem Flughafen sprechen mit den Fahrern der beiden Autos, zu dem sich nun auch ein drittes mit König Horatio von Äquador und seiner Tochter Bonita gesellt hat. Dann fahren die drei Wagen auf das Rollfeld, eine blitzblanke Maschine der Autocrate Air Transport (ATT), der Fluglinie des Diktatoriats, steht mit geöffneter Heckklappe da. Sonst ist kein Flugzeug da.

Die Wagen warten, Waraluq wird ungeduldig. Die Lotsen besprechen irgendetwas mit seinem Vater im anderen Wagen. Dann fährt erst der mit den drei Horatios und dann der mit seinem Vater in das Flugzeug hinein. Sein Wagen bleibt stehen. Waraluq fragt seinen Fahrer, was los ist. Der antwortet: "Die Präsidentenmaschine steht mit Sandschaden an der Turbine im Hangar, deshalb sind die Lotsen auf die ATT-Maschine umgestiegen. In die passen aber nur zwei Autos."

Kurz kam Waraluq der Gedanke, dass er Prinzessin Bonita deswegen nicht heiraten müsse, aber der Fahrer erklärte weiter: "Deshalb haben die Lotsen sich für den Wagen etwas Spezielles ausgedacht." In dem Moment kommen mehrere Leute mit Seilen an und legen diese um den Wagen herum. Daraufhin hört Waraluq ein lautes Surren und Brummen, welches immer unerträglicher wird, und schließlich versteht er: ein Hubschrauber schwebt genau über dem Wagen. In genau diesem Moment straffen sich die Seile.

Und dann hebt der Wagen ab.

Waraluq lässt einen ängstlichen Schrei los und kauert sich auf der Rückbank zusammen. Er schließt die Augen, um den Boden, der unter ihm rasch kleiner wird, nicht sehen zu müssen. Nach ein paar Minuten beruhigt er sich jedoch und blickt nach unten. Gerade startet die ATT-Maschine. Und Waraluq wird klar, dass sein Vater an dieser doch etwas spezielleren Form des Reisens so seinen Anteil haben wird.

12:20

38° 12' 56'' nurqid larqhitudat, 79° 34' 59'' pravast lorqhiginat, wyrqmâý qoi-pamarîrach, Wyrqmanîsty

38° 12' 56'' nördliche Breite, 79° 34' 59'' östliche Länge, Würgmenische Felswüste, Würgmenistan
Die landschaftliche Vielfalt Würgmenistans zeigt sich!
(Jedoch nicht unbedingt auf den ersten Blick.)

Mit der Zeit findet Waraluq Wurbani den Flug mit dem an einem Hubschrauber festgebundenen Auto gar nicht so schlimm. Nur die unmittelbar bevorstehende Hochzeit mit Prinzessin Bonita trübt sein Gemüt. Unter dem Wagen ziehen derweil die absolut abwechslungslosen Geröllebenen der Würgmenischen Felswüste entlang. Mit der Zeit heben sich dann auch die Bergketten im Gebirgsdistrikt empor. Doch noch sind die bis zu 3000 m hohen Berge in weiter Ferne. Der Flug wird noch gut eine Stunde dauern, etwas mehr als die Hälfte der Strecke ist bereits geschafft. Gerade, als Waraluq sich etwas entspannen will, sieht er einen kleinen schwarzen Fleck am Himmel.

Nach gut einer Minute entpuppt der Fleck sich als Vogel, und schließlich als Würgmenischer Aasfalke. Waraluq erschrickt, einem Aasfalken ist er in freier Wildbahn noch nie begegnet und dass soll bitteschön auch so bleiben. Schließlich sind Aasfalken dafür bekannt, auch ihnen weit überlegene Fahr- oder Flugzeuge anzugreifen. Das soll an der dünnen Höhenluft liegen, was Waraluq Wurbani aber gerade egal ist. Denn in dem Moment kommt der Aasfalke angeflogen und mit dem seiner Art üblichen, gehässigen Krächzen stürzt er sich auf das Auto.

Dessen Fensterscheiben sind allerdings, wie von einer Limousine des würgmenischen Präsidenten erwartbar, aus Panzerglas. Aasfalken mögen zwar angriffslustig und gierig sein, aber dumm sind sie nicht. Also lässt der Aasfalke bald von ihnen ab. Dann aber fällt er mit umso größerer Wut und so laut krächzend, dass man es sogar im Wageninneren hört, über die Seile her, die den Wagen am Hubschrauber festhalten.

13:00

Rarqi-rzlaq, Kamlagirqha, Wyrqmanîsty

Dorfplatz, Kamlagirqha, Würgmenistan

Pablo hat die Caterer gefunden. Und sie sind großzügiger als erwartet. Hat Pablo zunächst noch mit einer Ablehnung oder einer Scheibe trockenen Brots gerechnet, bekommt er statt dessen das volle Programm. Die Caterer stellen ein Tablet mit den erlesensten Köstlichkeiten Würgmensitans zusammen. Gerösteter Aasfalke, geschmorrte Sandläufer-Milz, dreifach gekochte Wüstenfeige und eine Flasche Selbstgebranntes machen ihren Weg zum äquadorianischen Übertragungswagen.

Den drei Äquadorianern geht es gut. Sie lassen es sich schmecken, bis plötzlich Motorenlärm vom Himmel herabschallt.

„Scheiße“, sagt Pepita, die Moderatorin, sichtlich betrunken.

„So ein Kack“, pflichtet ihr Pablo bei. "Die kommen an.“

Und tatsächlich. Am Himmel erscheint ein Flugzeug gefolgt von einem Hubschrauber. Und der Hubschrauber schwankt gewaltig in der Luft.

