Literaturwissenschaftler

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Der Literaturwissenschaftler ist ein Musterprodukt der wissenschaftlichen Überflussgesellschaft. Während seriöse Forscher wie Chemiker, Astrophysiker, Chaostheoretiker, Linguisten oder Amorologen große Probleme des Pentaversums lösen und Erkenntnisse finden, die auch für den Nicht-Fachmann von Belang sind, reduziert sich das Betätigungsfeld des Literaturwissenschaftlers auf eine Reihe müßiger Aktivitäten und abstruser Theorien, über Autoren und Werke, die eh kein Mensch ließt und die außerhalb des Literaturwissenschaftsbetriebes keinen Regenwurm interessieren.

Verhältnis zu den Literaten

6-Stufen-Modell der Geschichte literarischer Werke mit Berücksichtigung der Arbeitsteilung.

Literaturwissenschaftler und Autoren pflegen zueinander ein überaus komplexes und vielschichtiges Verhältnis, das sich in der Regel zwischen Liebe, Hass und Hassliebe einpendelt. Unzweifelhaft ist jedenfalls, dass sich beide Parteien in einer Zweckssymbiose befinden. Daher haben die jeweiligen Innungen vor langer Zeit ein Gentlemen's Agreement abgeschlossen, das gegenseitige Unterstützung garantiert. Die jeweiligen Aktivitäten sind seither indirekt parallel und bedingen sich gegenseitig: Der Literat schnappt sich beim Spazierengehen einen simplen Gedanken und verwandelt ihn mithilfe einer Reihe magischer Praktiken und geheimer Techniken in ein aufgeblähtes, verworrenes Rätsel (»Literarisches Werk« in der Terminologie der Literaturwissenschaft). Kaum ist so ein Rätsel publiziert, treten die Literaturwissenschaftler auf den Plan und stürzen sich auf das druckfrische Elaborat. Mit nicht minder geheimnisvollen Methoden versuchen sie nun, die Rätsel zu entschlüsseln. Dabei steht ihnen ein riesiges Archiv an bereits entlarvten Techniken der Autoren zur Verfügung (das Erbe der Väter und Väterväter und derer Väter — Frauen sind bei diesem lustigen Treiben noch nicht so lange zugelassen), vermöge dessen sie dem Clou auf die Schliche kommen wollen. Im Idealfall findet er jenen simplen Gedanken wieder, den der Autor verschlüsselt hatte und setzt sich genüsslich an seinen Computer, um über seine Erkenntnis eine Arbeit zu verfassen. Doch auch die Autoren sind nicht untätig und suchen immerfort neue Methoden der Verschlüsselung, sodass weder das Verschlüsseln noch das Entschlüsseln jemals obsolet sein wird.

Verhältnis zu Bücherwürmern

Typische Bücherwürmer stehen mit typischen Literaturwissenschaftlern in keiner besonderen Beziehung. Während sich der Bücherwurm nur dem Lesevergnügen hingeben möchte und das Buch gerne »auf sich wirken lässt«, ist der Literaturwissenschaftler beim Lesen ein besessener Tüftler, der zudem mit der Lektüre noch lange nicht zufrieden ist. Er will alles wissen! Von der Klopapiersorte des Autors über seine peinlichen Neurosen bis zu den geheimsten Tagebucheintragungen. Wo der klassische Bücherwurm in seine süßen Fantasien entschlummert, sucht der Literaturwissenschaftler mit ameisenhaftem Fleiß nach obskuren Symbolen, versteckten Techniken und verwendeten Motiven.

Verhältnis zur Sprachwissenschaft

Man könnte meinen, dass sich sowohl Literatur- als auch Sprachwissenschaftler mit der Materie »Sprache« beschäftigen und sich darob sehr gut verstünden. In Wahrheit ist aber das Gegenteil der Fall und stehen Linguisten und Literaturwissenschaftler in einem immerwährenden Krieg, der nur bei Zwecksallianzen zu einem Waffenstillstand führen kann. Die Gründe für die gegenseitige Ablehnung sind vielfältig. Manche Linguisten nehmen den Literaturwissenschaftlern deren Überheblichkeit, Größenwahnsinn und die Vereinnahmung der großen Fachbereiche übel. Literaturwissenschaftler machen sich wiederum über die Kleinkariertheit der Linguisten lustig, die sich nur »mit Wörtchen und Sätzchen« beschäftigten. Dennoch schmücken sich auch Literaturwissenschaftler gerne mit der Einschätzung, dass sie überaus sprachkundig seien, was aber in Wahrheit einen seltenen Ausnahmefall darstellt. Ein Beleg dafür ist schon die Eigenbezeichnung: Literatur ist ein Schreibfehler, der sich unter Literaturwissenschaftlern durchgesetzt hat. Beschäftigten sich besagte Forscher mit der Sprachgeschichte, wüssten sie auch, dass sie sich eigentlich Litteraturwissenschaftler schimpfen müssten.

Verhältnis zum Rest der Menschheit

Es gibt keine Berührungspunkte zwischen Literaturwissenschaftlern in ihrer Funktion und anderen Menschen.

Fähigkeiten

Zwar legen Literaturwissenschaftler nur bedingt allgemein nützliche Fähigkeiten an den Tag, doch sind die Kenntnisse im Bereich der Ver- und Enträtselung beachtlich und übersteigen nicht selten die Intention der Schreibenden. Sieht sich ein Literaturwissenschaftler etwa genötigt, einen Deutschaufsatz eines Volksschulkindes zu analysieren, ist dies sehr leicht zu erkennen:

  • »Als ich heute aufgestanden bin, war ich noch ganz müde. Ich wäre gerne wieder schlafen gegangen, aber Mami hat gesagt, ich muss zur Schule.«
Isabella, 9 Jahre, Schülerin
  • »Das unerhörte Geschehen wird eindeutig in der Vergangenheit situiert, ist der Beschreibenden also sehr wohl erinnerlich; gleichwohl bringt sie eine gewisse Distanz dem Erlebten gegenüber zum Ausdruck. Sie verweist dadurch subtil auf eine kollektive Müdigkeit, die sich über die Menschheit legt. Das erneute Schlafengehen wird sodann als natürlicher Reflex erlebt, der in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts aber vergebens bleiben muss. Es kommt denn auch zum Ruf des Gesetzes (in diesem Werk allegorisch als Mutter dargestellt), der dieses an sich legitime Ansinnen verweigert. In der Romantheorie der…«
— Anonym, älter, Literaturwissenschaftler

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