13:00

Aerolqharqi heqsh Kamlagirqha, Wyrqmanîsty

Flugzeug, kurz vor Kamlagirqha, Würgmenistan

Die Königsfamilie hat den Flug im Cockpit verbracht und Würgmenistan aus der Luft bewundert. Nun beginnt der Landeanflug und Prinzessin Bonita setzt sich mit ihren Eltern und dem Fahrer zurück ins Auto, das im Laderaum vertaut ist.

13:10

Rarqi-rzlaq, Kamlagirqha, Wyrqmanîsty

Dorfplatz, Kamlagirqha, Würgmenistan

Pablo hat seine Kamera in die Ferne gerichtet. Hinunter in die Tiefebene. Dort ist so eben das Flugzeug im Wüstenstaub gelandet. Der schwankende Helikopter hinkt ein wenig hinterher und ist noch in der Luft. Als die Ladeluke des Flugzeugs geöffnet wird, kann Pablo die äquadorianische Königsfamilie ins Bild fassen, als diese mit dem Auto aus dem Flugzeug rollt.

13:24

Rashdaq, tal-êq-êgar, Kamlagirqha, Wyrqmanîsty

Auto, den Berg hinauf, nach Kamlagirqha, Würgmenistan

„So ein schönes Land“, sagt Prinzessin Bonita. „Es erinnert mich an die Märchenbücher meiner Kindheit, über verwunschene Länder wie die Sowjetunion. Und an Gruselgestalten wie den Butzemann oder Saparmyrat Nyýazow.“

„Nur keine Angst, mein Kind“, lügt der König. „Hier ist es viel schöner.“

13:38

Rarqi-rzlaq, Kamlagirqha, Wyrqmanîsty

Dorfplatz, Kamlagirqha, Würgmenistan

Pepita postiert sich vor der Kamera, die Pablo auf seiner Schulter trägt. Pedro steht neben ihm und richtet das Wort an Pepita.

„Wir sind auf Sendung in drei, zwei, eins.“ Er nickt Pepita zu.

„Hier ist Pepita Patipe und ich berichte live aus Kamlagirqha in Würgmenistan, wo heute die Ehelichung von Prinzessin Bonita und Waraluq Wurbani stattfindet. Wir können bereits die Staubwolke sehen, in der sich der Wagen mit der Königsfamilie befindet. In wenigen Minuten werden sie hier sein. Zum derzeitigen Status des Helikopters, mit dem Waraluq Wurbani anreist, können keine Angaben gemacht werden. Er soll sich aber im Anflug auf Kamlagirqha befinden.

Derweil sehen wir jetzt den Traualtar im Bild, an dem sich das glückliche Paar bald finden wird. An Stühlen wurde hier offenbar gespart. Vor dem Altar befindet sich lediglich eine große, plattgetretene Sandfläche. Aber die Ehelichung an sich wird voraussichtlich nicht lange dauern. Die wirklich interessanten Bilder bekommen wir sowieso erst auf der Party, wenn alle betrunken sind.“

Pedro, Tonmann und Aufnahmelaeiter, reißt erschrocken die Augen auf. Und zischt seiner Kollegin zu: „Das Feuerwerk! Die Mine!“

„Verzeihung“, sagt Pepita professionell und erinnert sich an das Feuerwerk. „Ich bekomme so eben die Meldung, dass es noch zu einem Feuerwerk in Razamraý kommen soll. Auch das werden wir Ihnen nicht vorenthalten! Außerdem wird die Fahrt dorthin durch eine Uranmine führen, dessen phosphoriszierendes Grün ein Lab für Leib und Seele ist. Ich gebe zunächst zurück ins Studio.“

„Und wir sind raus.“ Pedro beendet die Aufnahme. „Gut gemacht. Aber beim nächsten Mal ein bisschen mehr Empathie. Tu so, als würden dir Bonita und Waraluq wirklich etwas bedeuten.“

Pepita nickt.

„Da kommt das Königsauto“, sagt sie.

Pablo richtet die Kamera auf das Auto, dass sich aus der Ferne nähert und eine gewaltige Staubwolke hinter sich aufwirbelt.

13:41

Hoqlosjencho, anvur Kamlagirqha, Wyrqmanîsty

Hubschrauber, kurz vor Kamlagirqha, Würgmenistan

Zum Glück waren die Seile fest genug gewesen, um den fürwahr kräftigen Zähnen des Aasfalken zu widerstehen. Allerdings sehen die Stricke schon ziemlich faserig aus, doch der Hubschrauber hat Kamlagirqha nun auch fast erreicht. Waraluq ist vor Angst irgendwann umgekippt und die Ohnmacht ist einige Zeit später in einen tiefen, traumlosen Schlaf übergegangen.

Erschreckt schlägt er die Augen auf. Der Aasfalke ist immer noch da. "Störrisches Biest!", ruft Waraluq durch die Scheibe, doch das stört das garstige Tier nicht. Vielleicht fühlt es sich sogar geehrt. Auf jeden Fall setzt der Hubschrauber nun zum Landen an, genau auf dem Hof der alten Karawanserei am Ortsrand von Kamlagirqha. Doch mit einem Mal beginnt nun doch einer der Stricke, aufzufasern und zerreißt schließlich. Einer von insgesamt vieren, die das Auto mit dem Hubschrauber verbinden. Von diesem Erfolg scheinbar auch überrascht, reißt der Aasfalke mit seinem Schnabel weiter an den restlichen drei herum, während Waraluq mit schreckensstarren Augen zusehen muss.

Gerade befindet der Hubschrauber sich in gut 500 Metern Höhe über der Ortslage von Kamlagirqha, die allerdings von hohen Bergen eingesäumt ist, welche bis zu 2000 Meter hoch aufragen. Die Schlucht, über die der Hubschrauber mit dem Auto anfliegt, ist nicht sonderlich breit. Waraluq hofft, dass der Pilot sich nicht allzuviel Mut angetrunken hat, denn er weiß, dass die armen Würgmenen ihren Wodka meist schwarzbrennen und dass die Hauptzutaten reiner Alkohol, Methylalkohol und Diesel sind.

Doch er hat andere Sorgen, denn mittlerweile hat der Aasfalke auch ein zweites Seil zerteilt. Die beiden, die noch existieren, halten den Wagen nur am Heck und somit hängt er vornüber. Als der Wagen nach vorn kippt, überschlägt Waraluq sich dreimal und fällt dann nach unten, also auf die Fahrerbank. Der Fahrer scheint von der Bedrohlichkeit der Situation ganz ungerührt zu sein und sagt kein Wort.

Als Waraluq in sein Gesicht schaut, erkennt er die typische Grün-Grau-Färbung des Gesichts, wie sie nach dem Konsum von würgmenischem Wodka auftritt. 'Aha.', denkt er sich, 'der rührt sich die nächsten Stunden nicht mehr.'

In dem Moment hört Waraluq doch eine Stimme. Sie kommt aus dem Headset, welches der Fahrer trägt. Waraluq entfernt es mit Mühe und Abscheu zugleich und fragt: "Wer da?" Nur Sekunden später ist ihm klar, dass das die Hubschrauberbesatzung sein muss. Die antwortet auch postwendend: "Hallo, bist du Waraluq Wurbani? Wir sind die Piloten aus dem Hubschrauber über dir. Wie ist der Flug? Schön, nicht?"

"Eher ... nicht ...", antwortete Waraluq zögernd und bejaht anschließend, Waraluq Wurbani zu sein.

"Tja, wegen diesem blöden Aasfalken können wir nicht normal landen. Wir haben aber eine Idee: Hier in der Nähe gibt es eine senkrechte Felswand, an der wir den Wagen sozusagen anlehnen können. Dann kappen wir die Seile und lassen dich runterrollen, die Wand geht ganz gemächlich in normalen Boden über."

"Aber ...", will Waraluq erwidern, doch schon drehen die Piloten ab und fliegen auf die nahegelegene Felswand zu. Ganz, ganz langsam nähert der Hubschrauber sich der hoch aufragenden Wand, und bleibt schließlich kurz davor in der Luft stehen. Die Räder des Autos zeigen zwar immerhin in Richtung der Felswand, sind aber noch gut einen Meter von ihr entfernt.

"So, wir kappen jetzt die Seile. Denk dran, du musst gut bremsen! Du kannst doch bremsen?"

"Ja, aber auf dem Fahrersitz sitzt ein besoffener Fahrer, der seinen Rausch ausschläft!"

"Wenn du Bremsen kannst, dann kannst du auch das! Tschüss, Junge!"

Dann löst das Auto sich und rast hinab.

13:55

Rarqi-rzlaq, Kamlagirqha, Wyrqmanîsty

Dorfplatz, Kamlagirqha, Würgmenistan

"Hallo und Guten Tag an alle Zuschauer, die sich das hier antun müs ... dieses herausragende Spektakel bestaunen wollen." Gerade noch hat Pepita die Kurve gekriegt. Pablo, der hinter der Kamera steht, grinst ihr bemüht wirkend zu.

"Das Auto mit dem König der Realdemokratischen Republik Äquador, König Horatio, und seiner Tochter, der Prinzessin Bonita, ist soeben hier auf dem Dorfplatz von Kamlagirqha angekommen. Gleichfalls angekommen ist der würgmenische Präsident und ..." Pepita fällt das Wort nicht mehr ein. Irgendein langweiliger Ehrentitel. Was war das nochmal? "Würgmenbaschi", formt Pedro mit seinen Lippen. "und Würgmenbaschi, Golban Wurbani.", beendet Pepita ihre Ansprache.

Nun erscheinen die drei auch vor der Kamera. Bonita in ihrem absolut übermäßig geschmückten Brautkleid, ihr Vater in einem ganz normalen Anzug und Golban Wurbani in traditioneller würgmenischer Tracht. Pepita schweigt und lässt den Augenblick wirken. Derweil macht sie kurz die Augen zu, denn die Langeweile hier macht sie müde. Doch mit einem Mal schreckt sie auf. Ein leises Rumpeln ist zu hören.

Sofort richtet Pablo die Kamera auf eine Staubwolke, die sich am Ende des Tales befindet und schnell näherkommt. Bald ist erkennbar, dass sich in ihr das Auto mit Waraluq befindet. Dieser kommt, trotz noch so starker Bemühungen, nicht an die Bremsen heran und so rast das Auto ungebremst mit gut 250 km/h auf den Dorfplatz zu. Nur langsam verringert sich die Geschwindigkeit des Wagens, für die er eigentlich gar nicht gebaut ist.

Währenddessen stemmt Waraluq sich weiter gegen den Fahrer, was jedoch keinen Zweck hat, da dieser von der Tür gehalten wird. Gleichzeitig lösen sich die Reifen auf, da auch eine Präsidentenlimousine in Würgmenistan nicht für solche Geschwindigkeiten gebaut ist. Dadurch wird das Auto aber stärker abgebremst und Waraluq schätzt, dass es mitten auf dem Dorfplatz zum Stehen kommen wird. Mathematik ist aber nicht so sehr seine Stärke.

Da aber noch weitere Teile des Autos die Geschwindigkeit, sicher noch immer 180 km/h, nicht verkraften, lösen sich weiter kleinere Teile vom Wagen und fallen hinab. Schließlich bricht die Vorderachse, sodass der Wagen noch stärker bremst. Er rast mit gut 60 km/h direkt auf Prinzession Bonita zu, die mit einem spitzen Schrei beseitespringt. Dann, plötzlich, bleibt der Wagen endlich stehen.

Zu ebendiesem Zeitpunkt ist die Tür schon so lädiert, dass Waraluq, der sich noch immer gegen den betrunkenen Fahrer stemmt, sie öffnet und den Fahrer hinausschiebt. Regungslos landet der im Sand.

"Waraluq? Waraluq?" Bonita ist außer sich. Horatio, will sie zurückhalten, doch Wurbani hält ihn fest. Dann öffnet der die andere Wagentür und hilft seinem Sohn, der noch etwas wacklich auf den Beinen ist, beim Aussteigen.

"Hier ist dein Gemahl!", spricht Wurbani feierlich. Bonita steht auf, springt auf den echten Waraluq zu, verpasst dem Fahrer dabei eins mit ihrem rechten Stöckelschuh und umarmt Waraluq schließlich. Dieser ist steif vor Schreck, ob von der abenteuerlichen Fahrt oder von der Schönheit der Prinzessin ergriffen, ist unklar.

"Ein wunderbarer Moment...", sagt Pepita. Es klingt nicht sehr glaubwürdig.

"Jetzt pfeifen sie daheim in Äquador das Spiel an...", sagt Pablo traurig. Es klingt überaus glaubwürdig.

Prinzessin Bonita nimmt ihren Prinzen an der Hand und schreitet mit ihm den Weg zwischen den Besucherplätzen hinab. Auf den Traualtar zu. Bonita blickt Waraluq anhimmelnd an. Waraluq versucht wegzublicken. Ganz kann er seinen Blick aber nicht von Bonitas bemerkenswerter Hässlichkeit abwenden. Irgendwas zieht seine Augen magisch in Richtung Bonita. Ob da doch Interesse an der Prinzessin aufkeimt?

Bonita seufzt verträumt. Waraluq seufzt resigniert. Beide begrüßen den Zeremonienmeister, der am Altar auf das, teilweise glückliche, Paar wartet und zurückgrüßt.

Der Zeremonienmeister tippt auf sein Mikrofon und blickt die vielen hundert Besucher und Medienvertreter an. Dann atmet er tief durch und spricht.

"Liebe Anwesenden, sehr verehrtes Brautpaar, geschätzte Brauteltern, liebe Vetreter von Staat und Medien. Wir haben uns heute hier im malerischen Kamlagirqha versammelt, um unter der strahlenden Wüstensonne Würgmenistans den Bund der Ehe zu schließen, zwischen dem hochgeschätzten Präsidentensohn Waraluq Wurbani und der geliebten Prinzessin Bonita von Äquador.

Eine gute Ehe ist wie ein gutes Schiff. Es kommt problemlos über jede Tiefe und kann sich aus eigener Kraft aus einer Untiefe befreien. Lasset uns also gemeinsam dieses Paar in den Hafen der Ehe einfahren sehen. Und weil unser hochverehrter Präsident genervt auf seine Armbanduhr tippt, will ich meine Rede an dieser Stelle abkürzen und gleich zur Sache kommen:

Willst du, Waraluq Wurbani, die hier anwesende Bonita Ramirez, Prinzessin von Äquador, ehelichen? Dann antworte mit ja."

"Ich muss ja", antwortet Waraluq schnippisch.

"Das Wort ja kam immerhin in deiner Antwort vor", entgegnet der Zeremonienmeister. "Und willst du, Bonita Ramirez, den hier anwesenden Waraluq Wurbani ehelichen? Dann antworte mit ja."

"Ich habe zwar auch keine Wahl", antwortet Bonita, "aber wenn ich mir anschaue, wie heruntergekommen dieses Land ist, dann heirate ich hier gerne ein. Hier in Würgmenistan kann ich meinen Helferkomplex voll ausleben!"

Der Zeremonienmeister weist sie darauf hin, dass sie mit ja antworten müsse.

"Ja!", ruft Bonita enthusiastisch.

Und damit ist es amtlich. Der Zeremonienmeister erklärt Waraluq und Bonita zu Mann und Frau. Schnell wird das Brautpaar in einen Autokonvoi getrieben. In einer offenen Limousine sitzt das Brautpaar und winkt. In den Autos dahinter befinden sich die Eltern von Braut und Bräutigam und viele Gäste. Eskortiert und flankiert wird der Wagenkonvoi von Fahrzeugen der Medien, des Militärs und der Geheimdienste von Würgmenistan und Äquador. Letztere sind jedoch als Gäste getarnt.

14:30

Terqhad uzkeshiý raq Kamlagirqha, Soholshomqor uran-êlqs, êgar-dîstrikti, Wyrqmanîsty

Auf der Straße zwischen Kamlagirqha und den Uranminen von Soholshomqor, Gebirgsdistrikt, Würgmenistan

Hier ist Pepita Patipe und ich berichte live für das äquadorianische Staatsfernsehen von der Hochzeit zwischen Waraluq Wurbani von Würgmenistan und seiner gemahlin, Prinzessin Bonita von Äquador. Die Trauung im Dorf Kamlagirqha ging auf Druck des Präsidenten recht schnell von statten und so befinden wir uns auf dem Weg zum zweiten Teil der Hochzeitsveranstaltung. es geht zum Atomwaffentestgelände Razamraý. Doch auf dem Weg dorthin gibt es noch etwas besonderes zu entdecken. Der gesamte Hochzeitskonvoi wird durch die Uranminen von Soholshomqor fahren. Dort werden wir die Scheinwerfer der Autos ausschalten und auch das Licht der Kameras. Das grünlich leuchtende Uran in den Felswänden gibt ein traumhaft sanftes Licht ab. Man sagt der Fahrt durch den grünen Lichttunnel heilende Kräfte nach. In Razamraý angekommen, soll es ein großes Feuerwerk zu bestaunen geben.

"Uuund wir sind draußen", sagt Pedro, der Aufnahmeleiter und Tonmann.

Pepita gibt ihm das Mikrofon. Pablo, der Kameramannm, nimmt das Filmgerät von seiner Schulter und blickt auf sein Smartphone. Er will wissen, wie es beim Pokalfinale in Äquador steht. Sein Lieblingsverein, Dynamo Punto Grande, spielt heute gegen den FC Resistencia Porto Puto um den Sieg des Pokalwettbewerbs. Meister ist Dynamo schon. Das Team des fluchenden Pablos liegt zur Pause mit 1:3 zurück.

Waraluq nimmt einen großen Schluck Wodka. Und dann noch einen. Vielleicht sollte er sich seine Frau einfach schön trinken? Nett, lieb, fürsorglich und hilfsbereit ist sie ja, denkt er und füllt sein Glas wieder auf. Sich in sein Schicksal fügend lächelt er Bonita an, prostet ihr zu und leert sein Glas. Dann legt er seinen Arm um ihre Schultern. Und als der Wagenkonvoi in den schwummerigen Leuchttunnel der Uranminen einfährt, wird es im Wagen des Hochzeitspaars richtig romantisch. Wie grüne Sterne huschen die Uranablagerungen am Wagen des Brautpaars vorbei. Es ist einfach himmlisch.

14:45

Soholshomqor uran-êlqs, êgar-dîstrikti, Wyrqmanîsty

Uranminen von Soholshomqor, Gebirgsdistrikt, Würgmenistan

Und während der Konvoi langsam und immer wieder durch von verschiedenen Chemikalien bunt gefärbte Pfützen rollt, lassen beide es sich gut gehen. Die Minibar bietet alles, was das Herz begehrt.

"Und, wie gefällt es dir hier?", lallt Waraluq mehr als er sagt. Bonita seufzt nur "Es ist sooo schön...", während Waraluq nur irgendetwas vor sich hin brabbelt. Würgmenischer Wodka hat es halt in sich.

"Wass hälsu eigndlich davon, mmal aussusteign?", lallt er. "Oh, Schatz, ich hatte gehofft, dass du das fragen würdest! Gern natürlich!", antwortet Bonita sofort.

"Sitzt die Gasmaske, Liebling?" "Abah ja...", lautet Waraluqs gelallte Antwort. Den Ganzkörpersäureschutzanzug konnte er nur mit Bonitas Hilfe anziehen. Die äquadorianische Prinzessin hat auch einen an. Immerhin sieht sie nun nicht mehr allzu hässlich aus, unter der Gasmaske. Dann wird die Wagentür geöffnet und beide steigen aus.

Die anderen insassen des Konvois sind zunächst verdutzt. Doch einer dunklen Vorahnung folgend, bleiben sie in ihren Autos sitzen. Bonita und Waraluq verschwinden, Hand in Hand, in einem seitlich abzweigenden Stollen des Bergwerks.

Kurz darauf sind aus dem Stollen dumpfe Stimmen zu hören. Und das Geklapper von Gasmasken, im Versuch sich gegenseitig zu küssen. Dann hört man das Reißen von Kleidung, wildes Geknutsche und wolllüstige Stimmen. Die Insassen in den Autos blicken beschämt zu Boden. Nur, um kurz darauf überrascht aufzublicken, als das Brautpaar, ohne weiteres Gestöhne, aus dem Stollen herauskommt. Offenbar ist der Präsidentensohn schon zu betrunken, um es noch zu einer brauchbaren Erektion zu bringen.

"Hier ist Pepita Patipe und ich berichte live für das äquadorianische Staatsfernsehen, aus den Uranminen von Soholshomqor. Hier war es so eben kurz vor knapp. Beinahe wurde der oder die nächste würgmenische Staatspräsident/-in gezeugt. Aber Waraluq Wurbani scheint keinen hochgekriegt zu haben. Wer kann es ihm verübeln? Er hat ja schon gut einen im Kahn. Wobei der Kahn eher die Ausmaße eines Hochseefrachters hat. Aber der Tag ist ja noch lang. Waraluq wird von Bonita zu Mineralwasser verurteilt und darf in den nächsten Stunden keinen Alkohol trinken. Offenbar soll die Thronfolge noch heute besiegelt werden. Doch vorher ist noch eine Menge Programm in der Planung. Und so setzt sich der Konvoi wieder in Bewegung. Das derzeitige Ziel ist das Atomwaffentestgelände Razamraý, wo ein Feuerwerk stattfinden soll, das alles bisher dagewesene in den Schatten stellt. Aufgrund des unwegsamen Geländes wird der Konvoi seine Fahrt hier beenden und die Reise geht in einem schnellen und modernden ... ähm ... modernen Zug der würgmenischen Eisenbahn weiter."

Nachdem Bonita und der zwar völlig betrunkene, aber dennoch unglücklich dreinblickende Waraluq wieder zugestiegen sind, fährt der Konvoi den kurzen Weg zum Verladebahnhof für das Uran, das hier gefördert wird. Dieser liegt oberirdisch, und als der Konvoi den Tunnel verlassen hat, findet er sich in einer verregneten, trostlosen Schlucht wieder. Die Wagen halten an, und Golban Wurbani hält über die Lautsprecher eine kleine Ansage: "Sehr geehrte Fahrgäste Hochzeitsgäste, aufgrund unwegsamen Geländes wird unser Zug Konvoi die Fahrt nicht fortsetzen können. Wir werden daher mit einem Güterzug der Deutschen Bahn Würgmenischen Staatsbahn weiterfahren. Natürlich in einem klapprigen alten Viehwaggon meinem Salonwagen. Wir bitten um Verständnis. Ich bin mir sicher, es wird Ihnen gefallen."

Alle ziehen sich ihre Schutzanzüge und Gasmasken an und steigen dann aus. Besonders Horatio von Äquador sieht mit der Maske merkwürdig aus. So ausstaffiert, gehen nun alle – Waraluq und Bonita, Staatspräsident Golban und König Horatio sowie die drei äquadorianischen Reporter – zu dem in einigen Metern Entfernung stehenden Zug. "Passt auf die Pfützen auf, in manchen ist sehr stark ätzende Säure! Besser nicht reintreten, die Schutzanzüge halten zwar einiges aus, aber sie sind nicht gegen alles gefeit!", warnt Golban Wurbani. Aber es ist auch nicht weit bis zum Salonwagen des würgmenischen Präsidenten. Die Flagge, mit der er geschmückt ist, könnte eine echte Zierde für diese ansonsten so trostlos graue Umgebung sein, wenn sie von ein paar Stunden herumstehen im radioaktiven Säurenebel nicht fachmännisch gebleicht worden wäre.

Immerhin passiert nicht schlimmes, als die insgesamt sieben Menschen in den Zug steigen. Der Salonwagen ist außerordentlich gemütlich eingerichtet, mit traditionellen Möbeln aus Wüstenfelsen und geschmückt mit allerlei Orden, die an der Wand hängen. Nach ein paar Minuten fährt der Zug an, während die Gäste es sich bequem machen. Auf einer der beiden bequemen Felsen-Sitzbänke sitzen Bonita, ihr Vater und Golban Wurbani. Auf der anderen liegt Waraluq und schläft seinen Rausch aus. Die drei Fernsehleute aus der RRÄ wurden aus dem Salon gebeten und quetschen sich in der Toilette zusammen.

15:47

Hirqh pisorâý, salorqutshî Prezdenko Wyrqmanîsty, hirqh lararaq, êgar-dîstrikti, Wyrqmanîsty

Toilette im Salonwagen des würgmenischen Präsidenten, irgendwo im Gebirgsdistrikt, Würgmenistan

"Verdammt, ist das eng hier!", meckert Pablo. Schon gut eine halbe Stunde ist der Zug unterwegs. Wo genau sich der Zug befindet, können die drei Reporter in der Toilette nicht erahnen, weil die Toilette keine Fenster hat. Es ist ihnen aber auch egal. Und sowieso bietet der Blick keine großen Besonderheiten: Majestätische, aber nebel- und regenverhangene Berge. Die Bahnstrecke schlängelt sich unter Nutzung zahlreicher äußerst enger Kurven hinab.

"Weiß einer, wie das Spiel ausgegangen ist?", fragt Pablo in die Runde. "Muss mal kurz nachschauen.", antwortete Pepita. "Oh. Kein Netz.", kommt die ernüchternde Antwort." Jetzt meldet sich auch Pedro zu Wort: "Also ich hatte mir eine Hochzeit echt anders vorgestellt. So ein Mist."

Da hören die drei wankende Schritte auf dem Gang. Jemand reißt die Toilettentür auf. Es ist Waraluq Wurbani und er ist sehr grün im Gesicht.

Dieser Abschnitt wurde wegen übermäßigen Ekels von der Behörde für Eindämmung ekelhafter Fetische zensiert. Bitte haben Sie Verständnis.

16:00

Salorqutshî Prezdenko Wyrqmanîsty, hirqh lararaq, raq êgar-dîstrikti, nurgast-qoi-qor-dîstrikti, Wyrqmanîsty

Salonwagen des würgmenischen Präsidenten, irgendwo zwischen Gebirgsdistrikt und Westlicher Sandwüste, Würgmenistan

Waraluq kommt gerade von der Toilette zurück. Er ist zwar noch etwas grün im Gesicht, aber nüchtern. Als er Bonita sieht, fährt er vor Schreck zusammen. Die soll seine Frau sein? Ihm wird klar, dass er wohl wirklich zu viel Wodka getrunken hat. Sonst wäre das in den Uranminen auch nicht passiert. Nun gut, einen neuen Staatspräsidenten werden sie beide eh nicht zustande bringen. Er selbst wird seinem Vater ja nicht einmal in das höchste Amt Würgmenistans nachfolgen. Sogar seinen Ministerposten ist er losgeworden. Ein Wunder, dass sein Vater ihn nicht nach Äquador verheiratet hat, um ihn los zu sein. Aber was soll's.

"Und, mein Schatz, wie geht es dir?", strahlt Bonita ihn an. "Äh ... gut, denke ich." Eine bessere Antwort fällt Waraluq im Moment nicht ein. "Machen wir es uns gemütlich?", fragt seine unfreiwillig angeheiratete Frau. "Na gut...", antwortet Waraluq und setzt sich auf den Fensterplatz. Bonita flezt sich auf die beiden Sitze neben ihm und will ihn umarmen, aber Waraluq hat sich abgewandt und blickt aus dem Fenster. Das Gebirge hat der Zug inzwischen verlassen und fährt durch die endlosen Dünen der Großen Würgmenischen Sandwüste. Bald wird er an seinem Ziel angekommen sein.

16:20

Hirqh pisorâý, salorqutshî Prezdenko Wyrqmanîsty, fraqtyý staziunô, Shprudhel III, nurgast-qoi-qor-dîstrikti, Wyrqmanîsty

Toilette im Salonwagen des würgmenischen Präsidenten, Verladebahnhof des Ölfeldes Shprudhel III, Westliche Sandwüste, Würgmenistan

"Was für eine verdammte Fahrt...", stöhnt Pablo angeekelt. "Allerdings.", antworten Pedro und Pepita wie aus einem Mund. Aber immerhin ist der Zug nun angekommen. "Hast du hier Netz?", fragt Pablo. "Ja, tatsächlich.", antwortet Pepita, "Warte mal kurz ... das Spiel Dynamo gegen Resistencia ... 2:5, tut mir leid."

"FUCK!"

16:25

Ârpurtý Shprudhel III, nurgast-qoi-qor-dîstrikti, Wyrqmanîsty

Flughafen des Ölfeldes Shprudhel III, Westliche Sandwüste, Würgmenistan

Die sieben Passagiere sind aus dem Zug ausgestiegen und stapfen nun zu der Maschine, die sie erst nach Razamraý und dann nach Erbrechabad bringen soll.

"Hallo und herzlich willkommen vor den Bildschirmen, liebe Zuschauer, ich bin Pepita Patipe vom äquadorianischen Staatsfernsehen und nun sind die beiden sich Liebenden endlich auf dem Flugplatz von Shprudhel III angekommen, einem Ölfeld in der Großen Würgmenischen Sandwüste. Hier wird gleich der Flug nach Razamraý beginnen, wo es dann das langersehnte Feuerwerk geben wird."

"Gut gemacht. Du empfindest doch nicht etwa irgendwas für die beiden?", fragt Pedro. "Nein, aber nach dem Flug und dem Feuerwerk ist Feierabend. Darauf freue ich mich!", antwortet Pepita schmunzelnd.

"Arschlecken können ist nach dem Flug", mischt sich Kameramann Pablo ein. "Wir müssen noch die Party in Erbrechabad filmen."

"Ich nicht", erwidert Pepita. "Ich habe nur bis einschließlich zum Feuerwerk unterschrieben. Danach bin ich als geladener Gast auf der Feier. Ich habe Connections zum würgmenischen Staatsfernsehen."

"Ab Erbrechbad übernehme ich die Moderation", bestätigt Pedro. "Zu der Zeit wird ohnehin niemand mehr zuschauen. Unsere Übertragung wird zu diesem Zeitpunkt schon seit über elf Stunden im Gange sein. Es interessiert dann keinen mehr, was wir hier machen."

"Sei es drum", sagt Pablo. "Wenn in Erbrechabad ohnehin niemand mehr zuschaut, kann ich auch mitfeiern. Ich stelle die Kamera bei der Party einfach auf ein Stativ. Wenn Dynamo Punto Grande schon das Pokalfinale verliert, habe ich wenigstens diesen Ausgleich verdient."

"Verdient?", fragt Pedro. "Womit? Welchen Verdienst hast du am Finaleinzug von Dynamo?"

Pablo wusste darauf keine Antwort.

16:50

Tal-êq-ârqho Razamraý nuqlâwîpa lharqhgôd, sintral-qoi-pamarîrach-dîstrikti, Wyrqmanîsty

Im Anflug auf das Atomwaffentestgelände Razamraý, Distrikt Zentrale Felswüste, Würgmenistan

"Ach Waraluq", himmelt Bonita ihren Gatten an. Beschwingt von dem Wodka, den er heimlich in sein Mineralwasser gemischt hat, lächelt er zurück.

Der Flug über Würgmenistan verläuft recht holprig, was nicht am Wetter liegt. Es gibt keinerlei Thermik zu verzeichnen.

Luftig strömt der Wind durch die Löcher der Außen- und Innenverkleidung des Flugzeugs. Prinzessin Bonita sitzt auf ihrem Platz im Flieger und lässt den Kabinen-Innenwind durch ihr Haar streichen. Dann wackelt es gewaltig, als die Motoren der alten Propellermaschine kurz aussetzen. Der Sprit reicht eben bis zur Landebahn. Die vorletzten dreißig Höhenmeter segelt das Flugzeug antriebslos auf die Landebahn zu. Die letzten zwei Meter fällt es plump auf den Asphalt. Ein kollektives Stöhnen ist aus den Wirbelsäulen der Passagiere zu vernehmen.

Die Hochzeitsgesellschaft sammelt sich nach dem Ausstieg auf dem Flugplatz. Das Hochzeitspaar in ihrer Mitte.

Die Sonne steht schon tief am Firmament und verschwindet langsam hinter den hohen Bergen. Langsam hüllt sich das Tal in Schatten. Und als alle glauben, es würde nichts mehr geschehen, steigt eine einsame Silvesterrakete in den tiefblauen Abendhimmel. Sie explodiert zu einem großen roten Herz.

Pepita Patipe: "Plötzlich schießen vor den dunklen Bergen ganze Salven an Silvesterraketen hoch und bilden hunderte "ooohs" und "aaahs" vor der düsteren Bergkulisse.

Und jetzt werden die ersten Artilleriegeschosse auf die Bergwand abgefeuert! Sie bieten, mit ihrem Krach und Feuer, nur den leisesten Hauch einer Vorahnung dessen, was da noch an Feuerwerk kommen wird. Und da gab es den ersten großkalibrigen Einschlag! Oben am Bergkamm! Haben Sie es gesehen? Das war mindestens eine Vierteltonne TNT!

Wie uns übrigens gerade mitgeteilt wurde, hat der Zeichner der einzigen bisher bekannten Karte Würgmenistans die Bergkette, die hier gerade beschossen wird, vergessen. Deshalb hat Wurbani Senior beschlossen, dafür zu sorgen, dass die Karte stimmt! Wie er das anstellen will, weiß hier außer ihm allerdings keiner."

17:15

Razamraý nuqlâwîpa lharqhgôd, sintral-qoi-pamarîrach-dîstrikti, Wyrqmanîsty

Atomwaffentestgelände Razamraý, Distrikt Zentrale Felswüste, Würgmenistan

"Aus Sicherheitsgründen" waren alle wieder ins Flugzeug gestiegen. Bonita ist schlecht drauf, weil das schöne Feuerwerk so schnell vorbeigewesen war. Auch die anderen sind ein bisschen betrübt, ausgenommen Golban Wurbani. "Setzt euch alle an die linke Seite, damit ihr auch etwas sehen könnt!" "Was sehen können?", fragt Horatio verwundert.

"Nun ja, das ganz besondere Hochzeitsfeuerwerk eben. Das am Berghang war doch bloß läppisches Vorgeplänkel! Jetzt kommt der richtige Knaller, im wahrsten Sinne des Wortes!", antwortet der Würgmenbaschi, fröhlich wie selten. Anscheinend ist er wirklich gut drauf und das kann nicht an dem Wodka liegen, denn er hat keinen getrunken. Auch Waraluq ist gut gelaunt, denn er hat es geschafft, sich beim Seitenwechsel auf die linke Seite von Bonita wegzusetzen. Die mault immer noch rum und ist auf der rechten Seite sitzengeblieben.

Mit einem Mal rauscht ein Jet direkt an der altersschwachen, unlängst bei Wurgmen Air ausgesonderten Maschine vorbei. "Da ist er ja!", ruft Golban Wurbani erfreut aus. "Ich dachte schon, er kommt nicht, deshalb habe ich das Feuerwerk unten am Hang inszenieren lassen. Die Lägastheniker haben ihn wahrscheinlich aufgehalten, weil sie wissen wollten, wieso er ohne Bazooka unterm Arm fliegen kann. Aber jetzt ist er da!"

"Hier ist Pepita Patipe vom Äquadorianischen Staatsfernsehen, in einer Koproduktion mit WurgmenTelevision, und ich berichte jetzt von einem außergewöhnlichen Ereignis: der Korrektur einer falsch gezeichneten Karte und einem Feuerwerk für die Heirat des jüngsten Präsidentensohnes in einem! Wie das genau vonstatten gehen soll, soll bis zum Beginn des Ereignisses in wenigen Minuten nicht verraten werden. Ich will aber ehrlich sein und ihnen allen sagen: Ich weiß es auch nicht!

Gleich müsste es soweit sein, aber was ist das? Ein Kampfjet in der Lackierung des Diktatoriats hat gerade sehr dicht die Präsidentenmaschine passiert. Hat er etwas mit der Überraschung zu tun? Ich weiß es nicht, liebe Zuschauer.

Für einen Moment verschwindet Pepita vom Bildschirm. Dann taucht sie wieder auf, trägt jedoch eine dickrahmige, zu ihr in keinster Weise passende Sonnenbrille.

Liebe Zuschauer, mir wurde gerade gesagt, ich solle diese Brille aufsetzen, weil gleich das richtige Feuerwerk losgehen wird. Was das genau soll, weiß ich wie so einige andere ..."

Mit einem Moment verstummt sie. Das gesamte Bild erstrahlt weiß. Es ist ein sehr grelles Weiß. Sehr grell. Wirklich sehr grell. So grell in etwa. Kapiert? Gut. Das grelle Weiß verblasst nach gut einer Minute und hinterlässt die meisten Fernseher Würgmenistans als qualmende Schrotthaufen, eine deutliche Qualitätsaufwertung also.

"Ich glaub es nicht. Ich glaub es einfach nicht."

Mehr kommt es Pepita nicht heraus, was aber auch nicht allzu verwunderlich ist.

"Ein Atompilz! Ein dutzende Kilometer hoher Atompilz steigt empor. Das ist ein wirklich gelungenes Feuerwerk!"

Und dieser Satz dürfte einer der wenigen an diesem Tag sein, bei dem ihre Emotionen echt sind.

18:00

Halaka Wyrqmâbashý, Êreqalqh, Wyrqmanîsty
Würgmenbaschi-Allee, Erbechabad, Würgmenistan

In Razamraý hatte sich das Flugzeug, kurz nach Zündung der Nuklearexplosion, bald in Bewegung gesetzt. Der Pilot hatte noch ein paar Panoramarunden um den Atompilz gedreht. Das Hochzeitspaar hatte, für die Presse, vor den großen Fenstern posiert.

Nun sitzt das glückliche Paar in der offenen Präsidentencabriolimousine. An den Straßenrändern stehen die Massen und müssen jubeln. Konfetti regnet von den Gebäuden herab. Der Konvoi nähert sich dem Präsidentenpalast. Die Wagen rollen die Würgmenbaschi-Allee hinab. Am Ende der Straße ist der Palast schon zu sehen.

"Ach Schatz", himmelt Bonita ihren Gatten an.

"Ach Hasi", antwortet der, sichtlich betrunkene, Waraluq. Im Verlauf dieser Ehe würde er sicher härtere Drogen benötigen.

Die Blitzlichter der Presse lodern am Straßenrand auf. Zahlreiche Kameras sind auf den Konvoi gerichtet. Laute Marschmusik ist zu hören. Tosender Applaus. Jubelnde Menschen. Gröhlende Menschen. Schreiende Menschen? Aus der Menschenmenge dringt plötzlich eine Gestalt hervor und richtet eine Waffe auf das Auto des Brautpaars. Der Attentäter drückt drei mal ab. Die Menschenmenge gerät in Panik, als sie die drei Schüsse hört.


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